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Mitschrift

I bin in Wien auf ' d Welt kommen. Im Herbst 1936. Angeblich ein furchtbar großes, dickes Kind. Zumindest hat mir meine Mutter immer vorgehalten, dass ich so eine schwere Geburt war. Meine Mutter war Kindergärtnerin. Mein Vater war Uhrmacher. Zur Zeit meiner Geburt arbeitslos, wie das im Jahr 36 bei vielen war. Meine Mutter hatte Arbeit. Ich wurde die ersten zweieinhalb - drei Jahre von meinem Vater betreut, weil meine Mutter eben arbeiten ging und er nicht arbeiten musste. Er wurde aber dann gleich als der Krieg ausbrach, als Soldat eingezogen und ich kam mir sozusagen beziehungslos vor, weil der Papa weg war.

Wir wohnten in Hernals in so einer richtigen Arbeitergegend. Winzig kleine Wohnung. Zimmer, Küche, Kabinett. Meine Großeltern wohnten im gleichen Haus, am gleichen Gang. Mein Großvater war ein herrlicher Mensch. Meine Großmutter war die fürchterlichste Frau von Hernals. Das hat nicht nur meine Mutter gemeint, sondern das meinte die ganze Gegend.

Der Krieg.
Tja, und dann kam der Krieg. Ich kann mich nicht mehr wahnsinnig gut an die ersten Jahre erinnern, aber an die Zeit dann, wo' s sehr viele Bombenangriffe gab. An die kann ich mich dann schon besser erinnern.

Blockwart.
Es gab einen, das war der Blockwart, und der war ja damals eine furchtbare Figur. Der ist ja jeden Abend herum gerannt und hat furchtbar darauf aufgepasst, dass ja aus keinem Fenster ein Lichtschein kommt und das alle Verdunklungsrollos richtig 'runtergelassen sind und wenn meine Großmutter wieder einmal auf' n Hitler g' schimpft hat, dann hat er ihr mit der Gestapo gedroht. Der hat irgendwann in den letzten Kriegstagen einen Gehirnschuss gekriegt. Das ist ja damals nicht so gut operiert worden, wie man das heute kann. Der hatte dann oben im Hirn so einen Trichter. Da ist das so ganz tief reingegangen und war so vernarbt und irgendwie hat da drinnen so Bindegewebe gezuckt. Ich hab' immer geglaubt, das ist das Hirn, das ich sehe. Das war natürlich nicht das Hirn. Den hab' ich mir wahnsinnig gern
ang´schaut, weil das war der einzige Nazi wo ich mir gedacht hab', der hat da irgendwas gekriegt, was dem gebührt. Ich glaub' diese erste frühe Enttäuschung, die hat mich unfähig zur Empathie gemacht in politischen Dingen.

Wohnung.
Also, unsere Wohnung war im Parterre. Sie gehörte zu den besseren Wohnungen im Haus, weil es war Zimmer, Küche, Kabinett. Die schlechteren Wohnungen, die waren nur Zimmer, Küche. Es gab Wohnungen, da wohnten in Zimmer, Küche, die Großeltern, die Eltern und noch zwei Kinder. Das wurde alles auf, na wahrscheinlich, dreißig Quadratmetern untergebracht. Wir hatten ein Kabinett. Das war aber, da wir im Parterre wohnten, unheimlich feucht. Das hat man gar nicht bewohnen können. Im Sommer ist die Feuchtigkeit der Mauern zu einer Art Blätterteig aufgetrocknet und im Winter ist überhaupt alles völlig verschimmelt. Was so in dem Zimmer stand, das kann man sich gar nicht vorstellen, dass das alles in ein Zimmer hineingeht von vielleicht 22 Quadratmetern. Da war ein großes Ehebett, ein Sofa, ein Kinderbett, zwei Nachtkastln, eine Speisezimmerkredenz, ein Tisch, vier Sesseln, eine Kommode mit Laden, ein Piano, weil meine Mutter sehr für' s Klavierspielen war, zwei Kästen, ein Ofen, ein Ofenschirm und dann jede Menge Kinderspielzeug. Tretroller, Dreiradler und Puppenwagen. Das war alles in dem Zimmer drinnen. Die Küche war ja so winzig klein, ich glaub' einen Sessel hat 's in der Küche gar nicht geben. Halt so eine alte Kredenz und an Gasherd. Es gab auch kein fließendes Wasser. Das wurde dann glaub' ich so '43 oder '44 eingeleitet, wobei meine Mutter sehr drum kämpfen musste, denn der Hausherr hat ihr das verboten, weil da wird zuviel Wasser verbraucht. Da kühlt man dann die Bierflaschen hat er uns erklärt immer unterm fließenden Wasser. Eiskästen hat' s ja auch keine gegeben. Klo war natürlich am Gang. Wir hatten das Glück mit der Großmutter und dem Großvater zusammen ein Klo zu haben, aber die anderen Mieter... Da gab' s also jeden Morgen die irrsten Streitigkeiten um' s “Häusl“. Wenn einer zu lange saß, dann wurde geklopft. Dann hat man vom oben g' hört: Na, wenn' s mich so drängen, komm i gar ned ausse. Irgendwie war das aber ganz normal.
Es gab eine größere Wohnung im Haus, die sogenannte Hausherrenwohnung, aber auch die hatte weder Badezimmer noch Klo drinnen. Die glaub' i hat zweieinhalb Zimmer g' habt - das war es dann.

