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Landtag, 19. Sitzung vom 10.07.2008, Wörtliches Protokoll  -  Seite 27 von 49

 

GRÜNEN.)

 

Präsident Heinz Hufnagl: Als nächster Redner hat sich Herr Abg Dr Wolf zum Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

 

Abg Dr Franz Ferdinand Wolf (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bürgermeister, Herr Landeshauptmann!

 

Gerne komme ich Ihrer Aufforderung nach, in einen europapolitischen Dialog einzutreten, gerne können wir über Sozialdefizite der Europäischen Union, über Demokratiedefizite der Europäischen Union diskutieren, über Bürokratieüberschuss der Europäischen Union.

 

Über all das kann man diskutieren, aber vorher sollten wir eine Frage klären: Was ist die Position der SPÖ, zumindest im Augenblick? Es ist unmöglich, gleichzeitig für und gegen eine Volksabstimmung zu sein. Das geht nicht. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Sie haben vor wenigen Minuten hier gesagt, es gebe durch den Reformvertrag Tendenzen in der Europäischen Union zu weniger Demokratie, Tendenzen zum Demokratieabbau, und daher müsse man sich dem Thema Volksabstimmung nähern.

 

Am 28.3.2008 haben Sie hier in diesem Haus bei einer von allen Teilen oder von allen Beteiligten hoch gelobten Diskussion wörtlich gesagt: „Der Vertrag, um den es geht, bringt nicht weniger, sondern ein mehr an Demokratie und Bürgerbeteiligung, insbesondere durch die Stärkung des Europäischen Parlaments, die Einbeziehung der nationalen Parlamente in den europäischen Entscheidungsprozess und die Ermöglichung europäischer Bürgerinitiativen.“ (Lhptm Dr Michael Häupl: Ja, ja!) Ein klarer Widerspruch innerhalb weniger Wochen. (Abg Dr Kurt Stürzenbecher: Wo denn!) Dann müssen Sie zuhören, ich habe es Ihnen gerade gesagt. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Für und gegen Volksabstimmung kann man nicht sein. Ich kann Ihnen Tonnen von Zitaten vorlesen, warum Sie gegen eine Volksabstimmung sind, und jetzt sind Sie für eine Volksabstimmung und sagen, es sei kein Wechsel. Sie sagen, es gebe keinen neuen Europakurs, und die Kritik ist ungerecht. Alle haben sich offenbar geirrt, man könnte von Vranitzky die Linie ziehen bis zu Klubobmann Cap. Offenbar haben sich alle geirrt, wenn sie gesagt haben, hier sei ein Wechsel der grundsätzlichen Position der SPÖ festzumachen. Es ist eben die Folge dieser Leserbrief-Politik, dass Sie unglaubwürdig geworden sind. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Die SPÖ hat einen Kniefall vor der FPÖ gemacht und das am Boulevard. Die Folgen müssen Sie jetzt tragen. Sie haben sich zwar, Herr Bürgermeister, mit klaren Worten von der Form des Positionswechsel distanziert und mehr oder weniger gesagt, es sei politisch unprofessionell gewesen, einen Brief zu schreiben. Sie haben sich aber nicht vom Inhalt dieses Briefes distanziert, und das ist bemerkenswert. Sie sollten sich möglicherweise näher mit dem Inhalt beschäftigen. Da geht es nämlich darum - und ich darf Ihnen den Schlüsselsatz in diesem Brief, in diesem legendären Leserbrief vorlesen -, dass die Herren Gusenbauer und Faymann der Meinung sind, dass zukünftige Vertragsänderungen, die die österreichischen Interessen berühren, durch eine Volksabstimmung in Österreich entschieden werden sollen. Vertragsänderungen, die österreichische Interessen berühren, sollen durch eine österreichische Volksabstimmung entschieden werden. Das steht hier, und ich bin nicht sicher, ob die juristischen und politischen Konsequenzen dieser Passage allen Beteiligten klar sind. Ich gehe davon aus, dass sie den Briefschreibern nicht klar waren, weil sonst hätten sie diesen Brief nicht schreiben können - wenn sie ihn geschrieben haben. Man weiß ja nicht, ob die Unterschreibenden tatsächlich die Autoren des Briefes sind. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Sie wollen also immer eine Volksabstimmung, wenn österreichische Interessen berührt sind. Ich gratuliere. Sie wollen Volksabstimmungen in Österreich etwa zu den Fragen Transit, Sozialunion, Klimawandel, die Übergangsfristen zur Öffnung des Arbeitsmarktes. Immer Volksabstimmungen in Österreich, Volksabstimmungen, die diese Fragen entscheiden sollen. Da zeigt sich genau, wie undurchdacht der Vorschlag ist, und wie Sie sich nun in Geiselhaft dieses Briefes befinden.

 

Es wäre ja einfach gewesen, wenn man gesagt hätte, wir brauchen ein neues Wahlversprechen, irgendwas muss uns einfallen, die Europäische Union ist im Image der Bevölkerung nicht so toll, lassen wir uns irgendeine Volksabstimmung einfallen, und dann wird man weitersehen. Sie haben aber mit diesem Brief, den Sie verteidigen - dem Inhalt nach, nicht der Form - eine ganz entscheidende Wende, weg vom bisher europapolitischen Konsens, gewagt und gemacht. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Ich brauche Ihnen nicht die Zitate vorlesen, die schon gesagt wurden, und ich brauche auch nicht näher die Diskussion zu vertiefen, die Christian Oxonitsch versucht hat zu führen, nämlich über die soziale Dimension der Politik in den nächsten Jahren und in der Vergangenheit. Diese Diskussion führen wir gerne zum richtigen Zeitpunkt.

 

Heute diskutieren wir Europa, und heute diskutieren wir nicht, warum die SPÖ vor wenigen Wochen die Dringliche Anfrage der ÖVP abgelehnt hat, einen Gebührenstopp einzuführen, die Dynamisierung der Gebühren auszusetzen, um so einen kleinen Beitrag zur Bekämpfung der absolut unsozialen Inflation zu leisten. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Sie befinden sich in Geiselhaft, (Lhptm Dr Michael Häupl erhebt sich von seinem Sitzplatz und geht nach hinten.) soviel geht sich noch aus, bis Sie draußen sind, Herr Bürgermeister, Sie befinden sich in Geiselhaft zweier Leserbriefschreiber und müssen das auch noch gut finden und verteidigen, und das ist, glaube ich, nicht sehr angenehm für Sie, ich verstehe es. Wie werden Sie das alles nicht nur den Wählern, sondern auch in Brüssel erklären?

 

Aber so ist es, Sie haben sich in der Frage der Doppelspitze nicht durchgesetzt, Sie haben nicht einmal gewusst, dass das geplant ist. Wörtliches Zitat, dezidiert: „Gegen meinen Willen ist das geschehen." (Abg

 

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