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Es ist schwierig, in meinem Alter über die Jugendzeit zu erzählen. Es ist halt so,weil es so weit weg ist. Geboren bin ich im Jahr 1928. Das war ein berühmter Jahrgang. 1928 geboren in Wien sind auch noch  Friedensreich Hundertwasser,Helmut Qualtinger, Alfred Hrdlicka. Lauter Granden der Kunst und Kultur. 28, das ist der 28er-Jahrgang. Geboren und aufgewachsen im zweiten Wiener Gemeindebezirk. Das war im Jahr 1928 noch ganz was anderes, als es jetzt ist. Nachdem ich also dann in die Volksschule ging, wir haben in der Gabelsbergergasse gewohnt, sind wir barfuß in die Schule gegangen. Das war wunderbar.Es war alles bequem, herrlich. Wir hatten nie Geld oder sonst etwas,aber wir haben uns wohl gefühlt. Nach der Volksschulzeit, das war dann das komische Jahr 1938. Da sind wir ... Mein Vater war Goldschmied. Als Goldschmied war er bei einer berühmten Wiener Firma, bei der Firma Klinkosch.Die hat herrliche Tassen gemacht. Und da mussten wir weg. Und dann bin ich mit meinem Vater,der die Arbeit verloren hat, nach Mährisch-Trübau. Tschechisch heißt das Moravská Trebová. Dort ist meine Mutter geboren,von dort kommt meine Mutter. Mein Vater hat gewechselt von der Firma Klinkosch  zur Firma Bibus. Das waren zwei große,europaweite Firmen. Dort bin ich dann in die sogenannte Oberschule  für Jungen gegangen. Kurze Zeit nur, weil dann hat mich meine Mutter, ich hab eine sehr ehrgeizige Mutter gehabt, aus Mähren, von Mähren wieder nach Wien geschickt, in die Gewerbeschule nach Mödling. Das war ein Riesenkasten.Der steht noch dort. Das war damals schon die größte Schule. Das war natürlich Kriegszeit,schöne Zeit für uns. Wir haben Prüfungen im Luftschutzkeller gemacht, weil in Wiener Neudorf waren große Nazifirmen. F.O. Werke hießen die,Flugmotorenwerke Ost. Und die haben die Amerikaner mit Bomben natürlich immer 'betreut'. Nach dieser Gewerbeschule in Mödling ... Da war Mödling schon Wien,aber ein Extrabezirk. Das hieß Wien 24. Ja, und danach haben wir also im Jahr 1944 die Schule beendet, die wurde zugesperrt. Dann bin ich wieder hinauf nach Mährisch-Trübau zu meiner Mutter, hab Praxis gemacht in dem Stadtbauamt. Das Stadtbauamt hieß Stavební úrad. Dort hab ich etwas Tschechisch gelernt, musste ich. Der Vater war weg, der ist in Kriegsgefangenschaft gewesen  und wurde in Linz entlassen. Da ist meine Frau nach Linz,äh blöd ... .. meine Mutter nach Linz und ich dann später auch, nach einem Jahr Aufenthalt in Mährisch-Trübau. Die Eigenart des zweiten Wiener Gemeindebezirks ... Wir haben dazu gesagt: Leo-pold-stadt, Leo-pold-stadt. Diese Leopoldstadt war eigentlich ärmlich, zum Unterschied von jetzt. Jetzt ziehen dort Leute ein,die Geld haben. Die bauen aus, Promis oder andere, und beleben die Leopoldstadt immer mehr und mehr. Das wächst sich zusammen zu einem wirklichen Wohnmusterbezirk. Der große Vorteil für uns war, von zu Hause konnten wir fußläufig in den Prater gehen  und dort hab ich sehr viel Zeit verbracht. Im zweiten Wiener Gemeindebezirk war der Prater das Ein und Alles. Und wenn wir am Sonntag in die Kirche gegangen sind, selten aber doch,sind wir in den Stephansdom gegangen. Das heißt, wir sind vom zweiten Bezirk zu Fuß in die Kirche. Das hat bei uns geheißen: "Gehst in die Kirche?"  Sind wir die Rotenturmstraße hinauf. Der große Nachteil dort war nur, dass dort in der Nazizeit auch Polizeistationen waren. Dort war die sogenannte Schupo,so haben wir dazu gesagt. Die Schutzpolizei mit diesen komischen Helmen, und die waren uns nicht gut gesinnt. Wir waren immer Rudel von Buben, und da haben die uns immer verfolgt und zurückgetrieben. Die wollten uns nicht,manche haben auch geprügelt. Das war die Zeit,als die Schupos schon da waren. Das war dann, na ja 1939,würde ich jetzt sagen, wie dann die schrecklichen Zeiten kamen. Und da bin ich weg. Unsere Schulzeit in der Leopoldstadt war herrlich. Weil wir haben, ich weiß nicht ... Gelernt, glaub ich,haben wir nicht viel. Es war eher lustig. Und wir haben noch so Schiefertafeln