2.1 Internationaler Naturschutz
Aktuelle Entwicklungen im Naturschutz auf europäischer Ebene
Nature Restoration Law
Die Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Wiederherstellung der Natur (EU) 2024/1991 („Nature Restoration Law“) wurde am 29. Juli 2024 im Amtsblatt der EU kundgemacht und ist am 18. August 2024 in Kraft getreten.
Die neue Wiederherstellungsverordnung baut auf bestehenden Gesetzen auf. Sie hat das Ziel, den Rückgang von Tieren, Pflanzen und natürlichen Lebensräumen zu stoppen und umzukehren. Gleichzeitig soll die Natur widerstandsfähiger gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels werden. Die geplanten Maßnahmen sollen auch die Gesundheit der Menschen fördern und die Versorgung mit sicheren Lebensmitteln sichern.
Dafür sieht die Verordnung rechtlich verbindliche, messbare Wiederherstellungsziele mit klaren Fristen vor. So haben die Mitgliedstaaten bis 2030 jene Maßnahmen zur Wiederherstellung zu ergreifen, um 20 % der Landgebiete und 20 % der Meeresgebiete und bis 2050 alle Ökosysteme, die der Wiederherstellung bedürfen, abzudecken. Speziell haben die Mitgliedstaaten Maßnahmen zu setzen, die erforderlich sind, um die Fauna-Flora-Habitat- Lebensraumtypen (FFH-Lebensraumtypen) in einen guten Zustand zu versetzen bzw. neu zu etablieren. Darüber hinaus sind spezielle Wiederherstellungsmaßnahmen in bestimmten Ökosystemen, z.B. im Wald, im städtischen Grünraum und auf landwirtschaftlichen Flächen, sowie zur Umkehr des Rückgangs von Bestäuberpopulationen zu ergreifen.
Die Mitgliedstaaten haben nun bis Ende August 2026 Zeit, den Entwurf eines nationalen Wiederherstellungsplans an die Europäische Kommission zu übermitteln. Dieser soll bereits konkrete Wiederherstellungsmaßnahmen bis 2030 sowie strategische Ansätze zur Erreichung der Ziele bis 2050 beinhalten.
Der nächste Schritt, der Österreich betrifft, ist die Erstellung eines nationalen Wiederherstellungsplans. Dafür braucht es die enge Zusammenarbeit zwischen Bundesländern, Bund und weiteren Stakeholdern. Von Seiten des Bundes wurde der Prozess bereits gestartet und es wurden Arbeitsgruppen ins Leben gerufen, in denen gemeinsam die Maßnahmen erarbeitet werden. Wien ist in sämtlichen Arbeitsgruppen vertreten und leitet gemeinsam mit Oberösterreich die Arbeitsgruppe zur Wiederherstellung der städtischen Ökosysteme.
Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III)
Die Europäische Union hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 die Treibhausgasemissionen im Vergleich zum Jahr 1990 um 55 % zu verringern. Um dieses Ziel zu erreichen, soll unter anderem der Energiebedarf in den Mitgliedsstaaten möglichst aus erneuerbaren Energiequellen gedeckt werden. Ende 2023 wurde dazu die „Erneuerbare-Energien-Richtlinie“ (RED III) vom europäischen Parlament erlassen. Als konkretes Ziel wurde in der RED III festgelegt, dass der Anteil der Energie aus erneuerbaren Quellen am Bruttoendenergieverbrauch der Union bis zum Jahr 2030 mindestens 42,5 % betragen soll.
Die Richtlinie sieht vor, den Ausbau von Anlagen für erneuerbare Energien einfacher und schneller zu machen. Dafür sollen bestimmte Gebiete festgelegt werden, in denen Genehmigungen viel schneller erteilt werden. Aber auch außerhalb dieser Gebiete sollen die Verfahren beschleunigt werden, damit neue Anlagen schneller gebaut werden können.
