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Landtag, 17. Sitzung vom 23.11.2022, Wörtliches Protokoll  -  Seite 69 von 84

 

Pflicht festzuschreiben, ohne die Grundlagen zu schaffen, damit diese auch erfüllt werden kann, das geht nicht.“

 

Auch wir Grünen in Wien haben 2021 bei der Novellierung des Wiener Mindestsicherungsgesetzes scharf kritisiert, dass diese viermonatige Orientierungsfrist - es geht vor allem um Unter-25-Jährige - abgeschafft wurde, und zwar vor allem auch deshalb, weil die Pflicht der Behörde entfallen ist, ein adäquates Angebot zu machen. - Ich glaube, ich brauche hier in diesem Saal nicht zu sagen, dass es tatsächlich sehr, sehr schwierig für Menschen mit Behinderungen ist, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Es müssen also adäquate Ausbildungen und Kurse für diese Menschen zur Verfügung gestellt werden. Auch diesbezüglich muss die Stadt Wien wirklich viel mehr tun. Wir halten diese Frist für sehr wichtig. Dadurch, dass diese Frist weggefallen ist, kann nämlich ab Tag 1 eine Kürzung von 25 Prozent gemacht werden. Besonders schockierend ist in diesem Zusammenhang, dass Menschen mit Behinderung dadurch diskriminiert werden, dass viel zu wenig passende Angebote für sie bestehen. Frau M. wurde also dafür sanktioniert, dass der Arbeitsmarkt keine ausreichenden Angebote zur Verfügung stellt. Hier wird die Verantwortung für Systemversagen auf Individuen übertragen, und das ist wirklich sehr schade in einer Stadt wie Wien.

 

Vielleicht hätte man sich insgesamt einiges und die Verfassungsgerichtshofbeschwerde erspart, wenn man 2021 dieses Begutachtungsverfahren zugelassen hätte. Die Änderung des Wiener Mindestsicherungsgesetzes ist ja mit einem Initiativantrag durchgepeitscht worden. Ich möchte noch einmal daran erinnern, dass es uns unter Rot-Grün sehr wichtig war, dass Gesetzesvorhaben transparent zur Begutachtung gekommen sind. Es ist nämlich gut und wichtig, dass so viele Menschen wie möglich, die Expertise in einem Bereich haben, tatsächlich auch auf Lücken hinweisen und Kritik üben können. Ich bin mir sicher, dass man seitens des VertretungsNetzes damals schon gesagt hätte, dass für Menschen mit Behinderungen diese Regelung wirklich sehr, sehr schädlich ist.

 

Die Viermonatsfrist, die bis zur Änderung des Wiener Mindestsicherungsgesetzes im Jahr 2021 gegolten hat, stellte vor allen Dingen eine wichtige Regelung im Sinne der Armutsbetroffenen dar, weil damit anerkannt wurde, dass die Mühlen der Behörden oft langsam mahlen, dass es oft kein adäquates Angebot gibt, beziehungsweise zumindest nicht sofort. Anstatt armutsgefährdeten MindestsicherungsbezieherInnen Unterstützung anzubieten, wurde diese Sanktionspolitik umgesetzt, und das ausgerechnet in Zeiten der Teuerung und der Energiekrise und in Anbetracht von 11 Prozent Inflation, weswegen die MindestsicherungsbezieherInnen ohnedies jeden Euro umdrehen müssen. Deswegen sage ich: In einer sozialen Stadt wie Wien darf das wirklich nicht sein! Das ist unwürdig, und wir bitten Sie darum, dem Antrag zuzustimmen und diesen Fehler zu beheben. (Beifall bei GRÜNEN und spö.)

 

Präsident Mag. Manfred Juraczka: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Abg. Korosec. Ich erteile es ihr.

 

16.30.13

Abg. Ingrid Korosec (ÖVP)|: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Landesrat! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Liebe Teilnehmer am Fernsehschirm!

 

Wir befinden uns - wie heute schon einige Male gesagt worden ist - zum x-ten Mal in einer Debatte über das Wiener Mindestsicherungsgesetz, und ich möchte heute in erster Linie noch einmal auf die Verfassungswidrigkeit eingehen. Das Gesetz ist nämlich ganz offensichtlich verfassungswidrig. Demokratiepolitisch ist das unglaublich, und zwar insbesondere deshalb, weil der Herr Landesrat und natürlich der Herr Bürgermeister das ganz genau wissen. Die Verfassung wird hier mit Füßen getreten, weil es Ihnen einfach so passt.

 

Gerade während Covid hatten wir zahlreiche Anpassungen des Wiener Mindestsicherungsgesetzes, und wir haben als konstruktive Oppositionspartei hier auch immer an Lösungen gearbeitet. Verfassungsmäßigkeit zu erreichen, war allerdings nie das Ziel der Regierung.

 

Zur Erinnerung ganz kurz die historische Entwicklung: Das Grundsatzgesetz trat bereits mit 1. Juni 2019 in Kraft. Ende 2019 gab es das Urteil des Verfassungsgerichtshofs, womit zwei wichtigere Punkte des Gesetzes aufgehoben wurden. Der Rest ist allerdings weiterhin gültig und muss auch umgesetzt werden. Die Stadt Wien und Herr LR Hacker widersetzen sich allerdings und setzen bereits seit drei Jahren den verfassungsmäßigen Zustand nicht um.

 

Wir als Volkspartei bekennen uns zu einem System der Sozialhilfe. Deshalb ist uns das Mindestsicherungsgesetz als letztes soziales Netz wichtig, und dieses wurde gerade während der Covid-Krise, meine Damen und Herren, auch sehr stark in Anspruch genommen, was wichtig war.

 

Ein Blick auf die Zahlen zeigt aber schon die Schieflage, welche nicht erst seit gestern besteht. Über zwei Drittel aller Mindestsicherungsbezieher - über zwei Drittel - leben in Wien. Fast 60 Prozent der Mindestsicherungsbezieher in Wien sind Nicht-Österreicher. Fast 40 Prozent der Mindestsicherungsbezieher in Wien sind Asylberechtigte. Fast 70 Prozent aller Asylberechtigten, die in Österreich Mindestsicherung beziehen, leben in Wien. In Wien war die durchschnittliche Bezugsdauer der Sozialhilfe 2021 in ganz Österreich am längsten, nämlich fast 10 Monate. Und über 70 Prozent aller Ausgaben für die Mindestsicherung in ganz Österreich werden in Wien ausgegeben, nämlich fast 700 Millionen. Das sind die Fakten, und diese zeigen die Sogwirkung Wiens, womit normale Faktoren einer Großstadt deutlich überstiegen werden, da Wien rund ein Fünftel der Einwohner Österreichs hat. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Doch wie geht es jetzt weiter? - Ein Blick ins Regierungsprogramm zeigt, dass sich am verfassungswidrigen Zustand nichts ändern wird, und von der SPÖ und von StR Hacker ist man ja mittlerweile nichts anderes mehr gewohnt. Von der so sehr die Demokratie verteidigenden Partei der NEOS - jetzt ist allerdings fast niemand von ihnen da - sollte man sich aber eigentlich mehr erwarten. Leider wird aber auch von dieser Seite nichts passieren. Meine Damen und Herren von den NEOS! Sie halten offenbar der SPÖ sehr die Stange! (Beifall bei der ÖVP.)

 

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