Kindergarten.
Ich bin dann ich glaub, wie ich zweieinhalb oder drei Jahr alt war jeden Tag mit meiner Mutter in' Kindergarten gegangen. Die hat irgendeine Erlaubnis g' habt, dass ich bei ihr in der Gruppe sein darf. Da waren die Kindergärtnerinnen schon dienstverpflichtet ganz am frühen Morgen, weil ja viele Frauen in Fabriken gearbeitet haben. Ich erinnere mich, im Winter ein schrecklicher Weg. Da ist noch keine Straßenbahn g' fahrn, sind wir schon in den Kindergarten gegangen und wenn der Wind pfiffen hat. Mir war immer zum Heulen zumute, weil ich immer schon ein sehr erfrorenes Kind war. Dann war ich halt den ganzen Tag bei ihr im Kindergarten und am Abend sind wir wieder nach Haus' gewandert.
Meine Mutter hat aber dann große Schwierigkeiten gekriegt im Kindergarten, weil wir ja bei Gott keine Nazis waren, sondern das Gegenteil. Sie hat sich geweigert den Kindern Nazilieder zu lernen. Erstens überhaupt und zweitens hätten die Kinder des a gar ned kapiert. Das waren so Texte, ich erinnere mich noch mit Schaudern dran: “Buben, Mädl kommt heran, seht euch unsre Fahne an. Stolz schmückt sie das Hakenkreuz. Jedes deutsche Kind das weiß, Adolf Hitler, unser Führer hat sie uns gegeben.  Adolf Hitler, unserm Führer weihen wir unser Leben“. Das hätten sollen die vierjährigen lernen. Meine Mutter tat das nicht und dann hat's ein Disziplinarverfahren' kriegt, dann hat' s immer müssen zur Gestapo, aber sie hat des immer durchgestanden und wurde dann frühpensioniert. Also, ab '44 war sie dann in Frühpension.

Die Bassena am Gang.
Die Bassena am Gang war ein wichtiger Treffpunkt und da wurde der Haustratsch abgehalten. Außerdem haben wir Kinder immer die Bassena benutzt um so Wasserspiele zu machen. Aufdrehen mit' n Daumen, unten zuhalten. Ich hab' das sehr geliebt, weil da war so auf den Gängen eine abgeblätterte Malerei, ziemlich farblos. Wenn aber das Wasser hing' spritzt hat, ist das alles dunkel worden und man hat Muster g' sehn. Das hat mich immer sehr animiert das zu machen. Dann ist gleich  irgendwer raus' kommen und hat mich g' schimpft, dass ich das bleiben lassen soll.
Ich hab' immer die Sehnsucht g' habt – ich hab' mir ned vorstellen können ein eigenes Zimmer zu haben. Ich hätte gern an Raum für mich g' habt und da war so ein Traum von mir: Der Hausherr vermietet mir ein Klo. Da hab' ich mir richtig vorg' stellt, wie ich das Klo dann einrichte. Mit einem Bücherregal und Bildern an der Wand und irgendwie ein Sitzbrett über der Muschel mit an Polsterl drauf – und davon hab' ich geträumt. Dass ich ein Klo habe.

Auf der Straße.
Auf der Straße, war so Kopfsteinpflaster und im Krieg war ja kaum Verkehr. Also im Rinnsal zum Beispiel wuchs im Sommer Löwenzahn. Es gab noch Fuhrwerker mit Pferden - zum Beispiel der Eismann. Manche Leute hatten ja so Eisschränke wo man Eis reing' legt hat. Der ist mit seinen Pferden g' fahrn und dann sind die Leute gekommen und haben sich einen halben oder einen viertel Eisblock g' holt und wir Kinder sind hinterher g' rennt und haben uns die Eissplitter genommen. Das war dann sozusagen unser Eisschlecker. Was aber wieder verboten war, weil die Rossknödel waren ja dazwischen und die Mamas waren dagegen, dass ma' da etwas von den Rossknödel auf die Eisschlecker kriegt. Wir haben' s trotzdem g' macht.

Schokolade.
Geldmangel gab es keinen, denn mein Vater als Soldat hat ja einen Sold bekommen und die Familie hat ja auch ein Gehalt bekommen, wenn der Familienerhalter im Krieg war. Hunger gab es eigentlich keinen, es gab ganz wenig. Ich kannte keine Schokolade. Einmal, ich hatte einen Onkel, der war Nazi, war irgendwo in Frankreich und der hat mir einmal Schokolade gebracht. Da hab' ich geglaubt, die Schokolade ist weiß, denn es waren “Katzenzungen“, die so ganz alt und angelaufen waren. Sonst kannte ich keine Schokolade.

Bei unserem Greissler hing neben der Tür so eine große Blechtafel mit einer Reklame für Bensdorf-Schokolade. Dieses Faszinierende, wo eine Mädchen mit einer Schokoladentafel ist und auf der Schokoladentafel ist wieder ein Mädchen mit einer Schokoladentafel- das hab'  ich mir immer sehr gern' ang' schaut. Meine Vorstellung, wenn ich meine Mutter g' fragt hab', was Frieden ist - dieses Wort, ich hab' mir nix drunter vorstellen können – hat' s immer g' sagt: Wenn' s wieder Schokolade und Schinkensemmeln gibt. Hat' s leider nicht gegeben. Mein Großvater allerdings hat mir das anders erklärt. Der hat g' sagt: Frieden ist, wenn ma wieder die Sozialdemokra“z“ie haben. Der hatte das immer mit an “z“, die Demokra“z“ie.
Dann hab' ich halt auf' n Frieden g' wartet. War übrigens bitter enttäuscht, dass es weder Schinkensemmeln gab, noch die Sozialdemokra“z“ie geherrscht hat.

