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Ich heiße Hans Staud. Meine Eltern: Die Johanna und der Hans. Die Großmutter auch Johanna. Also die haben sich nicht viel Gedanken gemacht, bei der Wahl meines Vornamens. Aber ich finde ihn nett. Bin geboren am 22.8.1948. Bin Sohn in der vierten Generation einer Obst-Großhändler-Familie. Von väterlicher Seite. Und in der dritten Generation bin ich ein Bauernenkerl. Meine Mama ist von Puch bei Weiz, mein Vater hat dort die Äpfel gekauft. Und ... die jungen Mädels wollten ja alle weg vom Land. Und er hat sie mit den Äpfeln gleich mitgenommen nach Wien. '47 war das. Ein Jahr später plangerecht zur Welt gekommen. Ich kann mich noch gut erinnern, wie mich die Mutter in den Großhandelsstand meines Vaters mitgenommen hat. So ab dem zweiten Lebensjahr. Und mich im Winter auch versorgt oder behütet oder gewärmt hatte. Kann mich noch erinnern an den Geruch dieses Petroleumofens. Das war eine Holzhütte - Petroleum hab ich in mir. Und die ... die Freude, zu teilen, mit an der Lust des Geschäftsmanns Hans Staud und seiner Frau Johanna, das hab ich sofort mitbekommen. Ich glaub, das ist im Blut. Auf der anderen Seite den Bezug zur Natur, zu meiner zweiten Heimat, Puch bei Weiz in der Steiermark, das ist auch ganz wichtig gewesen. Aber wie kommt dann ein junger Mann dazu, Obst und Gemüse zu konservieren? Da waren meine Professoren schuld. Auf der Welthandel. Die haben uns das beigebracht. Nicht nur von einer Hand in die andere zu handeln, sondern zu veredeln. Produkte möglicherweise auf die ganze Welt hinausbringen. Sprachen - waren wir ja sowieso super erzogen. Und, ja, die Neugierde in einem jungen Menschen auch zu wecken. Die Neugierde, das Interessante auf der Welt auch persönlich kennenzulernen, das ist uns damals auf der Welthandel mitgegeben worden, ja. Ich beneide keinen jungen Menschen, der nicht einmal am Bauernhof Urlaub verbracht hat. Oder ... Man muss das machen. Ich glaub, das gehörte auch noch in der Erziehung, in der Schule, den Müttern und Vätern schmackhaft gemacht: Die Kinder brauchen einen Bauernhof. Aufgewachsen, wenn ich in der Stadt war, bin ich hier im 16. Bezirk, am Brunnenmarkt. Und wohnen tu ich ebendort. Ja, ich schau auf meinen Markt runter. Ich bin mittlerweile der Marktsprecher geworden. Weil einer muss es ja sein. Eine ehrenamtliche Tätigkeit. Wo man natürlich kein Geld verdient, das ist eh klar. Aber zu mir kommen die Kunden mit Wünschen, Anregungen, Kritiken, was man vielleicht anders machen könnte, und das geb ich dann weiter. Ich bin verbunden mit der Marktamtsdirektion oder mit dem Rathaus. Und da geb ich die Anregungen weiter, und meistens werden sie auch umgesetzt. Und das freut mich sehr! Uns ging's ja alle Tage besser. Auch wenn wir aus ärmlichen Verhältnissen, die meisten Menschen damals, waren. Aber wir haben in die Zukunft g'schaut und gewusst: Es wird jeden Tag besser. Es ist anders wie heute. Auch die ... Schau, der Markt war wichtig, um sich zu ernähren. Nämlich jeden Tag. Es gab zwar Obst- und Gemüsegeschäfte, außerhalb, in den Bezirken. Aber es gab noch keinen Supermarkt. Der erste Supermarkt, wann wurde der gegründet? In den 60er Jahren. Selbstbedienung. Ich hab mich damals geirrt. Der größte Irrtum meines Lebens, unter anderem, war: Die Selbst- bedienung wird sich natürlich nicht durchsetzen. Also man schaue, was heute ist - es gibt fast nur mehr Selbstbedienung. Aber das macht den Unterschied zum Markt aus. Da gibt's die persönliche Bedienung, auch eine Beratung. So, gehen wir wieder zurück in die 60er, 70er Jahre. Da kamen die ersten Supermärkte, die zum Teil ja überhaupt keine Frischware hatten. Mussten die Kinder mit den Eltern ... Für die Kinder war das jedes Mal ein Abenteuer, diese Vielfalt, diese Buntheit erleben zu dürfen. Wenn die Mama, und das ist auch der große Unterschied, die Mama war nämlich zu Hause. Die war nicht erwerbstätig. Die hat aufs Kind aufgepasst. Die Erwerbstätigkeit bei den Damen kam ja erst dann in den 70er Jahren. Klar, Kindergarten - Kind nix mehr am Brunnenmarkt ... Und dann haben ja die Supermärkte auch Frischware eingeführt. Was heute für uns alle selbstverständlich ist, war damals eher die Ausnahme. Frischware: Obst und Gemüse im ... Ich sag jetzt keine Namen, aber es sind eh alle, die bekannt sind. War nicht vorhanden. Also mussten die Mütter ja damals gehen auf den Markt, wenn sie frisches Obst, wenn sie frische Vitamine haben wollten, mussten sie auf den Markt gehen. Und das ist die grundlegende Änderung zu heute. Da hat eine gelebt, die hat den ganzen Tag Kunden akquiriert. Gerufen und mit einem Schmäh. Ich kann mich erinnern, die hat am Vormittag 1000 Kilo Äpfel verkauft. Die hatte nichts anderes als Äpfel. Und zwar hat die zehn Sorten Äpfel verkauft, die hat sie probieren lassen, Messer, ein Achterl, Spalterl. "Kosten S', gnä' Frau!" Und die hat die Äpfel jeden Tag weggebracht! Zu Mittag ist sie gekommen und hat bezahlt. So war das damals! Sofortige Bezahlung. Freiwillig. "I wü kaane Schulden ham!" Auch ein Unterschied zu heute. Das war nicht marktschreierisch, wie man das heute vielleicht verstehen würde, das hat so einen Charme gehabt. Das war witzig, da ist der Schmäh g'rennt. Ich hab ... Ich hoffe, ich hab ein bissl Schmäh von meinem Vater. Ich kenn nichts anderes, seit meiner Geburt, als den Markt und die Bauern und die ländliche Bevölkerung. Und ich freu mich auch ... Also, wenn man heute von Kinderarbeit redet, das war damals selbstverständlich. Jedes Kind hat ja gern gearbeitet. Wir wollten ... Als Ausgleich zur Schule, zur Volksschule oder zum Gymnasium, war nichts Schöneres, als meinen Eltern im Geschäft zu helfen. Oder mit meiner Großmutter mit dem Stier gehen und den Pflug ziehen. Der kleine Bub und die ... Es ist interessant - diese großen Tiere, welchen Respekt die gehabt haben vor mir - der kleine Bub. Aber ich hab ihnen immer die Fliegen und die Bremsen weggejagt oder zerdrückt. Damit's angenehmer ist. Der Onkel ist mit dem Pflug hinterher, und der kleine Bub hat dieses große Tier, 600, 700 Kilo schwer, geführt. Und die haben sich von mir auch wirklich führen lassen. Das ist doch interessant: Ein Sechs-, Siebenjähriger ... Also den Respekt, was das Tier hatte, mir kleinem G'schrappn gegenüber. Aber ich hatte auch den Respekt dem Tier gegenüber. Und das spüren sie. Also meine Eltern haben vornehmlich mit Obst, ein bisschen mit Gemüse gehandelt. En gros gehandelt. Der Brunnenmarkt war damals ein ... Hat damals noch geheißen, hier, der Großhandel, dieses Karree: Yppenmarkt. Das war der Unterschied zum Brunnenmarkt, das war ein Detailmarkt. Diesen Teil des Marktes nannte man Yppenmarkt. Und wir waren wichtige Versorger für die Bevölkerung, für Westwien. Am Naschmarkt, die meisten wissen das gar nicht, war ja auch ein Großmarkt. Da hab ich meine ersten Gemüse eingekauft. Von den burgenländischen Bauern. Wie ich damals schon Gurken eingelegt habe. Am hinteren Teil war der Großmarkt. Und dann sind die, ich schätze vor 35 Jahren, sind beide Großmärkte nach Inzersdorf auf den Großgrünmarkt. Den hat's vorher noch nicht gegeben. Er ist relativ jung. Und war natürlich aus logischen Gründen weit weg von Wohnhäusern. Weil die haben ja schon in der Früh angefangen zu klappern. Und die Leiterwägen waren ja auch nicht die leisesten. Weil die waren beschlagen. Nicht mit Gummi, kein Gummirad, sondern mit einem Holzrad und einem Beschlag rundherum. Also, die haben schon einen Wirbel gemacht. Bin ich dann ... Im Winter hab ich dann zugestellt vom Vater. Vorn mit der Deichsel hab ich die 800 Kilo Äpfel gezogen, im Schnee war's damals schon sehr hart. Aber da hab ich Verstärkung bekommen, da hat mir meine Schwester geholfen. So wie ich 14, 15 war. Haben wir die ganze Brunnengasse, den ganzen Brunnenmarkt beliefert. Mit Äpfeln. Dann Zitronen, dann Bananen. Ja, das war halt, je nach Jahreszeit, unterschiedlich. Also, der einzige Luxus, den wir hatten, wo ich mich wirklich erinnern kann, waren Zitronen. Dann kamen fallweise Orangen dazu, im Winter. Und nach und nach die Bananen. Das waren die 50er Jahre und beginnenden 60er Jahre. Eine Gurke zur Belohnung gab's. Aus Glashäusern in Bulgarien, zu Weihnachten. Eine Gurke! Kann mich noch genau erinnern. Die hat 14 Schilling gekostet. Das war eigentlich ... Da musste man dafür zwei bis drei Stunden arbeiten. Es gab auch kein Tiefkühl. Die ersten Tiefkühlprodukte sind dann Ende der 60er Jahre gekommen. Mit Spinat ... und Erbsen. Das waren die ersten Produkte. Alles andere, was wir heute im Überfluss kennen, oder wenn man das Milchregal anschaut, wie viele Jogurts es gibt oder was es heute an Fertiggerichten ... Es war einfach nicht da. Die Leute haben alles selber gekocht. Es hab kein Fast Food oder kein Convenience Food. Convenience ist hoffentlich bekannt? Darf ich's kurz erklären? Das sind schon ziemlich fertiggestellte Speisen, die man nur mehr ... Also Convenience ist z. B. ein vorpaniertes Hendl. Das brauch ich jetzt nur kurz ins Öl geben, ins Fett geben. Convenience ist auch ein vorgeschnittener Obstsalat. Den finden Sie im Kühlregal. Ja, und vorgeschnittene Äpfel. Weil die Leute sind heute viel zu bequem, einen Apfel zu schälen und dann in Spalterl zu schneiden. Oder für den Apfelstrudel in Scheibchen zu schneiden. Ja, das ist so. Also, es haben damals wirkliche Wiener ... Was ist ein wirklicher Wiener? Ist auch ein zusammengemischtes Volk gewesen, von der k.k.-Zeit. Super! Der Schneider hat ewig "geböhmakelt", er war der beste Schneider. Und der Schuster hat mich zuschauen lassen, wie er die Sohlen ... Diese Holzstifte da hineingeklopft hat. Der konnte auch nicht Deutsch, richtig. Die Nachbarin war eine Tschechin. Hat "geböhmakelt". Hat dann einen österreichischen Mann halt gehabt. Also, so war diese Mischung damals. Die erste Gastarbeiterbewegung, Gott sei Dank, muss ich sagen, weil ohne die gäb's die Firma Staud nicht, kam in den 70ern. Ende der 60er Jahre, beginnende 70er Jahre. Zum einen Teil türkisch, zum anderen Teil jugoslawisch. Sag ich jetzt bewusst, weil das hieß ja damals Jugoslawien. Und da kamen dann die ersten Leute. Da hab ich schon meinen Betrieb gehabt, Ich hab den Betrieb '71 begonnen, noch während meines Studiums. Und vorher hat mir die Oma geholfen, die Mama, die Schwester geholfen. Und dann ist aber ... Die haben ja auch alle gearbeitet. Und habe gesagt, nein, du musst dir jetzt Leute suchen. Das Schwierige ist ja, wenn man ein Einpersonenunternehmen ist, ein sogenanntes EPU, Einpersonenunternehmen, ist es schon eine große Entscheidung: Halt - jetzt hab ich Verantwortung für einen Mitarbeiter. Was ist das? Den muss ich anmelden, bei der Krankenkasse, dann muss ich Lohnsteuer abführen, Lohnverrechnung machen. Und da überlegen sich sehr viele ... .. kleine oder im Entstehen befindliche Unternehmer, ob sie jetzt ein