Zur Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie wurde daher im Jahr 2024 eine Änderung des Wiener Naturschutzgesetzes ausgearbeitet, die im Wesentlichen folgende Regelungen vorsieht:
- Regelungen zur Verfahrensbeschleunigung für Energieerzeugungsanlagen auf Basis erneuerbarer Energiequellen, insbesondere für Solarenergieanlagen sowie für Wärmepumpen;
- eine Vermutung des überragenden öffentlichen Interesses für Energieerzeugungsanlagen auf Basis erneuerbarer Energiequellen bei Interessenabwägungen, die gemäß dem Wiener Naturschutzgesetz in Bewilligungsverfahren durchzuführen sind;
- Regelungen für ausgewiesene Beschleunigungsgebiete.
Vertragsverletzungsverfahren Nr. 4111/2014 betreffend die Umsetzung der Aarhus- Konvention
Am 13. Feber 2025 sind Änderungen des Wiener Nationalparkgesetzes, des Wiener Naturschutzgesetzes, des Wiener Fischereigesetzes und des Wiener Jagdgesetzes in Kraft getreten (Kundmachung im LGBl. für Wien Nr. 7/2025).
Mit den angeführten, im Jahr 2024 ausgearbeiteten, Gesetzesnovellen wurde die Umsetzung der Aarhus-Konvention entsprechend den Forderungen der Europäischen Kommission im Vertragsverletzungsverfahren, von dem sowohl der Bund als auch alle Bundesländer betroffen sind, in Wien weiter konkretisiert und ausgebaut. Die Aarhus-Konvention ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten regelt. Österreich und die Europäische Union sind Vertragsparteien dieses Übereinkommens.
Die Partizipationsrechte anerkannter Umweltorganisationen wurden in Wien beispielsweise dahingehend gestärkt, dass Beschwerden an das Verwaltungsgericht Wien gegen Bewilligungsbescheide für Vorhaben in Europaschutzgebieten auch ohne Abgabe einer Teilnahmeerklärung möglich sind. Darüber hinaus wurde anerkannten Umweltorganisationen das Recht einer rückwirkenden gerichtlichen Überprüfung für im Zeitraum von 20. Dezember 2017 bis 30. April 2020 erlassene Bescheide in EU-Artenschutzverfahren und Verfahren betreffend Europaschutzgebiete eingeräumt.
Die Rechte der Wiener Umweltanwaltschaft als Partei in Naturschutzverfahren sind weiter vollumfänglich aufrecht, um eine breite Öffentlichkeitsbeteiligung zu gewährleisten.
CITES
Zentrale Rolle Wien im CITES Vollzug durch die Gemeinsame Ländervertretung
Ob bedrohte Tier- und Pflanzenarten gut geschützt werden, hängt stark davon ab, wie genau Fachleute den Handel mit ihnen überwachen. In Österreich übernimmt Wien dabei eine wichtige Rolle: Die Stadt sorgt dafür, dass sich unsere Fachstellen gut in internationale Regeln einbringen und diese auch wirklich wirken.
Trotz seiner Größe mischt Österreich bei CITES seit Jahren vorne mit. Fachleute für Tiere und Pflanzen bringen sich aktiv ein und beeinflussen wichtige Entscheidungen in internationalen Gremien wie der Wissenschaftlichen Prüfgruppe, dem Tierausschuss und dem Pflanzenausschuss.
Erfolge Österreichs in der Wissenschaftlichen Prüfgruppe (SRG)
Aufgrund der Analyse und des Vorschlags Österreichs beschloss die SRG eine Negative Opinion für die Einfuhr von Gekko gecko aus Indonesien, da das Handelsvolumen einige tausend Exemplare jährlich beträgt und das vorgelegte Nachhaltigkeitsgutachten (NDF) die Nachhaltigkeit des Handels nicht ausreichend belegt.
Für zwei Reptilienarten, Malayopython reticulatus und Varanus salvator aus Indonesien, beschloss die SRG aufgrund der Empfehlung Österreichs, dass während der Durchführung einer geplanten Feldstudie keine Positive Opinion beschlossen werden kann, weil das Projekt keine ausreichende Grundlage dafür darstellt.
In der von Österreich mit allem Nachdruck betriebenen Verschärfung der Import-Empfehlungen für Korallen aus Australien konnte ein großer Durchbruch erzielt werden. Es wurden nicht nur alle sechs von Österreich vorgeschlagenen Negativen Optionen beschlossen, sondern auch der Vorsitzende der Scientific Review Group – Working Group Corals (SRG-WG) beauftragt, eine Liste mit weiteren Korallenarten und -gattungen vorzulegen, deren Import zukünftig nicht mehr erlaubt werden soll. Österreichs hat immer wieder auf die hohe Bedrohung der Australischen Korallenriffe durch Coral-Bleaching (Korallenbleiche) hingewiesen. Ein zusätzlicher Handel kann ganze Populationen zum endgültigen Erliegen bringen.
