1. Neue Zeiten brechen an

1.3 Alle ziehen an einem Strang!

Die internationale, europäische und österreichische Klimapolitik befindet sich im Umbruch. Die Staatengemeinschaft, die Wirtschaft und viele Menschen beginnen die Klimakrise wirklich ernst zu nehmen. Insbesondere die letzten Jahre waren richtungsweisend für die weltweite Klimapolitik und haben damit auch für die Stadt Wien wichtige Grundlagen geschaffen.

Wien hat sich viel vorgenommen und geht ambitioniert daran, soziale Klimapolitik für alle zu machen. Die Kombination aus dem Streben nach sozialer Gerechtigkeit, der Vorsorge für die künftigen Generationen, Inklusion und klaren quantifizierten Emissionsreduktionspfaden, das ist der Wiener Weg in der Klimapolitik. Wer viel will, muss sich auch aus der Komfortzone rauswagen, herkömmliche Paradigmen hinterfragen und die Partizipation vieler ermöglichen. Der Wiener Klimafahrplan macht ganz große Schritte in diese Richtung.

Univ.-Prof.in Dr.in Sigrid Stagl
Vorsitzende des Advisory Boards Wissenschaft des Wiener Klimarats 2022

Univ.-Prof.in Dr.in Sigrid Stagl

Treibhausgasneutralität 2040 ist ein Vorhaben, das komplexer nicht sein kann. Es betrifft die gesamte Stadt. Nichts und niemand bleibt davon ausgenommen. Der Wiener Klimafahrplan benennt die wichtigsten Eckpunkte und versucht dabei, einen Weg zu skizzieren, der für alle Betroffenen bewältigbar bleibt. Dieser Fahrplan wird heftig mit „Wiener Charme“ besprochen werden, davon ist auszugehen. Spätestens ab dem Moment, wo die wichtigsten Maßnahmen breit umgesetzt werden: fossilfreie Wärme für jedes Haus; der nächste Qualitätssprung im öffentlichen Verkehr und nur mehr erneuerbare E-Mobilität für deutlich weniger und trotzdem noch viele Autos; mehr Grün in der dichten Stadt. Mega-­Vorhaben wie diese zeigen: Wien will mehr, Wien will eine starke Zukunft für über zwei Millionen Menschen.

Robert Lechner
Vorsitzender des Advisory Boards Wissenschaft des Wiener Klimarats 2021

Robert Lechner

Als wesentlicher Wendepunkt der internationalen Klimapolitik kann das sogenannte Pariser Klimaschutzabkommen gesehen werden. Die internationale Staatengemeinschaft hat sich auf Empfehlung des Weltklimarats (IPCC) im Übereinkommen von Paris 2015 dazu bekannt, die durchschnittliche globale Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad und möglichst unter 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu beschränken. Ziel dieser maximalen Temperaturgrenze ist es, die negativen Auswirkungen des Klimawandels so gering wie möglich zu halten. Die rund 190 Vertragsparteien des Pariser Übereinkommens11 sendeten mit der Unterzeichnung ein starkes Signal an Wirtschafts­­akteur*innen und Bürger*innen, indem sie das Ziel der Klimaneutralität in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts setzten. Wohlhabende Länder haben hier eine Vorreiterrolle und wollen dies schon bis Mitte des Jahrhunderts schaffen, während die ärmeren Länder dafür ein wenig mehr Zeit haben.

Auch die Weltklimakonferenz in Glasgow 2021 stand im Zeichen des Pariser 1,5-Grad-Ziels. Die Erwartungen an ein klares Bekenntnis für Klimaschutz und Klimaanpassungen waren hoch und konnten teilweise auch erfüllt werden: Erstmals wurde im Rahmen eines UN-Klimagipfels das Ende von fossilen Energieträgern – wenn auch nur vage und auszugsweise – festgehalten. Damit bewegen sich die Unterzeichnerstaaten in die richtige Richtung. Zukünftig müssen weitere und ambitioniertere Schritte folgen.

