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Gemeinderat, 69. Sitzung vom 01.07.2015, Wörtliches Protokoll  -  Seite 21 von 94

 

wie auch in den USA und Kanada. Keiner braucht also dieses ISDS.

 

Abschließend ein Zitat von Joseph Stiglitz – Prof Van der Bellen hat ihn vorhin auch schon zitiert –, der heuer im Mai in einem Brief an den US-Kongress geschrieben hat: „There is much confusion about ISDS, but plain and simple: ISDS is about rewriting the rules of how our economy works, tipping the balance of power in favor of big businesses at the expense of workers and the public here and in partner countries.” – Dem ist eigentlich nichts hinzufügen. (GR Mag Johann Gudenus, MAIS: Jetzt noch auf Türkisch, bitte!) Die Negativbeispiele Vattenfall, et cetera nenne ich Ihnen im nächsten Europaausschuss. (Beifall bei der SPÖ.)

 

Vorsitzender GR Mag Dietbert Kowarik: Als nächster Redner hat sich Herr GR Dr Aigner zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort. (GR Mag Johann Gudenus, MAIS: Wirst du jetzt auch Englisch sprechen?)

 

10.37.24

GR Dr Wolfgang Aigner (Klubungebundener Mandatar)|: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren!

 

Ja, das ist wirklich ein sehr interessantes und dringliches Thema, das auch die Stadt Wien beschäftigt und beschäftigen muss. – Ich glaube, die EU hat derzeit so viele Baustellen, dass man zuerst einmal die dringendsten Baustellen beseitigen und bewältigen muss. Bei dieser Bewältigung darf aber natürlich auch das Visionäre nicht zu kurz kommen. Und wir sind eigentlich genau deshalb am Scheideweg angelangt, weil man sich über die langfristige Entwicklung viel zu wenig Gedanken gemacht hat.

 

Man darf die Geschichte der heutigen EU nicht mit Europa gleichsetzen. Europa ist mehr und ist älter und darf nicht auf die EU und schon gar nicht auf den Euro reduziert werden. Deswegen finde ich es auch nicht richtig, wenn man sagt, der Euro bringt Europa oder die EU zum Scheitern. – Auch die EU hat es schon viele Jahre und Jahrzehnte gegeben. Die Währung ist ein Zahlungsmittel und soll die Wirtschaft am Laufen halten, es darf aber nicht sein, dass alles andere zu Grunde geht, nur weil es bei der Währungsunion Probleme gibt! (Beifall bei der FPÖ.)

 

Angefangen hat alles mit einer Zollunion, mit der Montanunion, und da gab es ganz klar einen wirtschaftlichen Fokus: Es ging um Frieden und Versöhnung durch Wohlstand mit Hilfe der Vereinheitlichung der Rahmenbedingungen. In der weiteren Folge kam es zur Errichtung eines gemeinsamen europäischen Binnenmarktes, und dann sind auch immer mehr politische Agenden hinzugekommen. Gleichzeitig ist die EU immer größer geworden, und je größer ein solcher Staatenbund wird, desto unübersichtlicher und komplexer wird das Ganze. Und wenn man daraus dann ein Superstaat machen will, dann kann und wird das nicht funktionieren.

 

Deswegen meine ich: Wir sollten uns mit dem Ansatz, der aus Großbritannien kommt, befassen, nämlich mit einer Reduktion der EU auf den wirtschaftlichen Fokus, auf wirtschaftlichen Wohlstand, und so weiter. Und das, was die Nationalstaaten im Sinne des Subsidiaritätsprinzips leisten können, das soll auch auf nationaler Ebene geregelt werden. Das ist ein sehr interessanter Ansatz. Dem sollten wir uns anschließen! (Beifall bei der FPÖ.)

 

Dabei soll die Entwicklung nicht so aussehen, dass sich die Briten herausoptieren und wir weiter in Richtung Zentralstaat gehen, denn das kann nicht funktionieren. Das zeigt letztendlich auch das aktuelle Politikversagen. Deswegen glaube ich auch nicht, dass wir eine Verfassung für Europa brauchen. Ein Staat hat eine Verfassung. Europa besteht aus Staaten, die Verfassungen und Parlamente haben, und aus diesem Europa und aus dieser EU kann und soll kein Staat werden!

 

Zu der jetzt aktuellen Problematik ist mir gestern ein sehr interessanter Artikel von Andreas Koller in den „Salzburger Nachrichten“ in die Hände gefallen. Er schreibt unter der Überschrift „Wir Schönwetterdemokraten“ über die Probleme unserer demokratischen Systeme in Österreich, spricht dann aber auch die EU heute an.

 

Letztlich müssen wir ja die heutigen Probleme lösen. Visionen sind wichtig, aber hier und heute gilt es, das Maßgebliche zu tun.

 

In diesem Zusammenhang schreibt Andreas Koller – ich darf ihn kurz zitieren:

 

„Über die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit ist auch die gesamte EU geraten, die seit jeher Weltmeisterin im Klein-Klein ist, große Würfe aber meist schmerzlich vermissen lässt. So auch jetzt: Die EU kann sich weder auf eine adäquate Aufteilung der Asylwerber einigen noch auf Strategien zur Unterbindung der Migrationsströme. Mit der Folge, dass Europa einer Völkerwanderung ausgesetzt ist, die dieser Kontinent auf Dauer nicht verkraften kann.

 

Statt auf die neue Situation mit neuen Strategien zu reagieren, versucht Europa, der weltumspannenden Wanderungsbewegung mit dem Asylrecht beizukommen. Was zur nächsten Überforderung führt. Denn das Asylrecht wurde einst ausdrücklich für politisch Verfolgte geschaffen. Nicht aber für Menschen, die in Europa ihrer Armut entfliehen wollen.

 

Restlos überfordert mit der neuen Situation ist schließlich das Schengen-System. Dieses sieht einen massiven Schutz der Außengrenzen bei gleichzeitiger Reisefreiheit im Inneren vor. Wenn – wie derzeit – die Außengrenzen offen sind wie Scheunentore, bricht auch das System im Inneren zusammen. Was zur Folge hat, dass Österreich allein heuer rund 70 000 zusätzliche Asylbewerber zu betreuen haben wird.

 

Die Hilflosigkeit, mit der Europa auf die Migrationsbewegung reagiert, führt also deutlich vor Augen, dass unser politisches System nicht krisenfest ist.“

 

Ich glaube, dem ist nichts hinzuzufügen. Und Andreas Koller steht wirklich nicht im Verdacht, ein rechter Hetzer zu sein! (Beifall bei der FPÖ.)

 

Vorsitzender GR Mag Dietbert Kowarik: Als nächster Redner hat sich Herr GR Walter zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.

 

10.42.36

GR Norbert Walter, MAS (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien)|: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen!

 

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