gehabt, auf denen wir geschrieben haben. Barfuß sind wir in die Schule gegangen, auf dem Pflaster. Das war alles Erlebnis der Jugendzeit. Möchte ich nicht missen, obwohl's natürlich eigenartig war und unterm Niveau. Das war's. Weil der erste Bezirk war ja für uns nicht erreichbar. Das Ende für uns im zweiten Bezirk war der Donaukanal  und dort war ein Holzboot, ein Schiff, das war ein Badeschiff. Dort waren wir immer baden. Ich hab immer Schimpfe gekriegt von meiner Mutter. Die hat gesagt: "Du bleder Bua,du kriegst den Wurm", weil das war Holz dort und von Hygiene keine Spur. Das war ein Schiff in der Alten Donau unmittelbar neben der Brücke. Das war meine Jugendzeit,also die Volksschulzeit. Ganz was Lustiges ist da auch noch passiert. Es hat dort mehrere Peichls gegeben,im zweiten Bezirk. Und durch Zufall gab's dort zwei Josef Peichl. Ich heiß eigentlich, im Taufschein steht's immer noch drin, Josef Peichl. Wir hatten einen Lehrer, der war,ich weiß nicht, ein komischer Bursch. Er war nicht unangenehm,aber eigenartig. Und dann waren am ersten Schultag zwei Josef Peichl. Da hat er gesagt: "Das geht nicht."  "Wie heißt du mit dem anderen Namen?"  Da ab ich schüchtern gesagt: "Josef Gustav". Sagt er: "So, aus!Ab heute bist du der Gustav Peichl, und der andere ist der Josef Peichl."  Das war der Sohn eines Uhrmachers. Und so kam ich zum Namen Gustav Peichl, den ich heute noch habe. In Dokumenten steht überall Josef Peichl. Originell genug. Passt aber in die Leopoldstadt und passt in die Volksschule. Die Erinnerungen an Wien sind ja bei mir unterbrochen, durch die Schulzeit in Mährisch-Trübau. Dann durch die Schulzeit in Mödling. Das gehört zwar zu Wien,aber war schon etwas anderes. Als wir in der Leopoldstadt waren, war es ja für uns wichtig,zu wissen, dass wir ... Wir waren ... Wir gehörten zu Wien,waren aber eigentlich nicht Wiener. Ich weiß nicht, warum das war. War das durch die Umgebung mit der jüdischen Bevölkerung, ich weiß es nicht. Aber wir waren ... Wir sind immer scheel angeschaut worden. Wir waren natürlich nicht ordentlich gekleidet. Wir waren fetzig gekleidet,einfach, aber doch. Sind immer zur Donau. Einmal hatte ich in der Leopoldstadt als kleiner Bub, ich weiß nicht wie alt ich da war,war kurz vor der Schule, Keuchhusten. Da hat der Arzt zu meiner Mutter gesagt:  "Da gibt's Medikamente,aber die helfen alle nicht."  "Sie nehmen den Buben und setzen sich an die Donau  aufs Bankerl und da wird's besser werden."  Und so erinnere ich mich noch:  Ich bin mit meiner Mutter auf Bänken an der Donau gesessen. Und das ist für mich ein Eindruck, die Atmosphäre der Donau,das fließende Wasser. Ein fließendes Wasser ist ja was ganz Tolles! Ein See ist auch gut,aber ein See ist langweilig. Der kann sich wohl verschiedener Witterung anpassen, aber fließendes Wasser ist ganz was anderes. Wenn ich heute in die Wachau fahre,die ich liebe, da wohne ich immer irgendwo,wo ich auf fließendes Wasser schau. Das muss man einmal ausprobieren! Die meisten Leute, glaub ich,merken das gar nicht, aber fließendes Wasser ist etwas ungeheuer Sensibles und Wichtiges, in einem kreativen Beruf sowieso. Ein Architekt,der auf fließendes Wasser schaut, wird ja animiert von dem fließenden Wasser  und von der Atmosphäre. Ja, und später als Architekt dann  bin ich in Linz in die Gewerbeschule weitergegangen, hab das fertig gemacht,die Gewerbeschule dort, hab Matura gemacht. Da waren wir schon normaler angezogen, das war im Jahr 1949,da war ich in Linz. Nach der Matura bin ich wieder nach Wien. Das war meine, ich nenn's dann,die 'Zweite Wiener Zeit'. Und zwar bin ich an die Akademie am Schillerplatz gegangen. Dort war Clemens Holzmeister,der Nobelprofessor, der tolle Mann. Hab die Aufnahmeprüfung gemacht und bestanden. Habe viele Kollegen kennengelernt, aus Salzburg, aus Vorarlberg,aus Tirol, aus Kärnten. Die haben sich alle in Wien an der Akademie getroffen, haben dort Architektur studiert. Meine Mutter hat geglaubt,ich werd Baumeister werden, wo ich so gut zeichnen kann. Bin kein Baumeister