4. Klimaschutz: Wien wird klimaneutral

4.7 Strom- und Fernwärmeerzeugung

Kommunikation, Produktion, Mobilität, Heizen und Kühlen – kein Arbeits- und Lebens­bereich ist ohne Strom denkbar. Das Stromnetz ist der Blutkreislauf moderner Gesellschaften. Die Digitalisierung, noch mehr aber die Elektrifizierung weiterer Sektoren – vor allem des Straßenverkehrs und von Teilen des Nieder- und Hochtemperatur-Wärme­sektors – werden den Stromverbrauch deutlich erhöhen. Gleichzeitig bringt die Elektrifizierung signifikante Verbesserungen der Energieeffizienz und hilft daher auch, den Energieverbrauch insgesamt zu senken.

Die Fernwärmeversorgung ist das zweite energetische Rückgrat der Stadt, das für hunderttausende Menschen unverzichtbar ist und bleibt. Fernwärme ist schon jetzt – noch vor Gasheizungen – die wichtigste Heizform in der Stadt. Und auch ihre Bedeutung wird steigen, wenn hunderttausende heute noch mit Gas beheizte Wohnungen auf Fernwärme umgestellt werden.

Klimaschutz ist die größte Aufgabe unserer Zeit. Bis 2040 soll Wien deshalb klimaneutral werden. Während anderswo noch Kohle die Energieerzeugung dominiert, hat sich Wien bereits vor vielen Jahren für ein anderes Modell entschieden. Unsere hocheffizienten Kraftwerke in Kombination mit Müllverbrennungsanlagen und Abwärmenutzung haben uns bereits jahrzehntelang zum Vorreiter hinsichtlich umweltfreundlicher, sicherer und leistbarer Strom- und Fernwärmeversorgung gemacht. Diesen Vorsprung gilt es nun weiter auszubauen und die Wiener Strom- und Fernwärmeproduktion bis 2040 gänzlich CO2-frei auszurichten. Der Umbau des gesamten Energiesystems ist eine Mammut-Aufgabe, aber wenn alle zusammenarbeiten, bin ich zuversichtlich, dass wir es schaffen.

KommR Peter Hanke
Amtsführender Stadtrat für Finanzen, Wirtschaft, Arbeit, Internationales und Wiener Stadtwerke

KommR Peter Hanke

Die Dekarbonisierung und der massive Ausbau der Strom- und Fernwärmeversorgung bringen Herausforderungen mit sich. Es gilt, erneuerbare Energien in bisher ungekanntem Ausmaß in relativ kurzer Zeit einzubinden. Das wiederum erfordert einen Aus- und Umbau der jeweiligen Netz- und Speicherinfrastrukturen. All das zu schaffen und dabei die Versorgungssicherheit und die Leistbarkeit der Energieversorgung zu erhalten, wird an alle Beteiligten hohe Anforderungen stellen. Gleichzeitig ist klar: Die dafür zu erschließenden erneuerbaren Energien sollen sowohl CO₂-frei sein als auch überwiegend aus Wien und der Region stammen. Das macht uns unabhängiger von geopolitischen Unwägbarkeiten in Öl- und Gas-Herkunftsländern oder auf den Transportwegen. Mit einer Regionalisierung der Energieversorgung können wir auch den gelegentlich auf den Weltmärkten explodierenden Energiepreisen entspannter entgegensehen und mit stabileren und langfristig leistbaren Energiekosten rechnen.

In diesem Kapitel verlassen wir die enge Betrachtungsgrenze der „leitzielrelevanten“ Emissionen. Denn die europäische und österreichische Klimapolitik unterscheidet bei den Emissionen der Energiewirtschaft zwischen jenen aus Anlagen mit weniger als 20 Megawatt Leistung, die dem nationalen Verantwortungsbereich1 zuzurechnen sind, und jenen aus größeren Anlagen mit mehr als 20 Megawatt, die dem EU-Emissionshandelsbereich zugeordnet werden (siehe dazu die Ausführungen in der Infobox in Kapitel 4). Obwohl also die Emissionen dieses Sektors unterschiedlichen Steuerungsregimen unterliegen, sollen in diesem Kapitel die Strategien, Fahrpläne und Maßnahmen zur Dekarbonisierung und zum massiven Ausbau der Strom- und der Fernwärmeerzeugung (unter gezielter Einbeziehung von Grünem Gas) gemeinsam betrachtet werden. Der Klimafahrplan folgt damit weniger der sonst so wichtigen „Bilanzierungslogik“, sondern betrachtet den Bereich Strom- und Fernwärmeerzeugung, insbesondere auch mit Blick auf die Positionierung Wiens als Vorreiter auf nationaler und internationaler Ebene.

