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Gemeinderat, 42. Sitzung vom 28.04.2004, Wörtliches Protokoll  -  Seite 42 von 76

 

sondern im Gegenteil, dass wieder einmal von Seiten der Bundesregierung nicht die Arbeitslosigkeit bekämpft wird, sondern die Arbeitslosen. Und auch deshalb stellen wir heute diesen Dringlichen Antrag auf Einrichtung einer Wiener Arbeitslosenanwaltschaft, denn die Situation von arbeitslosen Menschen, von arbeitssuchenden Menschen ist nicht gut. Sie sind auf Beratung und Betreuung angewiesen. Sie sind nicht nur die am stärksten armutsgefährdete Gruppe von allen gesellschaftlichen Gruppen, sie haben auch sehr, sehr geringe Rechtsansprüche.

 

Sie wissen, die Verweigerung eines rechtswidrigen Aktes des Arbeitsmarktservices hat einmal automatisch eine Sperre des Arbeitslosengeldes zur Folge. Arbeitslose haben auch sehr geringe Rechtssicherheit. Sie wissen, die Zahl der Beschwerden bei der Volksanwaltschaft und Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof steigen. Ich glaube, im Vergleich zum Jahre 2002 haben sie sich sogar verdoppelt. Und arbeitslose Menschen haben keine Interessensvertretung, sie haben keine Lobby und sie haben keine adäquate Betreuung, Beratung und Serviceeinrichtung, die ihre Interessen vertritt, was für andere gesellschaftliche Gruppen selbstverständlich ist, nämlich Interessensvertretungen von ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen.

 

Wir haben in Wien ja auch einige Anwaltschaften eingerichtet und ich darf nur einige nennen: Die Kinder- und Jugendanwaltschaft, die Umweltanwaltschaft, die Patientenanwaltschaft. Wir haben eine Reihe von Beauftragten eingerichtet: Die Gleichbehandlungsbeauftragten, den Restitutionsbeauftragten, Seniorenbeauftragte, Pflegebeauftragte, Bedienstetenschutzbeauftragte und wir haben Brandschutzbeauftragte. Aber was wir nicht haben, das sind Arbeitslosenbeauftragte. Nämlich Beauftragte und Anwälte und Anwältinnen, die die Interessen von arbeitslosen und arbeitssuchenden Menschen vertreten.

 

Der Bedarf steigt vor allem in Wien, nicht nur weil das AMS Wien ja in einer internen Weisung verfügt hat, dass die Leistungssperre nach § 10, also die Sperre des Arbeitslosengeldes und damit der Entzug der Existenzgrundlage vieler Menschen, in diesem Jahr verdoppelt werden soll, weil man jetzt restriktiver gegen Arbeitslose und Arbeitssuchende vorgehen will. Die Bundesregierung nennt das „Flexibilisierung der Arbeitsmärkte“ und nennt das eben „Nulldefizit“. Wir nennen das „Unterlassene Hilfeleistung für arbeitssuchende Menschen“.

 

Sie wissen auch, dass die Beschwerden über die Kursmaßnahmen des AMS, zu denen arbeitssuchende Menschen ja – wir nennen es „zwangsweise“ - zugewiesen werden, steigen und dass viele, nein nicht viele, einige dieser Kursmaßnahmen eigentlich sinnlos sind, weil sie überhaupt nicht auf die Bedürfnisse, auf die Qualifizierungen der Arbeitssuchenden eingehen, sondern nur dazu dienen, die Arbeitslosenstatistik zu senken, weil ja die arbeitssuchenden Menschen, wenn Sie in Kursen sind, nicht mehr in der offiziellen Arbeitsmarktstatistik vorkommen.

 

Und ich darf heute noch einmal daran erinnern: Wien hat mit Abstand die höchste Arbeitslosenrate und auch den höchsten Anstieg bei der Arbeitslosigkeit. 11 Prozent der Wiener Erwerbsbevölkerung sind arbeitslos oder arbeitssuchend! Das ist die Größenordnung einer Stadt wie Innsbruck und das heißt, die Größenordnung einer Stadt wie Innsbruck hat keine Lobby, keine Vertretung und keine Rechte.

 

Wir GRÜNEN finden das einen unhaltbaren arbeitsmarktpolitischen und demokratiepolitischen Zustand und wir haben den Antrag auf Einrichtung einer Wiener Arbeitslosenanwaltschaft eingebracht. Eine Anwaltschaft zum Beispiel im Gegensatz zu einer Ombudsstelle oder einer Beratungsstelle deshalb, weil sie ja auch Kompetenzen haben soll und weil Rechtssicherheit für Betroffene ja nur mit ausreichenden Kompetenzen möglich und sinnvoll ist.

 

Wir stellen uns vor, dass eine Arbeitslosenanwaltschaft eine Informationsstelle, eine Beratungsstelle, eine Vertretungsstelle und eine Vermittlungsstelle zwischen Arbeitssuchenden und Institutionen ist. Sie soll selbstverständlich unabhängig und weisungsfrei sein, zum Beispiel in Anlehnung an die Volksanwaltschaft auf Bundesebene, und selbstverständlich finanziell abgesichert sein. Ich denke in Wien, in einer der reichsten Städte der Welt, ist das möglich. Wir stellen uns vor, dass man für die Ersteinrichtung aus dem Budget für wirtschaftliche Notstandsmaßnahmen finanzieren könnte. StR Rieder hat das schon einmal bei der Jugendarbeitslosigkeit gemacht.

 

Die Arbeitslosenanwaltschaft soll selbstverständlich niederschwellig sein und soll eine parteiliche Beratung und Unterstützung in Problemsituationen bieten. Sie soll über Rechte und Pflichten von Arbeitssuchenden aufklären. Sie soll die rechtliche Vertretung im Verfahren übernehmen. Sie soll das Recht auf Stellungnahme im Rahmen des Stellungnahmerechts der Länder bekommen. Auch das geht in Wien. Und sie soll natürlich Informationskampagnen über Rechte arbeitsloser Menschen durchführen. Sie wissen auch, wir werden bei diesem Anliegen von vielen Arbeitsloseninitiativen unterstützt, also wir stehen damit nicht allein. Auch die Arbeiterkammer, der Österreichische Gewerkschaftsbund und die Armutskonferenz sind für die Einrichtung einer Arbeitslosenanwaltschaft.

 

Sie wissen, meine Damen und Herren von der Sozialdemokratie, dass in Wien alles geht und ich finde es vollkommen unverständlich und bin auch sehr enttäuscht, dass Sie unseren Antrag auf Einrichtung einer Wiener Arbeitslosenanwaltschaft ablehnen. Sie argumentieren damit, dass es einerseits rechtlich nicht geht, weil es ein Papier°... (GR Godwin Schuster: Nein!) Einen zahnlosen Papiertiger, glaube ich, hast du es genannt, Godwin, ja.

 

Welche Kompetenzen wir der Anwaltschaft geben, das liegt schon an uns! Selbstverständlich ist es rechtlich möglich. Wir wissen, dass das Arbeitsrecht natürlich grundsätzlich in die Bundeskompetenz fällt. Aber auf Basis des Selbstverwaltungsrechts der Gemeinden bitte, auf dessen Basis auch der WAFF 1994 gegründet wurde, wäre es doch leicht möglich, rasch und

 

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