geworden,sondern Architekt. Und meine 'Dritte Wiener Zeit' hat dann begonnen, als ich ernannt wurde  zum Meisterschulleiter an der Akademie am Schillerplatz. Also, meine Schule Anfang 1950,1953 das Diplom  und nachher kurz gearbeitet,bei Roland Rainer zum Beispiel, und dann wurde ich Professor. Ich war 22 Jahre Hochschullehrer  an der Akademie der bildenden Künste in Wien, Meisterschulleiter, Ordinarius.Na, des war a Zeit! Aber das möchte ich nicht missen, weil Wien hat ja für Architekten etwas Tolles:  die Vergangenheit,der alte Städtebau. Und zwar der Städtebau, der so schon vor der letzten Jahrhundertwende, also im 19. Jahrhundert, begonnen hat mit dem Bau der Ringstraße und alles. Hat natürlich zu interessieren,besonders einen jungen Architekten. Und dann später waren wir begeistert,es waren ja mehrere Architekten, war ja nicht nur der Peichl ... Da war der Hollein. Seine Mutter stammte aus Zwittau bei Mährisch-Trübau. Also auch wieder eine Verbindung zu Mähren. Da waren wir dort dann begeistert an der Akademie, im Studium und im wissenschaftlichen Bereich. Und haben kennen,schätzen und lieben gelernt  die großen, tollen Leistungen des Roten Wien  der 20er und 30er Jahre. Da war der Breitner und all die berühmten Politiker. Die haben ja geschaffen,was weltweit berühmt geworden ist. Heute noch angesehen: Karl-Marx-Hof, Goethehof. All die großen Höfe wurden nachher nicht mehr erreicht. Nach 1945 wurde in der Stadt Wien ja von der Beamtenschaft  so auf sparsam gebaut und eher nicht gut, keine Qualität. Nur, man muss es wieder schätzen, es wurde Wohnraum geschaffen für viele Wiener, die vorher keinen Wohnraum hatten. So gesehen: interessant und wichtig. Aber kein Vergleich zu den architektonischen Leistungen  des Roten Wien der 20er und 30er Jahre. In der Gewerbeschule,in der Goethestraße in Linz, hatten wir alle kein Geld. Mein Vater ist in der Voest angestellt worden, als er von der Kriegsgefangenschaft heim kam. Meine Mutter hat den Haushalt gemacht, aber wir hatten kein Geld. Da hab ich gezeichnet und bin draufgekommen, dass, wenn man also zeichnet,und es gefällt den Leuten, kann man es verkaufen. Das waren Postkarten und so Zeugs. Viel verdient nicht, aber gut gelebt habe ich in der Besatzungszeit, also von 1945 bis 1955. Da waren in Wien,das weiß man ja, die vier Mächte, die hießen "Die großen Vier". Da hab ich schon Karikaturen gezeichnet. Schlanke Amerikaner,die hab ich den Russen verkauft. Dicke Russen mit vielen Uhren,das war damals ja die Story, das haben die Amerikaner mir aus der Hand gerissen. Ich war leidenschaftlicher Nichtraucher, bin es heute noch, aber damals hatte ich den großen Vorteil:  Es gab Raucherkarten,Rauchermarken hieß das. Da hat man so abschneiden müssen  und da hat man in der Trafik Zigaretten gekriegt. Und die Raucher,die wahnsinnigen Raucher, haben dafür Geld bezahlt. Ich hab das verkauft,weil ich Nichtraucher war  und hab relativ gut gelebt. Die Amerikaner haben mir dann auch Nylonstrümpfe gegeben. Ich hab nicht gewusst,was ich damit machen soll. Die waren beliebt bei den Mädchen und Frauen. Und das war meine Macht durch die Karikatur  oder durch die Zeichnung. War eine großartige Zeit.Schwer, schwierig, aber großartig. Die Zeit der Besatzungsmächte in Wien. Die vier im Jeep. Das war schon ein Thema für mich beim Karikieren. Es gibt in meinen Büchern die Zeichnungen von damals:  die Amerikaner, die Russen,eben die vier im Jeep. Für mich war das lustig, weil die Zeitungen haben sich alle schon dafür interessiert. Da war die "Arbeiterzeitung",eine großartige Zeitung. Da war der Franz Kreuzer nachher der Chefredakteur, vorher Pollak und die Großen. Dann war in Wien der "Kurier", der war unter amerikanischer Führung. Die "Weltpresse" unter englischer Führung. Die "Volksstimme" unter russischer Führung, beziehungsweise KPÖ. Dort habe ich meine Zeichnungen verkauft. Da bin ich hingegangen,habe viel gezeichnet. Ich habe damals zehn Zeichnungen genommen, bin hingegangen und dann haben die eine oder zwei genommen. Wenig bezahlt, aber