Dies geschieht beispielsweise schon auf europäischer Ebene: Als erster bedeutender Wirtschaftsraum legte die Europäische Union ihre Klimaziele im Rahmen des Übereinkommens von Paris vor. Im Dezember 2020 haben sich die EU-Staats- und Regierungschefs darauf verständigt, die EU-internen Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 zu senken und bis 2050 Europa zum ersten klimaneutralen Kontinent der Welt zu machen.

Um die neuen, ambitionierteren Klimaziele der EU umzusetzen, hat die EU-Kommission im Juli 2021 das „Fit for 55“-Klimapaket präsentiert. Es besteht aus Vorschlägen zur Anpassung von mehr als einem Dutzend der bestehenden EU-Klima- und Energiegesetze, um das deutlich nachgeschärfte Klimaziel bis 2030 auch erreichen zu können. Mit dem Beschluss der EU-Richtlinien und -Verordnungen, mit dem 2023 zu rechnen ist, wird sich der Rahmen für Klimaschutz in Europa fundamental verändern.

Österreich folgt den angesprochenen Vorhaben und will in der laufenden Legislatur­periode selbst mutige Initiativen setzen, mit dem Ziel, bereits 2040 klimaneutral zu sein.

Die Stadt Wien hat sich ebenfalls dazu verpflicht­et, bis 2040 die Klimaneutralität zu erreichen und dies in der überarbeiteten Smart City Strategie Wien festgehalten. Dabei kann Wien auf umfangreiche Vorarbeiten aufbauen. Schließlich verfolgt die Stadt bereits seit den späten 1990er-Jahren mit den Beschlüssen der Klimaschutzprogramme im Gemeinderat (KliP im Jahr 1999 und KliP II 2009) eine umfassende strategische Klimapolitik. Neben dem Klimaschutz rückte zunehmend die Klimaanpassung in den Fokus. Die letzten Jahrzehnte der städtischen Klimapolitik zeugen von unzähligen Bemühungen, das umfangreiche Wissen innerhalb der Verwaltung zu bündeln und das gemeinsame Verständnis dafür zu schärfen, was wir für das Klima tun und wo wir gemeinsam ansetzen können. Dies betrifft sowohl die Planung als auch die Umsetzung und das Monitoring von Maßnahmen, um höchste Qualität gewährleisten zu können. In den Maßnahmenprogrammen und Bereichsstrategien der letzten Jahre finden sich die wichtigen Erkenntnisse für den städtischen Klimaschutz und die Klimaanpassung wieder.22

Nun sollen die Weichen für die kommenden Jahre gestellt werden, um Wien bis 2040 zur klimaneutralen und klimaresilienten Klimametropole zu machen. Wien bewegt sich damit weiterhin im Spitzenfeld der Städte, die Klimaschutz und Klimaanpassung durch konkretes Handeln umsetzen. Auf diesem Weg setzt Wien sowohl auf altbewährte Maßnahmen und Instrumente und geht gleichzeitig neue, innovative Wege.


Fußnoten

  1. Derzeit haben 192 der 197 Vertragspartner*innen der Klimakonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) die Ratifizierung vorgenommen (www.unfccc.int).

  2. Exemplarisch können hier folgende Maßnahmenprogramme und Bereichs­strategien genannt werden:
    Gesundheitsziele Wien 2025, WIEN 2030 – Wirtschaft und Innovation, Digitale Agenda Wien, STEP 2025, Wiener Wald und Wiesen Charta, Nachhaltige Waldbewirtschaftung, OekoBusiness Wien, ÖkoEvent, ÖkoKauf Wien, Wiener Lebensmittelaktionsplan, Biolandwirtschaft, Reparaturnetzwerk Wien, Wiener Abfallvermeidungsprogramm, Wiener Abfallwirtschaftsplan, DoTank Circular City, Urban Heat Islands Strategieplan, Maßnahmenprogramme zur Luftqualität, Wiener Wassercharta, Regenwassermanagement, Programm INKA, Oberflächenentwässerung – Leitfaden für die Bauplanung, Energie Rahmenstrategie, SEP 2030, PUMA, FK Energieraumplanung, PV-Offensive, Ökostrom aus Trinkwasserkraftwerken und Photovoltaikmodulen auf Wasserbehältern, FK Mobilität.