Wohnen in der Villa.
Also an das Sitzen im Keller erinner' ich mich eigentlich... Ja, ich erinnere mich eigentlich schon, aber dass ich eine furchtbare Angst gehabt hätte, daran kann ich mich nicht erinnern. Ich erinnere mich dran' dass ich mir immer den Kopf zerbrochen hab' im Keller, was ein Giftgas ist. Der ganze Keller war so tapeziert mit Zeitungen, ganz dick. Völkischer Beobachter, also alle diese Wände waren da voll damit und wenn ich g' fragt hab' warum das so ist, hat man dann g' hört: Gegen' s Giftgas. Hätte wahrscheinlich gegen' s Giftgas nicht viel genutzt, aber Giftgas gab' s eh keines.
Anfang `45 wurden wir so ausgebombt, dass wir in der Wohnung nicht mehr wohnen konnten. Da bekam man dann so einen Einweisungsschein, wo man halt einquartiert worden ist. Da wurden wir in eine Villa auf der Neuwaldegger Straße einquartiert. Da hab' ich dann zum ersten Mal kenneng ' lernt, wie man auch wohnen kann.
Zur gleichen Zeit ist mein Vater in Russland total zerschossen worden und war dann in Warschau in einem Lazarett und dann in Wien in einem Lazarett und dann eben im März, wie ja schon absehbar war, dass der Krieg zu Ende geht, ist er einfach desertiert. Das heißt: Nicht einfach, das war ziemlich kompliziert. Er war in Wien in einem Lazarett und hat jeden Tag Urlaub bekommen um nach Hause zu gehen. Da die Russen schon sehr nahe waren wollte man dann das Lazarett nach Deutschland verlegen und da hat er den Menschen in der sogenannten Schreibstube, hieß das beim Militär,  bestochen und der hat ihm einen ganzen Packen Urlaubsscheine gegeben und einen Stempel dazu. Man hat einfach in der ganzen Aufregung um die Evakuierung des Lazaretts, hat man das nicht bemerkt und er war dann bei uns und das war natürlich schon sehr gefährlich. Das hätte ihm wahrscheinlich eigentlich niemand g' laubt, hätte sich dann  herausgestellt, dass er da ist.
Wie wir dann in diese Villa gezogen sind, an das kann ich mich noch ganz gut erinnern. Da haben wir ja müssen zu Fuß gehen von der Geblergasse, wo wir wohnten auf die Neuwaldegger Straße, weil die Straßenbahn nimmer g' fahrn ist - waren ja überall Bombentrichter. Da sind wir so gegangen und auf der Neuwaldegger Straße, dort wo die Artariastraße weggeht, da stand eine Sperre von der Wehrmachtspolizei. Vier so Soldaten und da weiß ich noch genau, ich hab' so die Hand von meinem Vater g' halten und furchtbares Herzklopfen. Meine Mutter, die neben meinem Vater gegangen ist - wenn die aufgeregt war hat' s immer so rote Flecken gekriegt – die war voll von roten Flecken und meine große Schwester, fünf Jahre älter, die wollte überhaupt nicht weitergehen. Irgendwie haben die den Urlaubsschein den er vorgezeigt hat, diesen selbst ausgefüllten, zur Kenntnis genommen und haben ihn durchlassen. Dann waren wir halt in dieser Villa.
Die Besitzer der Villa waren nach Westen geflohen und ich hab' mich dort einfach sehr wohlgefühlt. Ich hab' mir gedacht: Ja so ist das Leben, so muss es sein.

Ausflüge.
Wir haben ziemlich viele Ausflüge g' macht. Meine Mutter, meine Tante, ich hab' s immer ungern g' macht. Es war so schrecklich für mich. Es waren ja alle Transportmittel überfüllt. Die Straßenbahn war überfüllt, die Züge waren überfüllt. Da haben wir mit der Straßenbahn nach Hütteldorf fahren müssen und der Zug, das war der sogenannte  “Pendler“, der ist da so Purkersdorf g' fahrn. In Purkersdorf haben wir dann herum marschieren müssen und ich habe es gehasst. Das hat schon damit begonnen, dass, ich war die Kleinste von allen, dass meine Tante mich immer in diesen “Pendler“ durch ein offenes Fenster reing' worfen hat. Damit ich Plätze besetze, weil so ein Andrang war. Wie soll eine sieben-achtjährige vier Plätze verteidigen, wenn da die wilden Scharen hereinstürmen? Das ist mir halt auch nie geglückt. Und dann, ich wollt' nie herumgehen. Immer dieses furchtbare Dirndl. Ich war ein relativ dickliches Kind und da haben' s mir immer an' zogen so ein Dirndl mit Schürze und Bluse und unten die selber g' strickten Sockerl, so hohe Schuh' zum zusammen schnüren. Je länger wir g' angen sind,... da ist die Bluse da oben so
ausseg' stiegen und die Schürze über' n Bauch runter. Also, ich hab' diese Ausflüge gehasst, aber sie wurden im Sommer zumindest alle 14 Tage gemacht.

