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Also, ich bin einmal nicht aus Wien, sondern aus Linz. Ich bin in Linz geboren und wir haben in der Nähe von Linz gewohnt. Genau gegenüber vom damaligen Linzer Waldfriedhof.

Mein Vater war Bauingenieur. Er hat in Linz in einer großen Baufirma gearbeitet, die leider 1945 aufgelöst wurde, weil das halt ein Nazibetrieb war. Er hat sich damals selbständig gemacht. Er war erst in einer Kanzlei und 1949 sind wir nach Wien übersiedelt und er hat hier eine Kanzlei aufgemacht.

Die erste Klasse Volksschule bin ich in Traun gegangen. Ich habe eigentlich an diese Zeit nur gute Erinnerungen, obwohl das die böse Nachkriegszeit war. Ich kann mich noch an die Bombenangriffe im 45er Jahr erinnern. Ich war damals nicht einmal drei Jahre. Ich kenne kein Kind, dass sich so früh zurück erinnern kann. Ich kann mich genau erinnern.

Wir haben unser Küchenfenster gehabt und gegenüber war so ein Hügel und dort war die Flak aufgestellt. Da sind die Sirenen gegangen und dann hat sich die Flak aufgestellt, dann hat die Mutter uns zusammengepackt und hinunter in den Keller. Dann ist wieder abgeblasen worden und dann sind wir schauen gegangen, was alles kaputt ist. Für Kinder ist das was Schönes, für die Erwachsenen wahrscheinlich nicht so sehr.

Ich meine, ich kann mich an alles erinnern und wenn man heute sagt: „Das waren Kinder und die wissen nix...“ Das sind prägende Erinnerungen. Ich habe immer noch - die haben immer gelacht, wenn ich da gesessen bin und es ist ein Flieger so... Da ist ja der Schwechater Flughafen nicht weit, da gehen die Flieger oft so runter und ich habe das so gehört. Mein erster Gedanke war Fliegerangriff. Immer. Und die haben immer gelacht, wenn ich das gesagt habe. Wirklich, der erste Gedanke war immer Fliegerangriff und das liegt so lange zurück - fast 70 Jahre. Lächerlich!

 

1945.

1945 ist zum Beispiel Mauthausen aufgelöst worden. Die Leute sind auf die Straße geschmissen worden. Die sind bei uns am Haus vorbeigezogen und haben gebettelt. Ich kann mich noch erinnern. Da ist jemand gekommen, der hat meiner Mutter Eier abkaufen wollen. Sie hat sie ihm geschenkt und am nächsten Tag, wo er wieder gekommen ist, wollte er sie uns verkaufen. Aber ich meine nur, es war damals auch seine Not. Nur, damals ist es glaube ich, allen schlecht gegangen nach dem Krieg und drum waren wir vielleicht auch menschlicher.

 

Schlechte Zeiten.

Dort wo wir gewohnt haben, war der Beginn der Welser Heide. Nur Felder. Da war unser Haus, ein Nachbarhaus, dann waren Felder dazwischen, drei Bauernhäuser.

Das nächste Haus war an der Trauner Kreuzung. Es war also alles frei. Diese Flüchtlinge damals sind vom Staat unterstützt worden. Die haben verbilligt Baugründe gekriegt, die haben dort zu bauen begonnen. Die ganze Bevölkerung hat mitgeholfen.

In diesem einen Bauernhaus hinter uns, da war eine Familie mit drei Söhnen - der eine war Polier. Der hat jeden Sonntag mit denen gebaut. Die Frauen haben gekocht, alle haben mitgegessen. Da hat `s nix gegeben “Du bist ein Ausländer, du bist ein Inländer“. Ich bin wahrscheinlich mit hunderttausenden in die Volksschule gegangen, ich habe das nicht einmal bemerkt. So war es damals. Aber damals ist es halt allen schlecht gegangen.

Ich kann mich noch an die Ausspeisung erinnern. Wir sind von der Schule weg, da hat` s Ausspeisung gegeben. Ich weiß nicht, wie man das heute nennt. So eine Volksküche war das. Da sind wir von der Schule weg auf den Hauptplatz in Traun gegangen. Auf dem Weg dorthin war die Ausspeisung. Da ist man mit seinem „Schekel“ hingegangen und hat sein Essen bekommen.

 

In Wien angekommen.

Nach der ersten Klasse Volksschule - also 8 Jahre ungefähr. Dann sind wir nach Wien. Ich bin am Westbahnhof angekommen und wir sind über Holzbretter auf die Straße hinaus gegangen. Da war ja der Westbahnhof auch ausgebombt. Da hat es fast so arg ausgeschaut wie jetzt.

Wir haben am Dannebergplatz gewohnt. Das ist ein Platz, wo ein Park mit zwei Bunkern ist. Dieser Park war total verwüstet. Da hat man nicht einmal gescheit durchgehen können durch diese Bombeneinschläge. Die hat man da gesehen. Wir haben dort damals gewohnt. Eine größere Wohnung. Mein Vater hat ja das Büro zunächst in der Wohnung gehabt und ich bin dort weiter in die Schule gegangen.

Dort war ich dann ein Ausländer in der Schule.

 

Volksschule.

Ich bin in Wien im dritten Bezirk in die Volksschule gegangen. Es waren überhaupt keine Ausländerkinder dort - das war nicht. Es waren halt sehr viel sehr Arme, wo der Schulwart in der Früh nach Hause gegangen ist und die Kinder abgeholt hat und in die Schule gebracht hat. Also, es waren sehr viel, sehr arme Leute dort. Es war dort so ein Viertel hinter der Schule, das so ein bisschen ein Armenviertel war. Da haben lauter arme Leute gewohnt. Also mit solchen Kindern bin ich in die Schule gegangen. Ausländer waren eigentlich damals keine.

 

Mittelschule.

Ich bin dann in die Mittelschule gekommen - am Wiedner Gürtel. Es gab Schulmilch. Es hat so Aktionen gegeben vom Roten Kreuz, wo man etwas gekriegt hat. Ich war zum Beispiel nicht sehr begütert. Mein Vater hatte drei Kinder, das war ja damals nicht ganz einfach. Ich habe immer Freikarten gekriegt.

