12. Ziele der Wiener Mindestsicherung und deren Erreichung

12.2 Armut verstärkt bekämpfen und vermeiden

Mindestsicherungsbeziehende fallen beinahe ohne Ausnahme in die Gruppe der Armutsgefährdeten, da ihr Einkommen für den Bezug von Mindestsicherung die Höhe des Mindeststandards nicht überschreiten darf. Der Mindeststandard liegt allerdings deutlich unter der Armutsgefährdungsschwelle, also jener Grenze, die ein Haushalt erreichen muss, um nicht mehr als armutsgefährdet zu gelten. Dies ist auch der Grund, warum nicht alle armutsgefährdeten Personen durch die Mindestsicherung unterstützt werden können. Einerseits kann das Einkommen über dem Mindeststandard (aber immer noch unter der Armutsgefährdungsschwelle) liegen und andererseits gibt es auch Personengruppen, die trotz geringem Einkommen nicht in den Anspruchskreis der Mindestsicherung fallen (beispielsweise Studierende oder Asylwerber*innen). Die Versorgungsquote kann demnach nie 100 % betragen, es ist nur eine Annäherung möglich.

Die Versorgungsquote setzt die Anzahl der Armutsgefährdeten in Relation zu den Mindestsicherungsbeziehenden. Sie stellt also dar, wie viele der Armutsgefährdeten durch eine Leistung der Mindestsicherung finanziell abgesichert werden können, wobei die Mindestsicherung die Intensität der Armut nur reduzieren, aber die Betroffenen nicht aus der Armutsgefährdung herausheben kann.

Vier von zehn armutsgefährdeten Wiener*innen werden durch die Wiener Mindestsicherung unterstützt

In Wien beträgt die Versorgungsquote rund 39 %. Somit befinden sich vier von zehn armutsgefährdeten Wiener*innen in der Wiener Mindestsicherung. Dieser Wert hat sich gegenüber dem Vorjahr um vier Prozentpunkte erhöht.

Wien 39 %, Niederösterreich 8 %, Burgenland 9 %, Steiermark 13 %, Kärnten 7 %, Oberösterreich 7 %, Salzburg 13 %, Tirol 12 %, Vorarlberg 16 %

Im Bundesländervergleich für 2022 zeigen sich deutliche regionale Unterschiede in der Versorgungsquote. Kein anderes Bundesland weist eine derart hohe Versorgungsquote wie Wien auf, was auf mehrere Faktoren zurückzuführen ist. Ein wesentlicher Grund ist sicherlich die konsequente Umsetzung des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes in vielen Bundesländern, das deutliche Einschränkungen und Kürzungen zur bisherigen Mindestsicherung vorsieht, und die damit verbundene niedrige Ausgestaltung von Leistungen. Wien hat beispielsweise als einziges Bundesland die höchsten Richtsätze für Kinder, die keiner Staffelung nach der Anzahl der Kinder unterliegen. Somit können auch häufiger Familien mit mehreren Kindern das Einkommen, das die Eltern am Arbeitsmarkt erzielen, durch Leistungen der Mindestsicherung aufstocken. Besondere Leistungen gibt es auch für Personen, die dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehen können: Dauerhaft arbeitsunfähige Personen sowie Personen im Regelpensionsalter ohne Pensionsanspruch erhalten in Wien eine Dauerleistung, die 14-mal im Jahr ausbezahlt wird. Pensionist*innen mit Ausgleichszulage erhalten in Wien über die Mindestsicherung einen Zuschuss zur Miete.

Weiters wirkt sich in Wien insbesondere der anonyme Zugang zu den Wiener Sozialzentren positiv auf die Take-up-Rate aus. In anderen Bundesländern kann hingegen die persönliche Antragstellung (insbesondere in kleinen Gemeinden) mit Schamgefühlen besetzt sein. Möglicherweise spielt das Wissen um Rechte und Möglichkeiten der Antragstellung eine zusätzliche Rolle. Auch die hohe Quote an Eigentumswohnungen und -häusern in anderen Bundesländern hat zur Folge, dass Betroffene die Mindestsicherung bzw. die Sozialhilfe nicht beantragen, aus Angst, dass diese Vermögen verwertet werden müssen. In Wien ist die Rate derjenigen, die Anspruch auf diese Unterstützungsleistung haben, sie aber nicht beantragen, deutlich geringer als in anderen Bundesländern.