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Landtag, 6. Sitzung vom 30.1.2002, Wörtliches Protokoll  -  Seite 53 von 64

 

bezieht - dass die mangelnde Stabilität von Familienverhältnissen bei Alleinerzieherinnen oder Frauen ohne Partner herangezogen wird. Vor allem bei Jobs, die Auslandseinsätze erfordern, wird sehr oft auf die so genannten stabilen Familienverhältnisse oder die Kinderbetreuungsmöglichkeit Bezug genommen, ganz abgesehen davon, dass es immer noch Fälle gibt, wo das Aussehen einer Bewerberin als zu hübsch oder auf der anderen Seite als zu hässlich als Kriterium herangezogen wird oder so abstruse Sachen, wie sie war sympathisch, aber er war sympathischer.

 

Ich unterstelle der Gemeinde Wien nicht - das möchte ich festhalten -, dass solche Praktiken mit der Übernahme des EuGH-Urteils Einzug finden sollen oder dass sie gewünscht sind. Im Gegenteil, ich weiß, dass von der Frau Stadträtin sehr viele und sehr engagierte Bemühungen existieren, vor allem in den Leitungsfunktionen mehr Frauen zum Zug kommen zu lassen und wirklich positive Umsetzungsstrategien für dieses Gleichbehandlungsrecht angedacht werden. Aber wir müssen verhindern, dass diese Öffnungsklausel dazu führt, dass solche Argumente herangezogen werden dürfen. Es geht um das juristische Dürfen. Hier müssen wir möglichst schnell klarstellen, dass für alle Dienststellen gleich festgelegt wird, welche Kriterien denn nun gelten dürfen.

 

Leider gibt es hiezu eine sehr unklare Rechtslage in Österreich. Der Oberste Gerichtshof hat schon sehr widersprüchliche Urteile gefällt, welche Kriterien denn nun zur Beurteilung herangezogen werden dürfen, ob bestimmte Gründe für die Leistung oder für die Beförderung maßgeblich sind. Ich zitiere aus einer Stellungnahme des Bundesministeriums für öffentliche Leistung und Sport, die auf Grund des vorliegenden Gesetzesentwurfs an uns herangetragen wurde, und zwar sagt der Oberste Gerichtshof in einem Urteil vom 30. Jänner 2001: "Es könne bestimmt werden, dass Dienstalter, Lebensalter und der Zeitpunkt der letzten Beförderung insoweit Berücksichtigung finden, als ihnen für die Eignung, Leistung und Befähigung der BewerberInnen an Bedeutung zukomme. Es könne auch festgelegt werden, dass der Familienstand und das Einkommen des Partners/der Partnerin unerheblich sei und sich Teilbeschäftigungen, Beurlaubungen und Verzögerungen beim Abschluss der Ausbildung auf Grund der Betreuung von Kindern oder Angehörigen nicht nachteilig auswirken dürfen." - Soweit, so gut. Gleichzeitig sagt aber der Oberste Gerichtshof auch, dass gerade soziale Erwägungen, wie eben zum Beispiel der Alleinverdiener-status oder die Berücksichtigung des Partnereinkommens, möglicherweise in dem einen oder anderen Fall andere Entscheidungen herbeigeführt hätten und man deshalb eine rasche Klärung braucht, ob das denn nun zulässig sei oder nicht.

 

Meine Damen und Herren! Das ist eine ganz gravierende Falle für Frauen, die sich mit dieser so genannten Öffnungsklausel auftut! Wir sollten wirklich alles dazu tun, um möglichst rasch die Kriterien zu definieren, die nun die Gemeinde Wien heranziehen darf, um zu beurteilen, ob ein in der Person des Bewerbers/der Bewerberin liegender Grund dafür ausschlaggebend ist, dass Frauen bei gleicher Qualifikation nicht mehr bevorzugt werden dürfen. Meine Damen und Herren, darum geht es! Es geht um ein beinhartes Unterlaufen des Gleichbehandlungsrechts und der positiven Diskriminierung, auch des Europarechts, denn das Europarecht verlangt Transparenz und Nachvollzieh-barkeit in den Personalentscheidungen und bei der entsprechenden Gesetzgebung. Die ist natürlich bei einer solchen Regelung, die vollkommen offen lässt, nach welchen Kriterien der Dienstgeber/die Dienstgeberin jetzt entscheidet, nicht gegeben.

 

Wir stellen daher den Antrag, der auch der Stellungnahme der Wiener Gleichbehandlungskommission zu diesem Entwurf folgt, wo wir übrigens bedauern, dass Sie diesem Vorschlag der Gleichbehandlungskommission, die Kriterien zu definieren, leider nicht nachgekommen sind. Mich würde auch interessieren, warum Sie diesem Vorschlag nicht nachgekommen sind. Wir finden in den Unterlagen nämlich leider keine Begründung.

 

Wir stellen aber jetzt den Antrag gemäß den Vorschlägen der Gleichbehandlungskommission:

 

"Der Landtag wolle beschließen: Die zuständige Frau amtsführende Stadträtin der Geschäftsgruppe Integration, Frauenfragen, Konsumentenschutz und Personal möge bis spätestens Juni 2002" - möglichst rasch natürlich - "unter Beachtung der Judikatur des Europäischen und des Obersten Gerichtshofs einen Entwurf zur Änderung des Wiener Gleichbehandlungsgesetzes vorlegen, mit dem gemäß § 40 Abs. 1 des Wiener Gleichbehandlungsgesetzes mögliche in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe explizit und einheitlich festgelegt werden."

 

Meine Damen und Herren! Wir müssen für Rechtssicherheit in dieser Causa sorgen, Rechtssicherheit für die betroffenen Frauen, Rechtssicherheit für die Dienstnehmerinnen, aber auch natürlich für den Dienstgeber, der wissen muss, wonach er eigentlich entscheiden darf und wonach er eigentlich entscheiden muss. Wir müssen deutlich machen, dass die erwähnten Gründe nach wie vor Frauen nicht nur nicht diskriminieren, sondern weiterhin bevorzugen dürfen, wenn sie Gegenstand einer objektiven Beurteilung sind. Diese objektive Beurteilung, was denn nun für die Eignung, Leistung und Befähigung für einen bestimmten Posten herangezogen werden darf, müssen wir möglichst schnell treffen, auch und vor allem weil sich Wien zum Ziel gesetzt hat, die frauenfreundlichste Stadt Europas zu werden und wir die Frau Städträtin in den Bemühungen dazu massiv unterstützen. - Danke. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Präsidentin Erika Stubenvoll: Zu einer tatsächlichen Berichtigung hat sich Herr Abg Hundstorfer gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.

 

Abg Rudolf Hundstorfer (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtags und Gemeinderats): Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

 

Ich brauche hier nicht als Verteidiger des Herrn Magistratsdirektors aufzutreten, aber nachdem der Herr Magistratsdirektor Mitglied unserer Gewerkschaft ist - und ein gut zahlendes Mitglied unserer Gewerkschaft ist -, sei es mir gestattet, einiges klarzustellen

 

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