Im Garten der Villa.
Die Zeit damals als wir da hingekommen sind, war noch nicht danach. Also, dass wir im Garten waren, denn das war glaub ich zweiter oder dritter März. Ich weiß es nicht mehr genau, aber im Jahr 1945 kam der Sommer eigentlich sehr schnell. Es war dann schon sehr warm so Ende März, Anfang April. Es war natürlich immer die schreckliche Angst da, dass die SS draufkommt, dass mein Vater da ist, weil es waren tagtäglich SS – Truppen bei uns im Haus. Mein Vater hat sich oben am Dachboden versteckt. Die SS - ler waren so auf' n Rückzug nach Deutschland. Wir haben halt jeden Tag gehofft, dass endlich die Russen kommen, dass sie wirklich kommen, damit mein Vater da irgendwo nicht mehr vor' s Militärgericht kommt.
Dann waren noch etliche Bombenangriffe in Wien, aber davon haben wir eigentlich nix g' merkt. Es waren dann schon so russische Tiefflieger da. Da erinnere ich mich speziell an einen. Da bin ich im Garten draußen g' standen und hab' Gartenzwerge verschoben. Ich hab' vorher nie Gartenzwerge gesehen - das waren so große Gartenzwerge - und mit denen hab' ich immer Schule g' spielt und hab' die so geordnet wie Schulkinder und ich war dann die Lehrerin. In die Schule bin ich ja auch nicht gegangen. Es wäre zwar irgend so eine Schule g' wesen irgendwo in Neuwaldegg, aber da hat mich meine Mutter nimma hin' schickt aus Angst, dass dann irgendein Bombenangriff ist und dass ich nimma zurück kann und in meine alte Schule in Hernals - das wäre überhaupt unmöglich g' wesen. Also ich ging nicht in die Schule.
Da erinner' ich mich genau, dass einmal so ein Flieger ganz tief g' flogen ist über unsern Garten und ich bin mit so einem Gartenzwerg g' standen und hab' nur
hochg' schaut und der muss schon sehr tief g' wesen sein, weil ich g' sehen hab' dass da drinnen ein Mann sitzt, der eine lederne Mütze auf hat. So eine lederne Mütze mit Ohrenschonern. Irgendwie ist dann plötzlich meine Mutter aus dem Haus gestürmt und hat mich gepackt und ins Haus herein g' rissen und hat mir erklärt wie gefährlich das ist und ich hab' immer gesagt: Aber nein, da ist ein Mann drinnen g' sessen. Also ich hab' mir einfach nicht vorstellen können, dass ein Mann mir ' was tut.
Ich hab' die Bomben, wie wir noch in der Geblergasse waren, sehr oft g' sehen. Meine Großmutter war ganz schwerhörig und die hat nie den Bombenalarm g' hört und ist nie in den Keller gegangen. Einmal bin ich bei ihr geblieben, weil ich auch nicht gern im Keller war, und da hab' ich die Bomben zum ersten Mal g' sehen und das hat mich fasziniert. Da war der Himmel so blau und an dem blauen Himmel sind eben diese Flieger, zuerst einer, dahinter drei und dann noch so mehrere, und dann haben sie die Bomben fallen lassen und das hat wie Perlenkette ausgeschaut. So, wie hellgraue, glitzernde Perlenkette die da so runtergekommen sind und dann war ich sehr versessen darauf Bomben zu sehen.
Bei dem Bombenangriff, wo wir dann richtig ausgebombt wurden - es ist ja, wenn man' s erzählt ist' s sehr komisch – war ich auch mit meiner Großmutter in der Wohnung und dann hat' s aber rundherum so gezischt, dass sogar ihr als Schwerhörige das laut genug war und dann hat' s g' sagt: G' schwind, g' schwind in' Keller. Ich bin ihr vorausgerannt und kam noch die Kellertreppe runter und meine Großmutter, auf der Kellertreppe, durch den Luftdruck, wie die Bombe ins Haus gegangen ist, ist die Kellertüre aus den Angeln gefallen und meine Großmutter ist auf der Tür in den Keller hinuntergesegelt. Das war also wirklich ein komischer Anblick, den ich allerdings nicht lang hatte, weil ja dann schon so viel Staub und Mauerdreck war, dass man sie nicht mehr gesehen hat. Aber wie sie da so auf der weiß gestrichenen Kellertüre runtersegelte, das muss irgendwie schon sehr lustig
ausg' schaut haben.

 

Die Russen.
Zuerst haben wir jeden Tag g' wartet, dass endlich die Russen kommen. Dann kamen noch letzte SS-ler, die meine Mutter überreden wollten, dass sie mit den Kindern nach Westen flüchtet. Dass mein Vater auch noch da ist - hatten sie ja keine Ahnung. Meine Mutter war standhaft und hat sich geweigert. Die SS-ler haben ihre noch großen Vorträge gehalten, dass die Österreicher ein merkwürdiges Volk sind, weil sie auf die Russen warten.
Dann kamen die Russen. Das war eigentlich zuerst sehr friedlich.
Ich glaub' das hat g' heißen “Panjewägen“- das waren so kleine Wagerl mit relativ kleinen Pferden – da sind die so über die Neuwaldegger Straße hereingezogen von der Höhenstraße her. Merkwürdigerweise alle Nazis haben weiße Fahnen aus den Fenstern  g' hängt - Leintücher, zum Zeichen dass sie sich ergeben. Wir haben das nicht rausgehängt. Ich hab' mir das halt so ang' schaut.
Na, und dann sind die ersten Russen gekommen. Die haben dann in unserem Haus Quartier gemacht. Es war ja alles sehr schwierig wegen meinem Vater. Der war noch ein sehr junger Mensch. Er ist 1911 auf die Welt gekommen, also der war ja noch nicht alt. Dem haben sie aber dann irgendwie  abgenommen – weil er war ja wirklich völlig zerschossen und hat in den Beinen unheimlich viele Granatsplitter gehabt, die immer dann so hinausgeeitert sind in so großen Dippeln - das war ned lustig – und das haben sie ihm eigentlich abgenommen, dass er aus dem Grund nicht beim Militär war. Vielleicht haben sie es ihm auch nicht abgenommen, aber jedenfalls haben sie ihm nichts gemacht.
Dann waren eben Russen bei uns im Haus einquartiert. Die haben unten gewohnt. Es war irgendwie schon schwierig, weil sie nüchtern sehr nett waren, aber betrunken weniger nett und sie waren jeden Tag betrunken - die meisten. Nur hatten wir mehr Schutz im Haus vor betrunkenen Russen, wie andere Leute in anderen Häusern, weil bei uns hat irgendein Major, oder irgendein Oberer gewohnt. Jedenfalls, der hat über uns gewacht, der war nie betrunken. Den hab' ich sehr gern mögen. Es gab aber schon sehr heikle Situationen.
Mein Vater war auch dauernd betrunken. Mein Vater war Uhrmacher und der hat dann für die Russen Uhren repariert. Dazu haben sie ihn eigentlich gezwungen und da haben sie ihm immer was zum Trinken gegeben. Er hatte ja überhaupt keinen Überblick mehr über die Uhren. Einer hat ihm – ich mein' das ist so ein blöder Witz - “ Uhra, Uhra“, aber sie waren wirklich versessen auf Uhren die Russen. Dann ist ein Soldat reingekommen, hat ihm auf den Werktisch, wo er da gearbeitet hat zehn Uhren hing' legt und mein Vater hat halt irgendwie g' schaut, dass er die zum Gehen bringt wenn' s nicht gegangen sind. Dann ist aber der nächste Russe gekommen und hat ihm die Uhren weggenommen. Also, es war ein ständiges Kommen und Gehen und er hat immer trinken müssen. Ich glaub' kaum, dass er kaum Uhren reparieren hat können.
Dann gab' s einen andern Soldaten, den hab' ich sehr mögen. Ich nannte ihn immer den “Budjemglebsoldaten“. Der war ein Bäcker, war immer betrunken und wollte immer Brot backen. Wir hatten ja da in der Küche noch so einen großen Herd – einen hellblau gekachelten riesigen Ofen – und meine Mutter hat ihm immer versprochen, dass sie mit ihm Brot backen wird. Dann ist er ausgezogen und hat unheimlich viel Mehl und Milch und alles Mögliche gebracht und dann ist er eingeschlafen, weil er so b' soffen war. Meine Mutter hat die Schätze weggeräumt und bis er wieder
aufg' wacht ist, hat er sich an nix mehr erinnern können.   
       