Unternehmen oder ob sie ein Einpersonenunternehmen bleiben sollen. Einpersonenunternehmen kann ich mir eigentlich nur mehr vorstellen, wenn ich zu Hause am Bildschirm sitz und programmieren tu. Oder ich bin in der Dienstleistung. Biete ... weiß ich nicht, Fußpflege oder sonst im Sozialbereich etwas an. Aber dann, den Schritt in das Mehrpersonenunternehmen zu wagen, das ist schon ein schwerer Schritt. Auch eine ... Man übernimmt ja Verantwortung. Mittlerweile ... Also ich bereue keinen Schritt. Ich habe Verantwortung für ... jetzt momentan für 44 in Wien, für 25 in Burgenland. Mitarbeiterinnen. Und - und das ist das Schönste, und da sind wir wieder bei meinen Bauern - ich habe Verantwortung für 100 Bauern. Und ist doch auch schön, wenn man im Leben sagen kann, ich arbeite nicht nur für mich, sondern die Allgemeinheit soll auch was haben davon. Das ist wichtig. Ich weiß, was Integration heißt. Ich bin ein Standlerbub aus dem 16. Und ich bin in den achten Bezirk in die Schule gegangen. Sowohl in die Volksschule bei den Piaristen als auch dann nachher ins Realgymnasium in die Albertgasse. Und ... Integration - weiß ich genau, was das ist. Weil die haben zu mir gesagt, das waren lauter bessere Beamtenkinder, auch dann auf einmal der Sohn vom ... also, der Enkel vom Bundespräsidenten Schärf auf einmal ... Wir sind acht Jahre nebeneinander gesessen. Super Freunde geworden. "Aber dass der Bub halt von außerhalb dem Gürtel ..." "Ein Standlerbub ... na ja ... das sehen wir nicht so gern." Mich hat dann einzig gerettet, dass ich dann halt fleißig war. Ich musste ja einfach fleißig sein, ich musste mich ja beweisen, meinen, meinen Kameraden. Da haben sie dann ein bisschen Respekt gekriegt, und dann war ich halt auch ein fescher Bub, ja. Und mir sind natürlich die Mädels zugerannt und den anderen halt nicht so. Da ist natürlich der Respekt gekommen. Das ist dann mit der Tanzschule dann, wo wir alle ... Der eine Teil zum Elmayer und der andere Teil natürlich zum Fränzl. Und das waren ewig die Fehden, welche Tanzschule dann besser ist, wer militanter ist. Ich würd sagen, der Fränzl war damals sehr militant. Hat uns ja nicht schlecht getan. Wir haben gutes Benehmen gelernt. War auch ein Luxus, es konnten nicht alle in die Tanzschule gehen. Weil halt manche nicht einmal dieses Geld gehabt haben, was mein Papa gehabt hat. Und sich die Tanzschule nicht haben leisten können. Aber ich habe auch sehr viel gelernt, sowohl vom Brunnenmarkt als auch von der Schule. Beim Brunnenmarkt war's so, da waren die ersten LKWs, die Kraxen da, die die Ami dann hinterlassen haben. Der Dodge, der alte, wo die ... die Fenster, die Frontscheiben nach außen aufzuklappen waren. Und Erdgas. Also Gas mussten wir tanken! Und sind nach Simmering gefahren. Und da waren unten so Gasflaschen, und die sind befüllt worden. Dann ist der Vater wieder eine Woche ausgekommen. Und hat zustellen können. Das war der Dodge. Aber wenn der Nachbargroßhändler gesagt hat: "Heast, mei Auto geht ned, is mir eingangen." Dann war's aber selbstverständlich, dass mein Vater den Dodge hergeliehen hat. Man hat sich so geholfen am Markt. Auf der anderen Seite haben wir unseren Kollegen zusammengesteuert, wenn die gesagt haben: "Naa, wir können uns den ... Die eine Woche Skifahrn ned leisten." Oder die Landwoche. Da haben wir anderen Kollegen alle alle dazugezahlt. Selbst bei der Maturareise - haben sich nicht alle leisten können. Wir haben, das war selbstverständlich, mitgezahlt. Damit der Bub da nicht allein in Wien bleiben muss. Damit er das mitgenießen kann. Die Maturareise. Diese Zusammengehörigkeit, dieses Zusammenhalten, das hab ich, wie gesagt, vom Markt und von der Schulklasse. Also es waren die Zeiten nicht so gut wie heute, aber das Zusammenhalten war vielleicht besser als heute. Und wir haben noch alle gekannt im Grätzl. Und heute kennt man nicht einmal seinen Nachbarn mehr. Und da ist die ältere Dame gekommen und hat gesagt, von vis-à-vis: "Hansi, moch dir kaane Surgn!" Weil die hat immer in der Früh das Rollo aufgezogen. "Wenn jetzt des Rollo unten bleibt - moch dir kaane Surgn, i bin zwa Wochn weg." Ja. Weil wenn's herunten blieb, haben wir uns Sorgen gemacht. Wie geht's der, ist die krank oder sonst was passiert. Ein Standl neben dem anderen, bitte! Montag dann schon nicht mehr so. Weil da hat man die Reste vom Wochenende aufgegessen. Das ist klar. Das, was am Sonntag ... Es gab meistens eh nur einmal in der Woche Fleisch, und da war halt ein Backhuhn oder ein Wienerschnitzel dran. Unter der Woche maximal, kann ich mich erinnern, ein Faschiertes. Oder Spaghettinudeln mit einem Faschierten, mit Sauce. Aber wir sind nicht sehr, Gott sei Dank, bereue ich nicht, fleischverwöhnt gewesen. Heute muss man ... Weil Fleisch geht natürlich schnell. Zack, hinein - und es ist schon fertig. Das ist ein schnelles Kochen. Aber die Eiernockerln, das dauert halt länger. Oder ein Schmarrn. Was ich nie wollte, war dieser ... Semmelschmarrn, was da alles drin war ... Oder so eingebrannte Fisolen. Und sag ich: "Mama, der Papa hat das halt so gern." Mit Dill und Gurkerln und die Einbrenn - ich hab sie gehasst. Da hat ich gesagt: "Mama, ich mach dir jetzt einen Vorschlag: Du kochst ja zuerst die Fisolen. Und da gibst du mir einen Teil. Der Papa kriegt die Einbrenn und ich krieg's natur." Damit war die Geschichte erledigt. So einfach geht's! Na, ich war schon sehr heikel. Also leicht haben's die Eltern nicht mit mir gehabt. Aber vielleicht ist das das Kapital für heute. Also, die Erinnerung an die Volksschulzeit damals war für kein Kind positiv. Nur: Kinder sehen das anders. Die gehen auch in den Bombenschutt, in die Bomben ... Es war ... Schauen Sie es sich an, wenn die da gehen - es war mehr als 60 Prozent kaputt. Das war im 44er Jahr. Die Ami hatten keinen Angriff geplant, damals, an dem nämlichen Tag, wo mein Großvater und 21 Menschen in unserem Haus in der Hubergasse ums Leben gekommen sind. Sie mussten die Bomben abladen und hatten aber ... Es gab keinen Raum. Wir hatten Bunker im ... am Yppenplatzpark. Wir hatten gute Keller. Jedes Haus hatte relativ gute Keller. Und die Leute waren alle in den Wohnungen. Die sind alle umgekommen. Die haben die Bomben abgeladen, weil sie nicht zum nächsten ... .. Fliegerhorst zurückgekommen wären. Die waren zu schwer. Also haben sie's auf die Bevölkerung ... In den anfänglichen 40er Jahren haben sie's wenigstens ... .. im Wienerwald getan. Im nicht bewohnten Gebiet. Und drum durften wir keine Ausflüge machen. Das war gesperrt. Wir ... Also da rauf, Galiziberg, die meisten Waldabschnitte waren ja auch gesperrt. Weil sie noch nicht entschärft waren. Diese Bomben, die da gewesen sind. Oder untersucht waren, ob noch was aktiv ist. Und gespielt haben wir unter dem Eindruck des Geruchs von Unkraut. Und dann kamen schon die ersten Hunderl, da war schon ein gewisser Wohlstand da, hat man sich einen Hund gehalten. Und die haben halt dort in diese Grube auch hineingemacht. Aber das macht ja einem Kind nichts. Das waren Eindrücke von damals. Und wenn wir über den Gürtel drübergegangen sind, war das ... Ich glaub, wir waren Franzosen hier. Das waren ... Der Gürtel war die Grenze von den vier Mächten. Und dann kamen, glaub ich, die Engländer. Ich glaub schon. Am Anfang waren die noch relativ streng zu uns. Und dann haben s' uns, na, dann haben s' uns schon Zuckerln gegeben, Schokolade, haben gesagt: "Bua, komm nur umme!" Haben uns geholfen, beim Rübergehen. Damit wir sicher in die Piaristenschule gehen. Das waren schon dann positive Erinnerungen auch an diese Zeit. Beim Markt, da ... Wie gesagt, bis auf den Montag, der Markt war jeden Tag voll besetzt. Bei uns heroben nur vormittags, das war klasse. Und in der Brunnengasse vormittags und nachmittags. Bei uns war immer nur vormittags. Ja, aber da sind die Leute auch lieber zu uns gegangen. Wir hatten das schönere Sortiment und waren billiger noch dazu. Und wir hatten mehr Vielfalt. "Bei uns heroben" mein ich jetzt: dort, wo der Yppenplatz ist. Und unten ist so die Brunnengasse Richtung Thaliastraße, Wir sagen ja nicht Tha'lia, das sagt ja nur ein Fremder. Es heißt 'Thaliastraße. Ah - wissen Sie, wo die Uraufführung von Wagners Tannhäuser war? Bei uns, im Thalia-Theater. Ecke Thaliastraße/Gürtel war das Thaliatheater, ein Holzbau. Das ist damals nicht mehr so gut gegangen. Ich habe immer geglaubt, es ist abgebrannt, aber nein, sie haben's abgerissen. Hat sich nicht rentiert. Aber wer weiß das schon, dass Richard Wagner hier war und seine Uraufführung geleitet hat. Doch interessant. Denkt man nicht unbedingt. Aber es gibt ja den Richard-Wagner-Platz, auch als Andenken dazu. Und wo ist der "Gschupfte Ferdl?" Na da, auf der Neulerchenfelder Straße! Ja, wir haben ein bissl auch was von der Historie. Wir sind ja nicht ganz unbekannt. Wenn man ... .. Bronner nachher und vorher Qualtinger ... "Der Gschupfte Ferdl" spielt hier, ja. Also so ... so ein Gebiet sind wir. Na ja, und wenn ich jetzt vorgehe ins 19. Jahrhundert, da waren wir ja noch gar nicht eingemeindet. Also Ottakring ... wir heißen hier ja nicht Ottakring. Hier, momentan sitzen wir im Dorf Hernals, vor 200 Jahren. Und drüben ist, über der Ottakringer Straße, ist ja Neulerchenfeld. Weil Ottakring war ja draußen. Richtung Galiziberg. Das war Ottakring. Und ... hier in Neulerchenfeld, nahe des Gürtels, war vor 150, 170 Jahren jedes zweite Haus ... Also es hat damals geheißen, jetzt muss ich mich ganz kurz erinnern: "Des Heiligen Römischen Reiches größtes Wirtshaus mit Schankgerechtigkeit." Schankgerechtigkeit! Weil Neulerchenfeld noch nicht eingemeindet war bei Wien. Wir hatten ganz niedrige Steuern, wenn überhaupt. Wir hatten Privilegien. Also sind die Leute vom achten Bezirk und vom siebenten zu uns fressen und saufen gegangen. Weil's billig war und gut. Und dann sind s' wieder zurück. Das war ja der Linienwall, der Gürtel. Und wir sind ja erst, ich schätze vor 120 Jahren... Ottakring ist erst vor 120 Jahren eingemeindet worden. Gegen Widerstand der Bevölkerung, natürlich! Das wollte man nicht. Ja, dann hat's höhere Steuern gegeben und Zölle und so fort. Ich erinnere mich, wie ich ins Halbinternat ging, so mit elf, zwölf, in die Albertgasse. Weil die Mama ja gearbeitet hat, oder sich ausrasten musste, weil sie ja schon in der Früh immer aufgestanden ist, haben die uns ins Halbinternat gegeben. Und da war eines Tages im Mitteilungsheft drinnen gestanden, vom ... Aufseher, wie hat der geheißen? Weiß nicht, wie das damals geheißen hat. Der auf uns halt aufgepasst hat, beim Lernen. "Der Sohn isst das Marmeladebrot nicht." Ist im Mitteilungsheft. "Papa, bitte, du musst das unterschreiben. Nicht die Mama, du." Der Vater ist dann am nächsten Tag ... Ich hab das abgegeben, und er ist am Nachmittag gekommen. Und bei der Jause, das Brot war grauslig, die Marmelade