1.4 Überregionale Aspekte und Kreislaufwirtschaft
Wo steht Wien mit den Umsetzungen?
In Wien wird Ressourcenschonung großgeschrieben. Die Kreislaufwirtschaft bietet einige Werkzeuge für Bevölkerung und Unternehmen. Die Stadt Wien setzt gezielte Maßnahmen im eigenen Wirkungsbereich. Im Wiener Klimafahrplan sind keine konkreten Hebel für dieses Handlungsfeld identifiziert, allerdings sind zahlreiche Fortschritte – besonders mit Schnittmengen zum Handlungsfeld Abfallwirtschaft – gesetzt worden. Diese Umsetzungsfortschritte werden in diesem Kapitel zusammengeführt.
Mit Bezug zu HEBEL 1: Abfall vermeiden
Services für die Bevölkerung und Wirtschaft zur Abfallvermeidung
Zahlreiche Services für die Bevölkerung zur Abfallvermeidung und Kreislaufwirtschaft
Wien setzt auf Reparatur und Weiter- und Wiederverwendung („Re-Use“). Zu den zentralen Bausteinen dieser Initiative gehören die Annahme von wiederverwendbaren Altwaren an den Wiener Mistplätzen und der zwei Filialen des kommunalen Altwarenmarktes „48er-Tandler“. Die 48-Tandler werden zudem Schauplatz der „Orange Week“: eine bewusste Gegenveranstaltung und nachhaltige Alternative zum Konsumrausch am Black Friday.
Darüber hinaus fördert das Reparaturnetzwerk die Instandhaltung von Gegenständen. Der Wiener Reparaturbon und die Angebote von Repaircafés helfen den Bürger*innen, defekte Dinge wieder funktionsfähig zu machen. Auch die im Mai 2024 und 2025 stattgefundenen Feste der Kreislaufwirtschaft „repair:fair“ und die Kooperation mit Leihläden ergänzen die Umsetzungen für eine ressourcenschonende Stadt.
Zahlreiche Services für Betriebe zur Abfallvermeidung und Kreislaufwirtschaft
Im Bereich der Kreislaufwirtschaft und Abfallvermeidung im Bauwesen bietet Wien umfassende Services und Rahmenbedingungen, darunter das Umweltservicepaket OekoBusiness Wien sowie Beratungsprogramme der Wirtschaftsagentur Wien.
Ein Augenmerk liegt auf der Wissensvermittlung zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen mittels Kochevents, gezielter Beratung für Betriebe, Informationsangeboten bei Veranstaltungen, Boxen für Buffetreste in der Gastronomie und Initiativen wie „United Against Waste“ und „SchoolFood4Change“.
Der Einsatz von Mehrwegprodukten und -verpackungen anstelle von Einwegartikeln wird weiter vorangetrieben. Beispiele hierfür sind das Beratungsprogramm für „ÖkoEvents“, das Geschirrmobil, ein Mehrwegbechersystem und Mehrwegwindeln sowie der „Wiener Geschenksack“. Im Take-Away-Bereich wird die Dialogplattform „Mehrweg“ genutzt, um Mehrweggeschirr zu fördern und relevante Stakeholder*innen wie Gastronomiebetriebe, Gemeinschaftsverpflegung, Lieferdienste und Systemanbieter*innen zu vernetzen. Gastronomiebetriebe, die Mehrweggeschirr im Take-Away anbieten oder selbst mitgebrachte Behälter akzeptieren, können sich mit Mehrweggeschirr-Aufklebern auszeichnen.
Öffentliche Einrichtungen als Vorbild
ÖkoKauf bietet Orientierung in der Beschaffung und wird modernisiert
ÖkoKauf Wien ist das Programm für die ökologische und kreislauffähige Beschaffung der Stadt Wien und wird von der Abteilung Umweltschutz (MA 22) koordiniert. Es deckt eine breite Palette von Produkten ab, darunter Textilien, Lebensmittel, Baumaterialien und Büromöbel. Seit 2024 wird das Programm strukturell modernisiert und durch die Auftraggeberschaft der Magistratsdirektion Bereichsleitung für Klimaangelegenheiten und der Magistratsdirektion Bauen und Technik (MD-BD) gestärkt.
Abfallvermeidung hat im Magistrat Tradition und wird ausgebaut
Städtische Veranstaltungen werden als ÖkoEvents durchgeführt, ausgemusterte Fahrzeuge und Geräte werden verkauft, IT-Geräte und Möbel des Wiener Magistrats und nicht abgeholte Fundgegenstände werden über den 48er-Tandler zum Weiterverwenden angeboten.
In den Wiener Kindergärten und Schulen werden Maßnahmen zur Bekämpfung von Lebensmittelverschwendung und Einwegverpackungen gesetzt. Das betrifft die Bereitstellung von Mehrweggebinden, Boxen für Buffetreste und Wiener Leitungswasser anstelle von verpacktem Wasser. Darüber hinaus werden Informationsunterlagen für Projekte zur Abfallvermeidung und Kreislaufwirtschaft an Schulen zur Verfügung gestellt.
