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Mitschrift

Ich bin 1935 in Magdeburg geboren. Wir haben den Krieg in Stendal verbracht. Das heißt, meine Mutter und mein Bruder, mein Vater war natürlich beim Militär. Nach dem Krieg sind wir ... aus der Sowjetzone äh, mehr oder weniger geflohen. Das ging ja noch ganz gut vor Gründung der DDR. Da haben wir im Harz gelebt. Dann von dort nach Braunschweig gegangen, wo ich die eigentliche Gymnasialzeit verbracht und Abitur gemacht habe. Bin nach München gegangen, um zu studieren. Habe Germanistik und Geschichte studiert. Und da wollt ich mir zwei Semester, Auslandssemester, um die Ohren schlagen. Das konnte man damals. Zwei Semester wurden angerechnet. Was man da drüber studiert hatte, war für die Prüfungen gesehen, für die Katz. Und ich wollte zwei Semester in Wien studieren, um die Stadt kennenzulernen. Gar nicht wegen der Universität oder bestimmter Fächer, aber um die Stadt kennenzulernen. Für zwei Semester. Und ich bin heute noch da. Dieser Plan ist also schiefgegangen. Ich habe dann in Wien ... das Studium etwas verlagert. Weil die Germanistik, auf Hochdeutsch gesagt, katastrophal war. Da konnte man nicht hingehen, da hat man sich geniert. Und hab dann bisschen Theaterwissenschaft gemacht. Ein Schulfreund hatte sich seit Kindesbeinen zum Theater berufen, äh, fühlte sich zum Theater berufen. Er hat mich überredet, mit ihm die Aufnahmeprüfung am Reinhardt Seminar zu machen. Das hab ich auch getan, so aus Jux und Tollerei. Natürlich wurde ich aufgenommen, der fiel durch. Und ich, der ich immer ins Verlagswesen wollte, war plötzlich beim Theater, und er landete bei LangenMüller, als Verlagsleiter. Also auch das ging schief. Also, ich bin nach Wien, von München aus gefahren, mit dem Zug. Hab im Zug noch den Politzer getroffen, den berühmten Germanisten. Wo ich damals nicht genau wusste, wer das ist. Heute weiß ich das, weil so eine unfreiwillig bedeutsame Zugsfahrt ... Kam in Wien an, es war schlechtes Wetter, es war im Februar. Hatte kein Quartier. Hatte mir aber sagen lassen, dass man das "Neue Österreich" kaufen soll, da sind die meisten Annoncen drin, für Untermieten. Das hab ich auch getan. Das war aber so verwirrend, da war so viel drin, dass ich mich nicht auskannte und beschloss, zu einer Vermittlung, einer Agentur, zu gehen. Das war an der Ecke, äh, Nußdorfer Straße/Währinger Straße, die gibt's nicht mehr. Die haben mich empfohlen in den zweiten Bezirk, äh, außerordentlich günstig, finanziell. Ich bin dort hin, es hat immer noch in Strömen geregnet. Nette Leute machten die Tür auf, zeigten mir das Zimmer. Und da lag aber schon einer drin. Es war ein Zweibettzimmer. Es handelte sich nur um ein Bett, nicht um ein ganzes Zimmer. Und der zweite, der da drin lag, hieß schlechterdings Franz Schubert. Und er war ein ... ein Tischler. Es hat derartig geregnet, dass ich mir gedacht habe, da bleib ich erst mal, bis das Wetter besser wird. Wollte aber unter keinesfalls da bleiben. Die Leute entpuppten sich als sehr nett, auch Franz Schubert. In der Wohnung wohnte auch noch ein Donaufischer, deshalb stank die Wohnung erheblich nach Fisch. Und wegen des Gestanks haben die netten Wirtsleute, die alten * Unverständlich *, er war Bäckereiarbeiter bei Anker, sie war Kaffeeköchin in einem Hurenbeisl am Praterstern. Und die haben dann den Fischer rausgeschmissen, und ich zog in dieses kleine Zimmer ein, und blieb dort bis zum Burgtheater-Engagement. Und das waren ganz besonders nette ... Menschen. Für mich der Inbegriff von ... Gastfreundlichkeit. Also die sind für mich ein ganz unersetzbarer Teil von Wien. Ich bin also wegen der zwei anrechenbaren Auslandssemester von München nach Wien gefahren, nachts im Sitzen. Und ich habe erstaunlicherweise dort den Herrn Politzer getroffen, einen berühmten Germanisten, was ich damals nicht wusste. Aber so begann die Fahrt eigentlich ganz verheißungsvoll. In Wien stellte sich dann heraus, dass die Germanistik nicht verheißungsvoll ist. Ich änderte mein Studium, studierte unter anderem Theaterwissenschaft. Und nach einem halben Jahr kam ein Schulfreund aus Braunschweig, der sich von Kindesbeinen an zum Theater berufen fühlte, im Gegensatz zu mir, auch nach Wien, um die Aufnahmeprüfung am Reinhardt Seminar zu machen. Er fürchtete sich ein wenig in der großen, fremden Stadt, und hat mich überredet, ihn zu der Aufnahmeprüfung zu begleiten, und sie auch zu machen. Ich hab das getan. Ich wurde aufgenommen, der fiel durch. Ich, der ich immer ins Verlagswesen, wie man das nannte, gehen wollte, landete beim Theater. Der, der immer zum Theater wollte, wurde schließlich Verlagsleiter bei LangenMüller. Dann kam die Reinhardt-Seminar-Zeit. Äh ... vier Jahre waren das zur damaligen Zeit. Und direkt anschließend das Engagement ans Burgtheater. Als Schauspieler und Regieassistent. Am Reinhardt Seminar fiel uns jungen Leuten, unter denen damals überhaupt nichts von Vergangenheitsaufarbeitung, und von Bewältigung dieser Nazizeit ... die Rede war ... Das war kein Thema damals. Aber wir wussten natürlich, wer schon immer dort war. Nämlich auch in der Nazizeit, von den Lehrern. Und wer aus der Emigration zurückgekommen war. Das für uns Verblüffende war nicht, dass die einen