immerhin.Ich hatte ein bisschen ein Geld. Heute ist es umgekehrt:  So viel kann ich gar nicht machen,was man mir abkaufen würde. Mit der Zeit reguliert sich halt die Nachfrage. Und mir hat's Spaß gemacht. Es war so ein Vergnügen,Russen zu zeichnen. Story: Der Wiener "Kurier" war für kurze Zeit  unter der Leitung von Amerikanern. Vor Hugo Portisch war ein amerikanischer Chefredakteur, der sehr gut Deutsch gesprochen hat. Ein junger Mann,ein ganz toller, intelligenter Mann. Der hat sich meine Karikaturen angeschaut und hat gesagt:  Russen, Russen, Russen,ich soll Russen zeichnen, für die Amerikaner, klarerweise. Bei den Russen gab es den Schlachtruf "Uhra, Uhra!". Das war wegen den Uhren. Und ich hab die ganze Zeit Russen gezeichnet für die Amerikaner. Die gibt's noch, die Karikaturen. Und da bin ich beim "Kurier" gesessen  und hab auch wieder Russen gezeichnet  und da haben die mich gefragt: "Wo wohnen Sie denn?"  Ich hab gesagt: "Im zweiten Bezirk". Und da sagt der:  "Aufpassen,das ist ein Russenbezirk!"  Und alles, was man spöttisch gegen die Russen gesagt hat, auch gezeichnet hat ... Die Russen haben Schüler in den Schulen rausgeholt, haben sie beschimpft,manchmal sogar verschleppt, weil die Russen an die Tafel gezeichnet haben. Das hat die russische Besatzungsmacht nicht verstanden. Die haben geglaubt,das ist alles russenfeindlich. Die haben ja Karikaturen in diesem Sinn nicht gekannt. Da hat mir der amerikanische Offizier gesagt:  "Das müssen wir ändern."  "Da können wir nicht 'Peichl' schreiben."  "Das ist viel zu gefährlich."  Das war grad die Zeit, wie die die Ottillinger verschleppt haben. Da bin ich dort gesessen,und er hat mir gesagt:  Ich soll ein Pseudonym machen. Vorher hab ich 'Peichl' gezeichnet. P-e-i, Pei, und i mit einem großen Punkt. Das hab ich gern gehabt, das hat den Leuten gefallen,hat mir gefallen. Ich war in der Schule schon ein begeisterter Lateiner  und wollte also originell sein. So habe ich dort in einigen Minuten  das Wort 'Ironimus' erfunden auf ironisch. Ich hab mir gedacht: Na gut,das mach ich halt jetzt für die Amis, kurze Zeit und dann ist das weg. Tja, 60 Jahre gibt's jetzt den 'Ironimus' schon, und er ist populär und berühmt geworden damit. So entstand das Wort 'Ironimus' als Schutz für Peichl, weil er im zweiten Wiener Gemeindebezirk, also im Russenbezirk, gewohnt hat. Ja, und dann kam die große Zeit für mich. Gerd Bacher, der Wahnsinnige,jeder kennt ihn oder kannte ihn, ist aus Salzburg gekommen  mit dem Gustav Canaval von den "Salzburger Nachrichten"  und hat den "Bildtelegraph" gegründet. Ein Blatt gegen den "Kurier". Im "Kurier" war der Hugo Portisch, im "Bildtelegraph" war der Gerd Bacher. Das war der große Zeitungskrieg mit Fritz Molden, mit der "Presse". Das war eine bewegte Zeit,natürlich auch für Zeichner. Ich hab ihnen täglich im "Bildtelegraph"  die Tageskarikatur gemacht. War sehr, sehr populär. Viele Leserbriefe gekriegt,und, und, und, und ... Gerd Bacher hat den "Bildtelegraph",wie man weiß, als Musterzeitung,kurz, aber doch geführt. Er wurde ja dann ernannt zum Generalintendant, das war 1967. Da saßen wir, ich muss das erzählen,weil das lustig war ... Da saßen wir in der Argentinierstraße, im obersten Geschoß. Das war die Privatwohnung des griechischen Konsuls Pappas. Und wir haben gewartet. Nebenan im Funkhaus wurde abgestimmt: Wer wird Generalintendant? Ich war dann schon mit tätig für diese Aktion ORF, und da wurde der Gerd Bacher Generalintendant. Hat niemand erwartet und wir standen da oben  und da kam die Meldung von drüben:  "Der Gerd, der Bacher,ist gewählt zum Generalintendanten."  Von ÖVP und von SPÖ. Und der Schulmeister, einer der berühmtesten Chefredakteure, der intelligenteste Mensch,den ich je kennengelernt hab, und von dem ich sehr viel gelernt hab, sagte zu mir:  "So, jetzt geh her!Wie spät ist es?"  "Jetzt zeichne für morgen,für die Zeitung, eine Karikatur:  Gerd Bacher, Generalintendant."  