Unsere Ziele

Weil der CO₂-Absenkpfad der Strom- und Fernwärmeerzeugungsanlagen sehr wesentlich vom EU-Emissionshandel2 beeinflusst wird, werden der Wiener Energiewirtschaft im Rahmen der Smart City Strategie Wien keine CO₂-„Vorgaben“ für 2030 oder 2040 gesetzt. Es werden aber Ziele für den Ausbau der erneuerbaren Energieerzeugung im Stadtgebiet und für den Anteil erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch3 der Stadt formuliert, die im Wesentlichen – aber nicht ausschließlich – von der Energiewirtschaft umzusetzen sein werden:

  • Die erneuerbare bzw. dekarbonisierte Energieerzeugung in Wien steigt bis 2030 auf das Dreifache und bis 2040 auf das Sechsfache gegenüber 2005.
  • Der Wiener Endenergieverbrauch wird 2030 zur Hälfte und 2040 vollständig aus erneuerbaren bzw. dekarbonisierten Quellen gedeckt.

Zusätzlich werden im Wiener Regierungsübereinkommen 2020 zeitnahe Ziele für den Photovoltaikausbau im Stadtgebiet vorgegeben:

  • Wien steigert die Stromerzeugung mittels Photovoltaik (PV) im Stadtgebiet bis 2025 auf zumindest 250 MW peak und bis 2030 auf 800 MW peak . Diese Ziele werden im Jahr 2023 auf ihre technische und wirtschaftliche Machbarkeit überprüft und nach Möglichkeit erhöht [27].

Fahrplan zur Zielerreichung

Mit der Umstellung von der fossilen auf eine erneuerbare Energieversorgung sind einerseits die Reduktion fossiler, emissionsintensiver Energieträger und eine gesteigerte Energieeffizienz verbunden. Andererseits steigt der Bedarf an umweltfreundlichen Energieformen. Die nachstehende Abbildung zeigt zusammenfassend, wie sich die heute überwiegend fossile Strom- und Fernwärmeerzeugung bis 2040 zu einer klimaneutralen wandeln soll.

Abbildung 18: Der Strom- und der Fernwärmebedarf steigt und wird bis 2040 sukzessive auf Basis erneuerbarer Energien erzeugt (bzw. durch Carbon Capture im Bereich der Abfallverbrennung dekarbonisiert); eigene Darstellung nach Aue/Burger (2021) [31], Werte für Strom 2030 auf Basis von Berechnungen von UIV

In puncto Strom bewirkt die in den vorangegangenen Kapiteln beschriebene Dekarbonisierung durch Elektrifizierung des Straßenverkehrs, von Wärme, Klimatisierung und Produktion einen sehr starken Anstieg des Stromverbrauchs. Den größten Zuwachs verursachen die Elektroautos. Aber auch Wärmepumpen und zunehmende Klimatisierungen treiben den Strombedarf weiter nach oben. Abbildung 19 zeigt, wie sich der Strombedarf in Wien bis 2040 verändern dürfte und wie dieser gedeckt werden soll [31].

Abbildung 19: Wiener Strombedarf und dessen Deckung; eigene Darstellung nach Aue/Burger (2021) [31], Werte 2030 auf Basis von Berechnungen von UIV