Nazis waren, die anderen nicht, sondern wie gut die sich vertrugen. Und wie herzlich die miteinander verkehrten. Wie einvernehmlich. Und später hab ich dann begriffen, dass das unter dem Dach des Antikommunismus, also eben Zeichen des Kalten Krieges ... diese seltsamen Verbundenheiten und Freundschaften hervorrief. Die hielten in Wien allerorts, nicht nur am Reinhardt Seminar, offenbar sehr lang. Ich kenne mich nicht so aus in anderen Städten, aber ich glaube, das war eine Wiener Spezialität. Diese Innigkeit zwischen den ... Remigranten und den alten Nazis, die es in diesem Bereich zuhauf gab. Man konnte sich ja fürs Theater kaum ausbilden lassen, ohne ehemaligen Nationalsozialisten als Lehrern anheimzufallen. Der Leiter des Reinhardt Seminars war damals der Dr. Niederführ, Der ununterbrochen als Apologet von Max Reinhardt ... auftrat und uns eigentlich auf die Nerven ging, indem er jeden Satz mit Max Reinhardt begann oder beendete. Später stellten wir dann fest, dass der ... in der Nazizeit ... eben auch Direktor war. Er hat dort in dieser Zeit, schon '38, 14 Tage, nachdem ... die Nazis einmarschiert waren, stolz dem Herrn Schlösser, dem Reichsdramaturgen in Berlin, mitgeteilt, dass das Reinhardt Seminar "entjudet" ist. Und dass es auch schon vorher "entjudet" war. Und der Leiter war ein bedeutender Mann, der Max Reinhardt auch vertreten hat in der Josefstadt. Der war Josefstadt-Direktor, der Emil Geyer, und auch Direktor des Reinhardt Seminars. Und der eigentliche, neben Kalbeck, der eigentliche, äh, wie soll man das sagen? - Erfinder dieses Seminars mit all seinen Unterrichtsprogrammen war. Und mit seiner Ideologie, seiner künstlerischen Ästhetik, seiner Programmatik. Dieser Emil Geyer wurde ... aus dem Seminar vertrieben. Man hat ihm nicht einmal die ausstehenden Gagen nachgezahlt. Und er wurde schließlich ... in Mauthausen ermordet. Er hatte eine der größten Bibliotheken ... in Wien. Und eine Gemäldesammlung. Die sind bis heute verschwunden. Das erfuhren wir natürlich nicht am ersten Tag. Zum Teil auch erst nach dem Seminar. Also die Vollzugsmeldung an den Reichsdramaturgen hab ich selbstverständlich erst viel später erfahren. An der Universität, wo ich gleich- zeitig studierte, was damals ging, weil das Reinhardt Seminar war ja noch eine Akademie. Das war keine Universität, das Reinhardt Seminar. Der Dr. Niederführ, der als Apostel von Max Reinhardt ... auftrat, belästigte das Reinhardt Seminar und die Schüler ständig mit Zitaten von Reinhardt. Er hatte allerdings ... in der Nazizeit sofort der Obrigkeit mitgeteilt, dass der Max Reinhardt mit dem Reinhardt Seminar gar nichts zu tun hat. Dass der nur zufällig da hergekommen ist 1929, und Geld versprochen hatte. Deshalb hat man das Reinhardt Seminar damals aus Versehen so benannt. Denn die ... Tätigkeit vom Reinhardt sei ... .. null Komma Josef gewesen. Die war nun tatsächlich nicht sehr umfassend, aber er hatte sehr kompetente Mitarbeiter dort eingesetzt. Nämlich den Emil Geyer und den Kalbeck, die dieses Seminar im Geiste von Max Reinhardt offenbar glänzend geführt hatten. Mit großer Sachkundigkeit, und mit Kennerschaft. Die wurden selbstverständlich vertrieben. Und der Herr Emil Geyer persönlich wurde vom ... vom ... Niederführ des Seminars verwiesen. Der Emil Geyer kam dann später in Mauthausen ums Leben. Ähm, er wurde ... Es gelang erst im Jahre 2004, beim Jubiläum des Reinhardt Seminars, dieser wichtigen und entscheidenden Leute ... zu gedenken. Erst in diesem Jahr wurde eine Gedenktafel im Schlosstheater aufgehängt. Auf der man die Namen der ermordeten Lehrer und Studenten oder Vertriebenen ... lesen konnte. Bis dahin galt das ... nicht als angebracht. Und wirklich angebracht war's auch 2004 nicht, das muss man schon auch sagen. Man hat sich das Jubiläum damals auch fröhlicher vorgestellt und nicht so belastet von ... Vergangenheit. In der Theaterwissenschaft, auch Theaterwissenschaft hab ich studiert, das konnte man damals parallel mit dem Studium am Reinhardt Seminar machen. Weil das eine "nur" Akademie, und das andere Universität war. Da stieß man auf den bedeutenden Professor Kindermann, der zweifelsohne einiges für die Erforschung der Theatergeschichte geleistet hat, keine Frage. Nur: Was er in der Nazizeit ... getrieben hat, das war dann auch relativ erstaunlich. Aber ich bin ... fühle mich auch überhaupt nicht berufen, dort irgendwelche Nazivergangenheiten zu besprechen oder aufzudecken. Das ist Unsinn. Das, was mich auch damals beschäftigt hat, war ja nicht so sehr die Frage, was haben diese Leute vor gar nicht so vielen Jahren gemacht oder nicht gemacht. Sondern: Wie gehen sie heute damit um? Ja? Wie haben sie uns hinters Licht geführt und beschwindelt? Der Niederführ auf der einen Seite als Reinhardt-Apostel, der in Wirklichkeit den vertrieben hatte. Der Kindermann, der hat den Reinhardt auch alles nur Mögliche geheißen, äh, das kann man auch kaum wiederholen. Der war dann plötzlich, ich glaube 1966, der Mitbegründer mit Ernst Haeussermann, einem Remigranten, äh ... der Max-Reinhardt- Forschungs- und Gedenkstätte. Im, äh ... in Salzburg. Und ... in unserer Zeit war das Programm beim Kindermann relativ interessant. Weil da kamen auch alle möglichen Leute, es gab