10. Arbeitslose

10.2 Zur Lage der Arbeitslosen in Wien

Bevölkerungsentwicklung: Arbeitslosigkeit sinkt in Wien auf tiefsten Stand seit acht Jahren

142.164 Wiener*innen sind 2022 arbeitslos, in Schulungen oder als lehrstellensuchend gemeldet. Das ist der niedrigste Wert seit 2014. Vor der Pandemie im Jahr 2019 waren es 144.613 Personen, 2020 gab es pandemiebedingt einen starken Anstieg auf knapp 180.000 Personen.

Von diesen 142.164 Wiener*innen waren drei Viertel bzw. 104.848 Personen arbeitslos, die übrigen in Schulung oder lehrstellensuchend. Die Zahl der arbeitslosen Wiener*innen hat sich – verglichen mit dem Vorkrisenjahr 2019 – um 10 % reduziert, wobei Männer mit 8 % einen geringeren Rückgang verzeichnen als Frauen mit 10 %.

Junge Erwachsene verbleiben stärker in der Arbeitslosigkeit

Der Rückgang der Arbeitslosigkeit von 10 % gegenüber dem Vorkrisenjahr verteilt sich auf die einzelnen Altersgruppen unterschiedlich. Bei den jungen Erwachsenen zwischen 20 und 24 Jahren ist der Rückgang der Arbeitslosigkeit am niedrigsten und beträgt nur 4 %, sie verbleiben damit doppelt so oft in der Arbeitslosigkeit wie Erwachsene von 25 bis 50 Jahren (–9 %) oder ältere Arbeitssuchende ab 50 Jahren (–8 %). Dies ist besonders schwerwiegend, da der fehlende Einstieg in das Berufsleben häufig eine lebenslange Abhängigkeit von Sozialleistungen nach sich zieht.

Ausbildung und Staatsbürgerschaft für die Integration in den Arbeitsmarkt ausschlaggebend

Neben den jüngeren Wiener*innen können noch weitere Personengruppen nicht im selben Ausmaß von der Arbeitsmarkterholung profitieren. Dazu zählen etwa Personen mit maximal Pflichtschulabschluss. In dieser Gruppe ist die Arbeitslosigkeit nur um 7 % zurückgegangen.

Bei Wiener*innen mit österreichischer Staatsbürgerschaft verringert sich die Arbeitslosigkeit gegenüber dem Vorkrisenniveau um 14 %. Bei Wiener*innen mit nicht österreichischer Staatsbürgerschaft ist zu differenzieren: Während bei Wiener*innen aus der EU die Arbeitslosigkeit um rund 5 % gesunken ist, stieg sie bei Wiener*innen aus Drittstaaten um 1 %. Diese Entwicklung ist großteils auf Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte zurückzuführen, die vor dem Eintritt in den Arbeitsmarkt noch Sprachkurse und Umschulungen absolvieren müssen.

Armutslage: Die Hälfte aller arbeitslosen Menschen in Wien ist armutsgefährdet

Personen, die aus dem Erwerbsleben herausfallen, sind besonders häufig von Armut bedroht. Mehr als 50 % der Wiener*innen mit einem AMS-Einkommen sind armutsgefährdet. Im Vergleich zur gesamten Wiener Bevölkerung ist die Armutsgefährdung in dieser Gruppe damit mehr als doppelt so hoch. Männer und Frauen weisen eine nahezu gleich hohe Armutsgefährdung auf.

Arbeitslosigkeit ist besonders in jungen Jahren existenzgefährdend

59 % aller jungen Erwachsenen bis 25 Jahre in Wien sind, wenn sie eine finanzielle Leistung des AMS erhalten, armutsgefährdet. Personen, die mangels Versicherungszeiten gar keine finanzielle Leistung des AMS erhalten, werden dabei nicht berücksichtigt. Ihre Lage ist nochmals verschärft.

