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Landtag, 17. Sitzung vom 23.11.2022, Wörtliches Protokoll  -  Seite 68 von 84

 

auch massiv. Eine große Gruppe sind Alleinerziehende, aber dabei sind weitaus mehr Alleinerzieherinnen.

 

Heute ist es ja medial hochgekommen, dass die Österreichische Plattform für Alleinerziehenden festgestellt hat, dass die Essenskostenbefreiung leider sehr hoch angesiedelt ist. Sie liegt bei diesen 1.100 EUR netto, und wir plädieren wirklich sehr stark dafür: Heben Sie diese Grenze an! Es geht sich für die Leute nicht mehr aus, und es kann nicht sein, dass warmes Mittagessen in Wien nicht zur Verfügung gestellt wird, weil die Leute durch diese Grenze durchfallen. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

16 Prozent der MindestsicherungsbezieherInnen sind übrigens PensionistInnen, und auch hier ist der Frauenanteil ganz massiv. Er ist noch höher als der sonstige Frauenanteil und liegt bei 59 Prozent. Wir sehen also auch, dass die Pensionen nicht ausreichen und dass hier ebenfalls über die Mindestsicherung aufgestockt werden muss. Das heißt, Menschen bekommen die Mindestsicherung, obwohl Sie nebenher andere Einkünfte beziehen. Das zeigt, wie niedrig die Pensionen teilweise sind, und dass sie bei den Frauen besonders niedrig sind, wissen wir aus der Erfahrung.

 

Besonders schlimm ist auch, dass jedes siebente Kind in Wien in einer Bedarfsgemeinschaft mit Mindestsicherungsbezug lebt. Das ist für jedes einzelne Kind davon wirklich eine Tragödie, denn wir wissen, dass die Armut weitervererbt wird. Im Hinblick darauf müssen wir wirklich auch als Stadt Wien Signale setzen, indem wir die Kindermindestsicherung endlich anheben und die Kinderarmut mit aller Kraft bekämpfen. Es sind eben Menschen, die diese Mindestsicherung beziehen, und dahinter stehen Schicksale. Diese Personen haben es schon schwer genug, und sie haben wirklich keine Lust darauf, von Ihnen weiter beschämt beziehungsweise kriminalisiert zu werden oder in ein Eck gestellt zu werden, indem behauptet wird, dass sie faul seien und nichts leisten. - Wenn man keine Mindestsicherung zur Verfügung stellt, dann ist das eine Antiintegrationsarbeit und keine Integrationsarbeit! (Beifall bei GRÜNEN und spö.)

 

Zu den Kosten: Herr Kollege Krauss hat sich vorher aufgeregt über 685 Millionen EUR, die die Mindestsicherung koste. - Erstens betone ich, dass es wesentlich teurer ist, Armut nicht zu bekämpfen. Und zweitens stelle ich fest: Was wir uns wirklich nicht mehr leisten können, das sind nicht die Zuwendungen an die Menschen, die durch die Mindestsicherung davor bewahrt werden, komplett in die Armut und Obdachlosigkeit zu rutschen. Nein! Vielmehr können wir uns die Steuerflucht und das unsolidarische Verhalten der Reichen in diesem Land nicht mehr leisten. Genau diese Menschen können wir uns jetzt in diesen Krisenzeiten nicht mehr leisten, und wir müssen uns mit aller Kraft für Vermögenssteuern einsetzen. Wenn Sie wirklich etwas gegen Ungerechtigkeit in diesem Land tun wollen, dann wäre es wichtig, sich für Verteilungsgerechtigkeit einzusetzen, damit wir die Armut endlich endgültig beseitigen können. (Beifall bei GRÜNEN und spö.)

 

Nun noch einmal zu dieser Diskussion, warum wir im rot-grünen Wien damals dieses schwarz-blaue Förderungsgesetz nicht umgesetzt haben. Darüber wird ja auch immer wieder debattiert. - Das hätte die Kinderarmut extrem verschärft, und man kann zu Recht stolz sein, dass wir das nicht umgesetzt haben. Wir hatten nämlich schon im Vornhinein die Vermutung, dass das verfassungswidrig beziehungsweise zumindest in ein paar Punkten verfassungswidrig sein wird, und es hat sich dann herausgestellt, dass dem tatsächlich so war.

 

Ich möchte noch einmal auf drei konkrete Kritikpunkte eingehen, weil ich das für sehr wichtig halte. Erstens komme ich zur Festlegung von Maximalleistungen und Deckelungen von Leistungen. In einem Politiksprech hört sich das nicht tragisch an. Aber die Leute, die mit gedeckelten Leistungen konfrontiert sind und die mit massiven Kürzungen zu kämpfen haben, für welche sie nicht einmal etwas können, sind wirklich am Ende ihrer Weisheit. Es kann nicht sein, dass man solche Regelungen umsetzt.

 

Zweitens gab es massive Kürzungen bei kinderreichen Familien durch die degressive Staffelung der Kinderrichtsätze. Ich glaube, wir alle wissen, dass das indirekt beziehungsweise direkt darauf abgezielt hat, kinderreiche Familien zu schwächen, und zwar vor allem Familien von Einwanderern und Einwanderinnen. Das zeigt wieder einmal, dass es hier in Wirklichkeit um Rassismus ging.

 

Der dritte Kritikpunkt sind die Leistungskürzungen von bis zu 35 Prozent bei schlechteren Sprachkenntnissen. Und genau diese zwei Punkte, nämlich die massiven Kürzungen durch die degressive Staffelung der Kinderrichtsätze und die Kürzungen bei schlechteren Sprachkenntnissen wurden dann durch den Verfassungsgerichtshof aufgehoben. Und für uns Grüne in Wien war damals klar: Wir kürzen und deckeln nicht bei den Ärmsten. Für uns sind alle Kinder gleich viel wert, und wir behandeln Menschen auf Grund ihrer Herkunft nicht anders. Und das ist gut und richtig so. (Beifall bei GRÜNEN und spö.)

 

Wir möchten natürlich auf jeden Fall auch die Gunst der Stunde nutzen und selber einen Antrag zur Wiener Mindestsicherung einbringen. Es ist nicht das erste Mal, dass wir diesen Antrag einbringen. Es gab aber einen konkreten Anlassfall, und deswegen ist es für uns wichtig, den Antrag heute noch einmal einzubringen. Das VertretungsNetz hat vor Kurzem bekannt gegeben, dass es eine Verfassungsbeschwerde gegen das Wiener Mindestsicherungsgesetz einbringen wird. Was ist das VertretungsNetz? - Das VertretungsNetz ist eine Erwachsenenvertretung für Menschen mit psychischen und intellektuellen Beeinträchtigungen, und ich möchte jetzt kurz Martina Kargl vom VertretungsNetz zitieren, warum diese Verfassungsbeschwerde eingebracht wurde: „Unsere KlientInnen erhalten viel seltener und meistens keine adäquaten Angebote des AMS für Kurse oder Jobs. So lange Menschen mit Behinderungen nicht den gleichen Zugang zum regulären Arbeitsmarkt und den Kursangeboten haben, kann man ihnen nicht vorwerfen, wenn Sie keine Arbeit finden. Schon gar nicht darf man ihnen die Geldleistungen kürzen, auf die sie zur Sicherung Ihrer Existenz angewiesen sind. Auch das Land Wien selbst hat Frau M. kein Beschäftigungsangebot machen können, obwohl es sich in § 2 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes dafür - in Klammer: neben dem AMS - für zuständig erklärt hat. Eine

 

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