Die russischen Kampftruppen.
Ich war ja nur eigentlich in der Zeit, wenn Neuwaldegg g' meint ist, nicht so wahnsinnig lang. Das war dann also von Anfang März, ich glaub' bis September oder Oktober war ich nicht in der Schule. Dann sind wir wieder zurückgezogen in die Geblergasse. Wir hatten viele Lebensmittel gehortet die uns Russen geschenkt haben. Mein Vater wollte auf gar keinen Fall länger dort bleiben und meine Mutter auch nicht. Ob das richtig war oder falsch, kann ich heute nicht mehr beurteilen. Sie haben immer g' sagt: Bis jetzt sind die Kampftruppen da und die Kampftruppen, die russischen, sind anständige Menschen. Aber jetzt kommt der Tross und der sei furchtbar und da muss man schnell weg.
Mit den ganzen Lebensmitteln dann hat mein Vater mit Freunden die irgendwie zur Verfügung standen – oder Bekannten – die Wohnung wieder aufgebaut. Das waren ja merkwürdige Handelspreise damals. Ich erinnere mich, dass für meinen Puppenwagen, der irgendwie erstaunlicherweise nicht ausgebombt wurde – den hat der Luftdruck irgendwo weggeschleudert, der hat aber schon drei so Bombensplitterlöcher g' habt – für den gab' s einen ganzen Holzfußboden für diese Zimmer, Küche, Kabinett Wohnung. Die Arbeiter, die da mit meinem Vater arbeiteten, die arbeiteten eigentlich nur für' s Essen das meine Mutter gekocht hat.
Zum Beispiel so Sachen wie “Grenadiermarsch“, weil wir Unmengen von Nudeln und getrockneten Zwiebel hatten. Geld war nicht so wesentlich und auch nicht so wichtig. Wir hatten ein paar Ölkanister und wahre Schätze. Zum Beispiel Schmalzfleisch in Dosen – das war ganz was Begehrtes. Ist halt dann gegen Naturalien umgetauscht worden. Als wir dann wieder in der Geblergasse waren ging ich wieder eben in Hernals in die Schule.

Gymnasium.
Zwei Schuljahre hatte ich ja vorher, bevor wir ausgebombt wurden.
Als der Krieg zu Ende ging, war ich acht Jahre alt. Man hat mich kein Schuljahr wiederholen lassen. Die meisten Kinder haben ein Schuljahr wiederholt, aber meine Mutter hat immer gefunden, sie hat so g' scheite Kinder, dass das nicht notwendig ist. Ich glaub' es wär' g' scheiter g' wesen ich hätte das Schuljahr wiederholt. Ich bin dann noch ein Jahr, also nachher, in die Volksschule gegangen.
Dann kam ich ins Gymnasium, aber ich hab' überhaupt nix gewusst. Die haben von Fällen geredet und ich hab' mir immer gedacht: Was ist das? Ich hab' an einen Pelz gedacht wenn' s um Fälle ging. Ich hab' das alles nicht kapiert. Daran merkt man ja eigentlich wie wenig man in der Volksschule lernt. In einem knappen Jahr hatte ich alles nachgeholt. Nur natürlich mit Deutsch war' s wahnsinnig schwierig, denn ich sprach im breitesten Wiener Dialekt und hörte dann im Gymnasium immer “Schön“ sprechen, nur hab' ich halt nicht gewusst, wie “Schön“ sprechen geht. Da bin ich dann eher verstummt und hab' mich dann eher auf Mathematik und Physik geworfen.
Mädchenschule.
Meine Schule war in der Kalvarienberggasse. Es war ja noch keinerlei Koedukation. War ja eine reine Mädchenschule, die war eben in der Kalvarienberggasse.
Die Knabenschule war in der Geblergasse. Ich hab' 1954 maturiert. Mit ziemlich schlechten Noten. Hat mich auch überhaupt nicht interessiert die Schule, bin äußerst ungern hingegangen. Es war, wie man das so nennt, ein “schwarzes“ Gymnasium. Sehr konservativ und ich kam mir eigentlich immer wie im Feindesland vor.
Überhaupt, ich mochte Schule nicht. Schon die Volksschule, die war da am “Kirchenbergl“ – hat man das genannt – Kindermanngasse hieß die Adresse der Schule. Eine sagenhaft dicke, uralte Volksschullehrerin – schon die hab' ich nicht leiden können und ich glaub' sie hat mich eigentlich auch nicht mögen.

