8. Gesundheitsmetropole Wien

8.1 Ein starkes öffentliches Gesundheitssystem – mit den Patient_innen im Fokus

Oberstes Ziel der Wiener Gesundheitspolitik ist, eine für alle zugängliche öffentliche Gesundheitsversorgung zur richtigen Zeit und am richtigen Ort sicherzustellen. Zu dieser müssen alle Wienerinnen und Wiener Zugang haben – unabhängig von Alter, Herkunft, Geschlecht, Religion und Einkommen. Besonders die COVID-19 Pandemie hat gezeigt, wie wichtig das robuste und flexible Wiener Gesundheitssystem ist, um optimal auf eine Krise reagieren zu können. Die neue Wiener Stadtregierung wird diesen erfolgreichen Weg weiterhin gehen und das öffentliche Gesundheitswesen entsprechend weiterentwickeln. Deshalb muss die Gesundheitsplanung in Stadtentwicklungsgebieten von Beginn an mitgedacht und berücksichtigt werden.

Das Wiener Gesundheitswesen zeichnet sich sowohl im niedergelassenen als auch im Spitalsbereich durch seine Diversität aus – vielfältige Organisationsformen und unterschiedliche Träger stehen als Gesundheitsdiensteanbieter für die Versorgung der Wienerinnen und Wiener zur Verfügung. Um serviceorientierte und abgestimmte Leistungsangebote bieten zu können, braucht es eine gemeinsame Darstellung, Betrachtung und Weiterentwicklung des Gesundheitswesens. Insbesondere im Spitalsbereich ist eine aufeinander abgestimmte Planung über die verschiedenen Träger hinweg die Grundlage für eine enge Zusammenarbeit zur bestmöglichen Versorgung der Wienerinnen und Wiener. Beispielhaft sei hier die Kooperation des Wiener Gesundheitsverbundes mit der AUVA erwähnt, die langfristig die traumatologische Versorgung trägerübergreifend für ganz Wien sicherstellen wird.

Die Lebensumstände, die Lebensweisen und die beruflichen Anforderungen an die Bevölkerung ändern sich ständig, die Digitalisierung durchdringt alle Lebensbereiche. Diese Änderungen in den Lebensroutinen der Patient_innen ändern auch die Anforderungen an das Gesundheitssystem und die Gesundheitsförderung. Wir orientieren das Gesundheitssystem nicht nur an den Optimierungsparametern für die eigene Organisation, sondern binden Patient_innen stärker in die Behandlungsprozesse ein und entwickeln im Gesundheitswesen entsprechende Serviceorientierung.

Nicht nur die kurative Versorgung steht in der Gesundheitspolitik der Stadt im Vordergrund. Wir wollen bewusst auch einen Schwerpunkt auf die Prävention und die Gesundheitsförderung legen.

Für die Wiener Fortschrittskoalition sind Umwelt- und Klimaschutz eng und vielfältig mit gesundheitspolitischen Aufgabenstellungen verbunden.

Moderne Gesundheitsversorgung stellt Patient_innen in den Mittelpunkt, orientiert sich an deren medizinisch-pflegerischem Bedarf und den krankheitsassoziierten Bedürfnissen – das Gesundheitssystem verstehen wir in seinen Strukturen als Dienstleistungsorganisation.

Der medizinisch-wissenschaftliche Fortschritt der letzten Jahrzehnte ist enorm. Individuellere Behandlungsmöglichkeiten treten immer weiter in den Vordergrund. Unsere aktive Gesundheitspolitik legt daher ein besonderes Augenmerk darauf, dass diese Entwicklungen vorangetrieben werden. Das stärkt auch das wissenschaftliche Engagement in den Einrichtungen der Behandlungs- und Versorgungsbereiche. Gleichzeitig werden wir gewährleisten, dass der Fortschritt nicht einigen wenigen, sondern allen zur Verfügung steht, die dies auch benötigen.

Um diesem Anspruch gerecht zu werden, müssen unsere Strukturen weiterentwickelt werden. Dies betrifft auch die organisatorische Ebene.