noch grausliger, der Tee war einigermaßen irgendwas. Hat der Vater sich in der Pause zu uns gesellt und probierte das Marmeladenbrot. Und ging dann zum Aufseher und hat gemeint: "Recht hot er, der Bua, dass er des ned isst!" Ist doch auch nett. Das war aus Kisten. Ja, jetzt kommt's wieder langsam, das waren so Holzkisten, da war eine rote Masse drinnen in der einen und in der anderen eine orange gefärbte. Also sollte Marillen vortäuschen und das andere wahrscheinlich Erdbeeren. Nur: Beide haben sie gleich geschmeckt. Nur süß und grauslig. Das sind die Erinnerungen ... Vielleicht hab ich deswegen Marmelade gemacht, aus Justament, oder "ich will's denen zeigen, wie's geht." Könnte auch sein. Das waren ja mächtige Streitereien, in der achten Klasse. Der Klassenvorstand, der gleichzeitig Deutschlehrer war, unser Professor in Deutsch war und Musikprofessor war ... Ich hab mich für Musik entschieden, statt Zeichnen. Zeichnen - da kannst mit mir nichts anfangen. Das Musikalische habe ich von der Vaterseite. Der war ein wunderbarer Violinist und Klavierspieler. Neben der harten Arbeit! Ich frag mich, wie das gegangen ist. Violine spielen. Aber wunderschön! Diese Dinge, die wir dann zum Schluss gespielt haben, die spiel ich ... Ich hab immer am Klavier begleitet und er auf der Violine. Aber das ist ... für mich zu heavy, die spiel ich seit damals nicht mehr. Und da war der Streit. Der Vater hat auch gut streiten können und einen Dickschädel ... Also, ein richtiger Steinbock, wie die Mutter. Die sind beide Steinböcke und ich ein sanfter Löwe natürlich. Da ist natürlich die ... Aber alle drei waren wir nicht nachtragend! Also man braust auf, damit ist das Problem gelöst. Und Nachtragen gibt's nicht. Hat's nie gegeben bei uns. Am nächsten Tag war wieder alles in Ordnung. Der Vater ist vorgeladen worden vom Musikprofessor. Er wollte unbedingt, dass ich eine Celloausbildung bekomme. "Der Bua is a begnadeter Cellist." Mein Vater hat gestritten, hat gesagt: "Naa, mit der Musi kann er sich kaa Geld verdienen. Er soll wos G'scheids lernen." So hab ich dann in dem einen, dem achten Jahr, vor der Matura ... Wir hatten natürlich so Vorträge, das gab's schon damals, Filme gesehen über Berufe. Wie schaut der Beruf aus und so. Dass man sich entscheiden kann, als junger Mann. Da hab ich gesagt, okay, jetzt bin ich so nahe an der Wirtschaft dran, hab das in mir, Gott sei Dank, und hab Welthandel inskribiert. Und, ja, hab das fertig gemacht. Ich hab das im Radio gehört. Auf der Straße waren Zeitungsausträger, "Sonderausgabe! Sonderausgabe!" Die haben laut gerufen. Dann bin ich heulend ... Ich hab das nicht kapiert. Ich war so hoffnungsfroh, dass sich da etwas ändern wird. Und das hab ich überhaupt nicht kapiert, dass dieser Traum so blutig zu Ende gehen muss. Das waren ja doch unsere Nachbarn, früher waren wir ja ein Land, k.u.k. Wir hatten sehr viele persönliche Bezüge auch zu Tschechien, oder damals noch die Tschechoslowakei. Weil ja sehr viele von den Nachbarn Böhmen waren oder Mähren. Wir haben ja miteinander gelitten. Und es war katastrophal. Also für mich ... Da war ja keine Schule, das war ja im Sommer. Das war ja Spätsommer, natürlich! Entschuldigung, jetzt bin ich daneben gewesen. Es war zwei Tage vor meinem Geburtstag. Drum war ich ja da, sonst wär ich eh in der Vorlesung gewesen. Und das war ... Ich glaub, ganz Österreich - also Schock kann man das gar nicht nennen, wir waren in Agonie, Ohnmacht und ich weiß nicht, was noch ... Aber das wir auch so ... denen Möglichkeiten gegeben haben, auch die Leute, die damals grad da waren, Es war ja nicht mehr so streng an der Grenze. Dass die auch hier bleiben konnten, wenn die nicht zurückwollten. Auch - wir haben ja zuerst über das Zusammenhalten gesprochen - auch ein Beweis. Zusammenhalten tun wir schon. Ich glaube, das war absolut kein Thema auf der Hochschule für Welthandel, die Studentenrevolten oder der Aufstand der Studenten. Das hat sich meines Wissens, glaub ich, nur an der Hauptuni abgespielt. Ich glaube auch nicht, dass es an der Bodenkultur ein Thema war. Also, bei uns mit Sicherheit nicht. Also, begonnen hat das ja mit den Beatles. So '64, '65, ja. Und ich hab dann auch längere Haare gehabt. Die Professoren am Gymnasium haben das toleriert. Es war ja nicht extrem lang. Nur: Der Betriebswirtschaftsprofessor an der Wirtschaftsuni, also damals noch Welthandel, der war aufsässig. Der hat mich durchfallen lassen wegen der langen Haare. Und andere auch. Und die Mädels auch. Der ist also sehr gegangen auf Äußerlichkeiten. Also wir waren fein g'sacklt, Anzug, Maturaanzug, damals. Wir haben uns nicht alle Jahr einen Anzug leisten können. Aber die Haare haben ihn gestört. Und ich wollte sie mir nicht schneiden lassen. Dann bin ich zurückgetreten von der Prüfung, hab Gott sei Dank einen anderen bekommen. Den hat das nicht gestört. Was ich jetzt sagen will: Die Studenten auf der Hochschule haben unterschiedlich ... Längere ... Was war länger? Es waren längere Haare, aber nicht schulterlang. Das war kaum einer. Ich musste ja auch Rechnungen schreiben. Ohne Gewerbe kann man keine Buchhaltung haben, keine Rechnungen stellen. Und die Mutter hat mich geschützt, und ohne Wissen des Papas hat sie Fakturen geschrieben in die Buchhaltung vom Papa. Und der hat sich dann gewundert, warum sein Gewinn so hoch ist. Weil er musste ja Einkommenssteuer zahlen. Und da kam's natürlich zum Eklat. Hab