So. Was macht der arme Peichl? Ich hab gezittert vor Aufregung,war ein junger Bursch. Und ich stand am Fenster  und sah unten in der Argentinierstraße  ein großes Plakat. "Esso", die Firma Esso: "Tu den Tiger in den Tank."  Da hab ich mir gedacht,so was mach ich. Ich hab dann einen Kasten gezeichnet statt einem Tank  und habe darunter geschrieben: "Tu den Tiger in den Kasten."  Diese Karikatur ist die Erfindung des Tigers. Das war ein großer Erfolg, in der Presse und überall,im ORF natürlich. Und der Gerd Bacher, gewiefter Knabe wie er war,heute noch ist, hat den Tiger als Antwortkarte  zu den vielen Gratulationen verschickt. So haben alle in Wien dann,seine Freunde oder unsere Freunde, den Bacher nur den 'Tiger' genannt. Alle Journalisten haben dann nur vom 'Tiger' geschrieben. Das wissen die Leute dann. Alle Zeichner haben dann den Bacher als Tiger gezeichnet, und so wurde er der Tiger. Der kämpfende Tiger, der ja dann dreimal wieder gewählt wurde, wie man weiß. Nach den Zeichnungen "Bildtelegraph"  und nach meinen Zeichnungen "Besatzungsmächte"  war für mich natürlich die politische Karikatur wichtig. Das wollten die Redakteure von mir, und das habe ich mir auch irgendwie zu eigen gemacht. Ich habe als ersten Kanzler den Leopold Figl gezeichnet, sehr viel gezeichnet. Ich hatte großen Erfolg mit einer Zeichnung, da erinnere ich mich noch. Er wurde gerade Nationalratspräsident. Da hab ich eine Karikatur gemacht,die hat gestimmt, die hat geheißen:  "Am Weltmilchtag wurde Leopold Figl Nationalratspräsident."  Das war eine Sensation bei den Leuten, weil die wussten,dass der nicht Milch, sondern anderes getrunken hat. Der Leopold Figl war ein großartiger Mann. Ich lass da nix über ihn kommen,der Niederösterreicher par exellence. Ich habe dort sehr viele ... Figl, Raab, natürlich Pittermann,Helmer, die ganze Regierung  habe ich immer wieder gezeichnet. Das war eine Zeit, die natürlich für schreibende Journalisten toll war, aber auch für Zeichnende. Damals gab's ja dann schon viele Zeichner. Damals hat der Erich Sokol begonnen,ein großartiger Zeichner! Seine Sammlung haben wir im Karikaturmuseum Krems, das ich gebaut habe. Dort gibt's jetzt die Sokol-Arbeiten,so wie die Deix-Arbeiten. Ja, das war meine Tätigkeit für die Politik. Interessant war, erwähnenswert, dass meine Frau,die ich kennengelernt habe  bei ihrer Maturafeier in Klosterneuburg ... Die hat mir gefallen, war halt so ein bisschen oberflächlich, aber doch eine Beziehung. Und die wurde dann ins Sekretariat des Julius Raab geholt. Dort war sie irgendeine Tippse,haben wir damals gesagt. Das war halt so. Dort hat sie sehr viel erlebt und mir erzählt. Unter anderem ...Das hab ich ja auch mitgemacht, weil ich hab den Raab dann kennengelernt  und der hat mich mögen. Ich hab noch Autographe von ihm, wo er draufschreibt: "Dem wackeren Zeichner HIRONIMUS". Hat er geschrieben, mit der Feder.Das sind alles Unikate. Er hat dort als Bundeskanzler einen Empfangstisch gehabt  und hat viele ausländische Gäste schon immer eingeladen. Die haben ihn dort besucht. Er hat selbst alle Karikaturen ausgeschnitten, wo er vorgekommen ist. Ausgeschnitten und unter die Glasplatte am Tisch gelegt  und hat sie immer gezeigt. Er hat ja wenig geredet  und hat nur immer Gesprächsstoff geliefert. Das hat er denen gezeigt  und hat dann immer über Karikaturen geredet  und dabei vom HIRONIMUS gesprochen.Das war herrlich! Und das war natürlich populär. Auch die ausländischen Journalisten,die da waren, haben das dann immer gesehen. Und so wurde der Name Ironimus und die Karikatur populär  in der Presse. Ich hab ja alle Kanzler bis heute gezeichnet. Also, die Regierung hab ich immer gezeichnet - alle. Ich erinnere mich noch an den Helmer, Pittermann. Ein großartiges 'Opfer',unter Anführungszeichen, war für mich die Hertha Firnberg. Das war eine großartige Person. Es hat immer geheißen in Wien, die Firnberg ist der tüchtigste Mann in der Regierung. Nach den Politikern,die also installiert waren, da ist schon der Kreisky aufgetaucht. Die erste Zeichnung von mir:  Kreisky, da war er Staatssekretär im Außenministerium, war mit in Moskau,hat den