2. Handlungsfelder der Wiener Kulturstrategie 2030

2.9 Digitalisierung in Kunst und Kultur

Die Digitalisierung hat das Leben der Menschen in den letzten Jahrzehnten grundlegend verändert. Diese technologische Revolution hat nahezu jeden Aspekt des täglichen Lebens durchdrungen – von der Art und Weise, wie wir kommunizieren, arbeiten und lernen, über unsere sozialen Interaktionen und Freizeitaktivitäten bis hin zur Art und Weise, wie Kultur geschaffen, wahrgenommen und konsumiert wird. Im Fokus steht daher die Bewältigung der Herausforderungen des digitalen Wandels. Gleichzeitig gilt es, Chancen zu erkennen und strategisch zu fördern, um im Sinne eines digitalen Humanismus ungleiche Zugangsmöglichkeiten zu digitalen Infrastrukturen zu überwinden.

Wo wir stehen

In Wien steht der Mensch bei Digitalisierungsfragen im Mittelpunkt, daher werden technische Entwicklungen mit sozialer Verantwortung forciert. Das passiert vor dem Hintergrund, dass der digitale Fortschritt allen Wiener*innen nützen soll. Die Grundlage dafür bietet der Digitale Humanismus, der seinen Ursprung in Wien hat und seit 2019 mit dem Wiener Manifest für Digitalen Humanismus international Aufmerksamkeit erfährt. Im Bereich der Kultur wird auf Basis dessen ein besonderes Augenmerk auf die Zugänglichkeit gelegt. Durch digitale Innovationen gibt es heute viele Möglichkeiten, Kultur über Smartphone, Laptop, Tablet oder den Fernseher zu konsumieren. Das reicht von Musik über Filme bis hin zu Sammlungen oder 3D-Touren durch Museen. Gerade während der Corona-Pandemie konnte dank digitaler Möglichkeiten Zugang zu Kultur gewährleistet werden. Durch die Nutzung digitaler Plattformen und Tools werden neue Zielgruppen erreicht und die kulturelle Vielfalt der Stadt noch besser sichtbar gemacht.

Das stellt Künstler*innen und Kulturarbeiter*innen aber auch vor Herausforderungen. Mit der permanenten Weiterentwicklung verschiedener KI-Anwendungen rücken theoretische Fragestellungen nach Originalität sowie Bedenken bezüglich Urheberrecht ins Zentrum des öffentlichen Diskurses rund um Digitalisierung in Kunst und Kultur. 

In Zukunft sollen zur Förderung der Kulturlandschaft im Bereich der Digitalisierung synergetische Effekte durch die Nutzung gemeinsamer Infrastruktur wie Software, aber auch die Vermittlung digitaler Kompetenzen beitragen. Um digitale und digitalisierte Kunst- und Kulturproduktionen für die Nachwelt strukturiert und kuratiert zur Verfügung zu stellen, bedarf es eines digitalen Raums, welcher dem aus öffentlichen Mitteln finanzierten Kulturerbe öffentliche Infrastrukturen zur Verfügung stellt und dafür Sorge trägt, dass diese digitalen Artefakte auch für die Nachwelt auffindbar und nutzbar sind. 

Was wir erreichen wollen

Hauptzielsetzung 1:

Die Stadt Wien verfügt über einen digitalen Raum für Kunst und Kultur. Über öffentliche Strukturen werden Produktionen zur Verfügung gestellt, die aus öffentliche Mitteln finanziert wurden, um so der völligen Kommerzialisierung des gemeinsamen digitalen, kulturellen Erbes entgegenzuwirken.

Hauptzielsetzung 2:

Interinstitutioneller Austausch und Vernetzung ermöglichen eine zielgerichtete Nutzung von Synergien in Fragen der Digitalisierung.

Hauptzielsetzung 3:

Der Digitale Humanismus ist 2030 als zentrales ideelles und materielles Leitmotiv bei Digitalisierungsfragen im Kulturbereich verankert.

Ausgewählte Maßnahmen

Maßnahme 1:

Schaffung einer Infrastruktur, um Daten nachhaltig für die Zukunft zu speichern und diese in einem digitalen Raum für Kultur zugänglich machen.

Maßnahme 2:

Einführung eines wiederkehrenden internationalen Symposiums zu Digitalisierungsfragen in Kunst und Kultur.

Maßnahme 3:

Schaffung einer Kompetenzstelle „Digitaler Humanismus“.

Crowdsourcing.wien

Das Wien Museum und Wienbibliothek im Rathaus haben mit der Website crowdsourcing.wien eine gemeinsame Plattform geschaffen, auf der sie digitalisierte Dokumente aus dem Archiv und der Sammlung zur Verfügung stellen. Den Anfang machten Korrespondenzstücke der Jahre 1914–1934. Die Öffentlichkeit wurde eingeladen, die Schriftstücke zu transkribieren. Sowohl die Resonanz als auch die Qualität der freiwillig geleisteten Arbeit war überwältigend. Inzwischen sind über 6800 Briefe und Postkarten transkribiert und ein weiteres Digitalisierungsprojekt, das mit Theaterzetteln, Plakaten und Handzetteln die Wiener Bühnenlandschaft der 1930er-Jahre beleuchtet, wurde umgesetzt. Diese Form der Demokratisierung von Wissen spielt im Aufgabenspektrum von Bibliotheken und Museen zunehmend eine zentrale Rolle. Da nur les- und verstehbare Dokumente lebendig gemacht werden können, entstand die Idee, Interessierte um Mithilfe bei der inhaltlichen Erschließung zu bitten. Durch das Crowdsourcing wurden die Inhalte für alle Interessierten zugänglich gemacht. Insgesamt holt die Wienbibliothek im Rathaus innerhalb der nächsten Jahre mehr als 200.000 Briefe, Postkarten und andere Korrespondenzen aus fünf Jahrhunderten aus ihren Depots und stellt die urheberrechtsfreien Objekte digital zur Verfügung.