z. B. polnische Theaterwochen, ich weiß die Titel nicht mehr, aber es wurde übers polnische Theater dort geredet. Es gab auch zuständige Leute. Später erfuhr ich, dass der Herr Kindermann in Danzig seine Vorlesungen erst begonnen hat, wenn der letzte polnisch-stämmige Student den Saal verlassen hatte. Also für mich war nicht so sehr aufregend, was hat wer gemacht, sondern wie haben sich diese Leute ihre Wendehälse nicht verrenkt? Die waren ja aufrechte, angesehene Bürger von einigem Renommee in diesem Land. Und vor allem sehr respektiert. Und amikal begleitet von den Remigranten. Also von den Opfern des Faschismus. Später hab ich dann mitgekriegt, dass diese Leute sich eigentlich ein bisschen geniert haben, dass sie emigriert waren, dass sie Opfer waren. Sie wollten eigentlich ihr Opfersein genau so, das ist jetzt sehr vereinfacht und übertrieben, auch so vertuschen wie die Täter. Und man war sich plötzlich einig, unter dem Dach des Antikommunismus ... war man einer Meinung und kämpfte für die westlichen Werte. Und das ging noch sehr, sehr lange. Das ging noch weit in meine Burgtheaterzeit hinein. Wo wir ja dann als linke Kolonne der DDR, Fünfte Kolonne der DDR, Linksfaschisten und was weiß ich was, bezeichnet wurden. Das ist ja sozusagen die Fortsetzung ... Das ist sozusagen die Fortsetzung von diesen Erlebnissen oder Erkenntnissen dieser Studentenzeit. Na ja, das Burgtheater-Buch vom ... Prof. Kindermann, war ja unter Verschluss. Man kam da als Student gar nicht so leicht heran. Es war natürlich ein Zentralwerk der nationalsozialistischen Theaterwissenschaft. Also perfekt rassisch, und naziideologisch in allem begründet. In Einzelheiten, die man heute für unmöglich hält. Also mit ... selbstverständlich eben auch ... Äh ... Äußerungen und Haltungen, aber deutlichst, und nicht irgendwie ... Es handelt sich hier um Täter. Nicht um irgendwelche Mitläufer in der fünften Reihe, die man plötzlich entdeckt hat, sondern das waren Aktivisten. Und da ging es natürlich von Max Reinhardt gegen Schnitzler, und die ganzen ... die jüdische Kamarilla und die Freimaurer, die dieses Theater verseucht haben. Während die tapferen Deutschen im Ersten Weltkrieg ihren Kopf hingehalten haben an der Front, haben die im Hintergrund als Schmarotzer die Kultur betrieben. Also das kann man dort alles lesen. Und die Autoren wie Schnitzler wurden beschimpft in diesem Buch. Aber wie gesagt, das ist der eine Fall, das ist halt passiert. Aber das Unverständliche war, dass dann ... Schnitzler plötzlich eine Idealfigur war für diese Leute. Man machte gemeinsam Schnitzler-Wochen, und es wurden Schnitzler-Tagungen veranstaltet. Äh ... so wie die polnischen, die erwähnten verspäteten polnischen Freundschaftsbeweise. Und dieser Umstand, das kann ich nur immer wiederholen, ist ... schon damals für uns unverständlich gewesen. Wir wussten, dass die einen Täter sind, wir wussten nicht, in welchem Umfang, in welcher Weise die sich geäußert hatten. Das hat man erst später erfahren. Aber wir wussten, die waren Nationalsozialisten. Und die anderen haben ihr Leben gerettet vor diesen Leuten in der Emigration. Und jetzt waren sie alle wieder da, und waren herzinniglich vereint. Das hat uns manchmal auch dazu gebracht zu sagen, so ein schlimmer Nazi kann der nicht gewesen sein. Sonst kann ja nicht der ... .. jüdische Schriftsteller, der jüdische Theaterdirektor, so derartig amikal mit diesen Leuten verkehren. Ich wurde, man kann sagen, über Nacht ans Burgtheater engagiert. Mir wurde bei der Abschlussprüfung am Reinhardt Seminar gesagt, ich solle am nächsten Tag zum Vorsprechen kommen. Das hab ich getan. Hab gemeinsam mit Wolfgang Gasser, der auch zitiert war, vorgesprochen. Wir wurden engagiert. Das wusste ich zwei Tage vorher nicht. Da gab's überhaupt keine Kontakte. Das war die neue Direktion Haeussermann. Und für meine ... .. für meinen Karrieresprung war offenbar der Josef Gielen verantwortlich. Der am Reinhardt Seminar inszeniert hatte, bei dem ich auch gespielt hatte. Ich war also plötzlich am Burgtheater. Und das hat mich ... fast bestürzt. Ich habe ... viele Vorstellungen entsetzlich gefunden dort, aber ich wusste, das ist ein bedeutendes Theater. Manche waren auch hervorragend, es waren wunderbare Schauspieler dort. Und ich war eigentlich konsterniert, dort zu sein. Und hatte zunächst keine kritische Distance, sondern war einfach ergriffen von den Umständen, die da plötzlich auf mich einbrachen. War auch Regieassistent. Natürlich, heute kann man das gar nicht mehr erzählen, aber als Regieassistent durfte ich in der Kantine nicht mit am Tisch der Schauspieler sitzen. Da gab's also noch Hierarchien, die etwas Operettenhaftes hatten. Aber das fand man damals selbstverständlich. Außerdem hatte ich immer eine Zwitterstellung, weil ich Schauspieler und Regieassistent war. Da es mit der Schauspielerei ganz gut ging, war ich bald kein Regieassistent mehr, war in der Hierarchie die Treppe raufgefallen. Und konnte auch an den Tischen mit den Schauspielern Bier trinken. Meine Ernennung zum Burgtheaterdirektor war insgesamt eine relativ abenteuerliche Angelegenheit. Angelegenheit unter verschiedenen Aspekten. Ähm ... Wir hatten in der Ensemblevertretung ein sogenanntes Reformpapier ... erarbeitet, das zu allen Problemen des Theaters Vorschläge gemacht hat. Also nicht nur Missstände dargestellt hat, sondern Vorschläge gemacht hat. Das geriet in die Hände ... der Politiker. Man fand das gut, und das war so die Ursache ... dafür, dass man sich eben auf die Ensemblevertretung konzentrierte. Bei der Bewältigung dieses, grade damals auch wieder akuten Rechnungshofproblems. Das ja dazu geführt hatte, dass der Direktor Klingenberg ein Jahr früher ging, als das eigentlich vorgesehen war. Und so kam ich dazu. Offenbar war die Haupthoffnung die, dass ich dort irgendwie ... für Ruhe sorge. Also dass keine ... Dass dieser Wirbel ... aufgrund dieses Rechnungshofberichtes irgendwie besänftigt wird. Andere Kandidaten, gegen die ich passiv gewonnen hab, ich hab dann nichts mehr unternommen dafür, weil ich das genauso ungeheuerlich fand, wie das Engagement ans Burgtheater 17 Jahre vorher. Das war vom Josef Meinrad über den Michael Kehlmann, eben vor allem auch der Thomas Bernhard, der ja unbedingt Burgtheaterdirektor werden wollte. Und dieses Jahr nicht wurde, weil der Sinowatz ihm dann gesagt hat, es wäre wohl besser, wenn er ... sich um die Schriftstellerei kümmerte. Aber er war bitter enttäuscht und böse. Und seither gibt es diesen ... Burgtheater-Boykott. Gab es den damaligen Burgtheater- Boykott ... für Thomas Bernhard. Er durfte ja nicht gespielt werden, über viele Jahre. Der Daniel Kehlmann hat das mal sehr genau ... dargestellt. Aber das will auch niemand wahrhaben. Weil die überzeugten Bernhardianer natürlich auch der Meinung sind, dass der Bernhard vielleicht als Theaterdirektor nicht so hundertprozentig, äh, gestimmt hätte. Und die Gegner von Bernhard finden es wieder vom Staat sehr seltsam, dass der ernsthafte Verhandlungen mit ihm geführt hat. Das führt wieder mal zu einer solchen Koalition des Schweigens, dass das Thema, warum der Bernhard nie Burgtheaterdirektor geworden ist, irgendwie tabu ist. Es gibt zwar ein Buch drüber, und alle möglichen Publikationen, aber öffentlich ist das eigentlich ... tabu. Das Bedauerliche war ja der Boykott. Ich habe den Bernhard sehr geschätzt als Autor, kannte ihn auch von der Klingenberg-Zeit. Ich hab auch mit ihm geredet ... manchmal zwischen Tür und Angel. Einmal hab ich ihn erwischt, wie er bei einem Gastspiel ... von Bochum im Akademietheater durch die Bühnentür ... kam, hinten. Zufällig hab ich ihn getroffen, sagte, was soll das, warum kommen Sie hier hinten? Wann kommen Sie wieder vorne rein? Er hat gesagt, das wird bald sein, ich weiß ja, dass Sie nichts dafür können. Dass ich ihn nicht verhinderte, sondern die Obrigkeit. Es war eigentlich eine Operettennummer. Ich hab ja den Bernhard in Zürich ... sehr gerne inszeniert und halte ihn für einen ganz wichtigen, allerdings für einen apolitischen ... Autor. Und das grobe Missverständnis, dass "Heldenplatz" ein besonders politisches Stück sei, ist aber unausrottbar. Da klammern sich ... alle dran. Das wird auch so bleiben, da muss man sich mit abfinden. Das ist so ähnlich wie die Jungfrauengeburt, das geht nicht weg. Ich kann das natürlich nicht erklären, warum gerade ich Burgtheaterdirektor geworden bin. Und nicht der ... Josef Meinrad und nicht der Michael Kehlmann, wahrscheinlich der seriöseste Kandidat. Und nicht der Thomas Bernhard. Das weiß ich nicht. Möglich, dass sich die verschiedenen Lobbys gegenseitig mattgesetzt haben. Dass vielleicht auch bei manchen das Vertrauen in die rein praktische ... Notwendigkeit der Theaterarbeit ... .. ein bisschen geschwunden ist, im Laufe der ... Häkeleien über diese Direktionsnachfolge. Ich kann es nicht sagen, ich weiß das nicht. Ich weiß natürlich, dass der Sinowatz ... letzten Endes ... die Entscheidung getroffen hat. Und dass er die Entscheidung mit Sicherheit mit dem Einverständnis vom Kreisky getroffen hat. Sonst wär das gar nicht möglich gewesen. Und ich habe in der Folge auch die Solidarität dieser beiden Politiker in der praktischen Theaterarbeit immer wieder erlebt und ... sehr zu schätzen gewusst. Und schätze und achte vor allem die Arbeit vom Sinowatz ... bis heute als ganz bedeutend. Als ich 1976 die Burgtheaterdirektion übernahm, gab es ... sehr, sehr viele Probleme. Und ich habe auch wirklich geglaubt, dass ich das höchstens vier, fünf Jahre mache und dann wieder Theater spiele und ... inszeniere. Und da ich keinen Ehrgeiz hatte, lebenslang einen Direktorenposten auszuüben, hab ich auch keine Rücksicht genommen auf eine Vertragsverlängerung. Sondern ich habe das gemacht, was ich für richtig hielt. Das gefiel vielen Leuten nicht, und manchen gefiel das sehr. Und ... ich fühle mich gelobt, also ... Als das "Profil" geschrieben hat, "Der stille Revolutionär", hab ich mich sozusagen erkannt gefühlt. Ich habe genau das ... ah, gewollt. Unspektakulär, nicht auf Pressekonferenzen, sondern de facto im Betrieb, auf der Bühne, dieses Theater ... möglichst neu zu gestalten. Es ist natürlich schwierig und unangenehm, darüber zu reden. Weil diese Selbstbeweihräucherungen, die Selbstdarstellungen im Allgemeinen sind ... Man erlebt ja selten, dass einer sagt, ich bin in dem Jahrhundert der größte Versager in dem und dem Betrieb. Das sagt ja auch der größte Versager nicht. Also diese