Governance Strukturen

  • Die bestehenden Organisationseinheiten im Gesundheits- und Sozialbereich, die bereits als eigene Rechtsform organisiert sind, werden in ihren Governance Strukturen modernisiert. Ziel ist, den verschiedenen Ansprüchen an das Management einer Dienstleistungsorganisation, der Aufsichtsstruktur sowie dem Anspruch und der Erwartung des öffentlichen Eigentümers gerecht zu werden und die Ebene gemäß ihren Aufgaben und Verantwortungen entsprechend abzubilden.

Eine Privatisierung des öffentlichen Gesundheits- und Sozialwesens schließen wir aus.

Modernisierung der Wiener Spitäler

  • Um im Wiener Gesundheitsverbund (WiGeV) weiterhin modernste Medizin und Pflege in zeitgemäßer Infrastruktur bieten zu können, wird die Fortschrittskoalition ein Investitionsprogramm für die städtischen Spitäler realisieren. Die inhaltlichen Festlegungen der Leistungsplanung des WiGeV wurden auf Basis des Wiener Spitalskonzepts und des Medizinischen Masterplans nochmals grundlegend überarbeitet und akkordiert. Diese bilden die Basis für ein zukünftiges Sanierungs- und Neubauprogramm. Parallel zur bereits laufenden Generalsanierung des AKH wird auch die Infrastruktur in allen WiGeV-Spitälern modernisiert. Das Modernisierungsprogramm wird 2021 vorgestellt und im selben Jahr umgesetzt. Es hat eine Laufzeit bis 2040 bei einem Gesamtvolumen von rund fünf Milliarden Euro.
  • Der WiGeV erstellt und implementiert ein Klima- und Umweltschutzprogramm, das sich an den Zielen der Smart City Rahmenstrategie orientiert. Er wird dem Gemeinderat regelmäßig über dessen Umsetzung berichten.

WiGeV – moderner Dienstleister im Eigentum der Stadt

Wir entwickeln den Wiener Gesundheitsverbund zu einer modernen Dienstleistungsorganisation weiter.

  • Zentraler Baustein dafür ist die Überführung des WiGeV von der städtischen Verwaltung in eine eigene Rechtspersönlichkeit mit direkter Personal- und Kostenverantwortung, konkret in eine Anstalt öffentlichen Rechts. Dieser bereits eingeschlagene Weg soll in dieser Legislaturperiode finalisiert werden. Selbstverständlich ist, dass der WiGeV zu 100 % im Eigentum der Stadt Wien bleibt.

Neuorganisation des Wiener Gesundheitsfonds

  • Mit der Neuorganisation der Wiener Gesundheitsfonds (WGF) und einer Zusammenführung mit den Aufgaben der MA 24 in den WGF soll eine Verwaltungsstruktur geschaffen werden, die nach dem Prinzip gebündelter Kompetenzen rasch, effizient und transparent funktioniert.

Innovatives Leistungsangebot

Um dem Anspruch der Dienstleistungsorganisation gerecht zu werden, braucht es auch eine inhaltliche und organisatorische Weiterentwicklung des allgemeinmedizinischen Sektors – sowohl für Erwachsene als auch für Kinder und Jugendliche:

  • Dies bedeutet in der Versorgung der Menschen, dass die Sozialmedizin wieder stärker in den Fokus rückt. Darunter verstehen wir eine Medizin, die sich an den Bedarfen und Bedürfnissen der Menschen orientiert. In der Versorgung werden wir diesem Anspruch mit dem Ausbau im niedergelassenen Bereich in Form von über 16 spezialisierten Medizinzentren und 36 Primärversorgungszentren gerecht. Im Spitalsbereich entsprechen wir diesem Ziel durch die Etablierung von Erstversorgungsambulanzen in den Wiener Spitälern als Anlaufpunkt vor den fachspezifischen Spitalseinheiten.
  • Weiters sollen dezentrale community-nursing Ansätze in der mobilen Betreuung durch diplomierte Pflegekräfte in enger Abstimmung mit der Allgemeinmedizin und anderen mobilen Diensten erprobt und im Erfolgsfall ausgerollt werden. Das wollen wir vor allem dort, wo es die Bevölkerungsstruktur und die sonstige fehlende medizinisch-pflegerische Versorgung erforderlich machen. Zur Versorgung der Kinder und zur Entlastung des schulmedizinischen Dienstes soll gemeinsam mit dem Bildungsbereich ein Projekt zu School Nurses gestartet werden. Diese Maßnahmen müssen im Rahmen einer gemeinsamen Strategie mit den Krankenversicherungen etabliert werden.
  • Darüber hinaus bedeutet dieser Anspruch auch, dass der Wiener Gesundheitsverbund Ort von medizinischer Forschung und Innovation sein soll und damit einen wesentlichen Beitrag zum Wissenschaftsstandort Wien leistet.