ich gesagt, Papa, reg dich nicht auf, das ist fast ein Zwang für mich, dass ich das mache. Die Wurzeln sind eh von dir und von der Mama, also reg dich nicht auf. Und ich hab ihm dann die Steuern zurückgezahlt. Das war urschwer, einen Gewerbeschein zu bekommen. Man musste 24 Jahre alt sein, das kam noch von der Maria Theresia. Dann musste man einen Befähigungsnachweis haben und eine Lehre. Und das habe ich alles nicht gehabt. Und jetzt hab ich Dispensen mir ... Das hat natürlich Geld gekostet. Nicht so, wie manche glauben, nur diese, diese ... .. Ansuchen, und da hat's ja diese Stempelmarken gegeben. Und für mich war das sehr viel Geld, sehr viel Papierkram. Und dann hab ich drei Dispensen bekommen. Dispens heißt Ausnahmeregelung. Und geholfen hat mir dann meine Diplomarbeit: "Über die Fortschritte in der Entwicklung der europäischen Konservenindustrie." Ich hab mir meine Diplomarbeit wirklich sehr hart erarbeitet, ein ganzes Jahr lang. Bin sehr viel in Deutschland unterwegs gewesen. Hab mir Betriebe anschauen dürfen und hab deutsche Seminare gemacht. So hab ich mir mein Wissen, auch mein praktisches, dann angeeignet. Also, ich war kein Abschreiber. Natürlich haben wir zwei Handbücher gehabt, die wir zitiert haben. Jeden Satz. Das Interessante war, der Professor wollte mir kein Sehr gut geben. Das war in Technologie. Das war möglich auf der Welthandel, über solche Dinge zu schreiben. Technologie. Der Professor hat mir deswegen nur ein Gut gegeben, weil er meinte, acht Seiten über Umwelt sei ja doch zu viel. '71. Drum hab ich nur ein Gut bekommen. Mich hat das wirklich interessiert. Ich mein, das Wort "Abfall" will man ja gar nicht in den Mund nehmen, das gibt's ja nicht oder gibt's wenig. Es gibt einen Biomüll, den kann der Bauer wieder aufs Feld ... Die Krautblätter, die halt abfallen, die kann der Bauer wieder mitnehmen. Und biologische Kläranlagen - bin ich schon damals darauf eingegangen. Und dem Professor war das unverständig. So ändern sich die Zeiten! Womit hab ich dann bei den Konserven begonnen? Mit welchen Produkten hab ich begonnen? Ich erinnere mich: mit sauren Essiggurken, mit Kren. Kren war meine Leidenschaft. Ich war der Erste oder einer der Ersten, mit der Erste ... Aber ich hab den Kren so gerne gehabt und ihn in süß-saurer Lake eingelegt. Da gibt's noch ein Foto davon, das hab ich jetzt einmal gefunden. Da stand dann drauf: Hans Staud Junior. Weil ich musste mich ja von meinem Papa unbedingt abheben. Das war der Hans Staud, der Senior, und ich war der Junior. Dann Gewürzgurken und Marillenkompott. Sie werden mich jetzt fragen, warum Marillenkompott. Das ging damals in Unmengen. Ich hab schon zuerst gesagt, es gab kein Tiefkühl. Und man hat ... Also, der Obst- und Gemüsekonservierer hat das, die Sommersonne eingeweckt, sagen die Deutschen, eingerext sagen wir, oder eingekocht oder eingemacht. Würde man sagen. Eingemachtes. Also, wir haben die Zeiten des Sommers hinübergeholt in den Winter und in das Frühjahr, damit die Leute, "hm...", verzückt diese Produkte aus dem Sommer essen konnten. Und dann, kann ich mich erinnern, hatten wir eine Zeitlang Probleme, weil da wurden Unmengen an Pfirsichkompottdosen importiert, aus Irgendwo. Und Ananaskompottdosen. Das waren die zwei Kompotte, die aus dem Ausland kamen. Die Leute waren gierig auf die Pfirsiche und die Ananas. Wir bekamen zu Weihnachten eine Dose Delmonte, da waren vier Ananasringe drinnen. Das war unsre Weihnachtsüberraschung. Also jeder von uns, meine Schwester, meine Mutter, mein Vater und ich. Eine Ananasscheibe. Zu Weihnachten. So waren die Zeiten. Und wir haben dann halt aus dem heimischen Obst und Gemüse dann ... eben das konserviert. Und das ist auch gekauft worden. Wir haben damals dann schon den Julius Meinl bekommen, das ist ... damals 50.000 Gläser Marillenkompott bekommen im Jahr. Was verkaufen wir jetzt? 8000-10.000. Es gibt ja das ganze Jahr alles. Die Leute kaufen im Winter Kirschen aus Südafrika. Oder Chile. Das muss ich ja nicht haben! Ich freu mich auf die ersten Erdbeeren von unseren österreichischen Bauern. Nein. Ab Februar werden sie kommen, die Erdbeeren. Aus Ägypten. Oder sonstwo her. Nur die Chemie, die steht nicht drauf. Das war dann in den 74ern, 75ern, wie ich meinen Entschluss gefasst hatte, weil ich schon relativ gute Kunden gehabt habe, es ging alleine einfach nicht mehr weiter. Und dann hab ich mir gedacht, weil das hab ich ja ein bissl gelernt gehabt, Lohnverrechnung, auf der Welthandel. Und ich hatte eigentlich keine Angst, mir Mitarbeiter aufzunehmen, obwohl ich gewusst habe, das ändert sich jetzt vollkommen, alles. Ich muss sie anmelden, ich muss alle Monat die Löhne bekannt geben, ich muss die Lohnverrechnung machen. Das hab ich damals alles selber gemacht. Ich kann mich noch erinnern, an diese fürchterlichen Lohnsteuertabellen und die Papiere, auf denen die Krankenkassen die Beitragshöhen festgelegt hatten, je nach Lohn unterschiedlich. Das waren dann immer so Sprünge drin. Und ... Da kamen ... anklopfenderweise, "Chef, brauchen Arbeit!" Das war, was die gewusst haben. Und hier in der Umgebung waren damals Jugoslawen. Die haben hier gewohnt. Wollten eigentlich für ein, zwei Jahre hier arbeiten. Das viele Geld, das sie dann zum Unterschied zu Jugoslawien hier verdient hatten, wollten sie nehmen und wieder zurück nach Jugoslawien und dort Haus bauen. Die meisten sind aber geblieben. Fast alle sind