Staatsvertrag gebracht -  mit dem Julius Raab. Da gibt's viele, viele Karikaturen zu diesem Thema. Und das war für Karikaturisten, wie auch für die schreibende Zunft,das Thema: Staatsvertrag. Die Besatzungsmacht war dann aus,1955 sind die dann weg. Da hab ich Zeichnungen gemacht, die sind in der ganzen Welt erschienen. Die "Times", die "London Times", hat das erste Mal eine Karikatur gebracht. Überhaupt. Auf Seite eins,das war ein Nachdruck:  "Ironimus aus der Presse". Da sind die Russen weg,man sieht wie sie weggefahren sind, und die Österreicher haben alle Freudentränen gehabt  und das war also ... "Schmerzvoller Abschied" hieß das dann. Heute noch sehr populär,kommt in allen Büchern vor. Und damit ist die Wiener Karikatur  durch den Erich Sokol,durch Angerer oder Machek, das waren ja lauter Zeichner, eigentlich international populär geworden. Die Deutschen haben aus der "Presse"  sehr viele Karikaturen nachgedruckt. Aus Österreich. Dadurch ist die Karikatur in Deutschland, das ist wirklich erst nachher gekommen, auch populär geworden. Heute hat jede Zeitung,die was auf sich hält, Stammkarikaturisten. Einen oder mehrere,so meine "Süddeutsche Zeitung". In Wien hat ja jede Zeitung jetzt Karikaturen, das gehört einfach dazu. Ich glaube ja,dass die Karikaturisten, das war damals schon so in der Besatzungszeit, die eigentlichen Aufdecker und Sichtbarmacher sind. Heute ist es anders. Heute werden immer anonyme oder geheime Papiere gekauft  oder verscheppert und an die Zeitungen weitergegeben. Da gibt's Politiker, die haben ganze Sammlungen von vertraulichen Papieren:  aus der Justiz,aus dem Innenministerium. Niemand weiß, wie das geht,aber es geht halt, wie wir wissen. Und ich bin der Meinung,ich behaupte, die wahren Aufdecker und Enthüllungsjournalisten  sind die Karikaturisten,weil die machen sichtbar:  auch die Wiener Politiker,alle Politiker. Ich kann mich noch erinnern:  Den Marek hab ich einmal gezeichnet,auf einem Esel reitend. Ui, da hab ich Kritik gekriegt aus der Stadt Wien. Das war halt dann die Diskussion. Beim Helmut Zilk sowieso,der war ein Hüne in der Karikatur. Bruno Kreisky. Die politische Karikatur war ja durch Bruno Kreisky geprägt. Uns in Wien war wichtig,dass Karikatur in den Medien, auch im Fernsehen, sehr vorkommt,gut vorkommt. Ich wurde dann eingeladen von den Redakteuren im ORF, für den Heinz Conrads zu zeichnen. Heinz Conrads hatte eine sehr populäre Sendung. Das war ... "Guten Abend am Samstag",glaub ich, hieß das. Der ist aufgetreten - jeden Samstagabend. Der war der populärste Österreicher. Wurde von vielen belächelt und bekrittelt, war aber ein großartiger Fernsehmann, und für den hab ich gezeichnet. Dann hab ich den Auftrag gekriegt,eine eigene Sendung zu machen. Da war Bacher schon Generalintendant, und ich hab die Ironimus-Sendung zu Jahresende immer gemacht. Das war an Silvester,das war Pflicht für viele Menschen. Heute treff ich noch auf der Straße oder in Gesellschaft irgendwo Leute, die sind, weiß ich,um die 50 und sagen mir:  "Mein Gott, Peichl, ich erinner mich,als ich ein Bub war, hab ich's sehen dürfen."  "Das Einzige, was mir meine Eltern erlaubt haben zu sehen, war die Ironimus-Sendung am Silvesterabend."  Zwölf Jahre hab ich die gemacht. Heute treff ich manche Leute,die kommen und sagen:  "Ah, schön, dass ich Sie seh, wie geht es Ihnen,was machen Sie denn?"  Und dann sagen sie:  "Ich freu mich schon so auf Silvester, auf die Ironimus-Sendung."  