Es gab die „Schülerlade“, wo man die Schulbücher her hatte. Wir haben Schulgeld zahlen müssen. Das war sicher nicht leicht für meine Eltern. Ich habe aber immer überall die Ermäßigungen gekriegt, weil ich eben aus einer armen Familie war. Man hat mich das aber nicht spüren lassen. Mir ist das nie negativ aufgefallen, dass da irgendwer, irgendwas Blödes gesagt hätte. Ich bin am Skikurs mitgefahren. Es gab Ski von der Schule, es gab Skihosen von der Schule - alles bitte.

Das ist heute nicht so unbedingt. Wenn ich will, dass die Kinder mitfahren, dann muss ich das teuer bezahlen. Der Schulbeginn kostet mich da ein Vielfaches von allem, was ich früher erlebt habe.

 

Schulweg.

Ich bin damals zu Fuß in die Schule gegangen. Vom dritten Bezirk auf den Wiedner Gürtel, um mir die Fahrkarte zu ersparen, obwohl die viel billiger war, als sie heute ist. Ich bin durch die Fasangasse über den Gürtel, am Südbahnhof vorbei, zum Wiedner Gürtel. Da war der Südbahnhof ausgebombt, der Ostbahnhof ausgebombt. Es hat so wie jetzt ausgeschaut - fürchterlich.

Ich habe eine Schulkollegin gehabt. Aus Schleinbach in Niederösterreich. Die musste mit dem Zug hereinfahren. Auch so über Bretter haben wir sie nach der Schule zum Zug begleitet. Was ich mich noch erinnern kann; sie musste eigens in der Direktion ansuchen, dass sie im Winter eine Skihose tragen darf in der Schule.

Mädchen dürfen keine Hosen tragen. Da habe ich eine Lateinlehrerin gehabt, damals sind diese „Kreuselstrümpfe“ - die ersten Nylonstrümpfe, aber die „Kreuselstrümpfe“ waren die ersten - aufgekommen, die gesagt hat: „Das tragen die Huren von Paris.“ Wir durften das nicht tragen in der Schule.

 

Bombentrichter.

Also, ich habe im dritten Bezirk gewohnt. Da ist es nicht weit zum Donaukanal. Am Donaukanal war alles zerbombt. Auch damals, wie ich noch in Linz war. Wir waren in der Nähe von Hörsching. Auf den Feldern hinter unserem Haus waren Bombentrichter und wir sind da im Winter mit der Rodel hineingefahren. Das waren richtige  Bombentrichter.

Also, hier war am Donaukanal war alles ausgebombt. Was für mich erschütternd ist; die Häuser, die damals aufgebaut wurden, die werden jetzt wieder weggerissen. Die Bundesländerversicherung, das Dianabad, das ist alles erst damals gebaut worden.

Ja, das reißen wir heute schon wieder weg.

 

Kälte.

Es war urkalt, wir hatten nix zum Anziehen. Ich habe Halbschuhe gehabt, ein Rockerl, das meine Mutter selbst genäht hat mit so einem Hemdenstoff. Sie hat mir einen Anorak geschneidert aus einem alten Mantel und mit dem bin ich dann in die Schule gegangen. Ich habe bis um zehn Uhr meine Füße nicht gespürt, weil mir so kalt war. Also, unter der Kälte haben wir sehr gelitten. Es war natürlich auch kalt im Winter - klarerweise.

 

Essen.

Wir haben in der Nachkriegszeit, in den 50er Jahren noch an Hunger gelitten. Bei uns hat es am Sonntag Fleisch gegeben. Das war genau eingeteilt. Jeder ein Stück, mein Vater zwei und Beilagen - aus. „Wenn du beim Essen nicht genug isst, dann gibt’ s erst wieder etwas beim Nachtmahl." Es ist alles eingeteilt gewesen. Das Brot ist für das Frühstück gewesen und das ist für abends gewesen und dazwischen gibt es nix. Wenn ich Nachmittag um 4 Uhr gesagt habe:  „Ich habe einen Hunger." Hat es geheißen: „Hättest du zu Mittag mehr gegessen!“

 

In der Volksschule hat diese Volksschullehrerin diese Gewohnheit gehabt; wenn es geläutet hat und die Schule war aus, haben alle aufstehen müssen. Wer schön steht, kann als Erster gehen. Dann hat sie uns einzeln gehen lassen. Da bin ich halt manchmal sehr spät dran gewesen und dann bin ich zu spät zum Mittagessen gekommen. Da hat mein Vater gesagt: „Essen ist vorbei, das nächste Essen gibt’s am Abend.“

 

Das war aber damals glaube ich normal. Das war nicht bei mir ein Sonderfall. Also, dass wir zum „Billa“ gehen und sich eine Jause kaufen; das hat es nicht gegeben. Wir haben belegte Brote mitgehabt mit „Rama“ und Schnittlauch oder irgend so etwas. Also ganz einfach.

Nach der Matura.

 

Ich habe Matura 1960 gemacht. Mit der Matura allein kann man nichts anfangen. Da muss man entweder studieren oder etwas anderes weiterlernen. Die Matura allein genügt nicht für irgendeinen Beruf. Zum Studieren hat es nicht gereicht. Da nicht und da nicht. Ich musste irgend etwas machen.

 

Da habe ich den Abiturientenkurs an der Handelsakademie gemacht. Das ist ein Jahr Handelsakademie zusammengefasst mit einem Handelsakademie Maturazeugnis. Das habe ich damals gemacht und hab` mir gedacht, dass ich dann als Buchhalterin irgendwohin gehe. Ich bin ein bisschen so Mathematisch, also mir hat das eh Spass gemacht; diese Rechnerei und so.

 

Mein Vater wollte, dass seine Kinder beim Bund oder der Gemeinde arbeiten, weil das ist ein sicherer Posten. Ich war eine brave Tochter, also bin ich zur Stadt Wien gegangen. Damals hat die Stadt Wien Maturanten in der „Erzieherei“ aufgenommen. Da hat der Beamte dort zu mir gesagt: „Da gehen sie ein-zwei Jahre in irgendein Heim und dann lassen sie sich in die Verwaltung versetzen. Dann sind sie dort, wo sie sein wollen.“

 

Dann kam ich eben nach Biedermannsdorf. Dann ist mein Vogel wieder gekommen. Ich habe mir eingebildet, ich muss die Welt retten. Die Kinder haben mir eben so leid getan. Ich habe mich dort sehr hinein gekniet. Ich war nicht ein Jahr und nicht zwei Jahre, sondern sieben Jahre dort.

