Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 28.04.2003:
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Faymann präsentiert Studie "Interethnische Nachbarschaft"

Faymann präsentiert Studie "Interethnische Nachbarschaft"

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Wien (RK). "Die Integration unterschiedlicher Kulturen spielt gerade beim Thema Wohnen eine bedeutende Rolle. Ein Schwerpunkt im geförderten Wohnbau sind daher "Integrationsbauten", bei denen auf das Zusammenleben von Menschen aus verschiedenen Ländern im Vordergrund steht. Diese Integrationsprojekte ergänzen alle ...

Wien (RK). "Die Integration unterschiedlicher Kulturen spielt gerade beim Thema Wohnen eine bedeutende Rolle. Ein Schwerpunkt im geförderten Wohnbau sind daher "Integrationsbauten", bei denen auf das Zusammenleben von Menschen aus verschiedenen Ländern im Vordergrund steht. Diese Integrationsprojekte ergänzen alle anderen Maßnahmen zum besseren Miteinander im Wohnbau. Eine entsprechende Studie zum Thema "Interethnische Nachbarschaft" wurde vergangenen Freitag von Wohnbaustadtrat Werner Faymann und den Fachleuten Dr. DI Joachim Brech und Prof. Dr. Herbert Ludl präsentiert.

In den letzten Jahren wurden die Instrumente der Wohnbauförderung dahingehend ausgerichtet, höhere Treffsicherheit und soziale Gerechtigkeit zu erreichen. Da sind zum einen die so genannten "Notfallswohnungen", die Opfern von Wohnungsspekulanten ebenso zur Verfügung stehen wie Familien, die in gesundheitsgefährdenden Wohnungen leben oder Opfer von Gewalt sind. Und zwar unabhängig von der Staatsbürgerschaft. Insgesamt 2.300 Familien konnte auf diese Art bereits durch eine Notfallswohnung geholfen werden. Zum anderen wurde die Information, dass geförderte Genossenschaftsprojekte auch für Nicht-Österreicher zugänglich sind, gemeinsam mit dem Integrationsfonds verbessert. Dadurch ist es gelungen, den Anteil an ausländischen Mietern bei neuen Genossenschaftswohnungen in den letzten Jahren auf 20 Prozent zu erhöhen. Drittens fließt die Förderung der Wohnhaussanierung und von Neubauprojekten vor allem in "abgewohnte" Stadt- und Bezirksteile, in denen überdurchschnittlich viele ausländische Staatsbürger wohnen. Eine weitere Integrationsmaßnahme stellt die Allgemeine Wohnbeihilfe dar, durch die es seit 2001 auch für ausländische Staatsbürger, die in privaten Mietshäusern wohnen, möglich ist, Wohnbeihilfe zu erhalten. 13.000 Familien nehmen diese Hilfe bereits in Anspruch.

Die Studie beweist, dass Integrations-Konzepte nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der Realität funktionieren. Deshalb setzt die Stadt dieses Instrument der Integration auch weiter fort. 9 Projekte mit rund 600 Wohnungen sind bereits realisiert, sechs weitere Projekte mit zusätzlich rund 500 Wohnungen werden derzeit umgesetzt", erklärte Wohnbaustadtrat Werner Faymann, der darauf hinwies, dass diese Instrumente auch ein wichtiger Beitrag der Stadt gegen Spekulation darstellen.

300 Bewohner - 24 Ethnien

Das Wohnbauprojekt "Interethnische Nachbarschaft" in Liesing (Anton Baumgartner Straße 127-129) besteht aus insgesamt 141 geförderten Neubauwohnungen, die im Juni 2000 besiedelt wurden. Der Großteil der Anlage besteht aus Zwei-Zimmer-Wohnungen, es wurde besonderer Wert auf Gemeinschaftseinrichtungen gelegt. So gibt es einen 312 m² großen Gemeinschafts- und Versammlungsraum, einen Kinderspielraum, einen Waschsalon, einen Wellnessbereich sowie Gemeinschafts-Penthäuser mit Dachterrassen. Jede Haustreppe mündet in diesen Gemeinschaftsdachgarten.