Selbstdarstellung hat etwas ... für mich Unangenehmes. Weil man die ja immerzu hört. Und diese ganzen grässlichen Memoiren von Theaterleuten sind ja bis auf drei, vier ... ungenießbar, unlesbar. Mit der Ausnahme, damit ich mich nicht so amorph ausdrücke, vom Granach. Die Autobiografie ist eine der großen Theaterbiografien. Aber ansonsten hab ich 'ne große Scheu. Also ich gerate aber jetzt in die Gefahr, wenn ich diese Arbeit darstelle, dieser Selbstbeweihräucherung. Ich versuche das irgendwie zu vermeiden und zu sagen, dass das Ensemble ganz erheblich verjüngt worden ist. Dass so viele Anfänger engagiert worden sind und nicht statiert, sondern sofort gespielt haben und von ziemlich guten Regisseuren betreut wurden, wie das vorher nicht der Fall war. Dass sehr viele Regisseure engagiert wurden, die nie am Burgtheater engagiert waren, und auch vorher nie daran gedacht hatten, am Burgtheater zu inszenieren. Dazu muss ich sagen, dass mein Vorgänger Gerhard Klingenberg eine große Öffnung vorgenommen hat, in den internationalen Bereich. Weswegen er auch sehr angepöbelt wurde. Es hat dort von Strehler bis Barrault ... Ich selber durfte als Schauspieler mit Jean Paul Roussillon, einem großen französischen Regisseur, arbeiten. Also eine starke Öffnung in den internationalen Raum fand statt, die ich für sehr gut und wichtig hielt. Aber: Der deutschsprachige Raum war ausgeschlossen. Also die Regisseure, die in Deutsch- land ... in der Diskussion waren, und das war bei dem damals aufkommenden Regietheater in der 68er-Folge ein Brennpunkt der Diskussionen und ein Zentrum der ... Theater- skandale und was weiß ich was. Die kamen nicht vor. Wir haben gesagt, wir öffnen uns dem deutschen Sprachraum. Und wenn wir schon vom deutschen Sprachraum reden, und dieses alte schreckliche Schlagwort ... an Land ziehen, dass das Burgtheater das "erste Theater deutscher Zunge" sei, dann fühlen wir uns von allen Seiten beauftragt, uns an den deutschen Sprachraum zu wenden. Und der besteht nicht nur aus Westdeutschland und der Schweiz, sondern auch aus Ostdeutschland. Und wir haben eine intensive Zusammenarbeit mit Ost-Regisseuren und Ost-Theaterleuten begonnen. Das wurde natürlich sofort aufs Schwerste angepöbelt. Wir galten als Fünfte Kolonne der DDR. Wir wurden angegriffen ... pausenlos. Alle Leute, die ihnen nicht passten, waren DDR-Regisseure. Damals herrschte die Ideologie der "Kronen Zeitung": Jeder, der hinter dem Eisernen Vorhang hervorkam und nicht im Kittchen saß, war ein Kommunist. Also auch Havel war denen ... verdächtig, nicht wahr? Weil alles hinterm Eisernen Vorhang war verdächtig. Dieses war aber keine isolierte, von uns bei Nacht und Nebel gestartete Aktion, sondern entsprach selbstverständlich der Kulturpolitik der Regierung. Wobei man nicht sagen kann, dass wir das initiiert haben, das wär nun wirklich Angeberei. Aber wir haben auch keine Anweisungen gehabt. Sondern das fiel irgendwie zusammen, fiel historisch zusammen. Und diese Politik wurde von Sinowatz und Kreisky intensiv unterstützt. Nicht nur in den menschlichen Bereichen, wo Dissidenten unterstützt wurden und wo ihnen geholfen wurde. Also da waren Kirchschläger, Sinowatz und Kreisky ... sehr beteiligt und unglaublich hilfreich, dezent und effektiv. Und Kreisky hat ... nicht ein einziges Mal in irgendeiner Weise von dem Theater was verlangt. Obwohl er sich ja bei kulturellen Dingen oft sehr berufen fühlte, wie man weiß. Er hat ein einziges Mal eine Personalentscheidung mitbewirkt. Er hat gesagt, wenn ihr euch schon um die Tschechen kümmert, dann kümmert euch auch mal um Valter Taub. Das war ein berühmter tschechischer Schauspieler, mit dem Kreisky, in der Emigration war. Das haben wir getan, das war ein wunderbarer Schauspieler. Das war das Einzige. Sonst herrschte absolute Freiheit, im besten Sinne des Wortes. Und es gab in den entscheidenden Dingen immer Unterstützung. Die Unterstützung war damals für uns nicht immer begreifbar. Wir haben uns manchmal mehr erwartet. Ich habe einmal zum Kreisky gesagt, bei diesen Hetzkampagnen der "Kronen Zeitung", da muss man doch jetzt irgendwas machen, das kann man doch nicht immer alles hinnehmen. Da hat der Kreisky gesagt, ja ... das stimmt, da werden wir auch was machen, nämlich den Vertrag verlängern! Ja? ... Aus. Da gab's keine Proklamation und nichts, er hat gesagt, so, das geht weiter. So war das in all diesen sogenannten politischen Dingen. Es gab keinerlei Grund, gegen die Obrigkeit politisch aufzumucken. Was ja große Mode ist. Und damals auch große Mode war in Deutschland. Diese Mode wurde ja dann hier importiert. Dass man ständig ... den Revoluzzer-Geist gegen die Obrigkeit ... gepflegt hat. Das war sinnlos. Wir waren mit der Obrigkeit sehr ... sehr einverstanden. Natürlich nicht in allen ... Bereichen. Aber in den grundsätzlichen Dingen, ja. Das war diese Zeit, wo wirklich politisches Theater stattfand. Und zwar auf der Bühne. Und nicht bei Pressekonferenzen oder irgendwelchen Aktionen drum herum. Sondern auf der Bühne, im Spielplan, in Aktionen, in Gastspielen. Der Kreisky hat damals gesagt, Gastspiele kosten ja sehr viel Geld, diese Staatsgastspiele, die konnten ja nur aufgrund staatlicher Abkommen stattfinden, wegen der hohen Kosten. Und