 

Dann sind diese „Gesellenheime“ schon gebaut gewesen. Die waren je mit einem Heimleiter und einem Verwalter bestückt. Dann sind sie darauf gekommen, dass das ein bisschen wenig ist - sie brauchen auch eine Heimmutter. Früher waren die Heime so gebaut. Ein Direktor, der das Heim nach außen vertritt, eine Heimmutter, die die pädagogischen Belange innen so ein bisschen regelt.

 

Da wurde mir der Posten als Heimmutter von beiden Heimen angeboten - Zohmanngasse und Aichhorngasse. Da bin ich eben hierher gekommen. Ich habe erst in beiden Heimen abwechselnd gearbeitet und später nur mehr in der Zohmanngasse, weil der Bedarf auch gestiegen ist. Ab 1976 war ich hier Heimleiterin.

 

In den 50er Jahren.

 

In den 50er Jahren ist natürlich überall gebaut worden. Die Wirtschaft hat einen Aufschwung bekommen, es haben die Leute alle eine Arbeit gefunden. Man hat schon überall gemerkt, dass eine positive Einstellung ist - jetzt wird` s wieder was! 

Alles was vorher war ist verdammt worden.

 

Viel mehr als heute zum Beispiel. Heute ist es schon nimmer ganz so schlecht, was der Hitler gemacht hat. Damals war alles schlecht. Ich kann mich noch erinnern.

Ich habe eine Schulkollegin gehabt. Wir haben miteinander gelernt und ihre Mutter hat das Geschirr abgewaschen und hat in dem Topf einen Fettrand gehabt. Die hat

gesagt: „Unterm Hitler haben wir nie soviel Fett gehabt.“

 

Jeder einzelne war gegen dieses Regime, gegen (Adolf) Hitler, die vielen Soldaten, die gefallen sind - ein jeder hat das bejammert. Heute gibt` s schon wieder Leute die sagen: „Aber er hat eine gute Einteilung gehabt mit der Arbeit. Er hat geschaut, dass die Bevölkerung eine Arbeit kriegt.“ Das wird alles schon wieder gesagt. Jeder zweite Satz ist irgendwie: „Da muss der Hitler her!“

 

Geschichtsunterricht.

 

Im Geschichtsunterricht hat man aufgehört beim zweiten Weltkrieg. Ich hab´ nichts vom 38er Jahr gehört - gar nichts. Ich habe eine Lehrerin gehabt, aber das war so eine Nachmittagsbetreuung oder so etwas, die hat mit uns „Hitler-Reden“ gelesen und (Josef) Goebbels. Ich hab` mir immer gedacht - und zwar nicht weil sie Nazi war, sondern zeigen wollte, was das für ein Blödsinn war - welcher Trottel hat das geglaubt, was da geredet worden ist.

 

Wenn ich mir heute anhöre, was gewisse Leute sagen. Es ist genau dasselbe und genauso schreien sie alle: „Ah!“ Ist das nicht komisch? Ich war in Oberwart bei einer Veranstaltung und bin dann mit der Fürsorgerin auf einen Kaffee gegangen. Die sagt, die alten Frauen in Oberwart kriegen einen Glanz in den Augen, wenn sie vom

(Heinz Christian) Strache sprechen. Stellen sie sich vor! Das war genau dasselbe, aber damals ist das alles verdammt worden.

 

Lange Haare.

 

1969 bin ich hierher gekommen. Da war hier ein strenges Regiment. Das muss hier sein, wenn 80 Jugendliche, die aus Heimen kommen, da muss man ein strenges Regiment führen. Es war zum Beispiel verboten, die langen Haare. Die mussten sich die Haare schneiden lassen, oder sie mussten sich ein anderes Quartier suchen. Das ist lächerlich heute.

 

Ausländer.

 

Hier im Heim habe ich eigentlich keine Ausländer gehabt. In der Straßenbahn waren die Ausländer für uns gleichgesetzt mit den Armen. Das waren Randschichten. Die sind genauso behandelt worden, wie ich vorhin erzählt habe von meiner Volksschule, wo halt Arme waren, die nix gehabt haben. Es war genau dasselbe. Es ist nicht gesagt worden, dass ist ein böser Ausländer, sondern das ist ein „armer Hund“ halt.

Obdachlose.

 

Es war früher so, dass Leute, die obdachlos aufgegriffen worden sind, eingesperrt wurden. Und zwar in der Rossauer Lände bei uns. Nachdem dieses Gesetz gemacht worden ist, diese „Vagabundage“. Er musste irgendwo nachweisen, wo er lebt. Dann sind sie eine Zeit lang eingesperrt gewesen. Dann sind sie entlassen worden und dann haben sie irgendwo geschaut, wo sie unterkommen. Es hat also damals viel mehr Möglichkeiten gegeben jemanden unterzubringen - in einem Asyl oder so.

 

Unterbringung für Obdachlose.

 

Es gab in Wien eine ganze Reihe von Unterbringung für Obdachlose. Das Männerheim in der Meldemannstraße, die Gänsbachergasse - das waren drei Gebäude. Die Kastanienallee war eine Familienherberge. Haben wir noch etwas gehabt? Es wird mir schon noch einfallen. Es waren viel mehr Unterbringungsmöglichkeiten.

 

Die Leute, die tatsächlich obdachlos waren,die wollten halt nicht dorthin, weil man dort nicht trinken darf. Aus solchen Gründen. Wenn die wo aufgegriffen worden sind, dann sind sie in die Rossauer Lände gekommen, wegen diesem „Vagabundageparagraphen“.

 

Aufnahme von Flüchtlingen.