Gemäß dem Regierungsübereinkommen 2020 ist ein massiver Ausbau der erneuerbaren Stromproduktion in Wien vorgesehen: Bis 2030 wächst die Solarstromkapazität von 50 MWpeak (2020) auf 800 MWpeak. Im Jahr 2040 könnten 1.300 MWpeak installiert sein. Damit würde die Solarstromproduktion um bis zu 1.200 GWh gegenüber 2020 zunehmen. Die aktuelle Stromerzeugung in der Stadt auf Basis der Wasserkraft, der energetischen Nutzung von Abfall- und Abwasser und der Biomassenutzung soll mengenmäßig unverändert bleiben. Gaskraftwerken bzw. Gas-KWKs, deren Dekarbonisierung große Mengen an Grünem Gas (vor allem Wasserstoff) erfordert, kommt auch weiterhin eine wichtige Rolle zu. Sie werden in Zukunft keinen Grundlaststrom produzieren, sondern vor allem Bedarfsspitzen abdecken müssen und dazu beitragen, das übergeordnete Stromnetz – weit über Wien hinaus – zu stabilisieren. Vor allem in Zeiten von zu geringer Wind- und Solarstromproduktion wird dies eine wichtige Rolle sein. Trotzdem wird Wien – wie jede Stadt oder wie jeder große Industriebetrieb – vermehrt auf Stromimporte angewiesen sein. Diese werden überwiegend aus der Region bzw. aus Österreich stammen. Immerhin – so das Ziel des jüngst beschlossenen Erneuerbaren Ausbaugesetzes (EAG) – soll in Österreich ab 2030 so viel Strom aus erneuerbaren Quellen produziert werden, wie in Österreich jahres­bilanziell verbraucht wird. Strom wird also wichtiger, grüner und regionaler.

Daneben wird sich die Rolle der Fernwärme ändern. In Zukunft wird die Fernwärme deutlich mehr als die Hälfte des gesamten Niedertemperaturwärmebedarfs in Wien abdecken. Es gilt, rund eine halbe Million gasbeheizter Wohnungen bzw. Arbeitsstätten entweder auf Fern- und Nahwärme oder auf dezentrale Lösungen wie Wärmepumpen in Gebäuden umzustellen. Wie im Kapitel „Gebäude“ dargestellt, werden im Rahmen der Strategie „Wiener Wärme und Kälte 2040“ bis Ende 2022 erste Überlegungen angestellt, in welchen Teilen der Stadt welches Heizsystem, in welchem Ausmaß und bis wann vorangetrieben werden soll. Daraus ergeben sich dann Mengengerüste für den Fernwärme- bzw. Stromausbau, die heute noch nicht geklärt sind.

Einen möglichen Orientierungspfad für den Anstieg des Fernwärmebedarfs und dessen Deckung zeigt das Szenario „Klimaneutral 2040“ (siehe Abbildung 20). Obwohl dabei ein nur moderater Anteil der heutigen Gasheizungs- zu Fernwärmekund*innen wird, wächst der Fernwärmebedarf trotz Wärmedämmung und Klimaerwärmung deutlich an. Es ist zu betonen, dass unter „Fernwärme“ in diesem Szenario das zentrale „Fernwärme-Verbundnetz“ verstanden wird. Mit diesem nicht verbundene „(Nah-, Anergie-) Wärmenetze“, die im polyzentrischen Wien in dichten Grätzeln, kompakten Siedlungen oder in einzelnen Häuserblöcken mit lokalen erneuerbaren Quellen oder mit Abwärme betrieben werden könnten, sind hier nicht unter „Fernwärme“ subsumiert.

Abbildung 20: Wiener Fernwärmebedarf und dessen Deckung; eigene Darstellung nach Aue/Burger (2021) [31]

Die wesentlichen Energiequellen bzw. Technologien zur vollständigen CO₂-Neutralität der Fernwärme sind die Tiefengeothermie, Großwärmepumpen sowie die Nutzung von Grünem Gas, vor allem für die Spitzenlastabdeckung.

Tiefe Geothermie und Großwärmepumpen sollen nicht nur die heute dominante fossile Fernwärmeproduktion ersetzen, sondern zusätzlich den Bedarfszuwachs abdecken. Zur Abdeckung der Lastspitzen im Hochwinter braucht es auch weiterhin Gas-KWKs bzw. Gas-heizwerke. Für deren Betrieb werden große Mengen an Grünem Gas benötigt, das über die dafür zu adaptierende Gasnetzinfrastruktur zu importieren sein wird.

Wien braucht also auch in der CO₂-freien Zukunft gasbetriebene Anlagen, sowohl zur Aufrechterhaltung der Strom- als auch zur Fernwärmeversorgung, und das besonders in Spitzenlastzeiten. Dabei ist aus heutiger Sicht zu erwarten, dass Grüne Gase (vor allem Wasserstoff, Biomethan, synthetische Kohlenwasserstoffe) auch bis weit über 2040 hinaus europaweit knapp und daher teuer sein werden, weil sie in einigen mengenmäßig gewaltigen Einsatzbereichen (Chemie, Stahl, Flugverkehr und Schifffahrt) auf lange Sicht teilweise unverzichtbar sind. In Wien ist Grünes Gas, dessen Vorteil die saisonale Speicherbarkeit ist, vor allem für die Strom- und Fernwärme-Spitzenlastabdeckung unverzichtbar.

