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Landtag, 19. Sitzung vom 10.07.2008, Wörtliches Protokoll  -  Seite 28 von 49

 

Christian Oxonitsch: Das war drei Wochen später!) Und Sie haben auch nichts gewusst vom EU-Schwenk, Sie haben es nicht gewusst, Sie haben das aus der Zeitung erfahren, etwas, was andere in Ihrer Partei dazu gebracht hat, den Vize-Vorsitz zurückzulegen, aber Sie haben es aus der Zeitung erfahren, und müssen das jetzt hier stehend verteidigen. Das ist nicht angenehm, das ist unglaubwürdig, und das führt dazu, dass in vielen Medien von der Götterdämmerung des Michael Häupl geschrieben wird. Das ist falsch, er ist kein Gott, daher dämmert nichts, es ist etwas ganz Normales, es ist eine ganz normale Endzeiterscheinung eines Politikers. Danke schön. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Präsident Heinz Hufnagl: Als nächster Redner ist Herr Abg Dr Stürzenbecher zum Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

 

Abg Dr Kurt Stürzenbecher (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus!

 

Es ist natürlich das formale Recht der ÖVP, auch am 10. Juli eine Sondersitzung des Landtages zu verlangen, und diese findet jetzt auch regelkonform statt. Der Hinweis, dass der Wiener Landtag eigentlich nicht dazu da ist, den Nationalratswahlkampf-Auftakt der ÖVP-Wien darzustellen, ist schon gemacht worden. Aber wenn wir schon hier sind: Diskutieren wir möglichst seriös über das vorgegebene Thema!

 

Dabei lässt schon einmal die Fragestellung beziehungsweise der Titel, wie ihn die ÖVP hereingegeben hat, an Polemik und Falschheit wenig übrig: „Parteipolitischer Opportunismus gefährdet den europapolitischen Grundkonsens des Landes Wien." Erstens einmal hat es meines Wissens in den letzten Jahren keinen Grundkonsens des Landes Wien von allen vier Fraktionen zu Europa gegeben. (Abg Mag Wolfgang Gerstl: Die eigene Partei ...!) Ich glaube, die Freiheitlichen waren immer sehr substanziell anderer Meinung. (Zwischenrufe bei der ÖVP.)

 

Zum parteipolitischen Opportunismus hätte ich mir jetzt einiges vorbereitet, was bei der ÖVP praktisch permanent vorhanden ist. Der Herr Bürgermeister und Landeshauptmann hat gesagt, wir sollen sachlich diskutieren, deshalb möchte ich jetzt nicht alles vorbringen, was man hier durchaus leicht polemisch vorbringen könnte. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Aber wenn es um Opportunismus geht, dann ist das eine der wenigen Sachen, wo wir der ÖVP nicht das Wasser reichen können. Da seid ihr wirklich selbst besser! (Beifall bei der SPÖ.)

 

Wenn ich jetzt nur ganz kurz zum Beispiel an die Fremdenpolitik denke: Da habt ihr alle Unmenschlichkeiten des Innenministers Platter immer mitgetragen, weil es einfach opportun ist! Sicher ist es manchmal schwieriger (Zwischenrufe bei der ÖVP), eine Politik des Miteinanders konsequent fortzuführen, mit allen technischen Schwierigkeiten, die es da öfters gibt. (Abg Dr Matthias Tschirf: ... sind alle mit der SPÖ beschlossen worden!)

 

Oder als Zweites, weil ich hier auch den Dr Aigner sehe: Was ist es anderes als Opportunismus, was Sie im 20. Bezirk aufgeführt haben (Abg Dr Wolfgang Aigner: Sie werden sich noch wundern!), wo Sie mehr in die Opportunismustruhe gegriffen haben als der freiheitliche Vertreter, zumindest soweit ich es im Fernsehen gesehen habe? Das ist Opportunismus! (Zwischenruf von Abg Dr Wolfgang Aigner.) Oder es ist Ihre Gesinnung, weil Sie - wie ich einmal gehört habe - irgendeiner fundamentalistischen katholischen Sekte nahe stehen. (Heiterkeit bei der SPÖ.) Das weiß ich jetzt nicht, ich nehme es aber zurück, wenn es nicht stimmt. (Abg Dr Wolfgang Aigner: Ich bin beim CV!) Nein, ich habe nicht den CV gemeint. (Abg Siegi Lindenmayr: Opus Dei! - Weitere Zwischenrufe.) Der Kollege sagt: Opus Dei. Es ist aber auch wurscht; es ist nur entweder Opportunismus oder Schlimmeres, das wollte ich sagen.

 

Oder: Einen in die Hose gegangenen Opportunismus hat es von euch vor der EURO gegeben, und zwar als ihr geglaubt habt, da werden fürchterliche Zustände in der Innenstadt sein, es wird fürchterliche Ausschreitungen geben, alle werden sich gegenseitig fertigmachen. Deshalb habt ihr aus Opportunismus - oder politischer Dummheit, ich muss das leider so sagen - eindeutig dagegen plädiert, dass man die Fan-Zone in der Innenstadt macht; stattdessen wolltet ihr sie irgendwo draußen auf der Donauinsel einrichten. (Zwischenrufe bei der ÖVP.) Das geschah aus Opportunismus. Aber es hat sich herausgestellt, dass unser konsequenter, grundsatzorientierter, am Bürger orientierter Weg auch hier richtig ist: Die Fan-Zone in der Innenstadt war ein Welterfolg, und das war gut so. (Beifall bei der SPÖ.)

 

Aber ich lasse jetzt alle anderen Beispiele weg, weil ich auch nur 15 Minuten habe, und sage es noch einmal ganz deutlich: Niemand in der SPÖ, am wenigsten der Bürgermeister und Landeshauptmann von Wien, braucht einer Aufforderung des Herrn Tschirf, sich zur EU zu bekennen, nachzukommen! Das ist ja wirklich schon ein bisschen sophisticated. Die EU-Politik der SPÖ hat keinen Schwenk genommen - der Landeshauptmann hat das deutlich ausgeführt -, sondern ist ein näheres Hinwenden zum Bürger und zur Bürgerin, ein stärkeres Einbeziehen der Menschen in die sie und ihr Leben betreffenden Fragen der Europäischen Union.

 

Man muss da wirklich ehrlich sein: Jeder, der an Europa ein Interesse hat, muss ja zugestehen, dass nur noch 28 Prozent der Bevölkerung pro EU waren. Das ist doch wirklich ein Alarmzeichen! Da sollten auch bei euch die Alarmglocken läuten, wenn ihr wirklich - was ich annehme - für die EU seid. Deshalb muss man dem intelligent und verantwortungsbewusst gegensteuern. Man kann die Europäische Union nicht errichten, nicht weiterbauen, nicht weiterentwickeln gegen die Menschen, gegen die klare Mehrheit der Menschen in der Europäischen Union. Das ist unmöglich!

 

Deshalb war es eben richtig, dass die SPÖ diese Adaptierung - nicht des Inhaltes, sondern demokratiepolitisch ihres bisherigen Standpunktes - vorgenommen hat, sodass wir eindeutig sagen, dass in einer gewissen Phase, bei grundlegenden ratifizierungsnotwendigen Rechtsakten, auch eine Volksabstimmung - nach einem

 

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