 

Ich weiß nur, dass wir immer stolz darauf waren, dass wir alle aufnehmen, dass wir allen helfen. Wir waren stolz, wie die Ungarnflüchtlinge gekommen sind. Jeder hat sich gerühmt, wenn er jemanden bei sich aufgenommen hat. Ich habe eine Flüchtlingsfamilie gehabt, die haben am Fleischmarkt gewohnt. Am Fleischmarkt! Das kann sich heute kein Mensch mehr leisten. Die haben am Fleischmarkt gewohnt. Es waren auch Zigeuner, aber halt aus Ungarn. Es waren Ungarnflüchtlinge. Man war damals stolz, wenn man so jemanden unterstützt hat. Bei den Tschechenflüchtlingen war das nicht mehr so sehr. Und dann war es aus bitte. Dann waren wir gegen alles, was da gekommen ist. Wir haben die Leute aufgenommen und wir waren stolz auf das.

 

In den 70ern.

 

In den 70iger Jahren sind auch bei uns schon Gastarbeiterkinder untergebracht worden. Und zwar nicht, was weiß ich, sondern weil sie zu Hause aufmüpfig geworden sind. Das war damals der Kulturunterschied.

 

Der Türke, der in seiner Familie das Reden hat, und dann kommt sein Sohn

und sagt: „Ich will aber lieber Fußball spielen gehen und nicht Verwandte besuchen.“ Ich habe einen in der Zohmanngasse gehabt, der lieb - nett war. Das waren richtige Türken und der hat am Sonntag den schwarzen Anzug anziehen müssen und dann sind sie Verwandte besuchen gegangen. Der wäre halt lieber gerne in den Park Fußball spielen gegangen. Dann hat sich der Vater einmal an ihm vergriffen und dann hat ihn das Jugendamt bei uns eingewiesen. Es war ganz witzig. Der Vater hat jeden Tag jemanden vor dem Haus aus der Verwandtschaft stehen lassen. „Schauen“, aus Angst, dass der Bub schief geht, dass der irgendwie mit dem österreichischen Gesindel zusammenkommt.

 

Das Gesellenheim.

 

Es war so, dass die Großjährigkeit früher in Österreich 21 Jahre war. Wenn ein Kind, ein Jugendlicher, in Gemeindepflege war, war die Gemeinde verpflichtet, ihn praktisch bis zum 21igsten Lebensjahr irgendwie zu versorgen. Da hat es das Kleinkinderheim gegeben, das Schulkinderheim, das Lehrlingsheim und dann war es aus. Dann ist er noch ein Jahr zum Bundesheer gegangen - das ist noch ein Jahr - und dann war er irgendwo in der Luft. Da war eigentlich noch das Elternhaus verantwortlich und wenn es das nicht gibt, ist es die Gemeinde Wien.

 

Damals war das eben so: Die sind aus Eggenburg entlassen worden, sind da in Wien angekommen und sofort in den Prater hinunter. Alles was dort gelernt war, war vergessen. Die waren dort Hutschenschleuderer. Wissen sie was ein Hutschenschleuderer ist? Im Prater diese Schaukeln, die musste man anlaufen. Heute geht das alles automatisch. Damit das aber anfängt, muss man durchziehen, damit das zum Schwingen anfängt. Und das waren die Hutschenschleuderer.

 

Das waren halt so Hilfskräfte, die bei den Ringelspielen und überall so mitgeholfen haben. Jetzt hat der eine teure Ausbildung in Eggenburg gemacht und dann hat er dort unten im Prater, weil es halt schön ist, gehutscht. Die Kinder waren auch früher viel mehr eingesperrt in den Heimen. Der ist raus gekommen und die Welt war offen und da muss er alles, was er versäumt hat, nachholen. Das hat halt leider im Prater angefangen und ist für viele sehr schief ausgegangen.

 

Wir haben immer gesagt: „Bitte, wir brauchen irgendwas, dass die irgendwo untergebracht sind.“ Da sind eben die Gesellenheime gebaut worden. Die waren eigentlich für „Ausgelernte“, die halt noch nicht großjährig sind, vorgesehen. So „verschlechtert“ habe das erst ich.

 

Es waren Auslesekinder, die hier untergebracht waren. Da musst du einen guten Führungsbericht haben, keine Vorstrafen. Wie ich da her gekommen bin, waren zwischen 20 und 25 aus den Heimen. Alle anderen waren aus den Bundesländern.

Die waren vorher in dem Franz-Domes-Lehrlingsheim und wie sie ausgelernt waren, haben sie halt eine Unterkunft gebraucht und sind hier untergebracht worden.

Die waren halt „einfacher“. Der ist am Montag am Abend erst gekommen und am Freitag gar nicht mehr nach Hause gekommen, weil er nach Hause gefahren ist. Also das war noch einfacher zu führen. Also keine Vorbestraften.Erst ich war also die „Schlechte“, die auch Vorbestrafte aufgenommen hat. Wie ich gegangen bin, waren eigentlich nur mehr „Schlechte“ da.

 

80er Jahre.

 

Ich habe mich halt damals sehr bemüht um die, die hier waren. Ich habe also immer, ich will nicht sagen „schlechtere“, immer „schwierigere“ Leute bekommen. Solche, die keine fertige Ausbildung hatten, wo ein bisschen schlampige Verhältnisse waren. Ich habe immer geschaut, dass der seine Ausbildung fertig macht. Dann war ich mit denen am Arbeitsamt, wir haben Arbeit gesucht, wir haben Kurse gesucht. Das Arbeitsamt hat mich sehr unterstützt. Ich habe eine gute Zusammenarbeit mit dem Arbeitsamt gehabt.

 

Die haben mir zum Beispiel wöchentlich die Auszüge von den freien Stellen geschickt, so dass ich gar nicht hingehen hab` müssen. Ich habe mir drei/vier geschnappt und dann sind wir auf`s Arbeitsamt gefahren. Ich bin dort sitzen geblieben bis jeder etwas gehabt hat. Dann sind wir nach Hause. Dann sind sich die vorstellen gegangen. Drei sind „picken“ geblieben, zwei sind wieder zurück gekommen und haben nix gehabt. Die sind das nächste Mal wieder mitgegangen. Ich habe also sehr genau geschaut, dass das mit der Arbeit funktioniert.

 

Wenn das mit der Arbeit funktioniert hat, sind wir das mit der Wohnung angegangen. Dann habe ich halt versucht eine Wohnung zu bekommen - auf verschiedene Weise. Ich habe im dritten Bezirk eine Wohnungsvermieterin gekannt - kennen gelernt. Ich habe sie halt einmal angerufen. Die hat Zimmer und eben auch Wohnungen vermittelt. Die hat mir ohne Kaution und Vermittlungsgebühr Wohnungen auch beschafft. Über die haben wir Wohnungen gekriegt.