geblieben. Und für die ist Österreich jetzt die neue Heimat geworden. Meine Schulkollegen haben mich angefeindet, weil ich Serbisch gesprochen habe und mich auf die Stufe der Mitarbeiter stelle. Die haben mich geächtet. Jetzt wollen sie wieder Freunde sein, weil aus mir was geworden ist. Aber die konnten sich nicht vorstellen, dass ich mit der "Kaste" etwas näher befreundet bin. Und ich bereue es nicht. Ich habe '75 die erste naturreine Konfitüre in Österreich gemacht. Mit meinem Stempel dann drübergestempelt: naturrein. Und da war vom Kollegen aus Tirol noch nichts zu sehen, zu hören. Und dann kam er auf die Idee, 1985, naturrein draufzuschreiben. Und Marketing hab ich ja gelernt - zwei können nicht das Gleiche drauf stehn haben. In der Sekunde war das Wort "naturrein" bei mir weg. Und ich hab gesagt, es muss die Marke "Staud" alleine auch die Kraft haben, Staud, oder Staud's Wien, Herkunftsbezeichnung ist nicht schlecht, ist auch durchaus wohlwollend aufgenommen worden. Mittlerweile könnt ich das "Wien" auch weglassen. Aber warum sollte ich? Ich steh zu meiner Heimat. Ich steh zu Wien, wir haben gute Kooperationen mit "Wien-Tourismus" mittlerweile. Unser Bürgermeister ist happy und sagt: "Du bist schon so a bekannte Marke wie 's Bier oder die Schnitten." Sind alles meine Nachbarn hier. "Und wir sind stolz, dass du Wien drauf hast." Ja, ich bin auch stolz. Ich steh dazu, es ist meine Heimat. Das bleibt so. Warum ich hier geblieben bin? Das ist ganz einfach. Erstens einmal lebt meine Mama da. Zweitens ist's meine Heimat. Drittens die Erinnerung an den Papa. Ein Teil meiner Heimat. Ich bin sechs Jahre, zusammengezählt, in Puch bei Weiz groß geworden. Bei meiner Großmutter. Und ja ... Und noch was, was ganz wichtig ist: Also, wir haben so ... 90er Jahre war absoluter Tiefpunkt, zwischen '90 und 2000. Eine Depression hier am Brunnenmarkt. Es sollte der Yppenmarkt abgerissen werden. Stattdessen ein acht- bis zehnstöckiges - das muss man sich vorstellen! - Haus gebaut werden mit, was weiß ich, Kindergarten und Büro. Und das und jenes. Und dann gab es 1995 ein Bürgerbeteiligungsmaßnahmeverfahren. Das hat fünf Jahre gedauert. War ich auch dabei. Also Wirtschaft, Verkehr, Wohnen, Social. Alles das war dabei. Hat sich endlos lange ... Weil da sind natürlich sehr viele Leute auch immer dabei, mitdiskutieren, die sich selber sehr gerne reden hören. Und wenn der Moderator nicht eingreift, drei Minuten oder fünf, wenn der eine halbe Stunde redet. Das war immer abends, da bist schon hundsmüd geworden. Aber rausgekommen ist dabei, und das ist dann 2000 festgestanden: Der Markt wird nicht abgerissen, er wird sanft saniert. Und es kommt auch kein großes Haus her, weil die Bevölkerung braucht im dichtverbauten Gebiet auch Plätze, wo man das Auge schweifen lassen kann. Gut. Hab ich gesagt, so, jetzt hab ich keinen Grund mehr, hier wegzugehen. Weil das Grundstück kann uns nie gehören, das ist eine Stiftung und gehört dem Marktamt. Das kann uns nicht gehören. Und ich hab im 95er Jahr gesagt, hier neu zu bauen und nicht wissen, was in Zukunft passiert, was hinstellen und dann vielleicht noch entsorgen müssen, das kann ich mir nicht leisten. Drum musste ich so lang zuwarten. Wie die Allgemeinheit dann erfahren hat, dass ich hier neu baue, haben alle gesagt: "Jetz wiss ma, da Staud hat an Huscha." "Warum investiert er ..." - damals noch in Schillingen gedacht, im Jahr 2001/2002 kam der Euro, in Euro bezahlt. "Warum investiert er da und geht ned am Naschmarkt?" Haben sich alle gewundert. Vier Millionen Schilling. "Die hätt'st ja viel besser am Naschmarkt anlegen können." Sag ich: Nein. Das ist mein Grätzl. Und wenn jeder sein Grätzl aus den Augen verliert, und nicht diese Zelle, die ganz wichtig ist für uns alle ... Weil Grätzl gibt's nicht nur da, die gibt's in New York, Tokio, die gibt's überall. Und nicht schaut auf sein Grätzl, um es gesund zu erhalten, oder der Versuch zumindest, es gesund zu erhalten, werden wir tote Einkaufsstraßen haben. Ghettos werden hier sein. Und wir waren also die Ersten, die uns getraut haben, und das ist jetzt genau vor zehn Jahren passiert, im Dezember ... 2002. Weihnachtsgeschenk. Die Mutter hat sich die Baustelle nie angeschaut, wenn, dann nur von Weitem. Weil sie hat sehr geweint, wie es abgerissen wurde. Sie ist immer mit einem großen Bogen rundherum gegangen. Und am Tag vor der Eröffnung hab ich eine Gruppe von zehn Personen zusammengetrommelt, hab Schlichtpläne gemacht. Die Mama kam dann auch, und hat das WC inspiziert, und damit war das in ihren Besitz genommen. Es geht um den Stand, der früher mal eine Hütte war. 1885 eine Holzhütte. Es gibt sehr schöne Fotos aus dem Jahr ... 