Rückbau des Ferry-Dusika-Stadions mit Fokus auf die Wiederverwendung der Materialien erfolgt
Beim Rückbau des Ferry-Dusika-Stadions, umgesetzt von der WSE Wiener Standortentwicklung im Auftrag der Abteilung Sport Wien (MA 51), wurden in einem Social Urban Mining Projekt 20 Tonnen Produkte und Material einer Wiederverwendung zugeführt. Weitere 60 Tonnen wurden für die stoffliche Verwertung aufbereitet. Von den insgesamt 50.000 Tonnen Baurestmassen wurden 95 Prozent einer Verwertung zugeführt.
Mit Bezug zu HEBEL 4: Produktdesign und –zusammensetzung anpassen
Kreislaufwirtschaft
Im Wiener Klimagesetz (Wr. KG) ist die Stärkung der Kreislaufwirtschaft als Ziel verankert. Das Gesetz sieht vor, dass in zukünftigen Überarbeitungen des Wiener Klimafahrplans auch wesentliche Hebel zur Erreichung der Ziele im Bereich Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft festgelegt werden.
Mit der Bauordnungsnovelle 2023 wurde Ressourcenschonung als Ziel der Stadtplanung in der Bauordnung für Wien verankert.
Durch die Novelle der Sanierungs- und Dekarbonisierungsverordnung 2024 wird nun der Einsatz kreislaufgerechter Bauweisen und zirkulärer Materialien gefördert. Zur Beurteilung der Zirkularität der eingereichten Projekte wurde beim wohnfonds_wien eine Kommission eingerichtet.
Stabsstelle „Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit im Bauwesen“ eingerichtet
In der Magistratsdirektion Bauen und Technik (MD-BD) wurde die Stabsstelle „Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit im Bauwesen“ eingerichtet. In dieser ist das Programm „DoTank Circular City Wien 2020-2030" angesiedelt, dass zur Aufgabe hat, Maßnahmen zur Implementierung der Kreislaufwirtschaft im Bauwesen zu entwickeln, zu koordinieren und zu steuern. Damit ist ein wichtiger Grundstein gesetzt, um die Kreislaufwirtschaft im Wiener Bauwesen voranzutreiben.
Zirkularitätsfaktor (ZiFa) Wien: Bewertungsparameter für zirkuläres Bauen entwickelt
Zur Bewertung von zirkulären Maßnahmen im Bauwesen wird der Zirkularitätsfaktor (ZiFa) im Rahmen des Programms „DoTank Circular City Wien 2020-2030“ entwickelt. Mit dem Zirkularitätsfaktor (ZiFa) 1.0 liegen bereits wissenschaftliche Grundlagen in Form eines umfassenden Kriterien-Sets sowie eines Vorschlags für eine Systematik zur Bewertung zirkulärer Maßnahmen (Neubau und Sanierung) vor. Zur Sicherstellung der Praktikabilität und Anwendbarkeit, zum Ausloten sinnvoller Ziel- und Grenzwerte sowie zur Überprüfung, wie sich die zirkulären Kriterien und die Bewertungsmethodik in die Praxis überführen lassen, wird aktuell eine Testanwendungs- und Optimierungsphase umgesetzt. Ergebnisse daraus ist ZiFa 2.0, der Ende 2026 vorliegen wird.
Urban Living Lab „Zirkuläres Bauen Wien“ umgesetzt
Das Urban Living Lab „Zirkuläres Bauen Wien“ ist ein Reallabor am Areal des ehemaligen Nordwestbahnhofs, das im Rahmen des Programms „DoTank Circular City Wien 2020–2030“ von der Magistratsdirektion Bauten und Technik (MD-BD) initiiert und durch das Innovationsmanagement der Stadt Wien (MA 23) gefördert wird. Ziel ist es, konkrete Lösungsansätze für zirkuläres Planen und Bauen in Wien zu entwickeln – in Zusammenarbeit mit Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung. In dialog- und experimentbasierten Formaten wird an praktischen Fragen des zirkulären Bauens gearbeitet und Änderungsbedarfe für zirkuläre Rahmenbedingungen identifiziert. Das Reallabor läuft bis Ende 2025.
"Zirkuläres Wien - eine runde Sache" als sektorenübergreifende Strategie für den Wiener Weg der Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft erarbeitet und veröffentlicht
Studien zu den konsumbasierten Emissionen Wiens und zum Thema Kreislauf-Hubs wurden als Grundlagen für eine sektorübergreifende Strategie „Zirkuläres Wien – eine runde Sache“ erarbeitet. Diese Strategie beschreibt den „Wiener Weg der Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft“. Sie bildet eine sektorenübergreifende Zusammenschau aus bereits in Umsetzung befindlichen Aktivitäten der Stadt Wien sowie neuen strategischen Schwerpunkten und führt die größten Hebel und Aktivitäten für Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft in Wien an. Die Veröffentlichung erfolgt im Herbst 2025.
Stiftungsprofessur zu zirkulären Geschäftsmodellen ermöglicht
Zur Förderung der Forschungsleistung finanziert die Stadt Wien, konkret die Abteilung Wirtschaft, Arbeit und Statistik (MA 23), für den Projektzeitraum 2024-2029 die Stiftungsprofessur für „Kreislaufwirtschaft und transformative Geschäftsmodelle“ an der Fachhochschule des BFI Wien.