 

Später war ich beim zuständigen Stadtrat. Der hat gesagt: „Ich kann ihnen drei/vier Wohnungen für die Zohmanngasse im Jahr geben. Dann auch für die Aichhorngasse drei/vier Wohnungen im Jahr.“ Zum Schluss habe ich für jeden eine Wohnung gekriegt. Das hat sich halt dann verbessert. Gott sei Dank!

 

Wieder in der Zohmanngasse.

 

Ich bin jetzt wieder in der Zohmanngasse, nach einem Intervall von zehn Jahren.

Ich bin hier in die Pension gegangen und jetzt darf ich wieder hier sein. Ich empfinde das als „dürfen“. Irgendwie freut es mich sehr, dass ich wieder da bin.

Jedenfalls freut es mich mehr, als meine Umgebung muss man dazu sagen.

 

Es war eben so, dass die ersten Ausländer, die zu mir gekommen sind, noch alle Möglichkeiten gehabt haben. Die haben eine Ausbildung machen dürfen, die haben arbeiten dürfen und die haben auch eine gute Entwicklung genommen.

 

Der verständnisvolle Richter.

 

Anfang der 90iger Jahre, Ende der 80iger Jahre. Die Ersten, die haben hier eine Ausbildung gemacht. Die haben sich wirklich gut entwickelt. Die wohnen heute in einer Gemeindewohnung, die haben eine Arbeit, die verdienen, die haben eine Familie. Das ist alles in Ordnung.

 

Die Letzten, die ich so bekommen habe, waren die Kosovo-Albaner und die waren vergleichbar mit heute den Tschetschenen oder Georgiern. Sehr streitbar. Wegen jeder Kleinigkeit gleich so und Messer hoch liegen, weil sie aus einem Kriegsgebiet gekommen sind. Das war eigentlich normal für die - für uns nicht so sehr. Es war sicher schwierig, aber sie haben hier eine Ausbildung machen können.

 

Ich habe zwei Brüder, die haben heute eine eigene Firma. Es hat was gebracht und die leben da. Da oben hat einer eine Gemeindewohnung, er ist verheiratet, hat ein Kind. Es ist alles normal, keine Vorstrafen mehr. Da haben wir einmal eine Geschichte gehabt. Im Laaerbergbad mit einem „Badewaschl“ war eine Auseinandersetzung, weil der gesagt hat: „Tschuschenbaggage!“ Dem haben sie es gezeigt. Ich habe damals einen verständnisvollen Richter gehabt, der gesagt hat: „Die haben Lehrstellen, die sollen bitte in die Arbeit gehen und wenn das nächste Mal etwas ist, dann ist es halt vorbei.“ Es ist nie mehr etwas passiert und sie haben sich gut entwickelt.

 

1995 war der erste Afrikaner da. Der hat noch eine Ausbildung gemacht. Der ist heute verheiratet, hat Kinder, lebt da ganz normal. Er zahlt seine Steuern, was bei uns ganz wichtig ist. Nie mehr etwas passiert.

 

Dann hat es begonnen. Dann hat man aus Traiskirchen die Leute entlassen. Wenn es Jugendliche waren oder junge Erwachsene sind die dann vom Jugendamt zu mir geschickt worden.

 

Deutsch-Kurse.

 

Die Gesetze sind immer strenger geworden. Bis Mitte der 90iger Jahre ist es gegangen, dass die noch eine Ausbildung gemacht haben. Nachher hat es dann geheißen „Keine Integrationsmaßnahmen, die kommen eh woanders hin“. Man ist dann schon so mit ihnen umgegangen.

Ich habe damals die ersten Afrikaner gekriegt. Die durften nicht mehr arbeiten. Da habe ich dann halt Deutschkurse inszeniert, damit die auch in der Früh aufstehen müssen, einen geregelten Tagesablauf haben, weil das schlecht in dem Heim zu vereinbaren war. Die Einen muss ich aufwecken: „Schau, dass du in die Arbeit kommst“, zum Anderen: „Bleib liegen.“ Das geht nicht. Der kommt um vier am Nachmittag nach Hause und ist todmüde. Der Andere wird da erst lustig. Dann heißt es: „Die fressen uns das Essen weg.“ Wissen sie, das ist nicht gut.

 

Ich wollte eben, dass die auch eine Beschäftigung haben und habe da unten in der Volkshochschule, da in Favoriten, mir ausgemacht, dass ich verbilligte Deutschkurse kriege. Dann habe ich die in den Deutschkurs geschickt. Da sind die da hinunter gefahren in den Deutschkurs und auch erst Mittags nach Hause gekommen. Sie haben eine Aufgabe machen müssen und haben halt auch ein bisschen ein anderes Thema gehabt. Sie haben dann auch die Freundin mitgebracht. Wir haben in jedem Stock zwei Küchen und da haben sie dann gemeinsam gekocht und gemeinsam gegessen. Das war eigentlich nett.

 

Von außen her ist es strenger geworden. „Die gehören da eigentlich gar nicht her!“

Es hat geheißen ich soll da irgendwelche zurückschicken nach Bad Kreuzen. Ich habe dort angerufen und habe gesagt: „Ich kann heute nicht, ich muss dem das erst beibringen.“ Da hat sie gesagt: „Sie können ihn ruhig schicken, ich schick den eh zurück.“ Das sagt die Leiterin dort zu mir. Das muss man sich vorstellen. Also der Ton ist grauslicher geworden.

 

Razzia 1999.

 

Es war eben so, dass ich das Gefühl hatte - man ist immer mehr dagegen, man will denen das Leben hier so schwer wie möglich machen, dass sie sich von selber „Vertschüssen“ auf Deutsch gesagt. Es gab da in der Umgebung eine Dame, die hat die fotografiert, wenn sie aus der Straßenbahn ausgestiegen sind. Die sind aufgeregt gekommen: „Mama, da ist eine Frau, die fotografiert die ganze Zeit.“

Sag ich: „Schau, du bist der schönste Schwarzafrikaner vom zehnten Bezirk, die möchte von dir ein Foto haben.“ In Wirklichkeit hat die, die Bilder der Polizei geliefert und das waren dann alles Drogendealer.

