6. Beschäftigung & Arbeitsmarkt

6.6 Qualifikationen und deren Verwertung am Arbeitsmarkt

Erworbene Ausbildungsabschlüsse sagen nicht unbedingt etwas darüber aus, welche Tätigkeiten Menschen am Arbeitsmarkt tatsächlich ausüben. In Folge wird daher der Anteil von Personen in qualifizierten Tätigkeiten ebenso untersucht wie die Beschäftigung von Menschen mit mittlerer oder höherer Bildung in Hilfs- und Anlerntätigkeiten.

Je nach Herkunft der Ausbildung und Migrationshintergrund gibt es innerhalb der Wiener Bevölkerung große Unterschiede im Anteil der in Fachtätigkeiten beschäftigten Personen.

Mit dem Begriff Fachtätigkeiten werden alle jene Tätigkeiten zusammengefasst, die keine Hilfs- und Anlerntätigkeiten sind – also mittlere und höhere, leitende und selbstständige Erwerbstätigkeiten. Fachtätigkeiten sind im Allgemeinen besser bezahlt als Hilfs- und Anlerntätigkeiten. Sie versprechen zudem mehr Dauerhaftigkeit und bringen potenziell mehr Ansehen mit sich.

Mit Abstand am seltensten in Fachtätigkeiten zu finden waren Frauen und Männer mit Bildungsverläufen aus dem Ausland und Migrationshintergrund aus einem Drittstaat. Allerdings nahm der Anteil der Fachtätigkeiten an den Erwerbstätigen dieser Bevölkerungsgruppe allmählich zu – bei Frauen wie auch bei Männern lag der Wert zuletzt bei 65 %. Auch unter den Frauen mit Bildung aus Österreich und Migrationshintergrund aus einem Drittstaat kam es seit dem Beginn des Integrationsmonitorings zu einem Anstieg der Personen in Fachtätigkeiten. Bei den Frauen lag der Anteil bei zuletzt rund 92 %. Bei Männern dieser Bevölkerungsgruppe lag der Anteil hingegen nur bei 80 %, wobei auch hier insgesamt ein leichter Aufwärtstrend zu sehen ist. Der Anteil der Fachtätigkeiten bei den erwerbstätigen Frauen mit Bildungsverläufen aus EU/EFTA-Staaten wiederum verlief in Form von Schwankungen in Richtung eines Abwärtstrends; zuletzt waren es 79 %. Deutlicher ist der Abwärtstrend bei den Männern mit Bildungsverläufen aus EU/EFTA-Staaten; er lag zuletzt bei 80 %. Bei beiden Geschlechtern nimmt die Beschäftigung in Anlerntätigkeiten zu. Am häufigsten in Fachtätigkeiten beschäftigt sind Wiener*innen mit Bildung aus Österreich und Migrationshintergrund aus der EU/EFTA sowie Wiener*innen ohne Migrationshintergrund. Bei Frauen ohne Migrationshintergrund ist ein leichter Aufwärtstrend zu beobachten, der Anteil der Personen in qualifizierten Tätigkeiten lag zuletzt bei 98 %. Im Gegensatz dazu ist bei Frauen mit Bildung aus Österreich und Migrationshintergrund aus der EU/EFTA ein allmählicher Abwärtstrend zu erkennen; der Anteil der Personen in Fachtätigkeiten lag in der Periode von Mitte 2019 bis Mitte 2022 bei 97 %. Bei Männern ohne Migrationshintergrund bleibt der Anteil von Beschäftigten in Fachtätigkeiten in den letzten Perioden konstant bei einem Wert um die 94 %. Bei Männern mit Bildung aus Österreich und Migrationshintergrund aus der EU/EFTA schwankt der Wert mit der Wirtschaftsentwicklung und lag zuletzt ebenso bei 94 % (Abb. 14b).