Deshalb vertritt Wien die Position, dass knappe Mengen an Grünem Gas nicht im Nieder- oder Mitteltemperaturbereich verwendet werden sollen, weil es dort mehrere Alternativen zur Gasverbrennung gibt. Vielmehr muss der Einsatz von Grünen Gasen in jenen Einsatzbereichen priorisiert werden, in denen es ohne Gas nicht geht oder extrem schwierig wird, aus der Nutzung fossiler Energie auszusteigen. Aus Sicht Wiens ist es von höchster Wichtigkeit, dass rechtzeitig und in ausreichenden Mengen Grünes Gas für die für Wien und Österreich strategisch wichtigen Einsatzbereiche zur Verfügung steht (siehe Abbildung 21).

Abbildung 21: Priorisierung für den Einsatz von erneuerbarem Wasserstoff in einer klimaneutralen Welt; saisonal ge- speichertes Gas für die Strom- und Fernwärme-Spitzenlastabdeckung mit besonderer Relevanz für Wien; eigene Darstellung nach The Economist auf Basis von Michael Liebreich [33]

Die großen Hebel zur Zielerreichung

Hebel 1: Erneuerbare Strompotenziale vor Ort nutzbar machen

Bei der erneuerbaren Stromerzeugung im Stadtgebiet kommt insbesondere der Photo­voltaik (PV) eine hohe Bedeutung zu. Wien will die Stromerzeugung mittels PV im Stadt­gebiet von derzeit 50 MWpeak (2020) auf 250 MWpeak bis 2025 und auf 800 MWpeak bis 2030 steigern. Die Hebel Wiens:

  • Mobilisierung der Flächen auf Objekten bzw. Flächen der Stadt bzw. stadtnaher Einrichtungen: Prüfung der Eignung bis 2022, Realisierung von PV-Anlagen auf Gebäuden und Flächen im Eigentum der Stadt Wien bis 2025; Ziel: 50 MW peak auf Magistratsgebäuden.
  • Nutzung aller technischen Flächenpotenziale und Unterstützung der Errichtung städtetauglicher und innovativer PV-Lösungen: neben Dach- und Fassadenflächen vor allem auch Anlagen im öffentlichen und halböffentlichen Raum, wie z. B. Parkplätze, Lärmschutzwände, Autobahnen, U-Bahn und Bahnstrecken, Beschattung von Hallen und Flächen.
  • Vereinfachung der Genehmigungsverfahren und Anpassung der gesetzlichen Rahmenbedingungen im Wiener Elektrizitätswirtschaftsgesetz und in den baurechtlichen Bestimmungen.
  • Sonderförderschiene für PV-Gemeinschaftsanlagen: In Ballungszentren mit verdichteter Architektur wie Wien sind Dächer von Mehrparteienhäusern für den PV-Ausbau von enormer Bedeutung. Die Errichtung und Wartung dieser Anlagen sind im Vergleich zu PV-Anlagen auf anderen Flächen deutlich kostspieliger. Ein Förderbonus könnte somit einen wichtigen Investitionsanreiz für deren Ausbau darstellen.
  • Erhöhung der Fördermittel und Schaffung neuer Förderschienen, z. B. Innovationsförderungen für Anlagen mit Mehrzielorientierung, wie z. B. für PV-Parkplatzüberdachungen oder Carports, gebäudeintegrierte PV, schwimmende PV; Förderungen für Leicht- und Folienmodule zur Hebung von großen Flächenpotenzialen auf Hallen; Kombinationsförderung für PV und Speicher.
  • Mobilisierung von Eigentümer*innen großer Dachflächenpotenziale (Wohnbauträger, Industrie und Gewerbe): Unterstützung durch maßgeschneiderte Informations- und Unterstützungspakete; Solarpreis der Stadt Wien.
  • Ausweitung der verpflichtenden Errichtung von Photovoltaikanlagen auf allen
    Neubauten sowie bei größeren baulichen Änderungen auf dem Dach.
  • Unterstützung beim weiteren Netzausbau zur Aufnahme der zusätzlichen PV-
    Kapazitäten.
  • Breite Öffentlichkeitsarbeit und Solarkampagnen: meine Stadt, mein Kraftwerk; Wien lädt alle Bürger*innen ein, Teil der Wiener PV-Offensive zu werden; Beratung für Erneuerbare Energiegemeinschaften; Aufbau eines Zentrums für Erneuerbare Energien, als Beratungseinrichtung zum Thema Förderungen und Genehmigungen von erneuerbarer Energie.

Hebel 2: Erneuerbare Fernwärmeversorgung sicherstellen

Die Stadt Wien und die städtischen Unternehmen (Wiener Stadtwerke) sind als Eigentümer und Betreiber zentraler Infrastrukturen in der günstigen Position, die Transformation der Energieaufbringung maßgeblich mitgestalten zu können. Gleichzeitig ist klar, dass unternehmerische Entscheidungen auch in diesem Bereich – zumal sie sich bis 2040 auf mehrere Milliarden Euro summieren werden – förderliche Rahmenbedingungen brauchen. Und dies von Wien und vom Bund!

Zu den Möglichkeit Wiens zählen dabei:

  • Volle Unterstützung der Stadt Wien, auch im Rahmen der Eigentümerfunktion, bei den in den Gremien der Wiener Stadtwerke (Wien Energie, Wiener Netze) zu treffenden Entscheidungen zur
    • Erschließung und Einbindung der großen Tiefengeothermiepotenziale,
    • Einbindung von Umgebungs- und Abwärmepotenzialen mittels
      Großwärmepumpen,
    • Erweiterung des Fernwärmenetzes, insbesondere im innerstädtischen Bereich, aber auch in vom zentralen Verbundnetz unabhängigen Gebieten mit hoher Wärmedichte (Grätzl-„Nahwärmenetze“, „Anergienetze“),
    • Realisierung von Wärmespeichern.
  • Rasche und bestmögliche Unterstützung von Projekten zur Steigerung des Erneuerbaren-Anteils seitens der Stadt Wien im Rahmen von Behördenverfahren (Wasser-, Bau-, Betriebsanlagenrecht, Widmung).
  • Anreize und/oder ordnungspolitische Rahmensetzungen für den raschen Anschluss von Bestandsgebäuden bzw. allen Wohnungen darin an die Fernwärme, sobald das Fernwärmenetz dort verfügbar ist, die sicherstellen, dass getätigte Investments in das Fernwärmenetz auch rasch refinanzierbar werden.
  • „Energieraumplanung 2.0“: Erweiterung des Ansatzes der Energieraumpläne (siehe § 2b BO für Wien) auf den Bestand; Erstellung von Planungsgrundlagen zur optimierten Auswahl von geeigneten Energieträgern bzw. -technologien zur fossilfreien Wärmeversorgung bis 2040 in Abstimmung mit vorhandenen Siedlungs- und Infrastrukturen sowie Wärmeeinspeisern.

Hebel 3: Grünes Gas zur Spitzenlastabdeckung nutzen

  • Bewusster Umgang mit Grünem Gas: Grünes Gas soll in Wien künftig für Kraft-­Wärme-Kopplungsanlagen oder andere energetisch hochwertige Verwendungs­zwecke, nicht aber für Heizung und Warmwasser genutzt werden.
  • Erhalt von mit Grünem Gas betriebenen Gaskraftwerken bzw. Gas-KWKs zur Spitzenlastabdeckung und zur Stabilisierung des Stromnetzes in und um Wien.

Unterstützung des Bundes notwendig

Bei den Bestrebungen Wiens zur Dekarbonisierung des Strom-, Fernwärme- und Gassektors bedarf es aufgrund der Kompetenzlage der Unterstützung des Bundes. Für Wien von besonderer Bedeutung sind folgende Maßnahmen des Bundes:

  • Unterstützung des Geothermieausbaus durch Verwaltungsverfahren, die hinsichtlich Komplexität und Dauer der Bedeutung dieser Technologie für die Dekarbonisierung des Wiener Energiesystems gerecht werden. Rechtliche Besser- bzw. mindestens Gleichstellung der Bohrungen nach heißem Wasser (Tiefengeothermie) mit jenen nach Öl und Gas.
  • Reduktion der Abgabenlast (Steuern und Umlagen) für Strom, der in Groß-Wärmepumpen oder Geothermieanlagen zur Fernwärmeproduktion genutzt wird, und damit zu Dekarbonisierung des Wärmesektors beiträgt.
  • Technologiespezifische Anreize zur Erschließung von Quellen, die zur Dekarbonisierung der Fernwärme erforderlich sind (Groß-Wärmepumpen, Geothermieanlagen und Carbon Capture).
  • Zeitnahe Rahmenbedingungen, durch die eine Lenkung des zukünftigen Einsatzes von erneuerbaren Gasen in jene Anwendungsbereiche erfolgt, in denen der Einsatz von Gas für die Klimaneutralität 2040 unverzichtbar ist (Chemie, Stahl, Flugverkehr und zur Strom- und Fernwärmeproduktion vor allem in Spitzenlastzeiten).
  • Rahmenbedingungen für die sukzessive Stilllegung von Teilen des Gasnetzes (Gaspaket, Gaswirtschaftsgesetz, Regulierung), ohne dass dies zum einen die noch verbleibenden Gaskund*innen und zum anderen die Gasnetzbetreiber finanziell überfordert.
  • Optimierung der rechtlichen Rahmenbedingungen für bestehende und neu zu errichtende Ökostrom- und Wärmeerzeugungs-, Netz- und Speicheranlagen sowie für Energiegemeinschaften.
  • Rahmenbedingungen, die es ermöglichen, auch mittel- bis längerfristig ausreichend flexible Stromerzeugungskapazitäten zur durchgehenden Sicherung der Stromver­sorgung zur Verfügung zu stellen; etwa durch Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen.

Fußnoten

  1. In der EU-Terminologie „Lastenteilung“ oder „Effort-Sharing“ oder auch „Non-ETS-Sektor“ genannt. Davon sind Anlagen kleiner 20 MW betroffen, die im Mittel der Jahre 2014 bis 2018 knapp drei Prozent der leitzielrelevanten Emissionen ausmachen. Die übrigen Emissionen der Energieversorgung (rund zwei Mio. t CO2/Jahr) unterliegen dem ETS-Bereich.

  2. Derzeit wird die Menge an CO2-Zertifikaten (Emissionsberechtigungen), die den vom EU-Emissionshandel (EU-ETS) betroffenen Anlagen zur Verfügung steht, jährlich um 2,2 Prozentpunkte reduziert. Im Rahmen des „Fit for 55“-Pakets hat die EU-Kommission im Juli 2021 einen legislativen Vorschlag zur Überarbeitung der EU-ETS-Richtlinie vorgelegt. Demnach soll der sog. lineare Reduktionsfaktor auf 4,2 Prozent pro Jahr angehoben werden, um bis 2030 die Emissionen des europäischen ETS-Sektors um 61 statt bisher nur um 43 Prozent (ggü. 2005) zu reduzieren.

  3. Diese berücksichtigen den in den vorangegangenen Kapiteln beschriebenen, gesenkten Energieverbrauch der einzelnen Sektoren in Wien.

  4. Die Elektrifizierung bewirkt zwar einen höheren Strombezug aus dem Wiener Umland bzw. aus „Rest-Österreich“, reduziert aber insgesamt die Abhängigkeit von Energieimporten deutlich, weil die mengenmäßig heute dominierenden Energieformen wie Mineralölprodukte und Erdgas zukünftig nicht mehr aus (fernen Weltregionen) importiert werden müssen.

  5. Siehe Kapitel 4.2 zum Thema Energieraumplanung.

  6. In dem Szenario wird der überwiegende Teil des heutigen Marktanteils von Gasheizungen von Wärmepumpen übernommen. Der Fernwärmezuwachs ergibt sich neben dem Anschluss von Neubauten v. a. aus der Umstellung von Gas auf Fernwärme in Bestandsgebäuden, die bereits heute am Fernwärmenetz oder nicht allzu weit davon entfernt liegen.

  7. Wien Energie plant die Nutzung von Thermalwasser in zwei geologisch vielversprechenden Formationen im Norden bzw. Osten von Wien (Aderklaaer Konglomerat und Hauptdolomit).

  8. Großwärmepumpen als Bestandteil der Geothermieanlagen, aber auch zur Nutzbarmachung vieler anderer Niedertemperatur-(Ab-)Wärmepotenziale in der Stadt: betriebliche Abwärme, Kanalisationswärme, Wärme von Donau-/Donaukanal etc.