 

Das war die Voraussetzung für die Razzia. Damals war es kurz vor den Wahlen. Der zehnte Bezirk wollte zeigen, dass er auch was gegen Ausländer tut und da ist da hier diese Razzia veranstaltet worden „Operation Spring“. Da sind alle Afrikaner, die hier gewohnt haben verhaftet worden, alle mit denen ich je zu tun hatte. Sind sehr viele gekommen und haben halt gefragt, weil sie sich nicht ausgekannt haben beim Verfahren. Ich habe halt versucht zu helfen, wo es gegangen ist. Ich war so ein biß`l so eine Anlaufstelle.

 

 

 

60 aufgebrochene Türen.

 

Die sind in der Früh gekommen und  haben um halb fünf geläutet. Der Herr Hotovy ist draußen gestanden und hat gesagt: „Sagen sie mir die Zimmer, wo die Schwarzen sind.“ Sage ich: „Da müssen sie mit mir in die Kanzlei kommen.“  Hab ich`s ihm gesagt und will die Türe zusperren. Sagt er: „Lassen sie offen, weil da kommen meine Leute.“ Dann war das wie in einem Sciencefiction-Film.

 

Alle sind so die Stiegen hinauf, vor jeder Türe haben sie sich postiert. In jedem Stock sind welche mit Hund gestanden und dann haben sie begonnen die Türen aufzubrechen. Ich habe gesagt: „Ich habe einen Schlüssel, sie müssen das ja nicht aufbrechen.“ 60 aufgebrochene Türen haben wir gehabt. Die sind auch alle verurteilt worden.

 

Größere Ansammlung von Geld.

 

Die Rechtsanwälte sagen heute, dass das alles ein Blödsinn war. Drei Wochen später waren Wahlen.

 

Ich habe einen dabei gehabt, der hat... Bei seiner Freundin haben sie eine größere Ansammlung von Geld gefunden. Sie haben gesagt: „Das ist Drogengeld.“ Er hat gesagt, dass das kein Drogengeld ist. Sie sind so eine Gruppe, die kaufen alte Autos, richten sie her und schicken die nach Nigeria. Das machen sie heute noch. Das hat man ihm nicht geglaubt und er hat acht Jahre gekriegt.

 

Er war erst in der Steiermark in der Strafanstalt in Graz und dann in Stein. Er hat siebeneinhalb Jahre in Stein gearbeitet und zwar so, dass er, wie er heraus gekommen ist, hab` ich ihn sofort zum Doktor wegen Bandscheiben schicken müssen. Also nicht ganz leicht, vielleicht vom vielen Sitzen, ich weiß es nicht.

 

Jedenfalls der hat gesagt: „Das ist kein Drogengeld.“ In diesen acht Jahren die er in Haft war, hat er das ganze Geld, dass sie beschlagnahmt haben, zurückbekommen. Das ist für mich eigentlich der Beweis, dass es eben kein Drogengeld war. Oder?

 

Nach der Razzia.

Nach dieser Razzia sind eben alle eingesperrt worden. Ich habe mir gedacht, die werden halt, so wie es üblich ist, wenn so etwas ist, sie werden drei behalten. Sie sagen das sind die Rädelsführer, die Anderen werden sie entlassen, die werden bei mir vor der Tür stehen. Ich darf die nicht mehr nehmen, weil wir haben viel bessere Einrichtungen, ist mir gesagt worden. In Wirklichkeit haben wir gar nix. Die Afrikaner sind nicht entlassen worden und es sind aber immer wieder welche gekommen, die etwas gebraucht hätten.

Da habe ich begonnen Wohnungen anzumieten. Da habe ich vom evangelischen Flüchtlingsdienst verbilligt Wohnungen bekommen. In der Steinergasse, in der Sigmundsgasse. Ein Privatmann hat mir zwei Eigentumswohnungen da vorne zur Verfügung gestellt. Ich habe dort Wohngemeinschaften gegründet und habe denen damals immer ein biß`l ein Geld gegeben, dass sie etwas zum Essen haben. Damals halt noch von meinem „Privaten“, da war ich noch „reich“.

Die sind nicht entlassen worden. Die sind alle sehr hoch abgestraft worden. Ich habe aber immer wieder Leute gehabt, die hergekommen sind und gesagt haben: „Ich steh` auf der Straße, bitte helfen sie mir.“ So ist das gewesen.

2002 bin ich in Pension gegangen und habe die Wohnungen noch gehabt. Da konnte ich nicht sagen. „So, behaltet euch das, mich interessiert das nicht mehr.“ Ich habe mir gedacht, ich muss das noch irgendwie auslaufen lassen. Da bin ich unterstützt worden von einem Arzt, der eine Laborkette hatte und deshalb auch finanziell besser dran war als ich. Der hat mich unterstützt und hat gesagt: „Sie müssen einen Verein gründen, weil sie können das Spendengeld nicht auf ihr Pensionskonto gehen lassen.“

Ich habe damals schon so Unterstützung von privaten Leuten gekriegt. Da habe ich den Verein gegründet. Anstatt dass ich das hab` einschlafen lassen, habe ich jetzt 130 Wohnungen, ein Haus und jede Menge Sorgen.

 

Pension.

1999 war die Razzia. Dann hat sich für mich viel verändert, weil es ist ein Erziehungsleiter hergekommen. „Und sie gehen da nach hinten, dass man sie nicht so sieht“, hat meine Vorgesetzte gesagt. Sie wollten mich eigentlich da weg haben. Sie haben aber nichts machen können. 2002 bin ich glücklicherweise 60 geworden und sie haben mich in Pension „gejagt“. Wie sie sehen, ich hätte ja sicher noch ein bisschen arbeiten können. So war das.

 

Die Hausverwaltung.

Als ich hier weg musste, ich war bis 2002 hier, und dann musste ich hier weg.

Da hat mir die SPÖ in Hietzing in ihrem Parteilokal einen Raum zur Verfügung gestellt. Die haben uns im Keller eine Dusche eingerichtet. Eine Waschmaschine, wo sie ihre Wäsche waschen können, ein Aufenthaltsraum mit einem Fernsehapparat, wo sie das auch abwarten können. Ich habe oben im Büro einen Schreibtisch gehabt, wo ich zum ersten Mal auch Obdachlosenmeldungen gemacht habe. Das ist an sich recht gut gegangen.