der Kreisky hat gesagt, wir fahren nicht wo hin, wo die Leute nach Wien kommen können. Wir fahren nur wo hin, wo die Leute nicht nach Wien kommen können. Daher waren wir in Ostberlin, in Leningrad, in Moskau. Und sogar in Prag. Äh, und in Bratislava. Und dort stand dann am Theater dran: Heute keine Vorstellung! Und in der "Rudé Právo" wurde gleichzeitig geschrieben, dass wir Kriegshetzer sind. Aber die Vorstellungen fanden statt und waren brechend voll, ja. Also diese sogenannte Ostpolitik, großmäulig so genannt, war sehr erfolgreich. Und ... hat uns auch Freude gemacht. Und das waren nicht Einzelne, das war nicht ich allein, das waren verschiedene Leute. Im Zusammenwirken vor allem mit dem Rowohlt Verlag. Dem Leiter des Rowohlt Theaterverlags, Klaus Juncker. Mit dem nicht mehr lebenden Rupi Weys, dem Sohn von dem berühmten Wiener Kabarettisten Rudolf Weys. Wir alle haben an dieser sogenannten Ostpolitik gearbeitet. Und das war, wie es heute genannt wird, "schick" in keiner Weise. Es wurde nämlich auch das angepöbelt. Also nicht nur postalisch von vielen ... meist Wienern mit tschechischen Namen, die sich dagegen gewandt haben, dass wir die tschechischen Dissidenten unterstützen. Das ist übrigens belegbar, also das ist keine ... leichtfertige Behauptung. Es gab ja auch Umfragen des IFES Instituts, die festgestellt haben, dass die Mehrheit der Bevölkerung gegen diese Unterstützung der Dissidenten ist. Weil das die kommunistischen Nachbarn unnötig gegen Österreich aufhetzt. Und da wird mehr Schaden angerichtet als Nutzen. Also es war nicht so wahnwitzig populär. Im Zentrum dieser Bemühungen, das war ja nur ein Teil des Konzepts für dieses Theater in diesen Jahren ... Das ist ja nicht ausschließlich ein Dissidenten-Konzept gewesen, es war aber ein wichtiger Teil, der unsere politische und moralische Grundhaltung deutlich zum Ausdruck gebracht hat. Im Zentrum war natürlich Václav Havel. Mit Václav Havel gab es ... sehr frühzeitig ... Kontakte. Zunächst vor allem über Rupi Weys, das war ein Dramaturg. Ein Studienfreund von mir, der dann Dramaturg war am Burgtheater. Der, ich weiß nicht, wie viele Sprachen sprach. Eben auch slawische Sprachen. Und ... das entwickelte sich ... immer weiter. Das ging natürlich hin bis zu Schauspielern. Ganz zentral war der Joachim Bißmeier, der die Vanek-Figuren vom Havel alle gespielt hat am Burgtheater. Wir wurden also in dieser Zeit, wie der ... Havel es selber genannt hatte, sein "Muttertheater". Die Slawen sagen ja nicht Vaterland, sondern Mutterland. Also er ... brachte zum Ausdruck, dass das Burgtheater in diesen Jahren sozusagen seine Heimat war. Ich selber habe ihn dann ... später oft gesehen, vor allen Dingen erfreulicherweise auch ... als Präsident. Also oft! Einige Male gesehen. Meistens im Ausland, weil in Wien war das nicht ... Wurde das Ganze ja nicht weiter zur Kenntnis genommen. Und als ich ihn in Prag besucht hatte, das war, nachdem er ... wieder von einigen Jahren Haft frei war. Das war für mich, abgesehen von der persönlichen Begegnung, ein Erlebnis. Weil wir wie Geheimdienstler dort ... tätig werden mussten. Wir sind ... Ich bin mit dem Dienstwagen mit dem Dramaturgen und Chauffeur dorthin gefahren. Und dann haben wir ein Programm gehabt für diese Reise. Das war Opernbesuch, den Fialka besuchen. Also lauter solche Dinge. Nur Havel nicht. In Wirklichkeit war das ein Scheinprogramm. Und ich hab den Havel vor allen Dingen ... ausführlich getroffen. Und das blieb ja alles nicht geheim, der war ja ständig unter Beobachtung. Wir haben also sehr lange Gespräche geführt, mit dem Bruss, das war und ist sein hervorragender Übersetzer. Ein Deutscher, der jetzt auch in Prag lebt. Und wir haben uns in einer ... heute würde ich sagen, Baracke an der Moldau, in der Nähe seiner ... Wohnung getroffen. Und da konnte man reden. Da lief aber die ganze Zeit das Radio so laut, dass man sich nur aus nächster Nähe verständigen konnte. Also es war sozusagen der sichere Ort. Und dann kam die Olga Havel und sagte, jetzt, heute sitzt keiner vor der Tür. Weil da hat die Geheimpolizei direkt vor der Tür gesessen. Bei der Wohnung. Nicht irgendwie diskret, nix! Vor der Tür! Und der Havel ist ja mit denen auch als Schwejk umgegangen. Der hat überm Schreibtisch in seinem Zimmer an diesem Engleski Kai, hat er aus der Wand ein Mikro rausgepopelt. Das hatte er entdeckt. Und ist damit zur Polizei gegangen und hat den Innenminister angezeigt. Eine reine Schwejk-Nummer. Die haben nicht gewusst, was sie mit der Anzeige machen sollen. Das ist natürlich irgendwie versandet. Und in der Wohnung haben wir uns eben über gewisse Dinge unterhalten. Um über andere zu sprechen, mussten wir uns auf den Weg machen zum Theater am Geländer, von dem Fialka, wo wir offiziell hingehen mussten. Da haben wir über die Kollegen in Wien gesprochen, von Pavel Kohout bis Landovský. In der Wohnung ging das nicht. Da war ein zweiter großer Raum, und da hat er gesagt, der ist mit Sicherheit total verwanzt, und das wollen sie auch. Weil sein Bruder dort Informatik unterrichtet. Der durfte nicht mehr an der Uni arbeiten. Und hat dort ... Studenten ... unterrichtet. Und die wollten, dass das verwanzt bleibt, weil der Staat überprüfen konnte, dass die nicht