Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 04.09.2008:
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Matthias Sindelar im Wiener Stadt- und Landesarchiv

Wien (RK). Das große Fußball-Fest der Europameisterschaft in der Schweiz und in Österreich wirkt weiter. Das Wiener Stadt- und Landesarchiv bringt eine Serie von - alphabetisch gereihten - elf Biographien zu berühmten Persönlichkeiten des Wiener Fußballs zwischen 1920 und 1965: Matthias Sindelar war von ganz unten ...

Wien (RK). Das große Fußball-Fest der Europameisterschaft in der Schweiz und in Österreich wirkt weiter. Das Wiener Stadt- und Landesarchiv bringt eine Serie von - alphabetisch gereihten - elf Biographien zu berühmten Persönlichkeiten des Wiener Fußballs zwischen 1920 und 1965:

Matthias Sindelar war von ganz unten gekommen, er entstammte dem Milieu der so genannten "Ziegelbehm". Aufgewachsen in den Straßen der Favoritener Kreta reifte der Halbwaise zu einem wahren "Gstettn-Star" heran und stieß 1924, vom Sport Club Hertha kommend, zur Wiener Austria (damals noch Amateur-Sportverein). Seine schwächliche körperliche Konstitution und eine daraus resultierende Fähigkeit, körperlich bei weitem überlegende Gegner mit geradezu spielerischer Leichtigkeit aussteigen zu lassen, brachten ihm den (anfangs nur wenig ehrenvollen) Beinamen "der Papierene" ein. Doch seine überragende Balltechnik und Spielintelligenz ließen ihn bald zu der zentralen Figur der Wiener Austria wie auch des legendären, von Hugo Meisl gecoachten Wunderteams heranreifen. Er wurde geradezu zum Synonym für die hohe Wiener Fußballschule, die sich durch ein engmaschiges, schnelles, mit hoher Präzision in Szene gesetztes Kurzpassspiel auszeichnete, angereichert mit Raffinesse, Eleganz und Witz. Als "Spielführer" des Wunderteams und zweifacher Mitropacup-Sieger erreichte seine Popularität ungeahnte Höhen.

"Er wusste vom Leben außerdem nicht viel" schreibt Friedrich Torberg in seiner berührenden Ballade auf den Tod eines Fußballspielers. Nur so viel war gewiss, es würde ein Leben nach der Karriere als Fußballspieler geben müssen. Sindelar nutzte die Gunst der Stunde und erwarb im August 1938 die Vorgenehmigung zur Führung eines Kaffeehauses, das dem Vorbesitzer (und engen Freund Sindelars) Leopold Drill im Zuge der so genannten "nationalen Revolution von unten" in den Wochen nach dem Einmarsch der deutschen Truppen entzogen worden war.

Ein halbes Jahr darauf verstirbt der Papierene, zusammen mit seiner Freundin Camilla Castagnola, unter mysteriösen und bis heute ungeklärten Umständen. Die bereits in das Exil gedrängte Wiener Kaffeehausliteratur macht zur Gewissheit, was die Untersuchungen der Polizei und der Staatsanwaltschaft jedenfalls nicht ausschließen konnten: den Freitod des ungekrönten Wiener Fußballkönigs angesichts der politischen und moralischen Vergewaltigung der Stadt durch die Nazis. Damit wurde der Mittelstürmer nachhaltig als eine Ikone der Wiener Identität und Selbstbehauptung gefestigt. Sindelar habe nicht mehr leben können in einer entfesselten Zeit, der neben dem Wiener Fußball so vieles andere zum Opfer fiel, in der es im Fußball, ganz wie im Leben, mit der Wiener Schule vorbei war.

Derzeit sind im Wiener Stadt- und Landesarchiv einige originale Dokumente zu sehen, welche die Arisierung des Kaffeehauses von Leopold Drill durch Matthias Sindelar beleuchten. Die Spezialausstellung "11 Biographien" im Wiener Stadt- und Landesarchiv ist Teil der gemeinsam mit der Wienbibliothek im Rathaus konzipierten Ausstellung "Die Eleganz des runden Leders - Wiener Fußball 1920- 1965". Sie ist im Foyer des Wiener Stadt- und Landesarchivs im Gasometer D in Simmering (Zugang über Gasometer A) Montag bis Freitag von 8 bis 18 Uhr zu besichtigen, der Eintritt ist frei.

  • "11 Biographien"
    Die Eleganz des runden Leders - Wiener Fußball 1920-1965
    Ausstellung im Foyer des Wiener Stadt- und Landesarchivs
    Simmering, Gasometer D (Zugang über Gasometer A)
    Kurator: Wolfgang Maderthaner
    Ausstellungsdauer: bis 26. September 2008

rk-Fotoservice: www.wien.gv.at/

(Schluss) red

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    Wiener Stadt- und Landesarchiv
    Mag. Manuel Swatek
    Telefon: 4000/84827
    E-Mail: manuel.swatek@wien.gv.at

(RK vom 04.09.2008)