Die Polizei in Hietzing war natürlich nicht so wahnsinnig begeistert. Eines Tages steht in der Zeitung „Zwei afrikanische Drogendealer sind in der Straßenbahnlinie 60 mit zweieinhalb Kilo Heroin verhaftet worden.“ Die Namen, also die Vornamen, waren auch dabei. Ich habe meine Listen durchgeschaut. Ich habe nirgends solche mit dem Namen gehabt. Ich habe im Landesgericht angerufen. Die haben gesagt: „So etwas ist bei uns nicht eingeliefert worden, das würden wir wissen, wenn so etwas wäre.“ Es war einfach eine „Kronen Zeitungsmeldung“.

Jedenfalls war das sehr peinlich für die SPÖ. Die sind in die Löwelstraße zitiert worden und es ist ihnen alles mögliche böse angedroht worden. Jedenfalls habe ich gesagt: „Das will ich nicht.“ Ich meine, die waren immer nett zu mir. Ich wollte ihnen keinen Nachteil bringen - das ist ja lächerlich.

Dann bin ich bei „SOS Mitmensch“ in der Zollergasse untergekommen. Die haben damals im Souterrain einen Büroraum gehabt und oben ein Gassenlokal. Da haben wir dann das Postservice gemacht, Obdachlosenmeldungen. Es war halt noch nicht so groß wie da. Rechtsberatung habe ich damals auch schon gehabt. Ehrenamtliche Leute, Juristen, die bei mir Rechtsberatung gemacht haben. Das war sehr gut.

Mit der Zeit ist mir das zu eng geworden. Ich bin denen dann auch schon auf die Nerven gegangen, weil so viele Leute da waren. Die haben da nicht mehr arbeiten können. Wenn ich da wirtschafte wird`s laut. Ich war auf der Suche nach irgendeinem Büroraum.

Da hat mich ein Immobilienmensch angerufen und hat gesagt: „Ich hätte im zweiten Bezirk etwas. Wollen sie sich das einmal anschauen?“ Ich habe mich mit dem getroffen und der hat mir die Sperlgasse gezeigt. Die Sperlgasse ist ein ganzes Haus, dass er irgendwann einmal umbauen will, aber er hat noch Parteien drinnen. Er hat aber leerstehende Wohnungen und die kann ich haben. Unter anderem unten ein großes Gassenlokal und oben im Stock eine Großwohnung, wo man beides als Büro machen kann. Dann kann ich schön langsam auch die leerstehenden Wohnungen haben. Das habe ich genommen.

Der war sehr nett, ist es immer noch. Er ist sehr entgegenkommend. Ich zahle dort nix, außer Stromkosten und solche Dinge. Ich muss aber keine Betriebskosten oder irgend so etwas zahlen. Ich muss es halt nur irgendwie in Schuss halten - also reinrinnen sollte es nirgends, oder so. Dort war ich jetzt ziemlich lange. Fünf Jahre glaube ich. Jedenfalls habe ich von derselben Hausverwaltung noch ein Haus in der Engerthstraße bekommen und in verschiedenen Häusern, ein/zwei Wohnungen.

Also, ich habe sehr viele Wohnungen von dort bekommen.

Ich habe schon von der Zohmanngasse aus ein bisschen einen afrikanischen Verein mitbetreut, der eine Wohnung von einem Mann, der bei mir im Verein war, zur Verfügung gestellt bekommen hat. Da hat es Schwierigkeiten gegeben. Ich war dort und habe halt so ein bisschen nach dem Rechten gesehen. Dann sind sich der Zahlende und der afrikanische Mieter nicht einig geworden. Das ist aufgekündigt worden und dann habe ich vom Zuwandererfond in der Reizenpfenniggasse Wohnungen als Ersatzwohnungen für die Leute, die dort gewohnt haben, bekommen. Das war sehr schön. Das sind 30 Quadratmeter Wohnungen, wo immer zwei drinnen wohnen und das hat damals 320 im Monat gekostet hat. Die Stromkosten und die Heizkosten sind dabei. Also das ist eigentlich günstig. Ich habe das dann gekriegt und dort waren wir auch eine Zeit lang.

Ich habe aber auch immer mehrere Wohnungen dazugenommen, weil genug ist es nie. Dann ist dieses Haus umgewidmet worden. Das ist jetzt eine Obdachloseneinrichtung für Frauen und ich habe dafür die Wohnungen im Kabelwerk bekommen. Da ist es schon mit sehr viel Schwierigkeiten losgegangen. Da gibt es einen Hausvertrauensmann, der eindeutig „wohin“ gehört und der ununterbrochen irgendwelche Mails an die Hausverwaltung schreibt und sich über alles beschwert, was Gott verboten hat.

 

Leere Wohnungen.

Ich kriege jetzt ab und zu von Immobilienmaklern Wohnungen zur Verfügung gestellt, weil es irgendeine Vorschrift oder Bestimmung gibt. Wenn der leerstehende Wohnungen für soziale Zwecke vermietet, dann kriegt er früher die Baubewilligung oder irgendwelche Zuschüsse, oder irgendwas. Das dauert eine Zeit lang bis das funktioniert. Also, der reicht ein für die Bewilligung und die Bewilligung und die Unterstützung und die Förderung und das kriegt er schneller, wenn er nachweist, dass er die Wohnungen - wahrscheinlich wird das von der Stadt her ein bisschen unterstützt - für die Bekämpfung der Obdachlosigkeit vermietet. Wenn man dem sagt, du kriegst es schneller, wenn du ein paar Obdachlose unterbringst, dann bringt er ein paar unter und ein paar Obdachlose sind weg von der Straße.

Also irgendwie so stelle ich mir das vor, dass das so ist. Ich habe das nicht so genau hinterfragt. Jedenfalls aus diesem Grund kriege ich auch oft Wohnungen zur Verfügung gestellt. Wenn er halt dann zum Bauen anfängt, muss ich hinaus. Ich habe mir nur ausbedungen, dass ich das immer mindestens drei Monate vorher weiß, damit ich auch etwas tun kann, damit das nicht von heute auf morgen geht.

 

Unterstützung durch Firmen.