Chart

Tabelle

kein MigH BA AT, MigH EU/EFTA BA AT, MigH Drittstaaten BA Ausl., MigH EU/EFTA BA Ausl., MigH Drittst.
2007 – 10 94,47 94,65 83,91 84,8 51,71
2008 – 11 94,65 96,01 86,99 87,02 51,39
2009 – 12 95,21 97,26 90,04 87,08 51,95
2010 – 13 95,8 98,22 90,02 83,2 54,96
2011 – 14 96,62 98,63 89,74 80,19 59,71
2012 – 15 97,31 97,83 90,77 78,88 62,36
2013 – 16 97,92 97,34 90,37 78,95 60,91
2014 – 17 97,98 97,22 91,28 79,39 58,81
2015 – 18 98,04 97,86 91,36 79,29 58,72
2016 – 19 97,79 97,69 92,4 77,97 60,83
2017 – 20 98,04 97,37 91,96 75,8 62,25
2018 – 21 97,93 97,02 91,71 76,11 63,75
2019 – 22 98,02 96,73 92,39 79,23 65,36

Abb. 14a: Anteil der beschäftigten Wiener Frauen in qualifizierten Tätigkeiten nach Bildungsort, Migrationshintergrund und Geschlecht, ohne Personen in Ausbildung unter 25 Jahren (in %).

Chart

Tabelle

kein MigH BA AT, MigH EU/EFTA BA AT, MigH Drittstaaten BA Ausl., MigH EU/EFTA BA Ausl., MigH Drittst.
2007 – 10 90,26 91,37 76,97 86,06 57,81
2008 – 11 90,06 90,02 77,57 86,26 60,12
2009 – 12 90,89 92,55 78,99 87,28 61,38
2010 – 13 91,93 94,72 76,83 86,82 60,01
2011 – 14 92,99 94,95 77,73 85,06 60,49
2012 – 15 93,28 93,9 79,86 83,55 60,01
2013 – 16 93,56 94,97 82,65 83,63 61,92
2014 – 17 93,68 96,47 84,91 85,22 61,21
2015 – 18 94,19 97,98 85,92 83,81 61,43
2016 – 19 94,29 96,87 84,06 81,7 61,86
2017 – 20 94,29 94,21 80,38 79,06 62,56
2018 – 21 93,9 91,53 79,14 79,48 63,55
2019 – 22 93,68 92,13 79,61 80,29 64,68

Abb. 14b: Anteil der beschäftigten Wiener Männer in qualifizierten Tätigkeiten nach Bildungsort, Migrationshintergrund und Geschlecht, ohne Personen in Ausbildung unter 25 Jahren (in %).

Bezug der Tätigkeit zum Bildungsniveau

In diesem Abschnitt wird erläutert, inwieweit Beschäftigung in Hilfs- und Anlerntätigkeiten mit dem höchsten Bildungsabschluss, der Herkunft der Ausbildung und dem Migrationshintergrund zusammenhängt.

Geringe Bildung muss keineswegs zwingend zu einer Beschäftigung in Hilfs- und Anlerntätigkeiten führen. Während aller Berichtsperioden des Wiener Integrationsmonitorings war die Mehrheit der Menschen mit geringer Bildung und ohne Migrationshintergrund in qualifizierten Tätigkeiten beschäftigt. Es zeigt sich gleichzeitig deutlich, dass die Häufigkeit der Beschäftigung in Hilfs- und Anlerntätigkeiten auf jeder der drei beobachteten Bildungsebenen mit dem Ort des höchsten Bildungsabschlusses sowie dem Migrationshintergrund zusammenhängt.

Die Grafik zeigt, dass Personen mit Bildung aus dem Ausland deutlich öfter in Hilfs- und Anlerntätigkeiten beschäftigt sind.

Bei allen fünf beobachteten Wiener Bevölkerungsgruppen ist das Risiko der Beschäftigung in Hilfs- und Anlerntätigkeiten umso kleiner, je höher die Bildung ist. Der Anteil an den Beschäftigten in Hilfs- und Anlerntätigkeiten ohne Migrationshintergrund mit geringer Bildung lag in der Periode 2019–2022 bei 17 % und ist damit gesunken. Die Anteile an den Beschäftigten in Hilfs- und Anlerntätigkeiten mit ausländischer Bildung und Migrationshintergrund aus der EU/ EFTA bzw. mit ausländischer Bildung und Migrationshintergrund aus einem Drittstaat lagen hingegen bei jeweils über 50 % – von der Angabe exakter Werte ist bei diesen zwei Gruppen aufgrund von hoher statistischer Schwankungsbreiten abzusehen – und sind damit jedenfalls weitaus höher als bei der Bevölkerungsgruppe ohne Migrationshintergrund (Abb. 15). Unter den Beschäftigten mit geringer Bildung aus dem Ausland und Migrationshintergrund aus einem Drittstaat ging der Anteil in Hilfs- und Anlerntätigkeiten in den letzten 15 Jahren tendenziell zurück, während er unter jenen mit geringer Bildung aus dem Ausland und Migrationshintergrund aus der EU/EFTA tendenziell zunahm, weil der Zuzug aus der EU/EFTA aufgrund der EU-Freizügigkeitsregelung einfacher wurde.

Bei der Gruppe mit Bildung aus dem Inland und Migrationshintergrund aus einem Drittstaat lag der Anteil an Personen mit geringer Bildung in Hilfs- und Anlerntätigkeiten bei 37 %. Auch bei dieser Gruppe ist der Anteil damit weitaus höher als bei den Wiener*innen ohne Migrationshintergrund.

Im Bereich der mittleren Ausbildungen ohne Matura gibt es eine ganz klare Abstufung des Anteils, der in Hilfs- und Anlerntätigkeiten beschäftigt ist. Sie reicht von 8 % der Beschäftigten ohne Migrationshintergrund bis 34 % der Beschäftigten mit ausländischer Bildung und Migrationshintergrund aus einem Drittstaat. Die Schwankungsbreiten sind hier kleiner, aber das Muster, das bei der geringen Bildung auftrat, ist auch hier vorhanden: Die Werte der beiden Gruppen der Beschäftigten mit Bildung aus dem Ausland sind nicht klar abgegrenzt, aber sie heben sich eindeutig von den Werten bei den Beschäftigten mit Bildung aus dem Inland ab. Bei den Wiener*innen mit mittleren Ausbildungen aus Österreich haben jedoch wiederum jene mit einem Migrationshintergrund aus einem Drittstaat mit 17 % einen deutlich höheren Anteil an Hilfs- und Anlerntätigkeiten als jene Beschäftigten ohne Migrationshintergrund (8 %). Bei den Beschäftigten mit mittleren Ausbildungen und Migrationshintergrund aus der EU/EFTA trat während der Phase, in der die Übergangsfristen zu Ende gingen und Personen aus neuen EU-Mitgliedsstaaten einen freien Zugang zum Arbeitsmarkt hatten, eine deutliche Zunahme auf, nämlich von 20 % auf 27 %. Bei jenen mit ausländischen Ausbildungen und Migrationshintergrund aus einem Drittstaat war während der ersten Hälfte der 2010er Jahre eine Zunahme des Anteils in Hilfs und Anlerntätigkeiten von 40 % auf 45 % zu beobachten, die seit der Periode Mitte 2015 bis Mitte 2018 deutlich zurückging und in der Periode 2019–2022 34 % betrug. Bei den Beschäftigten ohne Migrationshintergrund gab es um 2012 herum eine Phase des Rückgangs von über 10 % auf unter 10 % und seither keine Änderung mehr. Bei den zwei Bevölkerungsgruppen mit Migrationshintergrund und Bildung aus dem Inland und mittleren Ausbildungen traten Schwankungen auf, aber keine klaren Trends.

