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Gemeinderat, 44. Sitzung vom 28.06.2004, Wörtliches Protokoll  -  Seite 83 von 121

 

einmal zu erreichen! (Beifall bei der ÖVP. – GR Christian Oxonitsch: So viel zur Entpolitisierung der Wiener Kultur!)

 

Vorsitzende GRin Renate Winklbauer: Als Nächste zum Wort gemeldet ist Frau GRin Mag Unterreiner. Ich erteile es ihr.

 

GRin Mag Heidemarie Unterreiner (Klub der Wiener Freiheitlichen): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Stadtrat! Sehr geehrte Frau Vorsitzende!

 

Die Diskussion über die gute und schlechte Kulturpolitik oder linke und rechte Kulturpolitik ist amüsant. Nur eines, Frau Kollegin Ringler, das haben wir schon anders empfunden als Sie, was Marboe und Nachfolger Mailath-Pokorny angeht. Ich kann mich daran erinnern, als eine Frau Kulturstadträtin Pasterk hier war. Das war damals schon sehr eindeutig, denn da es hieß schon, das Kulturressort ist das Ideologieressort. (GRin Mag Marie Ringler: Das war ja auch nicht so schlecht!) – Das ist Ihre Meinung. Wir würden das schon als linke Kulturpolitik definieren, weil wir immer sagen, dass die Kulturpolitik in Wien sehr eng verknüpft ist mit der Sozialdemokratie. (GRin Mag Marie Ringler: Mit links, nicht mit Sozialdemokratie!) Ich würde sagen, Marboe hat diese Politik nahtlos fortgeführt. Wenn wir jetzt schon definieren, dann würde ich sagen, er hat die linke Parteipolitik Pasterks fortgeführt und nahtlos geht es weiter mit Mailath-Pokorny. Das heißt, seit Jahrzehnten gibt es im roten Wien eine sozialdemokratische Kulturpolitik und die enge Verwobenheit ist und bleibt. Die gab es seit vielen Jahren und das bleibt auch so. Im Großen und Ganzen wäre das vielleicht noch in Ordnung. Das Tragische ist nur, dass diese Kulturpolitik in sehr wichtigen Punkten zutiefst kulturlos ist. Das sind die Punkte, die wir sehr wohl anprangern müssen.

 

Ich möchte drei Schwerpunkte herausarbeiten. Das sind die Schwerpunkte, wo wir uns ganz genau auf der anderen Seite als die Sozialdemokraten befinden.

 

Der erste Schwerpunkt ist es, Identität zu bewahren, Tradition zu bewahren, kulturelles Erbe zu bewahren. Da kommt es natürlich immer wieder vor, dass die Sozialdemokraten genau das Gegenteil machen. Es ist fast wie ein später Kulturkampf, fast ein Klassenkampf. Man fühlt sich fast bemüßigt, feudale, imperiale Achsen aufzubrechen, Schlösser und Burgen zu zerstören, Klassiker umzuschreiben, Mozart neu zu definieren, Religiosität zu verhöhnen, Sitten und Gebräuche lächerlich zu machen, kurz gesagt, ganz einfach: Werte zu zerstören. Das ist unser Blickwinkel.

 

Wenn Sie, weil Sie so lächeln, meinen, ich übertreibe, dann werde ich Ihnen einfach ein paar Beispiele nennen:

 

Zum Beispiel Schwarzenbergplatz: Eines der letzten noch unzerstörten Ensembles. Einer der letzten Plätze der Ringstraßenarchitektur, die wir gehabt haben. Was macht die Sozialdemokratie? Sie nimmt die letzten historischen Kandelaber heraus, reißt sie heraus, setzt Allerweltspfähle, wie man sie auf den Autobahnen hat, hinein. Wir sagen, es ist kulturlos. Sozialdemokratie sagt, das ist modern, gut und richtig. Das sind eben die verschiedenen Blickwinkel.

 

Oder Albertina: Warum muss ich denn in ein wirklich wichtiges städtisches schönes, traditionelles, traditionsreiches Gebäude unbedingt Bullaugen hineinmachen? Warum muss ich unbedingt in die Flanken eine Rolltreppe hineinschlagen? Warum muss ich unbedingt ein Flugdach drüberbauen? Wir sagen, man zerstört damit traditionelle Werte. Die Sozialdemokratie sagt, das ist notwendig, das ist innovativ. Das sind eben verschiedene Blickwinkel.

 

Da bin ich dann schon ganz froh, dass das Palais Liechtenstein, ein so genanntes feudales Gebäude, gut revitalisiert wurde, ohne dass man das Äußere zerstört hat. Deswegen ist es dort aber nicht uninteressant. Die Massen strömen hin und die Menschen haben das vorgefunden, was sie wollen. Das spricht aber nicht gegen die Moderne. Wir haben uns nie gegen die Moderne ausgesprochen, nur dass man das zum Beispiel in ein barockes Ensemble hineinpflockt, haben wir für falsch gefunden.

 

Auf der anderen Seite der Donau hat man es damals verabsäumt, ein modernes Kulturgebäude hinzustellen. Vor einiger Zeit habe ich gehört, dass auch der Herr Bürgermeister wieder davon spricht, es sei schade, dass wir dort kein Guggenheim-Museum haben. Wir haben damals vor zehn Jahren immer wieder gesagt: Warum denn nicht auf der anderen Seite der Donau ein moderner Kulturbau? Man hat diese Chance vertan. Man hat das immer so ausgelegt, dass wir gegen moderne Architektur sind. Aber das stimmt nicht. Wir haben uns immer für moderne Architektur ausgesprochen, nur nicht auf Kosten alter Bausubstanz.

 

Oder die Festwochen: Mein Vorredner hat schon darüber gesprochen. Sie sind schon lange nicht mehr die Visitenkarte Wiens. Sie sind eine zerfledderte, beliebige Ansammlung von Darbietungen geworden. Es ist einfach nur mehr Quantität auf Kosten von Qualität. Wir haben jetzt mehr Produktionen, aber die Festwochen sind nicht besser geworden. Schon allein die Eröffnung war ein Sammelsurium von viel Lärm um nichts. Früher waren die Festwochen ein Fest für ganz Wien. Es wurden Produktionen selbst gemacht, zum Beispiel legendäre Produktionen wie Bergs Lulu oder Strauss' Daphne, aber nicht eingekauft, sondern man hat diese in Zusammenarbeit mit kulturellen Institutionen in Wien selber produziert. Das ist sehr wichtig, Herr Stadtrat. Das haben wir jetzt nicht mehr bei den Festwochen. Es ist sehr wichtig, dass die Festwochen eine eigene Identität entwickeln und es geht nicht, dass man stets Produktionen einkauft, weil die sind beliebig. Man verliert dann die Identität und die Festwochen werden nur eine leere Hülle sein, aber man weiß nicht mehr, wofür sie stehen.

 

Es ist überhaupt bei uns in Wien so geworden. Früher fiel es einem gar nicht schwer, die einzelnen Theater aus ihrer Tradition heraus zuzuordnen, wofür sie stehen. Man hat genau gewusst, was man findet, wenn man in die Josefstadt geht. Das Publikum hat das gewusst. Ein bestimmtes Publikum hat das geschätzt, andere haben lieber ein anderes Theater besucht. Es hat das Typische,

 

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