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Gemeinderat, 18. Sitzung vom 26.01.2012, Wörtliches Protokoll  -  Seite 34 von 76

 

vermehrt Zuwanderer aus nichteuropäischen Ländern. Ich habe nichts dagegen, dass Menschen aus nichteuropäischen Ländern kommen. Das möchte ich unterstreichen. Aber die Tatsache ist, dass sich durch die EU-Binnenmigration die Zuwanderung nach Österreich vehement verändert hat. Die meisten Zuwanderer und Zuwanderinnen, die nach Österreich kommen, sind heutzutage in erster Linie Deutsche. Dann haben wir Zuwanderer und Zuwanderinnen aus anderen europäischen Staaten. Also das sind auch Menschen, sage ich jetzt einmal, die durch die Binnenmigration nach Wien kommen, hier zu unserem Zusammenleben etwas beitragen und das sind nicht Menschen, die von außerhalb Europas kommen. Bitte erzählen wir der Bevölkerung Wahrheiten und nicht irgendwelche Dinge, damit irgendwelche Ängste geschürt werden. Das führt längerfristig zu nichts. Das muss einmal klargestellt werden.

 

Dann hat es geheißen, straffällig gewordene Ausländer sollen abgeschoben werden. Ein heikles Thema, ein heikles Thema, ja. Und ich greife dieses Thema bewusst auf, weil ich mir denke, hier wird das Rechtssystem durcheinander gebracht. Zum einen, von welchen Strafen sprechen wir? Ich habe erlebt, dass in Österreich jemand abgeschoben worden ist, weil er Hunger gehabt hat und weil er vom Billa Wurst geklaut hat. Dieser Mensch wurde abgeschoben. Warum? Weil er ein ausländischer Staatsangehöriger war. Wir haben aber hier in Österreich Menschen, die Millionen und Abermillionen abzocken und die laufen frei herum! Aber ein Mensch soll, weil er Hunger hat und Wurst gestohlen hat, abgeschoben werden? Gehen Sie einmal in sich und schauen Sie sich diese Relation an! Oder ich gebe als Beispiel einen Flüchtling, der in seinem Herkunftsland von der Todesstrafe bedroht ist und nach Österreich kommt, und wenn wir den abschieben würden, wenn er straffällig geworden wäre, würde auf ihn die Todesstrafe warten. Da gibt es ja in diesem Buch die Beispiele mit zwei Äpfeln oder ein Brot, wo der sein Leben die ganze Zeit im Straflager verbringen musste. Also soll der, weil er eine Wurst geklaut hat, in den Tod geführt werden? Ist das Sinn unserer Strafpolitik? Ist das der Sinn unserer Strafpolitik? Das glaube ich nicht. Also müssen wir mit solchen Forderungen sehr, sehr vorsichtig sein.

 

Außerdem, meine Damen und Herren, die sogenannten Migranten und Migrantinnen sind in ihrer Mehrzahl nicht kriminell, die sind nicht kriminell. Ich kenne sehr viele Menschen, die ihrer Arbeit nachgehen, die in der Gesellschaft gut integriert sind und ein soziales Gefüge aufgebaut haben. Das, was Sie hier betreiben, straffällig gewordene Ausländer sollen abgeschoben werden, ist eine Pauschalisierung. Das Bild ist pauschalisierend. Somit hauen sie die Migranten und Migrantinnen wieder in einen Topf. (StR Mag Manfred Juraczka: Das war der Herr Bürgermeister!) Egal, wer das vorschlägt, sage ich jetzt einmal, egal, wer das vorschlägt. Und hier ... (GR Mag Wolfgang Jung: Also Sie kritisieren den Herrn Bürgermeister?) Ich sage meine Meinung. (GR Mag Wolfgang Jung: Das trauen Sie sich zu sagen?) Ich sage meine Meinung (GR Mag Wolfgang Jung: Das sollen Sie aber nicht!), egal, wer welchen Standpunkt vertritt. Ich sage meine Meinung. Das ist mein Gerechtigkeitsempfinden und das ist meine rechtsstaatliche Einstellung zu Entwicklungen. Das, was ich sagen und immer wieder unterstreichen will, ist: Sehen Sie die Mehrheit der Menschen, die eine andere Herkunft haben, was sie, was wir für dieses Land geleistet haben! Meine Mutter hat was geleistet, ich habe was geleistet, meine Kinder leisten was.

 

Wenn ich auf die Straße gehe, meine Damen und Herren, wenn ich auf die Straße gehe mit meinen Haaren und es sieht mich irgendjemand, der weiß ja nicht, ob ich ein Krimineller bin oder nicht. Der weiß das nicht. Die optische Wahrnehmung ist, da kommt einer, der schaut ausländisch aus, vor dem muss ich mich fürchten. Es ist mir oft passiert, dass alte Frauen, wenn sie mich gesehen haben, die Tasche sofort an sich gezogen haben. Also suggerieren Sie den Menschen: Gib acht, wenn ein Mensch mit dunkler Haarfarbe herkommt, dann ist der gefährlich. Und das, bitte schön, meine Damen und Herren, dient unserem Zusammenleben. Ich rede gar nicht über die Leute da draußen. Mir ist lieber, wir reden face to face. Das sind Dinge, die wir erleben. Hier, glaube ich, sind Sorgfalt und sorgfältiger Umgang mit den Worten gefragt.

 

Zuletzt möchte ich auf diesen Begriff Migrationshintergrund ein bisschen eingehen. Ich weiß, der Begriff Migrationshintergrund war eine Erfindung von Wissenschaftern und Wissenschafterinnen. Auch mit denen setze ich mich kritisch auseinander. Ich denke mir: Warum werde ich immer wieder als ein Mensch mit Migrationshintergrund bezeichnet? Ich habe einen Vornamen, ich habe einen Familiennamen: Senol Akkilic. Sind die Leute daran interessiert, Besseres für mich zu unternehmen, indem sie mich als einen Menschen mit Migrationshintergrund bezeichnen? Fragwürdig? Also kann die Bezeichnung Migrationshintergrund auch dahin führen, dass man die Menschen stigmatisiert. Und diese Gefahr besteht leider Gottes bei uns sehr, dass man die Menschen dann mit dieser Bezeichnung stigmatisiert und in ein Eck stellt.

 

Jetzt in Ihre Richtung oder in viele andere. Ich habe das einmal auch auf der Universität diskutiert. Ich habe nie das Bedürfnis gehabt, irgendeinen Menschen, dessen Großvater oder Großeltern im Zweiten Weltkrieg in der NS-Armee mitgewirkt haben, als einen Mensch mit nationalsozialistischem Hintergrund zu bezeichnen. Wenn das das sein sollte. Also, glaube ich, müssen wir schauen, dass wir Themen diskutieren und nicht Gesichter diskutieren. Hinter den Gesichtern stehen Ideen. Hinter den Gesichtern stehen Meinungen und das sollte hier in den Mittelpunkt des Geschehens kommen. Und diese Menschen, meine Damen und Herren, wir möchten die Gesellschaft von dieser Spaltung Inländer-Ausländer, Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen mit keinem Migrationshintergrund, wegbringen. Wir sind Wiener und Wienerinnen und daran soll sich auch jeder freuen können und damit auch gut leben können.

 

Und als Letztes kehre ich nochmals zum Schlusssatz

 

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