über Politik reden, sondern über Mathematik, ja? Also das war eine außerordentlich ... seltsame Atmosphäre. Und wir haben da erfahren, dass ... diese ... Tätigkeit für den Havel in Wien wichtig waren. Auch vom ORF, der viele Sachen aufgezeichnet hat und darüber berichtet hat. Dass die für den Havel ganz wichtig waren, weil das in die Tschechei hinübergestrahlt hat. Das heißt, er ist auch in der Tschechei durch Österreich, mit Hilfe auch vor allem des ORF, äh, ... sehr präsent gewesen. Obwohl nicht eine Zeile von ihm erscheinen durfte oder gespielt wurde, nicht wahr. Die Manuskripte der Stücke von Václav Havel hat eigentlich immer der Klaus Juncker, der Leiter des Theaterverlages Rowohlt, ... beschafft. Und das ging auf diplomatischen ... Kanälen. Direkt ging das nicht. Weil er ja ständig unter Begleitung war. Die haben auch die Schwejk-Nummer gemacht, wenn der Klaus Juncker nach Prag gefahren ist, um den Havel zu besuchen, dann hat er ihm Bücher mitgebracht vom Rowohlt Verlag. Die haben die Bücher hinten im Auto ins Rückfenster geklemmt, damit die Geheimpolizei, die hinter den beiden Wagen hergefahren ist, gleich die Titel lesen und notieren konnte, ja? Die waren denen auch etwas behilflich. Ähnlich wie es Havel im Stück "Audienz" ... persifliert hat, dass der Braumeister, der als Spitzel angesetzt ist, auf den Vanek, das ist der Havel, den bittet, doch die Arbeit selber zu machen. Er soll ihm einfach sagen, was er zu berichten hat. Und das haben die auch praktiziert. Also das war eine sehr seltsame Zeit. Na ja, die Ostpolitik von Kreisky war ja auch in der Diskussion. Generell. In der Zeit war es aber so, dass der Kreisky doch eine große Stärke hatte. In außenpolitischer Hinsicht. Und wohl auch innenpolitisch. Die Kulturpolitik war ein Terrain, wo die Opposition also ... trainieren konnte, sozusagen. Und das tat sie ausgiebig. Es war auch die ÖVP, die FPÖ sowieso, neben der "Kronen Zeitung" am Werk. Das alles, was wir da machten, wurde als kommunistische Zerstörung des Burgtheaters und der alten österreichischen Werte dargestellt. Das geschah offenbar auch als eine gewisse Ersatzhandlung für andere politische ... Bereiche. Weil sonst kann man sich diese Intensität, gerade vor Wahlkämpfen, nicht erklären. Und es ist ja richtig, es war vor Wahlkämpfen immer besonders ... arg. Äh ... dagegen sachlich vorzugehen, war ziemlich schwierig. Weil die anderen Zeitungen, die das nicht betrieben haben, diese Kampagne ... zwar die Kampagne nicht mit betrieben haben, aber geschwiegen haben dazu. Privat haben dann irgendwelche Kulturjournalisten gesagt, das ist ja unglaublich, das ist entsetzlich, so ein Blödsinn! Aber geschrieben haben sie es nicht! In der Öffentlichkeit war die Meinung über diese Kampagne ziemlich verschwiemelt. Die konnte man eigentlich nicht ... wirklich wahrnehmen. Obwohl es sie gab. Aber die Kollegen haben über Kollegen nicht geschrieben. Sodass wir in manchen Dingen aktiv werden mussten, vielleicht aktiver, als es vernünftig war. Das kann sein. Manche Leute, wie die Sigrid Löffler, die immer sehr ... für uns eingetreten ist, haben uns auch den Vorwurf gemacht, wir haben das zu wichtig genommen. Wir hätten das weniger wichtig nehmen dürfen. Das hätten wir auch getan, wenn es rings herum in der Öffentlichkeit sichtbar gewesen wäre, dass es wer wichtig genommen hätte. Das war aber nicht so. Und so haben wir vielleicht zu oft reagiert, Aussendungen gemacht oder ich weiß nicht was. Natürlich hab ich das dann ein bisschen verallgemeinert und mir mein Verhältnis mit der Presse endgültig vermasselt. Indem ich bei der Überreichung der Kainz-Medaille, wo der Lohner keine Lust hatte, und ich die Dankesrede halten musste, gesagt habe, dass es doch sehr fragwürdig sei, in Wien mit einem Preis ausgezeichnet zu werden, der von einer Jury von Wiener Kulturjournalisten verliehen wird. Auch wenn das ehrenrührig ist, ich bin so eitel und nehme das an. Das hab ich dort gesagt. Keine Reaktion darauf gab es in irgendeiner Zeitung. Die Frau Löffler schrieb in der "Zeit", Na, Sie werden schon sehen, wohin das führt. Das kommt alles mit Zinsen ... Es war dann natürlich auch so. Im Kern war dieses Missverhältnis zur, zur, zur Presse, das wir auch mit Ungeschicklichkeiten befördert haben, gar keine Frage, aber im Kern war es diese, nennen wir das so hochtrabend, Ostpolitik. Das war die Tatsache ... Da fühlte man nicht nur die westlichen Werte, sondern speziell auch die öster- reichischen alten Werte ... verletzt. Das sind Themen, die heute gar keiner mehr versteht. Ist keine Rede mehr davon. Heute kommt beim Wahlkampf das Burgtheater in keiner Weise vor. Das ist ja als Thema verschwunden. Das war damals aber hoch akut. Und da haben sich sehr viele Leute derartig ... bekleckert ... mit seltsamen Meinungen, oder mit Verschweigen, dass es ihnen peinlich war. Und die haben auch dafür gesorgt, wie der Schnitz... Die haben auch dafür gesorgt, wie der Schnitzler das mal genannt hat, dass alles der vorsätzlichen Amnesie ... zum Opfer fällt. Weil ihre eigenen Rollen dann auch nicht weiter diskutiert werden. Aber wie gesagt, der Kern war immer diese ... Ostpolitik. Die DDR-Nähe. Was natürlich völliger Blödsinn war. Die Stadt Wien hat eine große Rolle gespielt