Dabei mache ich die schon zehn Jahre nicht mehr. Aber das war populär. Da war Fernsehen ganz was anderes als heute. Das hat sich gewandelt. Kurz nach dem Krieg, also nach 1945,gab es ja ... Mangel an Politikern. In beiden großen Parteien und natürlich auch in der KPÖ. Die war ja noch, die ist ja erst dann rausgeflogen aus dem Parlament. Der Mangel an Politikern war so stark, dass jeder, der eine Regierung gebildet hat, auch Bruno Kreisky, gesucht hat nach guten Ministern,Staatssekretären. Natürlich waren dann sehr viele dabei, die eine Nazivergangenheit hatten. Wir kennen das alles. Die Geschichte bis zu Waldheim,das ist das Peinlichste, was war. Viele andere Politiker aber waren auch Nazis, wurden als Minister,als Staatssekretäre, als hohe Parteibosse angeheuert. Dann ist man draufgekommen, dass die eine Vergangenheit in der Nazizeit hatten, und die mussten wieder weg. Das war so die sehr, sehr schwierige Zeit. Bruno Kreisky war aber auch hier ein ganz toller Mann. Der hat den Friedrich Peter,man kann zu ihm stehen wie man will, zum Vizekanzler gemacht. Friedrich Peter war natürlich Nazi oder in der Nazizeit tätig. Das war bei uns äußerst unangenehm,weil wir, die Jungen, hatten ja nix am Hut mit den Nazis.Eher im Gegenteil. Wir haben nicht gewusst,wie wir uns verhalten sollen  und waren natürlich skeptisch dem gegenüber. Das ist auch in der Kunst so gewesen. Der Boeckl war Rektor der Akademie der bildenden Künste, als ich dort war. Großartiger Maler,kommt aus Kärnten. Und kursiert sind bei uns dann Fotos: Boeckl mit der Hakenkreuzbinde. Damit war er natürlich bei uns in einem komischen Licht. Wir wussten aber,dass das Leute waren, die aus verschiedenen Gründen,egal wie, ob in der Stadt Wien,ob im Bund, im Nationalrat  oder im Bundesrat tätig waren,dass die dort in der Nazizeit  nichts am Hut hatten mit Nazi-Ideologie. Aber sie waren halt Mitglieder in der NSDAP, in der SA oder in der SS. Das hat sie natürlich sehr getroffen und auch uns Junge. Wir konnten damit nichts anfangen, wussten aber,dass es peinlich war für die, ahh ... Fronten wurden aufgebaut, klar. Parallel zu meiner Tätigkeit als Karikaturist  hab ich nach Absolvierung der Akademie der bildenden Künste, also im Jahr 1953, mit Diplom natürlich den Architektenberuf gepflogen. Heute noch. Ich liebe diesen Beruf. Es gibt keinen interessanteren und keinen schöneren. Da hab ich das Glück gehabt, erstens bei Clemens Holzmeister zu lernen, dann von Roland Rainer geholt zu werden. Ich hab beim Roland Rainer gezeichnet an der Wiener Stadthalle. Die Pläne gibt's noch,wie der Peichl liniert hat. Das wurde sehr geliebt,vom Rainer und den anderen Kollegen. Dann hab ich natürlich entdeckt,dass es wichtig ist, eine Architektur zu pflegen, die in der Nazizeit verschüttet wurde. Weil die Nazis sind ja mit Architektur sehr schlecht umgegangen. Außer der großen Albert Speer mit den Riesenbauten, das ist schon klar. Aber die richtige Architektur,der 20er, der 30er Jahre, die aktuelle Architektur  der ersten Dezennien unseres Jahrhunderts in Wien ... Da war der Adolf Loos,da war der Josef Frank. Das waren ja Granden mit toller Architektur! Die haben wir gepflegt, und da hab ich mich dann auf Loos spezialisiert, auf Josef Hofmann,viele Bücher geschrieben darüber. Und ich habe Aufträge erreicht. Die erste Aufgabe habe ich  von einem Wiener Stadtrat Mandl bekommen. Da hab ich an einem Wettbewerb teilgenommen. Dort hab ich den zweiten Preis gemacht. Da musste der Erste gebaut werden,klar. Ein Jahr später ist der Mandl gekommen und hat gesagt:  "Der Peichl hat einen zweiten Preis,der soll eine Schule bauen."  Eine kleine Schule hat mir den Auftrag gegeben:  die Schule in der Krim. Das ist heute ein Musterbeispiel einer Volksschule. Mandl war ein großartiger Mann,kulturpolitisch, wunderbar. Ja, das war praktisch das erste Bauwerk in Wien. Ich hab gewohnt am Opernring, da bin ich eingezogen 1955. Staatsvertrag und Peichl am Opernring - mit meiner Frau. 1957 geheiratet,so lang schon verheiratet! Und dann war's so,dass ich mir gesagt hab, mir ist es zu klein. Jetzt hatte ich bereits zwei Kinder. Dort am Opernring, das war winzig, hab ich aus dem Opernring mein Büro gemacht  und hab einen Baugrund gesucht. Ich hab in Grinzing eine alte Weinhauerparzelle gefunden. Diese Weinhauerparzelle hab ich sehr günstig kaufen können, weil niemand hat sich getraut,darauf zu bauen, weil es so schmal war. Dort konnte man nicht ordentlich drauf bauen, sondern nur sehr schmal. Da hab ich ein Haus gebaut mit fünf Meter Breite. Fünf Meter und kleine Anbauten. Das war mein großes Glück als Architekt. Hätte ich viel Geld gehabt,das