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Gemeinderat, 42. Sitzung vom 19.12.2008, Wörtliches Protokoll  -  Seite 24 von 115

 

„Wien ohne Armut 2020“! Wobei mir lieber wäre, es ginge schneller. – Aber so etwas höre ich nicht! Sie glauben, dass Sie noch einmal mit dem Gleichen anfangen können und dass es funktioniert!

 

Armut findet Stadt beziehungsweise statt, und zwar mit und ohne Krise. Es war nämlich vorher auch schon so. Über Privatkonkurse konnte man heute in der Zeitung lesen: 3 416 sind es allein in Wien, um 32 Prozent mehr als im Vorjahr! Das sagen nicht die GRÜNEN, sondern das können Sie nachlesen! Private sind mit 50 000 EUR und viele kleine Ein-Personen-Unternehmen mit 120 000 EUR verschuldet.

 

Die Armut steigt, die Arbeitslosigkeit steigt. Gleichzeitig steigt in diesem Land jedoch auch die Zahl der Millionäre, und zwar stärker als anderswo: Die Zahl der Millionäre liegt nämlich in Europa im Schnitt bei 3 Prozent und in Österreich bei 7 Prozent. – Daran ist natürlich irgendjemand schuld! Da verhält es sich nicht wie beim Schnee, der im Winter fällt, sondern das ist eine Folge der Politik!

 

Sie sitzen in der Bundesregierung, und das nicht erst seit Kurzem! Und diese Trends sind schon über Jahrzehnte zu verfolgen! Die Sozialdemokratie und die Volkspartei haben dafür gesorgt, dass in diesem Staat Millionäre weniger Steuern zahlen als in jedem anderen vergleichbaren Staat in Europa, und Sie wissen das! Zwischendurch haben Sie wahrscheinlich ein schlechtes Gewissen, aber Sie tun nichts dagegen.

 

Die Zahl der Millionäre wächst, und die Zahl der Armen wächst. Das ist doch eine bodenlose Zumutung, die man nicht akzeptieren kann! Irgendjemand bei Ihnen wird das auch wissen. Man könnte auch etwas dagegen tun. Aber wo holen Sie das Geld her? Wir stehen jetzt vor einer Zeitenwende, und man müsste überlegen, ob man jetzt so weiter macht oder die Nase von dieser Schere, die mit jedem Tag auseinandergeht, voll hat. Alle wissen das: Die Reichen werden reicher, die Armen werden ärmer. – Das muss man immer wiederholen, genauso wie den Satz: Die Frauen verdienen weniger als die Männer.

 

Ich frage Sie jetzt aber: Soll das immer so sein, und sollen wir hier immer wieder darüber reden, bis wir alle 60, 70 Jahre alt sind, ohne dass sich etwas ändert? Soll das so bleiben, bis die nächste Generation kommt und sagt: Nein, das muss nicht so sein!

 

Wo aber holen Sie sich jetzt das Geld in Ihrer Verzweiflung? Die Müllgebühren werden erhöht, und die Mieten im Gemeindebau werden wiederum erhöht. Machen wir damit doch Schluss! Holen wir das Geld dort, wo es ist, nämlich bei denen, die zu viel davon haben! 5 000 Leute in Österreich haben mehr als eine Million Euro Bargeld auf dem Konto, da sind Immobilien und alles andere gar nicht mitgerechnet. Und sie müssen weniger Steuern zahlen als in den USA, in Japan oder in der Schweiz. Und das muss nicht sein! Da könnte die Politik etwas tun!

 

Wie könnte die Wiener SPÖ tatsächlich eine Trendwende herbeiführen? Garantieren Sie jedem Menschen, der bei der Stadt Wien angestellt ist – dafür sind nämlich Sie zuständig! – 1 000 EUR netto, wenn er oder sie Fulltime arbeitet. Aber das tun Sie nicht, sondern Sie zahlen Löhne aus, von denen die Leute nicht leben können, und Sie haben eine Sozialhilfe, die nicht armutssicher ist! Wieso führen wir all das nicht herbei? All das kann man tun! Die Frage ist nur, ob wir uns entschließen, das Geld dort wegzunehmen, wo genug ist, oder nicht. Und Sie haben sich entschieden, das nicht zu tun. Sie sagen sich: Das geht irgendwie nicht! Das trauen wir uns nicht! Davon reden Sie höchstens im Beisl, aber wenn Sie dann echt Politik machen, dann tun Sie mit der ÖVP und mit den Sozialpartnern das, was sich die Industriellenvereinigung wünscht. Dann haben wir das, was wir jetzt haben, und das ist sehr traurig und ein Armutszeugnis für die Sozialdemokratie!

 

Die Österreichische Volkspartei, von der zwischendurch auch Redner herauskommen, kennt man gar nicht: Entweder haben Sie die Partei oder das Programm gewechselt. Sie freuen sich jetzt, dass die Reallöhne steigen. Sicherlich freut man sich darüber! Wer war aber schuld daran, dass die Reallöhne über 20 Jahre nicht gestiegen, sondern im unteren Drittel gesunken sind? Jemand von der Industriellenvereinigung, einer nicht gerade ÖVP-fernen Institution hat vor Kurzem von Lohnkürzungen gesprochen. Sie verlangen in dieser Phase Lohnkürzungen! Sie hätten gerne, dass den Leuten, die jetzt schon nicht wissen, wie sie ihre Rechnungen zahlen sollen, die Löhne noch heruntergeschraubt werden!

 

Vor ein paar Wochen haben wir hier über Kinderarmut geredet. Ich rufe noch einmal in Erinnerung: Wir haben über Kinderarmut geredet, über Sechsjährige und Siebenjährige, die arm sind. Und der erste Satz dazu, den wir von der Österreichischen Volkspartei hier gehört haben, war: „Der Staat kann kein Vollkaskostaat sein." – Sie sagen also de facto: Kinderarmut können wir nicht beseitigen, das geht nicht, das muss sein! Herr Aigner ist hier am Rednerpult gestanden und hat das gesagt! Da würde man gerne aufstehen, so jemanden wachrütteln und sagen: Es ist ein Irrsinn, so etwas hier heraußen zu sagen!

 

Selbstverständlich muss Armut auf allen Ebenen bekämpft werden. Das machen Sie im Moment aber nicht, und daher kann man nur immer wieder wiederholen: Die Krise möge nie so hart kommen, wie viele es jetzt prognostizieren. Gewappnet sein muss man aber trotzdem.

 

Das tun Sie jedoch nicht! Sie greifen keinen einzigen Millionär in dieser Republik oder in dieser Stadt an. Sie denken keine Sekunde darüber nach, ob man in der Stadt irgendwelche zusätzlichen Steuern für Leute einführen kann, die viel zu viel haben, um den Armen zu helfen. Das ist eine Schande für Sie! Das hat die Sozialdemokratie vor beinahe 100 Jahren nicht gemacht. Diese Erbschaft von damals verteidigen Sie heute nicht, und das ist schade! Sie verteidigen gemeinsam mit der ÖVP die Rechte der Millionäre wesentlich besser, als Sie eine Armutsbekämpfung in Angriff nehmen. Das ist traurig, und zwar nicht nur vor Weihnachten. Ich hoffe, irgendjemand besinnt sich jetzt über die Feiertage und wir machen es nächstes Jahr anders! – Danke. (Beifall bei den

 

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