Aufgrund der von Österreich eingebrachten Argumente hat die Wissenschaftliche Prüfgruppe (SRG) ausführlich darüber beraten, ob der Europäische Aal (Anguilla anguilla) künftig in Anhang I des CITES-Abkommens aufgenommen werden soll. Also in die Liste der am stärksten bedrohten Arten, für die ein internationales Handelsverbot gilt. Die SRG stellte dabei fest, dass die Kriterien für eine solche Hochstufung eindeutig erfüllt sind. Dies ist ein wichtiger Schritt, den Schutz für diese von der Internationalen Organisation über vom Aussterben bedrohte Tier- und Pflanzenarten (IUCN) als Critical Endangered mit sinkendem Populationstrend eingestuften Art zu verstärken und den noch immer weit verbreiteten kommerziellen Handel innerhalb der EU zum Erliegen zu bringen. Solche Handelseinschränkungen treffen immer auf starken Widerstand der betroffenen EU-Mitgliedsstaaten und der Fischerei und jeder Schritt diese Widerstände zu überwinden ist ein großer Erfolg.
33. CITES Animals and 27. CITES Plants Committee
Das 33. CITES Animals Committee zeigte deutlich die zunehmende Polarisierung zwischen Befürwortern und Gegner der Nutzung natürlicher Ressourcen. Auf der positiven Seite hat CITES große Fortschritte bei der Überwachung des Handels mit Haien und Rochen gemacht. Erst dadurch entfalten die Listungen eine Wirkung.
Für etliche Arten wurden von Österreich Empfehlungen für Nullquoten erstellt, diese wurden großteils angenommen. Als Beispiel ist der Königspython, Phyton regius, zu nennen, dessen Listung in App. II nicht mehr ausreichend sein könnte. Nach den Ergebnissen einer Bewertung im Jahr 2021 wurde die Art in der Roten Liste der IUCN von „least concern“ auf „near threatened“ umgestuft.
Die EU hat die Einfuhr aus den drei Hauptexportländern, Benin, Togo und Ghana bereits verboten. Dennoch sind die Ausfuhrquoten sehr hoch und Python regius ist die am meisten gehandelte CITES-gelistete Art in Afrika. Die ungiftige Würgeschlange mit einer Maximallänge von 2 m lebt in den Tropen West- und Zentralafrikas und ernährt sich von Vögeln und kleinen Säugern wie Mäusen und Ratten. Es fehlen Nachhaltigkeitsgutachten, (NDFs), so dass auch die hohen Exportquoten keine wissenschaftliche Grundlage haben.
Der Empfehlung des United Nations Environment Programme World Conservation Monitoring Centre (UNEP-WCMC) folgend, dass „Handlungsbedarf“ besteht, sprach sich Österreich dafür aus, die Art in der Überprüfung zu belassen und vorläufig eine konservative oder gar keine Exportquote festzulegen, bis die wissenschaftliche Grundlage für eine nachhaltige Nutzung geschaffen ist. Diese Empfehlung wurde angenommen.
Zuchtstationen für streng geschützte Arten müssen registriert werden
Nach internationalen Vorgaben ist die EU seit 2023 verpflichtet, Zuchtstationen für Arten des Anhangs I (also besonders bedrohte Arten) offiziell zu registrieren. Auch Österreich hat diese Regel 2024 per Verordnung umgesetzt, mit einer Übergangsfrist bis Ende 2026.
Für den Export solcher gezüchteter Tiere oder Pflanzen aus der EU ist künftig eine international anerkannte Registrierung nötig. Dabei wird geprüft, ob die Zucht legal ist und ob die Herkunft der Zuchttiere nicht dem Überleben der Art in der Natur geschadet hat, auch wenn es sich um frühere Generationen handelt. Die Registrierung bedeutet einen höheren Verwaltungsaufwand, ist aber ein wichtiger Schritt für den weltweiten Artenschutz.