Studium.
Als ich ins Gymnasium kam hab` ich eigentlich glaub' ich von nix speziell geträumt. Berufswünsche, ich hab' da oft d' rüber nachgedacht, ob ich Berufswünsche hatte. Da hab' ich mich nur mehr daran erinnert, an so eine komische Vorstellung von Journalistin, die damals ja eigentlich eine rare Sorte waren. Es waren ja die meisten Journalisten Männer. Meine Vorstellung war bitte, ich seh' das noch vor mir, das ich also erwachsen bin, ein Kostüm anhabe und in einer Hand eine Reiseschreibmaschine und in der andern die Leine von einem Pudel. Irgendwie war das so eine kindliche Vorstellung von mir, dass das so was Schönes wär'. Aber ich glaub' so richtige Vorstellungen hatte ich nicht.
Dann, in schon späteren Jahren im Gymnasium, hatte ich das Pech halbwegs gut zeichnen zu können. Anscheinend konnte sonst kaum jemand zeichnen. Das hört man ja gern, dass man unheimlich talentiert ist und daher hatte ich dann den Wunsch auf die Akademie für angewandte Kunst zu gehen.
Die Aufnahmeprüfung hab' ich auch g' schafft. Ich hab' schon das Studium geschafft, aber ich war bei Gott kein Genie. Mein kritischer Verstand, war immer mehr als mein handwerkliches Können. Aber ich hab' das schon während des Studiums gemerkt, dass das eigentlich nix für mich ist. Aber, das war so unvorstellbar, dass man einfach ein Studium abbricht und sagt, na, ich mach' doch lieber was anderes, das ich halt weitergegangen bin. Mir war aber schon klar, dass ich kein großer Könner bin.

Kleidung und Frisur.
Im Herbst 1954 hab' ich mit der Akademie ang' fangen. Ich erinnere mich genau was ich angehabt hab', wie ich am ersten Tag auf die Akademie ging, weil ich sehr, sehr bitter enttäuscht war. Wir hatten ja daheim kaum Geld und Kleider hab' ich mir selber genäht, das konnte ich sehr gut. Da war ich also besser angezogen als die meisten bei uns im Gymnasium, weil die haben ja auch nicht so viel Geld g' habt damals.
Schuhe hab' ich mir natürlich nicht selber machen können und da hat meine Mutter ihr letztes Geld zusammengekratzt und ist mit mir Schuhe kaufen gegangen – natürlich in Hernals. Das waren fliegerblaue Pumps, vorn ganz rund und hinten so sieben- oder acht Zentimeter Absatz, auch ganz fest und stämmig. Das war halt so in Hernals dann üblich als letzter Schrei. Als ich am ersten Tag dort ankam, die waren alle so wahnsinnig schick und ich war so stolz auf meine Schuh'. Aber Schnecken, die hatten so spitze Schuh', mit so ganz kleinen, dünnen Absätzen und ich hab' g' merkt, also das ich wirklich die Mode vom letzten Jahr hab'. Auch frisurmäßig.  Ja, ich hab' glaub' ich jedes halbe Jahr zum Friseur gehen können und der hat halt dann so Dauerwellen gemacht. Schreckliche Dinger.

Schwanger.
Ich hab' mich, wie man in Wien zu sagen pflegt, ins “Leo“ gestellt, indem ich schwanger worden bin und daher außer Gefecht gesetzt war. Das war ja auch damals viel schwieriger. Ich hab' Gebrauchsgrafik g' macht und da gab' s ja nicht so eine Werbung wie heute. Da hatte ja faktisch jede größere Firma eine eigene Werbeabteilung und da hast müssen deine Mappe nehmen und hast müssen von Firma zu Firma gehen und dich dort andienen. Das ist mir ja überhaupt nicht gelegen, ich war ja so was von schüchtern. Die Vorstellung, dass ich zu “Manner“ oder zu “Meindl“ geh' mit meiner Mappe und dort irgendeinen Menschen in der Werbung überzeuge, dass meine Plakate die Besten sind. Na, also bitte, da bin ich lieber schwanger worden. Nicht, dass ich es absichtlich tat, aber rückblickend gesehen war das der Grund.

Vormundschaft.
Ich, als schwangere Person hätte ja dort nicht bleiben können. Außerdem hab' ich ja geheiratet. Das war ja damals das übliche. Wenn man schwanger ist, muss man heiraten. Nein, ich bin zu meinem Ehemann gezogen, der übrigens, weil ich noch nicht 21 war, für mich die Vormundschaft übernehmen hat müssen. Absolut skurril, ja. Er war 24. also er hatte nur ein paar Monate die Vormundschaft über mich, weil ich glaub' ich war 20 Jahre und 5 Monate. Damals wurde man großjährig mit 21 und so lange war er mein Vormund.


Erste Ehe.
Diese erste Ehe die ich hatte – mein Gott, wie lang' währte die – die währte ein oder eineinhalb Jahre. Dann war Schluss damit. Da wohnten wir, also ich wohnte bei ihm, er hat so eine riesige Wohnung g' habt. Die hatte er irgendwie noch von seinen Eltern. Es waren lustige eineinhalb Jahre, aber dann war es halt aus. Dann bin ich noch einmal kurz zu meinen Eltern gezogen, bin natürlich arbeiten gegangen.
Ins Pressehaus, aber ins Büro, also kurz als Bürofrau und dann hab' ich wieder geheiratet.