Erstversorgungsambulanzen

  • Die Erstversorgungsambulanzen (EVA) sollen die erste zentrale Anlaufstelle für jene Patient_innen sein, die selbstständig ins Krankenhaus kommen. Kleinere Behandlungen können direkt vor Ort erfolgen. Die EVA sollen Patient_innen aber auch an den „best-point-of-service“ im Spital oder im niedergelassenen Bereich weiterleiten. Darüber hinaus soll die EVA - ergänzend zur bestehenden Ausbildung in den Lehrpraxen - jener Ort sein, an dem moderne Allgemeinmedizin gelehrt, gelernt und beforscht wird. Dies trifft besonders die Arbeit im multiprofessionellen Team. Zielsetzung ist es, in jedem Haus des Wiener Gesundheitsverbundes eine EVA zu etablieren. Diese bilden gemeinsam mit den bereits bestehenden Notfallambulanzen ein modernes „Eingangsportal“ in Wiens Spitälern.

Stärkung des ambulanten Bereiches

  • Die Entlastung der Krankenanstalten durch Verlagerung von Versorgungsleistungen aus dem stationären Bereich in den ambulanten ist eines der zentralen Themen der Strukturentwicklung im Gesundheitsbereich. Die besondere Herausforderung besteht darin, die Strukturen im ambulanten Bereich entsprechend zu stärken und etwa neue, im stationären Bereich entwickelte Leistungen dorthin überführen zu können. Angebote müssen dabei an regionale und überregionale Bedürfnisse angepasst werden. Diese Entwicklung der Versorgungsstruktur bedeutet eine wegweisende Veränderung des gesamten Gesundheitsbereichs. Um die Beibehaltung der gewohnt hohen Behandlungsqualität zu sichern, ist eine Optimierung der Prozesse und der Ressourcen in und zwischen allen Bereichen notwendig.

Primärversorgungszentren

  • Mit dem Ausbau der Primärversorgungszentren (PVE) auf 36 Einrichtungen wird die wohnortnahe Gesundheitsversorgung – durch Krankenkassen und Ärztekammer - bis 2025 Schritt für Schritt in ganz Wien ausgebaut. In den PVE stehen den Wienerinnen und Wienern Einrichtungen mit multiprofessionellen Teams und erweiterten Öffnungszeiten zur Verfügung. Die Versorgungsangebote der PVE sollen die Ambulanzen der Krankenhäuser entlasten und einen Beitrag zur Weiterentwicklung des niedergelassenen Bereichs leisten. Dabei ist denkbar, PVE allenfalls auch durch den WiGeV aufzubauen, um das niedergelassene Gesundheitssystem zu unterstützen.

Medizinische Zentren

  • In Wien werden 16 neue spezielle Versorgungsangebote im niedergelassenen Bereich zur Verfügung stehen. Folgende Zentren sind dabei vorgesehen: drei Dermatologiezentren, ein Schilddrüsenzentrum, ein Diabeteszentrum, eine internistische Gruppenpraxis mit erweitertem Diabetesversorgungsauftrag, ein Schmerzzentrum, zwei Wundzentren, drei Augenzentren und vier Kindergesundheits- und Familienzentren.

Wiener Impfstrategie

Impfen zählt zu einer der wichtigsten Gesundheitsleistungen zum Schutz vor Infektionskrankheiten und hat durch die COVID-19-Pandemie signifikant an Akzeptanz gewonnen. Zielsetzung der Wiener Gesundheitspolitik ist es, die Durchimpfungsrate deutlich zu erhöhen.