in der Zusammenarbeit, was das Jugendtheater betraf. Wir haben nämlich zum ersten Mal in der Geschichte des Burgtheaters Kindertheater gemacht. Und zwar nicht zu Weihnachten oder zu Fest- und Feiertagen, sondern ganzjährig. Und zwar nicht irgendwo auf der Nebenbühne, sondern im großen Haus und im Akademietheater. Mit allerersten Regisseuren. Und mit den ersten Schauspielern. Von Hilde Krahl bis Käthe Gold und Fritz Muliar. Äh ... Inge Konradi. Und das war Theater für Kinder. Das war natürlich ... natürlich nicht in der Weise, wie die linkslastige sonstige Spielplanpolitik, aber es wurde auch das mit einem Naserümpfen betrachtet. Von vielen Leuten, nicht von allen, es war ja sehr erfolgreich, wurde gesagt, das Burgtheater ist nicht für Kinder, es ist für die Elite, nicht für Kinder. Und in diesem Zusammenhang, was die Publikumsbetreuung und die Zusammenarbeit mit dem Theater der Jugend betraf, spielte die Stadt Wien eine große Rolle. Zu Wien kann ich nur sagen, dass ich eben für zwei Semester herkommen wollte, und ein Leben lang geblieben bin. Sicher nicht nur aus Trägheit und Zufälligkeit, sondern natürlich liegt in diesem ... lebenslangen Hierbleiben ein gewisses ... Bekenntnis. Und als ich wegging ... nach Zürich, zeitweise, da hat sich meine Zuneigung zu Wien erheblich vertieft. Vor allen Dingen, was die Kultur und die Kulturpolitik betraf. Weil bei allen Meinungsverschiedenheiten ist Kultur ... hierzulande, und insbesondere natürlich in Wien, ein Lebensthema ... für viele Menschen. Das Besondere an Wien in kultureller Hinsicht ist natürlich das generell reichhaltige Programm. Es ist sicher die musikalische Weltmetropole. Das ist gar keine Frage. Im Schauspiel ist das mal Wien und mal Berlin und mal Paris und mal ... Moskau, was weiß ich. Da ist das sicher nicht so monopolisiert. Das wechselt. Und das Schauspiel, der Schauspielbereich leidet ja unter diesen ... sportiven Aspekten ... im deutschen Sprachraum. Dass immer irgendwas Aufführung des Jahres, des Monats, oder irgend so was sein muss. Was Gott sei Dank in der Musik nicht stattfindet. Also der musikalische Bereich ist ... einfach globaler, das Schauspielerische ist ... natürlich ... wesentlich enger. Das ist einfach naturgegebenerweise so. Aber ... es ist nicht umsonst so, dass alle Leute gerne hier herkommen, und hier gerne arbeiten. Ganz simpel gesagt. Und das Publikum, das vielleicht ... sicher nicht das beste der Welt ist, aber es hat eine Eigenschaft, die, glaube ich, kein anderes Publikum der Welt hat. In Wien kann einem passieren, passiert einem sogar öfter, dass die Leute sagen: Haben Sie dieses oder jenes Stück, diese Aufführung schon gesehen? Und wenn du sagst, nein, das hab ich noch nicht gesehen, dann sagen sie: Das müssen Sie sich anschauen! Das ist furchtbar! Grauenhaft! Also hier empfehlen die Leute, auch als Gesprächsstoff, das, was sie grauenhaft finden. Und dann gehen die anderen hin und überprüfen, wie grauenhaft das ist. In Zürich z. B. ist das umgekehrt. Wenn da jemand sagt, das Stück find ich nicht gut, oder das liest, dann sagt man, da geb ich kein Geld für aus, da geh ich nicht hin! Wenn's in Wien richtig fürchterlich ist, muss man es gesehen haben. Das ist die Spezialität, da ist Wien, glaube ich, Weltmeister.

Archiv-Video vom 12.08.2014:
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Achim Benning (Theaterdirektor)

Wir und Wien - Erinnerungen Eigentlich ging der Plan schief : 1935 in Magdeburg geboren, inskribierte Achim Benning an der Universität von Braunschweig Germanistik und Geschichte. Im Verlagswesen wollte er sein berufliches Glück versuchen. Erfahrungen dafür wollte er im Rahmen von zwei Auslandssemestern in Wien sammeln. Doch aus den geplanten zwölf Monaten wurde ein ganzes Leben, das Achim Benning ganz dem Theater widmete - und so zu einer der bedeutendsten Theaterpersönlichkeiten Wiens wurde.

Länge: 55 Min. 25 Sek.
Produktionsdatum: 2013
Copyright: Stadt Wien

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Zum Frauentag holt die Stadt Wien zwei neue „große Töchter“ vor den Vorhang: Im Arkadenhof des Rathauses werden für Ingeborg Bachmann und Luise Fleck zwei Gedenktafeln in der Pionierinnengalerie enthüllt. Die Galerie stellt außergewöhnliche Frauen der Stadt, ihr Engagement, ihr Handeln und ihre Leben in den Mittelpunkt. Ingeborg Bachmann war eine heimische Schriftstellerin, die als eine der bedeutendsten Lyrikerinnen des 20. Jahrhunderts gilt. In ihren Werken widmete sich die Klagenfurterin Themen wie die Rolle der Frau in der männlich geprägten Gesellschaft oder den Konsequenzen und dem Leid von Kriegen. Sie verstarb 1973 in Rom, seit 1977 wird jährlich der Ingeborg-Bachmann-Preis verliehen. Luise Fleck war die erste österreichische und weltweit zweite Frau, die als Filmregisseurin und Produzentin Erfolg hatte. Sie führte bei mehr als 100 Filmen Regie und schrieb auch 20 Drehbücher. Besondere Bekanntheit erlangte sie in der Zeit während der Wende von Stumm- zu Tonfilmen. Sie starb 1950 in Wien. Die nun 30 Porträts der großen Töchter der Stadt können noch bis 31. März im Arkadenhof des Wiener Rathauses besichtigt werden.
Länge: 2 Min. 47 Sek. | © Stadt Wien / KOM

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