«  1  »

 

Gemeinderat, 9. Sitzung vom 14.12.2001, Wörtliches Protokoll  -  Seite 110 von 138

 

nommen hat, das ich voll und ganz unterschreiben kann. Ich möchte jedoch ganz kurz auf ein paar Zitate des Kollegen STEFAN eingehen, wenn er meint, es gibt viele unterschiedliche Interpretationen der Geschichte.

 

Ja, das stimmt und in der Regel langfristig gesehen interpretieren eigentlich immer die Herrschenden, wer auch immer sie sind, die Geschichte. Es gibt aber einen der ganz, ganz, ganz wenigen Fälle, wo es weltweit Einigkeit über die Interpretation der Geschichte gibt, und das ist die Zeit des Nationalsozialismus als eines der verbrecherischsten Regime, die es jemals gegeben hat (GR Kurth-Bodo Blind: Und der Stalinismus?), die aus rassistischen und antisemitischen Motiven auf Massenvernichtung, auf automatisierte Massenvernichtung gesetzt hat und die ganz klar und deutlich einen Angriffskrieg geführt hat. Das sind Tatsachen und die werden in der Regel von zivilisierten Menschen keiner anderen historischen Interpretation nähergeführt.

 

In diesem Zusammenhang ist es natürlich spannend, darauf hinzuweisen, wo Fehler passieren. Natürlich sind in der ersten Ausstellung auch Fehler passiert. Natürlich passieren auch dem DÖW immer wieder Fehler. Aber was sind diese Fehler, im Vergleich dazu, dass sich Vorfeldorganisationen der Freiheitlichen Menschen wie den britischen Holocaust-Leugner David Irving als Historiker einladen! Also, da sind schon gravierende Unterschiede! Das hat Kollege LUDWIG hervorragend analysiert. Ja, es waren Fehler in der ersten Ausstellung, und Jan Philipp Reemtsma hat die Größe gehabt, die Ausstellung zurückzuziehen und sie von einem hoch geachteten Historikerkomitee vollkommen neu überarbeiten und neu konzipieren zu lassen, sodass jetzt, wenn man - ich habe es zumindest zum Teil im Fernsehen gesehen und die Medienberichte gelesen - sich das ansieht, eine Ausstellung vorliegt, die in vielfacher Art und Weise geeignet ist, die Arbeit des Dokumentationsarchivs zu ergänzen und einen aufschlussreichen Bericht über die Rolle der Wehrmacht von 41 bis 44 abzuliefern.

 

Wenn in der heutigen Zeit, wenn diese Ausstellung in Berlin gezeigt wird, dies dazu führt, dass es zur größten rechtsextremen Demonstration im Deutschland der Nachkriegszeit kommt, dann zeigt es, wie wichtig diese Ausstellung ist. Wir haben heute hier die Möglichkeit, deutlich zu signalisieren, dass wir nicht auf Seiten des Pöbels der 3 000 DVU, NPD und Rechtsextremisten in Deutschland stehen, die diese Ausstellung ablehnen, sondern dass es uns ein ganz klares und deutliches Anliegen ist, diese Ausstellung nach Wien zu holen, um aus der Geschichte auch zu lernen. (GR Dr Wilfried Serles: Nur weil sie in Deutschland aufmarschieren, die Nazis? Das versteh' ich überhaupt nicht!)

 

Aus der Geschichte zu lernen, bedeutet leider - sage ich dazu - nicht immer unbedingt, nachher das Richtige zu machen. Aber aus der Geschichte zu lernen, bedeutet zumindest, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass man etwas besser machen kann.

 

Aus diesem Grund bringe ich den schon von zwei Vorrednern zitierten Antrag ein:

 

"Der Wiener Gemeinderat will, dass die Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht, Dimensionen des Vernichtungskriegs 1941 bis 1944" in Wien stattfindet."

 

In formeller Hinsicht beantragen wir die sofortige Abstimmung des Antrags.

 

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte jetzt ganz kurz sagen, ich empfinde heute eigentlich erstmals wirklich etwas, was Kollege Hundstorfer am Anfang angeregt hat, nämlich ein angenehmes Klima für eine solche Diskussion. Die rechtsextremen Ausfälle sind bislang unterblieben. Das freut mich sehr. Ich hoffe, dass das auch in Zukunft so bleiben wird. Ich stehe auch nicht an, dass ich, wie ich heute dem Kollegen Wagner bei seiner Rede im Rahmen der Hakoah zugehört habe, angenehmst überrascht war, dass er es geschafft hat, gegen den Augarten zu sein, ohne das irgendwie mit antisemitischen Untertönen zu unterlegen. Das finde ich ausgesprochen angenehm.

 

Wenn dieses Klima so bleibt (GR Heinz Christian Strache: Wie der Schelm denkt, so ist er!) und wenn sich die Freiheitlichen längerfristig tatsächlich ändern, wer weiß, vielleicht sind sie dann irgendwann auch bereit, im Zeichen der Aufarbeitung der Geschichte Österreichs solch einem Antrag zuzustimmen. - Ich danke sehr. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Vorsitzende GRin Mag Heidemarie Unterreiner: Als nächster Redner ist Herr GR Dr Salcher gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.

 

GR Dr Andreas Salcher (ÖVP-Klub der Bundeshauptstadt Wien): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Frau Berichterstatterin! Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Ich möchte aus Zeitgründen nur zum Antrag der GRÜNEN sprechen und nicht zum DÖW. Wir als Volkspartei werden diesem Antrag nicht zustimmen, weil wir der Meinung sind, dass, ob diese Ausstellung nach Wien kommt, wann diese Ausstellung nach Wien kommt, die Entscheidung der unabhängigen Intendanten beziehungsweise Museumsdirektoren ist, die dafür auch Budgets zur Verfügung haben. (GR Günter Kenesei: Weil Sie keine politische Meinung haben! Das ist das Problem!) - Ich komme schon zu meiner, keine Sorge. Ich glaube, Sie können mir viel unterstellen, aber nicht, dass ich keine politische Meinung habe.

 

Es entspricht einfach nicht unserem Selbstverständnis, dass wir in den Gemeinderat kommen und erklären, dass wir uns quasi etwas wünschen und Intendanten und Museumsdirektoren haben das zu spielen. Es steht in dem Antrag zum Beispiel nicht, wer denn dann diese Ausstellung tatsächlich durchführen könnte. (GR Günter Kenesei: Das ist die schlechteste Ausrede, die ich bis jetzt gehört habe!) Das DÖW wäre von seiner Aufgabe her durchaus in der Lage dazu. Das DÖW wäre auch durchaus mit seinem Budget in der Lage dazu, weil Budget hat es genug und wir stimmen dem Budget des DÖW auch

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular