5. Bildung

5.8 Exkurs: Mehrsprachigkeit

In regelmäßigen Abständen werden in Österreich Daten zur Umgangssprache von Schüler*innen in der Schulstatistik veröffentlicht.

Die Statistiken zur „Umgangssprache“ der Wiener Schüler*innen erlauben keine Aussagen über Deutschkenntnisse. Stattdessen wird abgebildet, ob Kinder auch andere Umgangssprachen außer Deutsch in den Schulen sprechen.

Die Schulstatistik veröffentlicht dabei lediglich die erste angegebene Umgangssprache der Schüler*innen. Das ermöglicht, Trends aufzuzeigen. Es lässt sich davon jedoch nicht die Kenntnis bzw. der Grad der Kenntnis der deutschen Sprache oder auch anderer Sprachen von Schüler*innen ableiten. Diese Statistik ist vielmehr ein Beleg für die Mehrsprachigkeit der Wiener Schüler*innen. Mehr als die Hälfte der Schüler*innen (rund 53 %) war laut der Schulstatistik für das Schuljahr 2021/22 im Alltag mehrsprachig. Rund 12 % gaben Bosnisch-Kroatisch-Serbisch (BKS) als ihre erste Umgangssprache an. Rund 10 % gaben Türkisch als erste Umgangssprache an, und der Rest (rund 31 %) gab eine andere erste Umgangssprache an (Abb. 16).

Chart

Tabelle

Deutsch Türkisch BKS andere Sprache
2007/08 60,5 10,3 12,2 17
2008/09 59,1 10,6 11,9 18,4
2009/10 58,2 10,8 11,9 19
2010/11 56,7 11,1 12 20,1
2011/12 55,7 11,2 12,1 21
2012/13 54,9 11,3 12,3 21,5
2013/14 54 11,1 12,3 22,6
2014/15 52,5 11,4 12,8 23,4
2015/16 50,3 11,2 12,9 25,6
2016/17 48,8 11,1 12,9 27,2
2017/18 48,1 10,9 12,7 28,3
2018/19 47,8 10,7 12,4 29,1
2019/20 47,3 10,5 12,2 29,9
2020/21 46,7 10,4 12 30,9
2021/22 47,11 10,13 11,51 31,25

Abb. 16: Umgangssprachen der Schüler*innen in Wien nach Schuljahr (in %).

Eine unter 3.000 Schüler*innen aus Abschlussklassen von Wiener Mittelschulen 2020 veröffentlichte Umfrage im Rahmen des universitären Forschungsprojekts „Wege in die Zukunft“ fand zudem heraus, dass die Hälfte der Jugendlichen mit den Eltern eine andere Umgangssprache als Deutsch spricht, aber fast alle der Befragten (93 %) mit ihren Freund*innen Deutsch sprechen. Zuhause wird zudem häufig auch nicht nur eine Sprache, sondern es werden mehrere Sprachen gesprochen.

Die Tatsache, dass Wien viele Sprachen spricht, kommt auch deutlich in der 2023 erstellten Studie zu Zusammenleben in Wien zum Ausdruck. Fast die Hälfte (49 %) der 1.104 in der Studie befragten Wiener*innen kann alltägliche Unterhaltungen in zwei Sprachen führen, etwas mehr als ein Drittel (35 %) sogar in drei oder mehr Sprachen. Diese Sprachkenntnisse sind besonders bei Wiener*innen mit Migrationshintergrund ausgeprägt (Abb. 17). Hier kann sich die Mehrheit (54 %) in drei oder mehr Sprachen im Alltag verständigen. Einsprachigkeit hingegen ist bei den Wiener*innen mit Migrationshintergrund äußerst selten, nur rund 8 % der befragten Wiener*innen mit Migrationshintergrund berichten, dass sie nur eine Sprache im Alltag beherrschen (Abb. 17).

Chart

Tabelle

Eine Sprache Zwei Sprachen Drei oder mehr Sprachen weiß nicht/keine Angabe
Gesamt 15,5 48,9 34,9 0,7
kein Migrationshintergrund 22 57,9 19 1,1
Migrationshintergrund 7,5 37,9 54,5 0,2

Abb. 17: Antworten der Wiener Bevölkerung auf die Frage „In wie vielen Sprachen, inklusive Ihrer Muttersprache, können Sie sich im Alltag unterhalten?“ (in %).

Zwei Drittel der Wiener*innen finden, dass die Förderung von Mehrsprachigkeit in Kindergärten und Schulen eine wichtige Integrationsmaßnahme ist.

Mehrsprachigkeit ist eine positive Ressource. Kenntnisse von mehreren Sprachen können sich positiv auf Berufschancen und Einkommen auswirken. Gleichzeitig kommt der Kenntnis der Sprache des Aufenthaltslandes, d. h. im Falle von Wien Deutsch, eine Schlüsselrolle für die Integration zu. Bei Bevölkerungsgruppen mit einer anderen Herkunftssprache als Deutsch ist die Kenntnis dieser Herkunftssprache auch höchst relevant für den Erwerb der deutschen Sprache. Aus sprachwissenschaftlicher Sicht gilt eine gute Beherrschung der Erstsprache als wichtige Grundlage für das Erlernen von Deutsch als Zweitsprache. Die Förderung von Erstsprachen steht daher mit der Förderung von Deutsch nicht im Widerspruch, sondern beides sind wichtige Komponenten für eine erfolgreiche Integration während der Schulzeit wie auch für den späteren Werdegang von Personen mit Migrationshintergrund aus nicht-deutschsprachigen Ländern. So sind auch die Wiener*innen laut der 2023 erfolgten Befragung zu Zusammenleben in Wien nicht nur mehrheitlich (90 %) der Meinung, dass die Unterstützung für Kinder, die nicht gut Deutsch sprechen, ein wichtiges Instrument für die Integration ist, sondern auch rund zwei Drittel (67 %) der 1.104 befragten Wiener*innen unterstrichen, dass die Förderung von Mehrsprachigkeit in Kindergärten und Schulen eine wichtige Integrationsmaßnahme ist.