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Gemeinderat, 21. Sitzung vom 27.11.2002, Wörtliches Protokoll  -  Seite 97 von 122

 

haupt zur Sprache bringe, liegt darin, dass jenen Menschen, die durch Arbeitslosigkeit, durch Scheidung oder sonst wie sozial in Notsituationen geraten, die dringende Hilfestellung versagt bleibt. Das ist auch kein Einzelbeispiel, sondern es mehren sich solche Fälle. Es hilft da wahrscheinlich auch nichts, dass von Ihnen erst vor kurzem beschlossen wurde, Call Centers einzuführen, damit die Mitarbeiter von Wiener Wohnen entlastet werden und dem Bürger in stärkerem Ausmaß zur Verfügung stehen können. Ich hoffe nur, dass dies kein teurer Vorwand ist, um den Arbeitsmarkt durch künstlich geschaffene Arbeitsplätze zu entlasten. Denn es wäre wirklich besser, hier dem Bürger das Geld nicht mittelbar, sondern unmittelbar zukommen zu lassen, indem man nicht solche Zwischenstellen einschaltet.

 

Wenn jemand im Monat 436 EUR an Arbeitslosengeld bekommt, aber im privaten Wohnbau eine Miete von 509 EUR zahlen muss, dann ist ganz leicht auszurechnen, dass er sich das nicht leisten kann. Die Wohnung hat er nach der Scheidung zugesprochen bekommen, aber er kann sie nicht mehr finanzieren. Zwar haben wir seit 1992 - es hat ohnehin sehr lange gedauert, bis zum vorigen Jahr - auch die Wohnbeihilfe auf dem privaten Wohnungssektor durchgesetzt, aber dieser Mensch fällt leider wegen der Kriterien durch den Rost, weil die Kriterien so festgesetzt sind, dass er eben keine Wohnbeihilfe bekommt. Für Wiener Wohnen ist auch kein Wohnbedarf gegeben, denn er hat ja eine Wohnung. Jetzt hat er eine Wohnung, die er sich nicht leisten kann - bitte, was soll dieser Mensch machen? - Ich finde das wirklich nicht lustig. Man muss da irgendeine Möglichkeit finden. Meine Damen und Herren, ich würde das als soziale Kälte einstufen. Wohnen ist ein Grundbedürfnis der Menschen, für jeden von uns, und die Stadt hat die Aufgabe, dieses Grundbedürfnis rasch, unbürokratisch und leistbar zu befriedigen. (GR Heinz Hufnagl: Deshalb verkaufen wir die Gemeindewohnungen, laut FPÖ, gell!) Leisten kann man es sich jetzt sowieso auch nicht!

 

Wenn Sie nun die Wohnbeihilfen im Budget von 2,9 auf 4,5 Millionen EUR erhöhen, dann lässt das für mich zwei Schlüsse zu. Schluss eins: Die Leute in dieser Stadt sind zu arm und könnten sich Wiener Wohnen sonst nicht leisten. Oder Schluss zwei: Die Wohnungen sind zu teuer und müssen daher so gravierend gefördert werden.

 

Es kann nicht sein, dass man auf eine Wohnung im Normalfall drei bis fünf Jahre warten muss und dass es für Tausende Wohnungssuchende heißt: Bitte warten! Ich sehe schon ein, dass uns von Frau Dr Payr immer wieder versichert wird: Das ist nicht die Realität, sondern Jugendliche suchen an und bekommen dann viel später, falls überhaupt, diese Wohnung. Aber ist das nicht eigentlich ein falscher Weg, dass man schon dann, wenn man noch jugendlich ist, ansuchen muss, um als Erwachsener, dessen soziale Lage noch gar nicht geklärt ist, vielleicht doch eine Wohnung zu bekommen? Hier würde es mich freuen, wenn eine vorausschauende Planung im Budget einen Niederschlag gefunden hätte, aber es ist nicht so.

 

Ich habe hier diese Beispiele jetzt nur aufgeführt, um zu zeigen, dass man bei Wiener Wohnen oft die Leute einfach allzu schnell wieder von der Schwelle weist und sich nicht wirklich konkret mit ihnen auseinander setzen will oder kann; ich glaube sogar Letzteres. Ich meine, dass jeder Wohnungssuchende die Möglichkeit haben müsste, eine Ablehnung schriftlich zu bekommen, und zwar deshalb, weil diese begründet sein müsste. Ich kann nicht einfach die Leute von der Tür weisen und sagen: Du bekommst sowieso keine Wohnung. Warum bekommt er sie nicht? Er hat ein Recht darauf, das zu erfahren.

 

Meiner Meinung nach ist es nur so möglich, wesentliche Voraussetzungen für einen ziel- und bedarfsorientierten Wohnungsmarkt mit Zukunftsperspektiven zu schaffen. Dieser müsste gewisse Kriterien enthalten, zum Beispiel: Welche Wohnungsgrößen werden bevorzugt? Wie teuer darf eine Wohnung sein, damit sie für den Durchschnittsbürger, wenn möglich, ohne zusätzliche Förderungen leistbar ist? Vielleicht könnte man die Förderungskriterien generell überdenken. Wir fordern daher, dass solche Ablehnungen künftig schriftlich an die Wohnungswerber gesandt werden, damit man statistisch häufig gleiche Gründe erfassen und entsprechend den Bedürfnissen der Menschen anpassen und umsetzen kann, "weil der Mensch zählt"!

 

Unserer Meinung nach wären dann auch die entsprechenden Grundlagen für die von uns immer wieder geforderte Subjekt- anstatt der Objektförderung gegeben und könnte diese endlich im Sinne bedürftiger Bürger angewendet werden. Aber von 1999 bis jetzt haben Sie die Objektförderung um 100 Millionen EUR gekürzt, und das bedeutet, dass die Wohnungen teurer werden und noch weniger Menschen sich diese leisten können.

 

Was Wohnen und vor allem das leistbare Wohnen betrifft, so verweise ich auf die Aussagen der FGW, der Forschungsgesellschaft für Wohnen, Bauen und Planen. Ich habe vier Punkte davon herausgeschrieben:

 

Erstens: Der Wohnungsneubau geht trotz stagnierender Baupreise nach wie vor zurück. Ich würde hier eine Chance sehen, Projekte zu planen und vielleicht schon jetzt zu den derzeit wirklich günstigen Preisen auf dem Baumarkt mit Optionen vorausschauend zu vergeben. Wir hätten hier die Chance, eine wahre Kostenreduktion im Wohnungsneubau zu erwirken und diese künftigen Mietern weiterzugeben.

 

Zweiter Punkt: die guten Verwertungsergebnisse der jüngsten Wohnungsproduktion. Das heißt, es besteht Bedarf, weil die Wohnungen gut verwertbar sind. Aber in Wien muss man im Normalfall drei bis fünf Jahre lang auf eine Wohnung warten.

 

Drittens: Die Warnungen vor einer aufkeimenden neuen Wohnungsnot und nicht zuletzt auch die EU-Erweiterung dürften ein ausreichender Anreiz für Bauträger und Investoren sein. Diesen Punkt möchte ich noch gesondert behandeln.

 

Viertens: Ein Aufschwung der Wohnungsproduktion ist angesichts des weithin gedeckten quantitativen Wohnungsbedarfs in den nächsten beiden Jahren nicht zu erwarten. Dies ist richtig aus der Warte der FGW, weil

 

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