Wohnung im sechsten Stock.
Ich war natürlich schon versorgt, aber wahnsinnig viel Geld hatten wir nicht. Es war ja damals völlig ausgeschlossen mit zwei Kindern arbeiten zu gehen. Einen Kindergartenplatz hast du überhaupt nur gekriegt, wenn du schon gearbeitet hast und wenn du nicht gearbeitet hast, hast keinen in Aussicht g' habt und ohne Kindergartenplatz hast du aber nicht zum Arbeiten anfangen können.
Wir haben in der Stadt gewohnt, in der Kurrentgasse in einem uralten Haus. Das ist noch glaub' ich ein romanisches Haus, eines der ersten in Wien. Am Dach oben, sechster Stock, natürlich ohne Lift mit Wendeltreppe zu erreichen. Das war eine Untermietwohnung, die eigentlich wahnsinnig viel Geld gekostet hat für damalige Verhältnisse. Im Monat: 1500 Schilling. Das war ziemlich viel, aber man hat sonst keine Wohnungen gekriegt. Wasser haben wir uns da oben einleiten lassen. Wir hatten ein kleines Vorzimmer. Das haben wir uns aber mit den anderen Untermietern geteilt. Das war glaub' ich die älteste Prostituierte von Wien mit der wir das Vorzimmerchen hatten. Dann haben wir zwei Zimmer gehabt und dann eine Küche, aber auch keine Badezimmer. Das wollten wir uns zwar machen lassen, aber damals war Vollbeschäftigung und es war niemand bereit, wir haben keinen Installateur gefunden, der in den sechsten Stock da rauf ein Badezimmer machen gegangen wär.
“Na, da streiken meine Arbeiter“, hat' s immer g' heißen. Außerdem, je mehr wir in diese Untermietwohnung investiert haben, umso mehr hat der Hausherr die Miete erhöht, weil er g' sagt hat: Ihr habt' s es ja jetzt schon so schön. Er wollte uns keinen Mietvertrag geben. Ich glaub' wir haben sechs, oder sieben Jahre dort g' wohnt und dann haben wir uns eine Eigentumswohnung in Ottakring gekauft.

Politik.
Politisch aktiv, war ich nie. Ich war auch nicht mit Politikern befreundet. Ich war immer politisch sehr interessiert, war auch irgendwie politisch engagiert, aber ich bin kein Mensch der sich eignet einer Partei beizutreten oder irgendwie wo mitzumachen. Mein Ehemann, der war immer ziemlich links. Meine Kinder wurden dann noch linker, aber mir hat das alles nicht behagt. Ich kann das einfach nicht. Ich will an keinen Arbeitsgruppen teilnehmen, ich wollt' kein Marxismus Seminar belegen, das war also alles nix für mich. Außerdem hab' ich ja an meiner eigenen Karriere gebastelt und eigentlich überhaupt keine Zeit dazu g' habt.

Erstes Buch 1967.
Ich hab' '68 oder '67 mein erstes Buch zu zeichnen begonnen. Ich wollt' ja Buch malen und dazu hab' ich eine Geschichte gebraucht. Die hab' ich mir halt zusammengebastelt. Das muss '67 gewesen sein. Dieses Kinderbuch hab' ich aber eigentlich nur aus dem Grund g' macht, weil mein Ehemann mit Leuten aus' n
“Verlag für Jugend und Volk“ befreundet war. Da hab' ich irgendwie eine Chance gesehen. Aber ich glaub' wenn die das nicht angenommen hätten und g' sagt hätten, na, des ist nix, dann hätt' ich das nie mehr probiert.
Ich war damals so absolut ohne Selbstwertgefühl. Irgendwo saß ich in einer Falle. Zwei Kinder, ein Ehemann der so viel verdient, dass die Ehefrau nicht arbeiten muss und die Ehefrau hatte sich eigentlich nie als Hausfrau und Mutter entworfen. Das hab' ich mir eigentlich nicht vorgestellt wie ich die Matura g' macht hab', dass das aus mir wird und sonst nichts. Das hat sich eben irgendwie so ergeben und ich war also überhaupt nicht selbstbewusst.
Ich hätte sicher wenn der Verlag g' sagt hätt', nein, das gefällt uns nicht, hätte ich mir irgendwie gedacht: Das kannst also auch nicht. Gottlob, sie haben' s genommen und dann haben eben erstaunlicherweise nicht die Bilder einen Preis g' macht, sondern die Geschichte in Deutschland. Da war ich so froh über dieses Zipfel Erfolg, dass ich da plötzlich hab', dass ich mir gedacht habe: Aha, man meint ich könne schreiben – das war ganz neu für mich – weil ich hab' immer schlechte Noten in Deutsch g' habt in der Schule. Dann hab' ich halt weiter geschrieben.

Drehbücher.
Man hat viele Bücher von mir verfilmt. Eigentlich hab' ich ganz selten ein Drehbuch dazu geschrieben, weil ich das falsch finde. Wenn man einen Stoff für ein Buch macht, hat man den Blickpunkt von der Sprache her. Für einen Film gehört' s aber dazu, dass man eigentlich Bilder im Kopf hat. Es ist wahnsinnig schwer, find' ich, sich von den sprachlichen Bildern, die man schon hatte, jetzt auf die Bilder für den Film umzustellen. Also ich hab' sehr gerne Drehbücher geschrieben aber, wo ich noch kein Buch gemacht hab', aber wenn ich ein Drehbuch nach einem Buch von mir schreiben hätt' sollen, dann bin ich so an diesem Buchtext gehängt, dass ich selber eigentlich nicht umschalten hätt' können. Ich hab' immer gefunden das macht dann wer anderer. Man ist natürlich manchmal bitter enttäuscht, das kann auch sein,
wenn' s wer anderer g' macht hat. Das muss man halt in Kauf nehmen.
So Drehbücher hab' ich sehr gern g' schrieben. Ich find' es ist ja auch leichter. Wenn man viel Dialog schreibt, entledigt man sich vieler Schwierigkeiten, die man beim Prosa schreiben hat.