Weitere Kreislaufwirtschaftsinitiativen in Wien aktiv
Die Stadt Wien arbeitet auf unterschiedlichen Ebenen an der Umsetzung einer Kreislaufwirtschaft im Bauwesen. Schritt für Schritt werden Maßnahmen entwickelt und neue Prozesse etabliert, damit kreislauffähiges Planen und Bauen zum Standard wird. So finden sich Vorgaben unter anderem im städtebaulichen Leitbild RothNEUsiedl oder in Bauträgerwettbewerben (zum Beispiel Nordwestbahnhof). Diese sollen sicherstellen, dass Kreislaufwirtschaft in diesen Neubauquartieren schon zu Beginn mitgedacht wird.
Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft sind im Wien-Plan als wichtige Planungsprinzipien verankert. Die möglichst weitgehende Erhaltung von Bestandsgebäuden, der Verzicht auf Gebäude ohne klar erkennbaren gesellschaftlichen Mehrwert, Nutzungsoffenheit im Neubau und Flächen für Anlagen der Kreislaufwirtschaft wurden für Planungsprozesse vorgeschrieben. Es ist auch vorgesehen, dass die Stadt Wien – auch in enger Kooperation mit Partner*innen im nahen Umfeld Wiens und in der Region – Flächen für neue Anlagen der Kreislaufwirtschaft sichert, zum Beispiel Sortier-, Upcycling- und Recyclinganlagen, Lager für weiterverwendbare Baumaterialien und Bodenaushub, Anlagen für die Abfallbehandlung, Wasserwiederverwendung und Nährstoffrückgewinnung.
Die „Workshopreihe Kreislaufwirtschaft“ im Rahmen von OekoBusiness Wien, das Umwelt-Service-Paket der Stadt Wien (In Kooperation mit der Wirtschaftskammer Wien und umgesetzt durch die Umweltberatung Wien) stellt ein kostenfreies Angebot für Unternehmen dar, die sich interessieren, ihre Produkte und Dienstleistungen nachhaltiger und kreislauffähiger zu gestalten und neue, innovative Geschäftsmodelle zu entwickeln.
Im Rahmen einer Kooperation mit der ViennaDesignWeek wurde 2023 das Format „Re: form“ entwickelt. Das Projekt vereint Design, Unternehmensberatung und Industrie, um Leuchtturmprojekte zu entwickeln.
Förderungen und Beratungen von OekoBusiness und der Wiener Wirtschaftsagentur für Kreislaufwirtschaftsthemen stehen zur Verfügung (siehe dazu auch „Mobilisierung erneuerbarer Energiepotenziale am Standort produzierender Betriebe & Unterstützung der Wiener Unternehmen bei der Dekarbonisierung ihrer Prozesswärmeerzeugung“, Kapitel 1.5 Produktion, Hebel 2).
Die Neugestaltung des Fritzi-Massary-Parks ist ein Pilotprojekt für Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft. Für den Bau des Parks wurden großteils Materialien wiederverwendet, die an Ort und Stelle beim Abbau des alten Offenbachparks anfielen. Unter dem Titel „Re-sourcing Commons“ gewann das Projekt 2024 einen der 20 New European Bauhaus Preise.
Unter dem Titel „Ressourcenschonend und kreislauffähig Planen und Bauen“ wurde seitens der Abteilung Architektur und Stadtgestaltung (MA 19) zur internen Fortbildung eine Online-Vortragsreihe für Baufachleute der Stadt Wien mit bisher insgesamt 18 Vorträgen organisiert.
Reduktion der Produkte auf Basis fossiler Rohstoffe
WohnBAUMprogramm mit neuen Maßstäben
2021 wurde das Wiener WohnBAUMprogramm vorgestellt, das den Einsatz von Holz- beziehungsweise Holzhybridbauweise erstmals in einem größeren Maßstab im geförderten, mehrgeschoßigen Wiener Wohnbau umsetzt. Nach der aktuell laufenden Errichtungsphase werden rund 1.200 Wohnungen in 2- bis 4-geschoßigen Neubauten auf mehreren Standorten errichtet. Im Fokus stehen dabei die Stärkung der Klimaresilienz, die Planung nach kreislaufwirtschaftlichen Prinzipien, die Digitalisierung der Planungsprozesse und der Einsatz von alternativen Energielösungen.
OekoBusiness Hub / Climate Lab
Climate Lab gegründet
„OekoBusiness Hub“ war einst eine konzeptionelle Idee für eine Partnerschaftsplattform für Wirtschaft, Wissenschaft, NGOs und Stadt Wien, um gemeinsam an Lösungen zur Klimaneutralität und Kreislaufwirtschaft zu arbeiten. Letztlich gab es keinen Förderzuschlag. Die Überlegungen daraus entwickelten sich (teilweise) zum „Climate Lab“. Das Lab hat das Ziel, als impulsgebender Ort für Allianzen zu agieren und ein Anziehungspunkt für Innovator*innen zu sein.