1907. Das muss einer fotografiert haben vom anderen Eck, von ziemlich weit oben. Und da sieht man auch die Mode von den Herrschaften, und da sieht man auch, wie viele Leute eingekauft haben. Also dieser Pavillon, was wir heute als Pavillon bezeichnen, was ja keiner ist, weil ein Pavillon steht frei, da war damals dichtes Leben. Und die Leute haben am ... das hat auch Brunnenmarkt geheißen, der Yppenmarkt war nur Großhandel. Und mein Vater hatte auch einen Detailstand. Mein Großvater auch. Und da sieht man auch, wie die Leute fröhlich ... Die hübschen Kostüme und Kleider, was die angehabt haben. Also damals gab's auch schon eine Mode. Mode für die einfachen Leute. Hübsch! Das müsst's euch anschauen! Diese ganzen Fotos hängen im Übrigen auch vollzählig im Bezirksmuseum. Und der Urgroßvater muss auch schon ein großer Marketingmann gewesen sein, weil der hat groß draufgeschrieben: Johann Staud. Also, wir sind immer ein bissl unserer Zeit voraus. Weil wir so neugierig sind, am Neuen interessiert sind. Wohl bewahrend das gute Alte, die Tradition. Aber wir bleiben nicht stehen. Und das sind ja die Menschen mit Plus! Wie wir wissen, ja? Die haben die Erfahrung, und die gehen nach vor. Und wir reißen auch die Jungen mit, das muss ich auch sagen. Wenn Leute uns schreiben, Komplimente: "Herr Staud, Sie machen uns glücklich." Also, was kann ich mehr als Menschen glücklich machen? Mehr gibt's nicht. Oder? Das ist doch schön. Ich hab das einmal gesagt, das haben Sie vielleicht gelesen: Wien ist eine Krankheit, die man gern hat. Wenn wir ... als junge Leute natürlich sehr neugierig und reiselustig waren und uns Großstädte wie London oder Paris oder später dann New York angeschaut haben, haben wir immer gesagt beim Zurückfahrenfliegen: "A Wochn reicht! Jetzt sind wir wieder froh, dass wir sehen 'Wien-Schwechat'." Die Bezeichnung hat man ja gesehen vom Flugzeug, ich weiß nicht, wie das heute ist. Steht das noch oben? "Jetzt sind wir wieder da." "Aber wisst ihr was, das Einzige, was uns stört - in Paris hast du die Prachtstraßen beleuchtet, und bei uns auf der Ringstraßen: Es ist alles finster." "Warum muss das so sein? Jetzt geht's uns doch schon ein bissl besser." Es war nichts beleuchtet, es war einfach totschwarz. Das können wir uns heute gar nicht mehr vorstellen. Und wir waren ein bissl eifer- süchtig auf Paris. Alles so schön! Die Champs-Élissées, der Arc de Triomphe - alles war beleuchtet. Das sind doch schöne Dinge, die gehören bei uns auch so ... dass es auffällig ist. Das hat ja auch eine Seele, finde ich, solche Gebäude. Und die wollen ja, dass man sie sieht und berücksichtigen tut. Und stolz ist auf sie. Na ja, das hat sich dann Gott sei Dank gebessert. Da war kein Rathaus beleuchtet, kein Parlament. Beim Parlament könnte man eine Ausnahme machen, das dürfte man ein bissl düsterer beleuchten ... Die arme Pallas Athene! Na ja ... Weil ich nicht auf die grüne Wiese hinausgehe. Da ist es doch viel billiger. Da stell ich in Niederösterreich oder Brno oder was weiß ich wo einen Kasten hin, einen seelenlosen. Irgendwo auf die grüne Wiese und der kostet halt ein Drittel oder 40 Prozent von dem, was ich hier investier'. Nur, ich glaube, dann verliert die Firma Staud auch viel an Seele. Und ich brauch mein Wien, ich brauch, ich bin ... Ich fall um und bin im Burgtheater, in der Staatsoper, der Volksoper, in der Josefstadt, ich brauch das. Das ist meine Essenz, der Ausgleich für die Arbeit. Ich lieb das Land genauso, aber irgendwo in einem Industriezentrum zu sein - ich glaub, das würden die Leute dann spüren im Produkt. Stimmt aber!

Archiv-Video vom 12.08.2014:
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Hans Staud (Delikatessenhersteller)

Wir und Wien - Erinnerungen Hans Staud stammt nicht nur aus einer Obsthändlerfamilie, sondern ist auch ein Bauernenkel. Schon mit sechs Jahren half er seiner Großmutter in der Steiermark mit dem Stier, den Pflug zu ziehen, und später seinem Vater am Brunnenmarkt beim Zustellen mit dem Leiterwagen, wo er vorne mit der Deichsel 800 Kilo zog. Außer Äpfeln kamen im Winter fallweise Orangen dazu und nach und nach Bananen. Staud erinnert sich an eine Marktschreierin, die an einem Vormittag 1000 Kilo Äpfel verkaufte - mit Schmäh und Witz.

Länge: 52 Min. 54 Sek.
Produktionsdatum: 2013
Copyright: Stadt Wien

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Wiens Märkte werden digital: Standler*innen können nun Marktplätze bequem via PC, Handy oder Tablet buchen – das natürlich rund um die Uhr. Der Marktplatz kann dann am gebuchten Markttag sofort bezogen werden. Auch Anträge können im One-Stop-Shop der Stadt Wien unter www.mein.wien.gv.at für zum Beispiel fixe Zuweisungen, Schanigärten oder marktbehördliche Bewilligungen online gestellt werden. Ein weiteres Service: der Status der Anträge ist auf der Übersichtsseite abrufbar.
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Zum Frauentag holt die Stadt Wien zwei neue „große Töchter“ vor den Vorhang: Im Arkadenhof des Rathauses werden für Ingeborg Bachmann und Luise Fleck zwei Gedenktafeln in der Pionierinnengalerie enthüllt. Die Galerie stellt außergewöhnliche Frauen der Stadt, ihr Engagement, ihr Handeln und ihre Leben in den Mittelpunkt. Ingeborg Bachmann war eine heimische Schriftstellerin, die als eine der bedeutendsten Lyrikerinnen des 20. Jahrhunderts gilt. In ihren Werken widmete sich die Klagenfurterin Themen wie die Rolle der Frau in der männlich geprägten Gesellschaft oder den Konsequenzen und dem Leid von Kriegen. Sie verstarb 1973 in Rom, seit 1977 wird jährlich der Ingeborg-Bachmann-Preis verliehen. Luise Fleck war die erste österreichische und weltweit zweite Frau, die als Filmregisseurin und Produzentin Erfolg hatte. Sie führte bei mehr als 100 Filmen Regie und schrieb auch 20 Drehbücher. Besondere Bekanntheit erlangte sie in der Zeit während der Wende von Stumm- zu Tonfilmen. Sie starb 1950 in Wien. Die nun 30 Porträts der großen Töchter der Stadt können noch bis 31. März im Arkadenhof des Wiener Rathauses besichtigt werden.
Länge: 2 Min. 47 Sek. | © Stadt Wien / KOM

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