  • Durch die Einführung des digitalen Impfpasses sollen der analoge Impfpass abgelöst und alle Impfungen erfasst werden. Wir wollen, dass Wien hier weiterhin eine Vorreiterrolle einnimmt.
  • Impftermine können über die Website impfservice.wien oder das Gesundheitstelefon 1450 vereinbart werden.
  • Die Wiener Stadtregierung wird sich auch in diesem Zusammenhang aktiv für die österreichweite Weiterentwicklung des Aufgabenkataloges der Krankenkassen einsetzen. Flächendeckende Impfangebote sollen künftig integrierter Teil der Leistung moderner Gesundheitspräventionsprogramme und Gesundheitsvorsorgeprogramme der Krankenversicherung sein.

Projekt „Let’s end hepatitis C in Vienna“

Wien unterstützt die von der WHO im Jahr 2016 verabschiedete Strategie zur Eliminierung viraler Hepatitiden und Reduktion der Neuinfektionen mit Hepatitis C um 90 %, um die Mortalität um 65 % zu verringern. Auch wenn es gegen das Hepatitis C Virus noch keinen Impfstoff gibt, ermöglicht der Einsatz moderner Medikamente bei über 90 % der Patient_innen eine Heilbehandlung.

  • Mit dem Projekt „Let’s end Hepatitis C in Vienna“ leistet die Wiener Fortschrittskoalition einen Beitrag zur Erreichung dieser Ziele.

Ausbildungsoffensive

Wir schätzen - bei allem technischen und medizinischen Fortschritt - die Mitarbeiter_innen im Sozial- und Gesundheitswesen als das Herzstück der Qualitätssicherung und Weiterentwicklung in sämtlichen Bereichen. Daher setzen wir einen besonderen Schwerpunkt auf eine hochwertige, moderne Aus- und laufende Weiterbildung.

Das Näherrücken des Pensionsantrittsalters der „Baby-Boomer“-Generation der 1960er Jahre betrifft auch das Gesundheitspersonal und wird zu einer besonderen Herausforderung für die Versorgung. Wie auch im Kapitel “Pflege.Zukunft.Wien“ angesprochen, stellt sich die neue Wiener Stadtregierung aktiv dieser Aufgabe.

Mit einer Ausbildungsoffensive in verschiedenen medizinischen Berufen werden wir eine Aufstockung in den Gesundheits- und Pflegeberufen erreichen:

  • Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflege: von derzeit 1.300 Ausbildungsplätzen auf 2.300 Plätze (+1.000)
  • Pflegeassistenz und Pflegefachassistenz: von derzeit 1.100 Ausbildungsplätzen auf 1.800 Plätze (+700)
  • Medizinisch-therapeutisch-diagnostische Gesundheitsberufe und Hebammen: von derzeit 1.300 Ausbildungsplätzen auf 2.100 Plätze (+800)
  • Zentrale Steuerung der Pflegeausbildung durch die drei großen Player FSW, WiGeV und FH Campus

Eine besondere Rolle nimmt Wien auch in der ärztlichen Ausbildung ein:

Der Wiener Gesundheitsverbund ist der mit Abstand größte ärztliche Ausbildner in Österreich. Derzeit sind rund 1.200 Ärzt_innen in Ausbildung (das sind ca. 1/3 aller im WiGeV beschäftigten Ärzt_innen) Durch einen Schulterschluss mit der Ärztekammer wird auch hier durch eine Ausbildungsoffensive mit 250 zusätzlichen Stellen für Ärztinnen und Ärzte Vorsorge getroffen. Dies hat zwei positive Effekte zur Folge:

  • ausgebildete Spezialist_innen, um die Pensionierungswelle auszugleichen,
  • und eine deutliche Verjüngung der Teams in den Spitälern des Wiener Gesundheitsverbunds.

Ambulanzanmeldung

Die Ambulanzzeiten in den Krankenanstalten sollen erweitert und eine entsprechende Terminvergabe für die Patient_innen eingeführt werden. Dadurch sollen die Wartezeiten reduziert und es soll besser auf die Bedürfnisse der Patient_innen und ihrer Angehörigen eingegangen werden. Damit ist ein effizientes Zeitmanagement in den Ambulanzen gewährleistet.

Projekt Erstannahme Krankentransport

Um die Übergabe von Patient_innen beim Krankentransport zur Krankenanstalt effizienter zu gestalten, soll im Rahmen eines Pilotprojekts eine zentrale Übergabestelle an einem Krankenanstaltenstandort erprobt werden.