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Gemeinderat, 21. Sitzung vom 27.11.2002, Wörtliches Protokoll  -  Seite 20 von 122

 

marktpolitik ein schlechtes Resümee über die Regierung dieser Stadt ziehen.

 

Im Bereich der Standortpolitik wurde in dieser Stadt im Wesentlichen nichts getan. Wenn Herr Gusenbauer im Wahlkampf der Bundesregierung vorgeworfen hat, dass Nichtstun schlecht ist, dann wollen wir hier festhalten, dass Nichtstun auf dem Gebiet der Standortpolitik in Wien geradezu eine wirtschaftspolitische Sünde ist. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Wer bloß zuschaut, wie Wien im internationalen Standortvergleich absackt, an Attraktivität verliert und weit hinter andere europäische Städte zurückfällt, der handelt politisch geradezu fahrlässig (GRin Erika Stubenvoll: Sagen Sie das dem Herrn Finanzminister!), weil mit jedem Platz, den Wien im internationalen Standortvergleich verliert, Zukunftschancen für junge Menschen zu Grabe getragen werden, Chancen auf neue Unternehmen und neue Arbeitsplätze verloren gehen, die Bereitschaft von international tätigen Unternehmen in diese Stadt zu investieren, weil sie auf das Potenzial dieser Stadt vertrauen, wie das Eis in der Sonne dahinschmilzt und damit die strukturellen Probleme der Wiener Wirtschaft, die sie ohnedies bereits zuhauf hat, weiter verstärkt werden. Das Hauptproblem der Wiener Wirtschaft ist, dass sie im Aufschwung langsamer wächst als im übrigen Österreich und im übrigen Europa und daher im Abschwung leichter in eine Rezession gerät. Daher besteht in Wien die Gefahr, dass trotz der geografischen Lage Wiens im Herzen Europas, im Zentrum Europas, im Zuge der Erweiterung Europas nach dem Osten diese Stadt im internationalen Standortvergleich immer weiter abrutscht und an wirtschaftspolitischer Strahlkraft verliert. Verstehen Sie mich nicht falsch, wir sind nicht gegen eine EU-Osterweiterung, aber wir vermissen Ihre strategischen Antworten vor dem Lichte der geplanten EU-Osterweiterung. Nicht immer ist das ganz klar, aber ich betone hier, wir sind nicht gegen eine EU-Osterweiterung! (GRin Erika Stubenvoll: War Ihre Partei nicht in der Regierung?)

 

Wenn, Frau Vorsitzende, internationale Konzernmanager in Befragungen über ihre Zukunftspläne in repräsentativen Studien zum Schluss kommen, dass Wien bis zum Jahr 2006 nach den Ansiedlungsplänen internationaler Konzerne, die diese Manager kennen, von den Städten Warschau, Prag, Moskau und Budapest überholt werden wird, dann müssen bei uns alle Alarmglocken läuten. Wenn internationale Studien, wie beispielsweise die Studie eines Kölner Forschungsinstituts, belegen, dass Wien in einem Ranking, wo vor allem innovative Bereiche, wie das Hightechpotenzial einer Stadt, stark bewertet wurden, vom bisherigen 9. Platz im Ranking 1998 in der heurigen Neufassung auf Platz 73 zurückgefallen ist, dann wissen wir, wie ernst es um die Standortfragen in dieser Stadt bestellt ist. (GRin Erika Stubenvoll: Wir haben sogar einen Preis bekommen!)

 

Ich sage daher ganz deutlich, wir brauchen in Wien eine neue Technologiepolitik. Wir müssen Wien als europäischen Standort für Zukunftsindustrien völlig neu positionieren. Alle Anfänge und Bemühungen, die Sie in dieser Stadt gesetzt haben, greifen viel zu kurz. Wir brauchen neue Ansätze im Bereich der Biotechnologie, im Bereich der Medizintechnik, im Bereich der Verkehrstechnik, im Bereich der Informationstechnik, im Bereich der Multimediaindustrie und im Bereich der Umwelttechnik, um nur einige Sparten zu nennen, wo Wien auf Grund seiner guten Leistungen der heimischen Unternehmen durchaus Chancen auf eine bessere internationale Positionierung hätte.

 

Meine Damen und Herren, wenn es daher in einem Wienerlied heißt: "Zuaschaun kann i net", dann sollte das eigentlich Ihr Motto für Ihre standortpolitischen Überlegungen sein, denn sollten Sie, meine Damen und Herren von der SPÖ, Herr Stadtrat, hier länger zuschauen, wie Wien in die Bedeutungslosigkeit im europäischen Vergleich sinkt, wie Wien von anderen Städten überholt wird, wie osteuropäische Städte gegenüber Wien als Standort an Attraktivität, an Bedeutung gewinnen, dann sollten Sie damit auch realisieren, dass Sie die Zukunftschancen dieser Stadt einschränken, dass Sie Potenzial gefährden und dass Sie die Zukunftshoffnungen vieler junger Menschen in dieser Stadt enttäuschen! (Beifall bei der FPÖ.)

 

Vorsitzende GRin Josefa Tomsik: Als Nächste ist Frau GRin Stubenvoll zum Wort gemeldet. Ich erteile es ihr. - 15 Minuten Zeit.

 

GRin Erika Stubenvoll (Sozialdemokratische Fraktion des Wiener Landtags und Gemeinderats): Frau Vorsitzende! Meine Damen und Herren!

 

Auch wir mussten zweieinhalb Jahre zuschauen, wie am falschen Fleck gespart wurde. Ich könnte heute zahlreiche Beispiele aus der vergangenen Bundesregierung anführen, wie den Menschen in Österreich und den Menschen in Wien durch das Sparen am falschen Fleck geschadet wurde, auch eine Gelegenheit, heute Bilanz zu ziehen. Ich möchte mich vor allem auf eine sozialpolitische Bilanz beschränken.

 

Wenn hier vor wenigen Tagen der Präsident der Weltbank, Wolfensohn, mit einem Preis ausgezeichnet worden ist, der nach einem österreichischen Wirtschaftswissenschafter benannt ist, nämlich nach Josef Schumpeter, der in der Ersten Republik kurzzeitig auch Finanzminister war und den legendären Satz geprägt hat, wonach ein Budget in Zahlen gegossene Gesellschaftspolitik ist, stimmt das auch für Wien. Für heutige Finanzminister dürfte das anders liegen.

 

Ein Budget ist mehr als eine Summe von bestimmten Einnahmen und Ausgaben, an deren Ende unbedingt eine Null sein muss. Ein Budget ist nicht nur daran zu messen, ob es formal ausgeglichen ist. Wer Budgetpolitik nach solchen Kriterien macht, der ist sozial blind, denn er verschweigt zum Beispiel, welche versteckten Strafaktionen gegen Bürger hinter diesen Zahlen stecken. Der angeblich so schöne Karl-Heinz Grasser, den sich nun die ÖVP geholt hat, macht eine solche Politik und spielt dabei mit Menschen und ihren Schicksalen. Frau Rothauer, innovative Ideen sind in dieser Politik nicht erkennbar gewesen! (GR Dr Matthias Tschirf: Das stimmt ja nicht!) Eine solche Politik machen wir in Wien

 

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