Auszeichnungen, Preise.
Ich denke, Selbstbewusstsein, das kommt dann so mit der Zeit. Ich hab' manchmal auch noch, wenn ich einen ganzen Tag sitz' und schreib' und mir gefällt das alles nicht und ich schmeiße alles in den virtuellen Papierkorb, dann ist mein Selbstwertgefühl auch wieder ziemlich dezimiert. Mit Preisen. Naja, es gibt welche, die man mehr mag und welche, die einem weniger zusagen. Zum Beispiel jetzt, den “Kreisky Preis“, den hab' ich sehr nett g' funden. Der wird ja für das politische Buch vergeben und dass man anerkennt, jetzt nicht parteipolitsch, dass meine Bücher auch politisch sind, das freut mich sehr. Natürlich Preise, wie der “Astrid Lindgren Award“, den ich gekriegt hab', der ist ja schon insofern sehr schön, weil er sehr viel Geld bedeutet. Ist aber trotzdem auch noch schön, weil ich hab' die Astrid Lindgren immer sehr gemocht und als erste ihren Preis zu bekommen, das war auch schön. Natürlich andere Preise, so Kinderbuchpreise, wo den drei Jahre immer irgendwer  bekommt, wo ich mir denke: Na, so ein „Schmarren“ und dann krieg' ich ihn das vierte Jahr. Da kann ich ja nicht stolzgeschwellt herumgehen. Aber ich krieg' sie trotzdem gern. Es lässt sich natürlich leicht so drüber reden, dass einem Preise nicht viel bedeuten, aber wenn ich keinen kriegen würd', wäre das natürlich eine andere Geschichte. Ich kenne Autoren, die noch nie welche gekriegt haben und sehr stocksauer sind.

Wien.
Ich mag Wien, ich bin eine richtige Wienerin. Ich liebe Wien. Ich finde, wenn ich' s mit anderen Städten vergleiche, die ich halbwegs kenne – es lebt sich in Wien wirklich nicht schlecht. Ich meine, die Wiener sind natürlich sowieso ewige Raunzer, aber eigentlich, in Wien funktioniert ja so ziemlich alles. Wenn ich eine U - bahn in Wien mit der in Brüssel vergleiche oder sonst irgendwas...
Na, also ich lebe gern da und ich finde es funktioniert alles.

Archiv-Video vom 11.08.2014:
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Christine Nöstlinger (Autorin)

Wir und Wien - Erinnerungen Christine Nöstlinger stammt aus einer Arbeiterfamilie und wurde am 13. Oktober 1936 geboren. Sie durchbrach die Literatur der Heile-Welt-Idylle und wirkte sowohl polarisierend als auch prägend auf die Entwicklung der deutschsprachigen Literatur. Mit ihrem selbstbestimmten Kindheitsbild, mit ihrer unbegrenzten Phantasie und der ironischen, frischen und zielgruppenorientierten Sprache inspiriert sie nicht nur Kinder. Sie hat weit über hundert Erzählungen, Romane, Hörfunksendungen, drei Kochbücher und mehrere Fernsehdrehbücher publiziert und mit einzelnen Büchern sechsstellige Auflagen erreicht. Ihre Werke wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und mit international renommierten Preisen ausgezeichnet.

Länge: 50 Min. 48 Sek.
Produktionsdatum: 2013
Copyright: Stadt Wien

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Wiener Märkte digital

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Wiens Märkte werden digital: Standler*innen können nun Marktplätze bequem via PC, Handy oder Tablet buchen – das natürlich rund um die Uhr. Der Marktplatz kann dann am gebuchten Markttag sofort bezogen werden. Auch Anträge können im One-Stop-Shop der Stadt Wien unter www.mein.wien.gv.at für zum Beispiel fixe Zuweisungen, Schanigärten oder marktbehördliche Bewilligungen online gestellt werden. Ein weiteres Service: der Status der Anträge ist auf der Übersichtsseite abrufbar.
Länge: 1 Min. 51 Sek. | © Stadt Wien - Magistratsabteilung 59
Enthüllung neue Pionierinnen

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Zum Frauentag holt die Stadt Wien zwei neue „große Töchter“ vor den Vorhang: Im Arkadenhof des Rathauses werden für Ingeborg Bachmann und Luise Fleck zwei Gedenktafeln in der Pionierinnengalerie enthüllt. Die Galerie stellt außergewöhnliche Frauen der Stadt, ihr Engagement, ihr Handeln und ihre Leben in den Mittelpunkt. Ingeborg Bachmann war eine heimische Schriftstellerin, die als eine der bedeutendsten Lyrikerinnen des 20. Jahrhunderts gilt. In ihren Werken widmete sich die Klagenfurterin Themen wie die Rolle der Frau in der männlich geprägten Gesellschaft oder den Konsequenzen und dem Leid von Kriegen. Sie verstarb 1973 in Rom, seit 1977 wird jährlich der Ingeborg-Bachmann-Preis verliehen. Luise Fleck war die erste österreichische und weltweit zweite Frau, die als Filmregisseurin und Produzentin Erfolg hatte. Sie führte bei mehr als 100 Filmen Regie und schrieb auch 20 Drehbücher. Besondere Bekanntheit erlangte sie in der Zeit während der Wende von Stumm- zu Tonfilmen. Sie starb 1950 in Wien. Die nun 30 Porträts der großen Töchter der Stadt können noch bis 31. März im Arkadenhof des Wiener Rathauses besichtigt werden.
Länge: 2 Min. 47 Sek. | © Stadt Wien / KOM

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