Arbeitslosigkeit führt zu stark erhöhter Armutsgefährdung, dies gilt für Frauen und Männer in nahezu gleichem Ausmaß; auch die Staatsbürgerschaft spielt in diesem Zusammenhang eine weniger gewichtige Rolle: Nicht österreichische Staatsbürger*innen weisen eine Armutsgefährdungsquote von 56 % auf, bei österreichischen Staatsbürger*innen beträgt sie 46 %.

Gefahr der Ausgrenzung und der materiellen Deprivation ist bei Arbeitslosen besonders hoch

Arbeitslosigkeit führt zu starken finanziellen Einbußen. 69 % der Wiener*innen mit einer Leistung des AMS sind von Ausgrenzung bedroht, bei den jungen Erwachsenen unter 25 Jahren sind es sogar 75 %. Das ist dreimal so hoch wie der wienweite Durchschnitt.

16 % der Wiener*innen mit einer Leistung des AMS sind erheblich materiell depriviert. In den einzelnen Altersgruppen gibt es kaum Unterschiede, allerdings fällt die Staatsbürgerschaft ins Gewicht: Jede*r fünfte arbeitslose Wiener*in ohne österreichische Staatsbürgerschaft ist erheblich materiell depriviert, bei den arbeitslosen Wiener*innen mit österreichischer Staatsbürgerschaft ist es jede elfte Person.

Die Lebenskosten steigen, die Höhe des Arbeitslosengeldes und der Notstandshilfe stagniert

Die Tagsätze des Arbeitslosengeldes und der Notstandshilfe betragen 2022 in Wien 30,40 Euro. Männer erhalten mit 31,70 Euro deutlich mehr als Frauen mit 28,70 Euro. Die Tagsätze des Arbeitslosengeldes und der Notstandshilfe haben sich gegenüber dem Vorjahr nicht verändert (+0 % bzw. +0,10 Euro). Werden die Tagsätze nach Leistungsarten getrennt, so ergeben sich deutliche Unterschiede in der Entwicklung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe.

Nur sehr geringe Steigerung in der Höhe des Arbeitslosengeldes

Rund ein Drittel aller Arbeitslosen bzw. 30.628 Wiener*innen erhalten Arbeitslosengeld. Gegenüber dem Vorjahr hat sich diese Zahl um 2 % bzw. 537 Personen erhöht. Der Tagsatz im Arbeitslosengeld 2022 beträgt in Wien 34,70 Euro, was einer Steigerung von 2 % bzw. 0,60 Euro gegenüber dem Vorjahr entspricht. Diese 2%ige Steigerung in den Tagsätzen ist nicht ausreichend, um den steigenden Lebenskosten gerecht zu werden, insbesondere vor dem Hintergrund, dass jede*r zweite Arbeitslose in Wien armutsgefährdet ist. Die fehlende Indexierung des Arbeitslosengeldes verschärft die finanzielle Notlage weiter.

Höhe der Notstandshilfe geht zurück

Noch drastischer ist die Entwicklung bei den Notstandshilfebeziehenden in Wien, die 56.679 Personen bzw. rund zwei Drittel der Arbeitslosen in Wien ausmachen. Die Tagsatzhöhen, die 2022 mit 28,10 Euro bereits deutlich unter der Leistungshöhe des Arbeitslosengeldes liegen, haben sich gegenüber dem Vorjahr sogar noch um 3 % bzw. 0,70 Euro verringert. Aufgrund der ohnedies geringen Leistungshöhe und der Belastungen durch Teuerung, Wohnen und Energie sind diese Menschen besonders häufig in finanziellen Notlagen. Es zeigt sich 2022 sehr deutlich, dass sich die Leistungshöhe in der Notstandshilfe durch die jährlichen Lohnanpassungen nicht automatisch nach oben korrigiert. Die fehlende Indexierung der Notstandshilfe trifft eine sehr große Gruppe von Wiener*innen, die bereits sehr stark von Armut betroffen ist.