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Landtag, 4. Sitzung vom 01.04.2011, Wörtliches Protokoll  -  Seite 12 von 49

 

2011/0001 - KFP/LM). Sie wird von Herrn Abg Mag Wolfgang Jung gestellt und ist an den Herrn Landeshauptmann gerichtet. (Ob in der Innenstadt, in den Stationsbereichen diverser Verkehrsmittel, in Einkaufsstraßen, vor Kirchen, auf Märkten oder anderen öffentlichen Plätzen, es hat sich eine regelrechte Bettlerszene, oft mit fixen „Standplätzen“ in der Stadt entwickelt. In einigen Bundesländern wie zum Beispiel Salzburg und die Steiermark, die ähnliche Probleme haben und beide von SPÖ-Landeshauptleuten regiert werden, wurden daher generelle Bettelverbote erlassen. Werden Sie für Wien ein generelles Bettelverbot zumindest in Erwägung ziehen?)

 

Bitte, Herr Landeshauptmann.

 

Lhptm Dr Michael Häupl: Sehr geehrter Herr Abgeordneter!

 

Ich kenne selbstverständlich Ihren Standpunkt in der Frage. Sie kennen meinen Standpunkt in dieser Frage. Wir haben ihn ja, wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt, etwa sieben Mal schon hier diskutiert und werden das, nehme ich einmal an, hier noch sehr oft tun. Ich will daher versuchen, abseits einer Fotokopie bisheriger Beantwortungen meinen Standpunkt dazu neuerlich darzulegen.

 

Schon vom Grundsatz her sehe ich die Thematik - auch Problematik - wesentlich differenzierter. Wir haben in unserer Stadt, vielen sei Dank, nicht allzu viele, die betteln gehen, weil sie keine andere Möglichkeit sehen, kurzfristig ihre Notlage entsprechend zu lindern. Sie sind Ausdruck einer gesellschaftlichen Situation, die absolutest nicht wünschenswert ist, die auch die Schattenseiten einer Wohlstandsgesellschaft darstellen und denen unser Augenmerk und unsere Hilfe zu gelten hat - und es kann nicht das Ziel sein, sie zu kriminalisieren!

 

Wir haben auf der anderen Seite - und das ist die überwiegende Mehrzahl der Bettler - Leute, die in unsere Stadt gebracht werden, die ausgebeutet und ausgenutzt werden, wobei teilweise noch sehr viel Schlimmeres im Vorfeld dessen passiert, und da bin ich davon überzeugt, dass die Grenze zur organisierten Kriminalität längst überschritten ist. Das ist aus meiner Sicht nicht zu dulden! Dies war auch der Grund, warum vor einiger Zeit der Landtag beschlossen hat, gewerbsmäßiges Betteln in der Stadt zu unterbinden, und dies durchaus erfolgreich in Zusammenarbeit mit der Polizei, die das zu exekutieren hat, letztendlich auch tut.

 

Auf der anderen Seite wird der Großteil aller Bestrafungen durch die Polizei begleitet von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadt Wien, die Bettlern, die unserer Hilfe bedürfen und nicht kriminalisiert werden sollen, tatsächlich diese Hilfe auch anbieten, tatsächlich schauen, dass sie in Unterkünfte kommen, auch schauen, dass sie wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden, um sohin auch wieder ein selbstbestimmtes und selbstständiges Leben führen zu können. Dass dies ein mühseliger Weg ist, soll außer Zweifel gestellt werden, denn es kommen ja Menschen im Regelfall nicht grundlos in eine solche Situation - womit ich jetzt nicht schuldhaftes Verhalten meine, aber jedenfalls nicht grundlos.

 

Sie sehen also die differenzierte Position. Aus der Analyse folgt eine differenzierte Position letztendlich auch im Handeln. Ich bin daher der Auffassung, dass man tatsächlich armen Menschen, die keinen anderen Ausweg sehen, als zu betteln, zu helfen und sie nicht zu kriminalisieren hat, dass hingegen diese Form organisierter Kriminalität mit allen einem demokratischen Staat zur Verfügung stehenden Mitteln zu bekämpfen ist. (Beifall bei der SPÖ.)

 

Präsident Prof Harry Kopietz: Danke, Herr Landeshauptmann. Die 1. Zusatzfrage stellt Herr Abg Mag Jung.

 

10.00.09

Abg Mag Wolfgang Jung (Klub der Wiener Freiheitlichen): Herr Landeshauptmann!

 

Ich teile Ihre Analyse, was die Lagebeurteilung betrifft, weitgehend. Jedes Frühjahr ist natürlich diese Frage immer wieder deswegen verstärkt ein Thema, weil diese Gruppen verstärkt auftreten, und damit auch die Klagen der Bürger und der Geschäftsleute. Ich bin genauso wie Sie der Meinung, dass der weitaus überwiegende Teil der Bettler nicht aus Wien kommt, sondern importiert, zu uns gebracht wird. Bei den Wienern dürfte das in diesem Sinn eigentlich nicht vorkommen, denn wir haben ja schließlich und endlich verschiedene Bereiche der Sozialfürsorge, die eigentlich so etwas verhindern müssten. Da kommen einem eher ein paar Schnorrer unter, aber nicht die Masse der Bettler.

 

Wenn Sie sagen, in den Arbeitsmarkt zurückführen, ist das problematisch. Denn wenn Sie sich diese Leute wirklich anschauen, vor allem, was da aus der Slowakei, aber teilweise auch aus Ungarn kommt, so sind diese keinem Arbeitsmarkt zuzuführen, weil sie nie einen Beruf erlernt und auch nicht ausgeübt haben. Also das, glaube ich, ist in dieser Situation kein wirklich zutreffendes Argument.

 

Und wir werden auch nicht in der Lage sein, sämtliche sozialen Probleme unserer angrenzenden Nachbarn zu lösen. Wenn wir die Leute hereinlassen - man hat das ja explizit am Beispiel von Graz gesehen -, dann wird das immer mehr und mehr werden.

 

Und deswegen auch meine Frage an Sie: Sie meinen, Sie haben Ihre Meinung in den vergangenen Jahren nicht geändert. Es gibt einige sozialdemokratische Landeshauptleute, die ihre Meinung in der Zwischenzeit geändert haben - ich denke da an Voves, ich denke an Salzburg. Es gilt bereits in fast allen Bundesländern ein völliges Bettelverbot, weil man erkannt hat, dass es für die Polizei nahezu unmöglich ist, wirklich durchzugreifen. Denn wie beweist man organisiertes Betteln - außer auf sehr, sehr aufwändige Weise durch Beobachtungen -, und wie beweist man aggressives Betteln?

 

Daher meine Frage: Glauben Sie, dass die Landeshauptleute von Salzburg und von der Steiermark, die dort ein totales Bettelverbot eingeführt haben, so falsch liegen?

 

Präsident Prof Harry Kopietz: Herr Landeshauptmann, bitte.

 

Lhptm Dr Michael Häupl: Sehr geehrter Herr Abgeordneter!

 

Auch hier würde ein zweiter Blick für die Klärung des Faktums lohnend sein. Denn in der Steiermark hat man zwar ein derartiges Gesetz mit einem generellen Bettel

 

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