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Landtag, 50. Sitzung vom 28.09.2020, Wörtliches Protokoll  -  Seite 9 von 15

 

also Kürzungsphantasien ernsthaft real werden zu lassen. Ich bin wirklich froh, Politikerin der GRÜNEN in Wien zu sein, Politikerin einer Partei, deren Spitzenkandidatin maßgeblich viele Verbesserungen im Wiener Mindestsicherungsgesetz erkämpft hat. Zuletzt wurden unbürokratische Zugänge in den Sozialzentren während des Lockdowns und eine komplett neue Wiener Jugendunterstützung beschlossen. Darüber hinaus hat Wien noch immer, und auch darauf bin ich stolz, die höchste Kindermindestsicherung. Neben den Kindern sind es übrigens Ältere und durch Behinderung oder Krankheit Arbeitsunfähige, die mehr als die Hälfte der Beziehenden der Mindestsicherung ausmachen. Fast 74.000 Menschen beziehungsweise 57 Prozent der Beziehenden sind das. 47.000 Menschen, denen Sie sagen, Sie leisten nicht genug. Welch ein Zynismus!

 

Leistung muss sich wieder lohnen, tönt es aus den Reihen der ÖVP - ein alter Slogan übrigens, der da türkis übertüncht als neu verkauft wird. Der Slogan ist schon in den frühen 80er Jahren aufgetaucht - ja, so alt ist er - und war damals schon ein Leitspruch für eine neoliberale Politik. In den 2000er Jahren wurde Leistung dann auch noch an Freiheit geknüpft. Die Idee dazu ist klar. Nur dort kann frei gelebt werden, wird jetzt vermittelt, wo sich der Staat aus den Sektoren Wirtschaft, Soziales und Finanzen möglichst ganz raushält und nicht mehr reguliert. Die Leistung lohnt sich demnach vor allem dann wieder, wenn der Spitzensteuersatz niedrig ist und auf der anderen Seite Sozialleistungen gekürzt werden oder mit höchsten Hürden verbunden sind.

 

Und dann kommt Corona. Und alle Betriebe rufen nach Unterstützung. Alle starken Leistungsträger sehen sich plötzlich kurz vor dem Abgrund und rufen nach einem starken Staat, der sie erhält. „Too big to fail.“ heißt das auf Englisch - zu groß, zu wichtig, als dass er insolvent werden dürfte, weil der Betrieb sonst viele mit sich in den Abgrund reißt. Und verstehen Sie mich nicht falsch, ich stehe auf der Seite der staatlichen Regulierung, ich bin eine von denen, die Umverteilung fordert, staatlich strukturierte Umverteilung durch Steuern und Abgaben. Ich sage immer, man muss denen, die gestolpert sind, helfen, auch den Betrieben. Wir werden Krisen wie die aktuelle nur gemeinsam bewältigen.

 

Leistung muss sich wieder lohnen, war wohl auch die Grundidee für die Gesetzesnovellierung, die Sie in Wien umsetzen wollen. Im vollem Bewusstsein, dass Sie damit Kinder und Jugendliche wieder in die Armut treiben. 34 Prozent der Beziehenden waren im August 2020 Kinder und Jugendliche, das ist ein Drittel der Beziehenden. Je weniger finanzielle Unterstützung Sie diesen Kindern zukommen lassen, desto teurer werden sie in Zukunft sein. Es ist deshalb auch rein wirtschaftlich gedacht sinnvoll, diese Kinder zu unterstützen. Nur wenn Sie heute eine Basis schaffen, mit gesunder Ernährung und guter Ausbildung, nur wenn Sie heute diesen Kindern einen guten Rahmen zum Aufwachsen schaffen, haben die eine Chance, durch ihre eigene Leistung in Zukunft der Armutsspirale zu entfliehen. Die Leistung der Kinder ist, trotz der Hürden dran zu bleiben. Die Mindestsicherung ist ein Faktor, damit die Kinder ihr Ziel erreichen können, und diesen Faktor wollen Sie streichen.

 

Ich stehe zu einer Umverteilung von Reich zu Arm, von Großverdienern zu Einkommensschwachen. Das ist wirtschaftlich sinnvoll und moralisch notwendig. Helfen, weil Hilfe gebraucht wird. Ich frage mich, liebe Kollegen der ÖVP, wo da Ihre christliche Basis verloren gegangen ist am gemeinsamen Weg mit der FPÖ. „Wer den Armen gibt, dem wird es nichts mangeln, wer aber seine Augen abwendet, der wird viel verflucht oder gar verderben!“ - je nach Übersetzung, das steht bei Luther, 28/27, oder bei Mose 15/11. „Es werden allzeit Arme sein im Land“ Allzeit! Hören Sie? „Es werden allzeit Arme sein im Land, darum gebiete ich dir und sage, dass du deine Hand auftust, deinem Bruder, der bedrängt und arm ist in deinem Land.“ Das sind nur zwei Beispiele, und das Bekannteste mit dem Kamel und dem Nadelöhr habe ich bewusst ausgelassen, Sie kennen es. Ich habe in kurzer Zeit mindestens 30 Bibelstellen im Alten und im Neuen Testament gefunden, die deutlich aufrufen, sich um Schwächere, Kranke, Arme und am Rand Stehende zu kümmern. Hier ist Ihre christliche Ideologie, hier in Ihrer christlichen Ideologie steht nicht die Leistung am Anfang. Hier steht, der Blick, der erste Blick gilt nicht dem Profit, der erste Blick gilt, im Gegenteil, der Not, die es zu lindern gilt. Ja, niemand ist gerne oder gar freiwillig von Armut betroffen, niemand freut sich, wenn das Einkommen aus der täglichen Arbeit nicht zum Leben reicht, aber manchmal lässt sich nichts anderes finden, manchmal bleibt wegen Kurzarbeit einfach nicht mehr übrig, genau dann, ja, genau dann sind wir in Wien gemeinsam und solidarisch füreinander da, das ist die Leistung, die zählt, das ist die echte Leistung, die sich lohnt, die Leistung für unsere BürgerInnen in Not, die Leistung für unsere Kinder, die Leistung für unsere Stadt, die Leistung für unser Zusammenleben, die Leistung der Wiener und Wienerinnen ist es, ihre Schwächsten mit Mindestsicherung zu stützen, weil ein gutes Leben für alle allen Sicherheit gibt, weil soziale Sicherheit die Basis für ein gutes Leben für alle ist in dieser Stadt. Herzlichen Dank!

 

Präsident Ernst Woller: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Abg. Seidl. Abg. Seidl ist am Wort.

 

9.51.58

Abg. Wolfgang Seidl (FPÖ)|: Ja, danke Herr Präsident. Sehr geehrter Herr Landesrat, meine Damen und Herren!

 

Also zunächst einmal an die ÖVP, also sie haben jetzt heute gehört, wie ihr Koalitionspartner im Bund zumindest tickt, zumindest jene Vertreter da aus Wien, das stelle ich mir noch resch vor und das wird unter Garantie noch interessant, auch auf Bundesebene. Das Problem ist, leiden werden wir Österreicher darunter, aber Sie haben sich das damals ausgesucht, schauen wir mal, wie lange das hält.

 

Ich habe mir wirklich lange überlegt, wie ich das heute anlege und wir haben jetzt heute die 50. Landtagssitzung in dieser Legislaturperiode und wenn ich es richtig gestern auf die Schnelle zusammengerechnet habe, haben wir bei 32 Sitzungen über das Thema Mindestsicherung gesprochen und ich glaube, auch bei allen 32

 

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