Es gibt viele Firmen die mich unterstützen und ich kriege das, obwohl es verboten ist. Es gibt eine Bäckerei, die geben am Abend fünf so Säcke mit Brot heraus und einmal in der Woche darf ich sie mir holen. Beim „Schlecker“ - „Schlecker“ darf man sagen, weil den gibt es schon fast nicht mehr- bei mir ums Eck habe ich Klopapier und Katzenfutter und solche Dinge gekauft. Die hat natürlich gewusst, wer ich bin und hat gesagt: „Ich habe ein ganzes Einkaufswagerl voller Sachen, die muss ich wegschmeißen. Wenn sie mich nicht verraten, gebe ich ihnen das.“

Das war abgelaufenes Haarshampoo.Wird ein Haarshampoo sauer? So etwas Irres! Die freuen sich natürlich. Ein Haarshampoo, ein Rasierwasser, solche Dinge. Ein ganzes Wagerl voll. Die hat gesagt, der Wert von den Dingen die da drinnen sind, ist 700 Euro und das muss die wegschmeißen.

Zum Beispiel der „Anker“. Da dürfen die Verkäuferinnen das nicht mitnehmen, was sie am Abend wegschmeißen müssen. Wenn ich jetzt hinkomme und ich kriege das für die Flüchtlinge, sagt sie: „Für die Flüchtlinge haben wir es und wir kriegen es nicht.“ Es schafft nur Unfrieden bitte, wozu? Weil sie Angst haben, ich verkaufe das Brot? Geh bitte.

 

Durchsetzung.

Mir geht` s hier in Wien ganz gut, weil ich so lange hier schon in derselben Branche arbeite. Ich kenne auf jedem Sozialamt irgendjemanden. Ich kenne auf jedem Wohnungsamt irgendjemanden. Ich kenne auf jedem Jugendamt irgendjemanden. Ich mache das seit 50 Jahren und überall kenne ich jemanden.

Auch wenn sie mit mir nicht einverstanden sind, sie unterstützen mich. Sie sagen zwar: „Da ist schon wieder die Alte, mach das, damit sie eine Ruhe gibt.“ So irgendwie ist das, aber mir ist das egal. Ich bin nicht empfindlich. Es ist halt so.

Es ist bei vielen Dingen, wenn die sagt: „Soll ich da anrufen und die fragen?“ Dann sage ich: „Lassen sie mich das machen!“ Und es gelingt, weil ich das halt schon so lange mache und weil sie sich halt schwer tun mir „Nein“ zu sagen.

 

Wien.

Ich bin mein Leben lang da, ich bleib da. Ich steh` das durch bis zum Ende und wenn es noch grauslicher wird.

Archiv-Video vom 11.08.2014:
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Ute Bock (Social Responsibility)

Wir und Wien - Erinnerungen Ute Bock wurde 1942 in Linz geboren. Sie ging für ihre Ausbildung nach Wien und arbeitete nach der Matura ein Jahr in der Privatwirtschaft bevor sie sich entschloss Erzieherin zu werden. 1969 kam sie als Angestellte der Gemeinde Wien ins Gesellenheim Zohmanngasse im 10. Bezirk. 1976 wurde sie dort Leiterin. Seit Anfang der 90er Jahren schickt das Jugendamt ausländische Jugendliche zur "Bock" - zunächst Kinder aus Gastarbeiterfamilien später auch unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aus Kriegsgebieten, die in Österreich um Asyl ansuchen. Die Zohmanngasse war und ist noch immer die letzte Adresse für die, die niemand wollte. Wissen SozialarbeiterInnnen oder FlüchtlingsbetreuerInnen nicht weiter, schicken sie die Menschen zu Ute Bock, weil niemand - egal woher er stammt - abgewiesen wird. Weil sie es nicht übers Herz brachte, Menschen auf die Straße zu setzen, organisierte Ute Bock private Wohngemeinschaften, die sie selbst finanzierte und in ihrer Freizeit betreute. Für ihr soziales Engagement wurde sie bereits mehrfach ausgezeichnet. Im Jahr 2000 stiftete SOS Mitmensch sogar einen eigenen "Ute-Bock-Preis für Zivilcourage".

Länge: 42 Min. 39 Sek.
Produktionsdatum: 2013
Copyright: Stadt Wien

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Wiens Märkte werden digital: Standler*innen können nun Marktplätze bequem via PC, Handy oder Tablet buchen – das natürlich rund um die Uhr. Der Marktplatz kann dann am gebuchten Markttag sofort bezogen werden. Auch Anträge können im One-Stop-Shop der Stadt Wien unter www.mein.wien.gv.at für zum Beispiel fixe Zuweisungen, Schanigärten oder marktbehördliche Bewilligungen online gestellt werden. Ein weiteres Service: der Status der Anträge ist auf der Übersichtsseite abrufbar.
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Zum Frauentag holt die Stadt Wien zwei neue „große Töchter“ vor den Vorhang: Im Arkadenhof des Rathauses werden für Ingeborg Bachmann und Luise Fleck zwei Gedenktafeln in der Pionierinnengalerie enthüllt. Die Galerie stellt außergewöhnliche Frauen der Stadt, ihr Engagement, ihr Handeln und ihre Leben in den Mittelpunkt. Ingeborg Bachmann war eine heimische Schriftstellerin, die als eine der bedeutendsten Lyrikerinnen des 20. Jahrhunderts gilt. In ihren Werken widmete sich die Klagenfurterin Themen wie die Rolle der Frau in der männlich geprägten Gesellschaft oder den Konsequenzen und dem Leid von Kriegen. Sie verstarb 1973 in Rom, seit 1977 wird jährlich der Ingeborg-Bachmann-Preis verliehen. Luise Fleck war die erste österreichische und weltweit zweite Frau, die als Filmregisseurin und Produzentin Erfolg hatte. Sie führte bei mehr als 100 Filmen Regie und schrieb auch 20 Drehbücher. Besondere Bekanntheit erlangte sie in der Zeit während der Wende von Stumm- zu Tonfilmen. Sie starb 1950 in Wien. Die nun 30 Porträts der großen Töchter der Stadt können noch bis 31. März im Arkadenhof des Wiener Rathauses besichtigt werden.
Länge: 2 Min. 47 Sek. | © Stadt Wien / KOM

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