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Landtag, 19. Sitzung vom 10.07.2008, Wörtliches Protokoll  -  Seite 12 von 49

 

befindet sich bei den Umfragen weiterhin im freien Fall, mit diesem spektakulären Schwenk über Nacht etwas befürwortet, was hätte sein können und hätte sein sollen und müssen, aber jetzt eigentlich vorbei und ratifiziert ist und für den Fall der Fälle, dass es wieder zu etwas kommt, dann soll es künftig Volksabstimmungen geben - das finde ich in der Tat nicht als etwas, was ich als seriöse Politik bezeichne. Nein, das ist nicht die Art und Weise, wie eine Partei zu ihren Entscheidungen und zu den Argumenten steht, die sie monatelang, jahrelang in der Öffentlichkeit vorgebracht hat und es ist ganz sicher nicht die Art und Weise, wie eine Partei ihre Glaubwürdigkeit stärken kann.

 

Auf Grund dieser und ähnlicher Handlungen kommt es auch nicht überraschend, dass das wesentliche Problem, mit dem die Sozialdemokratie in der nächsten Wahl zu kämpfen haben wird, ja nicht das eine oder andere aus dem Parteiprogramm ist, sondern vielmehr die Glaubwürdigkeit, vielmehr die Frage: Glaubt es denn die Bevölkerung? Nimmt die Bevölkerung der Sozialdemokratie ab, dass sie tatsächlich das, was sie verspricht, auch hält und man dann nicht schon wieder über Nacht mit einer 180 Grad-Kehrtwende konfrontiert ist und niemand weiß, woran man ist? Ich kann nur sagen: Ich finde diese Kehrtwende sehr bedenklich. Ich finde, dass jetzt tatsächlich der Europapolitik und dem europäischen Gedanken in Österreich ein Bärendienst, wie es so schön heißt, erwiesen worden ist.

 

Ich glaube aber auch, dass sie inhaltlich falsch war. Und ich glaube last but not least, dass auch die Art und Weise, wie dieser Schwenk vollzogen worden ist, mittels Leserbriefs an den Herausgeber der „Kronen Zeitung“, Herrn Dichand, wirklich auch der Gipfel ist, wenn man so möchte. Denn es lässt im Zusammenhang auch mit der durchaus angeknacksten Glaubwürdigkeit leider den Verdacht aufkommen, dass künftig Herr Dichand maßgeblich entscheiden wird, wie sich die Republik in einer Vielzahl von äußerst wesentlichen Fragen positioniert:

 

Also, wollen Sie wissen, wie für die SPÖ Europapolitik in den nächsten Jahren aussehen wird? - Fragen Sie Herrn Dichand!

 

Wollen Sie wissen, wie es mit der Pensionsreform weitergehen soll? - Fragen Sie Herrn Dichand!

 

Wollen wir wissen, wie es mit der Kassensanierung, mit der Gesundheitsreform sein wird? - Fragen wir Herrn Dichand!

 

Und wollen wir wissen, wie sich die SPÖ in den nächsten Jahren in der Frage des Bleiberechts, in der Frage der Menschenrechte, in der Frage der Integrationspolitik, die übrigens hier in Wien nicht eine unwichtige ist, positionieren wird? Wien, zur Erinnerung, ist eine Stadt, in der jeder dritte Mensch einen Migrationshintergrund hat! Also wollen wir wissen, wie sich die SPÖ in der Frage der Menschenrechte und Integrationspolitik positionieren wird? - Ja, fragen wir Herrn Dichand!

 

Ich habe mir überlegt, ich werde jetzt auch um einen Termin ersuchen, damit er mir das alles erklärt, damit ich weiß, was in nächster Zeit auf uns zukommt.

 

Also es tut mir leid, aber ich kann es mir nicht ersparen, ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass, wer auch immer nach der Wahl - und wir werden natürlich an Hand des Wahlergebnisses alle am Wahlabend schlauer sein, was genutzt hat und was nicht und wo die verschiedenen Parteien zu landen kommen - dann überlegt, mit der Sozialdemokratie in Regierungsverhandlungen einzutreten, sich vielleicht die Umwege ersparen und gleich mit Herrn Dichand verhandeln sollte!

 

Ich kann an dieser Stelle nur sagen: Ich denke, dass das kein Weg ist. Es ist kein guter Weg für die Stadt. Es ist kein guter Weg für Österreich. Und ich kann damit abschließen, dass ich Sie dringend ersuche, wieder Ihre eigenen Entscheidungen zu treffen und Österreich nicht von Herrn Dichand regieren zu lassen! - Danke! (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Präsidentin Erika Stubenvoll: Als Nächster zum Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Oxonitsch. Ich erteile ihm das Wort.

 

Abg Christian Oxonitsch (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtages und Gemeinderates): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Herr Landeshauptmann! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

 

Es ist ja noch selten so deutlich die Dramaturgie für Neuwahlen - und es ist ja nicht das erste Mal, dass die ÖVP in dieser Republik Neuwahlen mutwillig provoziert, das ist ja schon gesagt worden und darauf hingewiesen worden, es ist das dritte Mal, so viel zum Thema Verlässlichkeit, von dem der Herr Molterer da immer spricht -, für so einen Neuwahlantrag und für die Auflösung einer Koalition gekommen, die durchaus noch große Aufgaben zu bewältigen gehabt hätte.

 

Als wir vor 14 Tagen diesen Antrag der ÖVP auf diese Sitzung des Wiener Landtags bekommen haben, war für uns eigentlich völlig klar, wo der Zug hinführt. Und es war auch völlig klar, dass das auch ein Weg war, den gar nicht so sehr die Wiener ÖVP da jetzt beschritten hat, sondern die Wiener ÖVP hier schlicht und ergreifend am Gängelband der Bundes-ÖVP gehangen ist (Heiterkeit bei Abg Dr Matthias Tschirf.), einer Bundes-ÖVP, die in den letzten beiden Jahren von den Österreicherinnen und Österreichern eigentlich als eine Partei wahrgenommen wurde, die permanent soziale Reformen blockiert. Das ist den letzten Wochen in der Frage der Gesundheitsreform, in der Frage der Pensionsreform und in der Frage der Hacklerregelung gerade besonders offensichtlich geworden. Überall dort hat es auf der einen Seite eine ÖVP gegeben, die Reformen, Reformmaßnahmen massiv blockiert hat, und das haben die Österreicherinnen und Österreicher auch mitbekommen. Sie haben auch mitbekommen, dass es der Sozialdemokratie in den politischen Diskussionen darum geht, soziale Verbesserungen im Bereich des Gesundheitswesens und der Gesundheitsfinanzierung tatsächlich auch einzubringen und dass auf der anderen Seite eine ÖVP ist, die ihr eigenes Süppchen kocht und die Kontrolle und soziale Reformen verhindern will. Daher ist es einfach zum vergangenen Montag gekommen, und nicht - und das hat ja die Rede des Klubobmanns Tschirf deutlich gezeigt – auf Grund der Tatsache und er hat ja keinen

 

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