Die 300 Bewohner der Wohnhausanlage setzen sich aus 24 Ethnien zusammen. Etwa die Hälfte von davon sind Österreicher. Sie leben zu 70 Prozent in Zwei- bis Vierpersonen-Haushalten. Über das Wohnprojekt haben 34 Prozent über Bekannte und 31 Prozent über Zeitungen erfahren. Die restlichen Bewohner über Verwandte, Arbeitskollegen, Internet usw.

Die Ergebnisse der Befragung der Bewohner weisen auf eine besonders hohe Wohnzufriedenheit hin. Vor allem Nachbarschaftshilfe wird groß geschrieben. 80 Prozent der Bewohner haben regelmäßig Kontakt mit ihren direkten Nachbarn. 61 Prozent besuchen diese Nachbarn auch in deren Wohnung. Genau so viele helfen auch bei Urlaub, Hausaufgaben der Kinder, Krankheit usw.

Besonders hervorgehoben wird von den Bewohnern das kooperative Zusammenleben einer großen Vielfalt an Kulturen und Religionen. Auch nach den Ereignissen des 11. September 2001 gab es intensive Diskussionen, aber keinerlei Schuldzuweisungen an muslimische Mitbewohner.

80 Prozent würden ihr Wohnbauprojekt auch an Freunde weiterempfehlen. Dabei waren ursprünglich bei vielen Bewohnern andere Gründe als der Integrations-Schwerpunkt ausschlaggebend, sich diese neue Wohnung auszusuchen.

Als Gründe für den Umzugswunsch (Mehrfachnennungen möglich) gaben 55 Prozent an, dass die bisherige Wohnung zu klein war, für 20 Prozent war die bisherige Wohnung zu teuer, für 19 Prozent die Umgebung zu laut, bei 16 Prozent war die Ausstattung schlecht, knapp 10 Prozent hatten Ärger mit dem Vermieter. 7 Prozent gaben unfreundliche Nachbarn als Umzugsmotiv an.

Die Projektidee der interethnischen Nachbarschaft war für 36 Prozent wichtig, für 61 Prozent weniger oder ganz unwichtig.

Projektidee wird bestätigt

Trotz dieser eher neutralen Haltung zur Projektidee wird diese nach mehr als zwei Jahren bestätigt:

Die Fifty-Fifty Mischung von österreichischen und ausländischen Staatsbürgern sieht die Mehrheit der Befragten Mieter positiv (74 Prozent). Ebenso positiv findet eine Mehrheit von 84 Prozent, die Vielfalt der vertretenen Nationen.

Die Gemeinschaftseinrichtungen werden gerne und oft angenommen. Besonders die Gemeinschaftsräume auf den Dächern werden für Kinderfeste usw. genutzt. Auch der Waschsalon wird häufig benutzt und dient als wichtiger Kommunikationsort. Auch die Gemeinschaftsloggien werden tagsüber von Kindern und abends von den Erwachsenen für Unterhaltungen und Geselligkeit genutzt.

61 Prozent der Befragten finden den Innenhof gut benutzbar, einzig die dortigen Spielgeräte werden nicht gut bewertet.

Als Ergänzung des integrativen Charakters des Wohnprojekts wünschen sich die Bewohner eine entsprechende Infrastruktur an Geschäften. Befragt zur Einkaufssituation meinen 53 Prozent, dass ein Lebensmittelgeschäft in der unmittelbaren Nähe fehlt.

Renommierter Studienautor

Die Studie über die "interethnische Nachbarschaft" wurde vom renommierten deutschen Architekten Joachim Brech erarbeitet, der u.a. Teilhaber des intermediären Forschungs- und Planungsbüros "Wohnbund Frankfurt GmbH" ist und am Institut für Wohnen und Umwelt an der Universität Darmstadt arbeitet.

Bei der Studie kamen folgende Instrumente zum Einsatz: Qualitative Interviews zu den Fragegruppen Projekt, Umfeld, Stadt, Unternehmen, Fachdiskurs - u.a. mit Vertretern der Stadtverwaltung, mit dem Hausbesorger, mit Vertretern sozialer Einrichtungen, des Bauträgers Sozialbau und einiger Forschungsinstitute.

Außerdem gab es standardisierte Befragungen aller Bewohner und vertiefende Interviews 12 repräsentativer Vertreter der Mieter.

rk-Fotoservice: www.wien.gv.at/

(Schluss) gmp

(RK vom 28.04.2003)