Im Bereich der höheren Bildung wird dieses Muster durchbrochen. Die Anteile bei Hilfs- oder Anlerntätigkeiten lagen unter den drei Beschäftigtengruppen mit Bildung aus dem Inland zwischen 1 % und 3 % und waren aufgrund statistischer Schwankungsbreiten nicht klar unterscheidbar. Dagegen unterschieden sich die Anteile an den Beschäftigten mit Bildung aus dem Ausland nicht nur deutlich von jenen der Beschäftigten mit Bildung aus dem Inland und waren am ausgeprägtesten bei Wiener*innen aus Drittstaaten. Mit höherer Bildung und Migrationshintergrund aus EU/EFTA-Staaten betrug der Anteil der Beschäftigten in Hilfs und Anlerntätigkeiten 11 % und mit höherer ausländischer Bildung mit Migrationshintergrund aus einem Drittstaat 23 % (Abb. 15). Im Verlauf der letzten 15 Jahre trat bei den Beschäftigten mit ausländischer Bildung und Migrationshintergrund aus der EU/EFTA eine tendenzielle Zunahme auf, bei den anderen dagegen zeigt sich kein eindeutiger Trend.

Fasst man die Wiener*innen in mittleren und höheren Bildungsabschlüssen zusammen (Abb. 16), wird erkennbar, wie groß der Anteil jener Beschäftigten ist, die trotz Ausbildungen über der Pflichtschule in Hilfs- und Anlerntätigkeiten beschäftigt waren. Im Wiener Integrationsmonitoring wird dies mit dem Begriff Dequalifizierung zusammengefasst.

Chart

Tabelle

kein Migrationshintergr. BA AT, MigH EU/EFTA BA AT, MigH Drittst. BA Ausl., MigH EU/EFTA BA Ausl., MigH Drittst.
2007 – 10 6 5,42 14,08 12,54 30,92
2008 – 11 6 5,15 12,21 11,74 30,69
2009 – 12 5,4 3,88 9,66 11,24 29,82
2010 – 13 4,7 3,12 10,82 12,98 30,91
2011 – 14 3,88 2,72 10,48 15,3 29,8
2012 – 15 3,55 2,86 10,22 16,78 30,39
2013 – 16 3,25 2,43 8,81 16,4 29,61
2014 – 17 3,42 2,01 7,78 15,83 30,17
2015 – 18 3,33 1,31 7,38 16,25 29,09
2016 – 19 3,37 1,88 8,36 17,24 28
2017 – 20 3,22 3,29 10,7 18,44 27,55
2018 – 21 3,4 4,91 11,13 17,39 27,73
2019 – 22 3,44 4,78 10,31 16,06 27,25

Abb. 16: Anteil der Hilfs- und Anlerntätigkeiten unter den Beschäftigten mit mittleren und höheren Abschlüssen, ohne Unter-25-Jährige in Ausbildung, nach Bildungsort und Migrationshintergrund (in %).

27 % der beschäftigten Wiener*innen mit Bildungsabschluss aus einem Drittstaat sowie 16 % der beschäftigten Wiener*innen mit Bildungsabschluss aus der EU/EFTA können ihre mittleren und höheren Abschlüsse nicht entsprechend verwerten und arbeiten in Hilfs- und Anlerntätigkeiten.

Unter den Beschäftigten mit ausländischen Bildungsabschlüssen über den Pflichtschulabschluss hinaus und einem Migrationshintergrund aus einem Drittstaat erwies sich der Anteil in Hilfs- und Anlerntätigkeiten tendenziell als rückläufig, befindet sich aber mit 27 % nach wie vor auf einem vergleichsweise hohen Niveau. Währenddessen kam es zu einem leichten Anstieg an Dequalifizierung unter den Beschäftigten mit ausländischer Bildung und Migrationshintergrund aus der EU/EFTA, bei dieser Bevölkerungsgruppe lag der Anteil zuletzt bei 16 %. Auch bei den Beschäftigten mit mittlerer oder höherer Bildung aus Österreich und Migrationshintergrund aus einem Drittstaat war der Anteil der Menschen in Hilfs- und Anlerntätigkeiten mit 10 % in der Periode 2019–2022 höher als bei der Bevölkerung mit Bildung aus Österreich und EU/EFTAMigrationshintergrund (5 %) sowie bei Personen ohne Migrationshintergrund (3 %). Insgesamt zeigt sich damit ein markanter Nachteil für Personen mit Bildungsabschlüssen aus dem Ausland, aber auch für jene mit Abschlüssen aus Österreich und Migrationshintergrund aus einem Drittstaat (Abb. 16).