ich nicht hatte, und hätte ich ein großes Grundstück gehabt, hätte ich wahrscheinlich eine kitschige Villa gebaut. Es ist alles an mir vorbeigegangen. Die Bauordnung hat mich begrenzt mit den Baulinien. Das Geld hat mich begrenzt. Ich weiß es heute noch,meine Frau und ich  haben Kredit geholt auf der Bank mit dem Köfferchen, haben gezittert. Ich weiß das alles genau,das sind Eindrücke. Das hat 550.000 Schillinge gekostet,das ganze Haus. Das war toll. Einfach. Weil ich natürlich auch geschaut hab, in den Materialien einfach und preiswert zu sein. Das war mein großes Glück. So ist das Haus jetzt eine Ikone, wird angesehen als Musterbeispiel der 60er Jahre. Und bin eingezogen in Grinzing 1963. Ich habe drei Jahre gebaut, und seither hat sich Grinzing natürlich sehr verändert. Dann wurde ich beauftragt,einen Grinzingplan zu machen. Den hab ich gemacht mit einem großen Team  von Architekten, Soziologen,Städtebaufachleuten, Gärtnern, und leider wurde es nachher nicht mehr berücksichtigt. Da sind die Investoren gekommen,haben überall aufgekauft, haben aufgestockt,gegen die Bauordnung. Haben es sich gerichtet. Wenn Freundschaft baut,dann schauen die halt, dass eine Gewinnmaximierung entsteht. So ist Grinzing halt weitgehend architektonisch ruiniert worden. Wir lieben Grinzing immer noch, weil Grinzing ist etwas Wichtiges für Wien, so wie Neustift,ich kann nicht alle aufzählen ... Das war meine Tätigkeit für Wien. Gemeindebauten, Wohnbauten hab ich keine gemacht. Die haben wir alle abgelehnt, weil die Beamten dort wollten so komische alte Wohnungen bauen, und das wollten wir nicht. Wir haben gesagt: Die großen Leistungen des Roten Wien  waren in den 20er, 30er Jahren,heute gibt's das nicht. Aber Nachholbedarf war da,nach 1945. Klar, waren ja keine Wohnungen da. Da hat Wien sehr viel gebaut, aber halt qualitätsmäßig lang nicht mehr so gut wie vorher. Ein junger Mann namens Stumpf kam zu mir. Der war 20 Jahre alt. War Sohn eines netten, guten,tüchtigen Baumeisters Stumpf. Kam zu mir und sagt,er will ein Hochhaus bauen. Sag ich, ja bauen S' nur - mit 20 Jahren. Er war ein junger, tüchtiger intelligenter Bursch. Sagt er, er will von mir ein Hochhaus gebaut. Sag ich, na gut,wie wollen Sie das finanzieren? Er: "Ich mach das schon."  Wir haben alle gesagt, der flunkert,der ist ein Schmähführer. Wir haben gezeichnet im Büro. Ich hab zu meinen Mitarbeitern gesagt:  "Machen wir's halt."  "Wir wissen eh,dass es nie gebaut wird."  "Der kann das gar nicht,der hat weder Geld, noch ..."  Aber er hat mich blamiert. Er hat unsere Pläne dann durchgesetzt, zusammen mit zwei anderen Architekten, mit meinem Partner Rudolf Weber und mit dem Boris Podrecca, ein sehr guter,österreichischer Architekt. Wir haben den Millenium Tower dann für den jungen Stumpf gebaut. Wie er es gemacht hat,wissen wir heute noch nicht. Jedenfalls wissen wir,dass er heute ein Multimillionär ist. Und der Millenium Tower ist sehr angesehen, weil er herrlich,schön und schlank ist. Im Unterschied zu anderen Breithäusern in Wien  ist das ein schlankes Hochhaus und hat mir viel eingebracht. Gleichzeitig war es für mich natürlich wichtig, internationale Wettbewerbe zu machen. Ich wollte ja für die Kultur bauen. Ich war ein sogenannter Kulturmensch nach der Akademie. Da hab ich einen Wettbewerb gewonnen,den Ersten gewonnen. Die ORF-Landesstudios hab ich gebaut:  Salzburg, Innsbruck,Linz und Dornbirn. Später noch Graz und Eisenstadt. Das hat mich international bekannt gemacht. Es war ein origineller Entwurf und sehr angesehen. Und gleichzeitig habe ich in Bonn,da wurde ich eingeladen, einen Entwurf für die Bundeskunsthalle gemacht. Da hab ich den ersten Preis gemacht  und hab dann die Bundeskunsthalle gebaut. Helmut Kohl, mit dem ich mich in seinem Wahlkampf  angefreundet habe,weil ich hab ein Buch gemacht, das hieß: "Der schwarze Riese" ... Aber die Wahl hat er verloren, nicht des Buches wegen,aber überhaupt. Dann hab ich Bonn gebaut, die Bundeskunsthalle war ein großer Erfolg, habe viele Einladungen von überall bekommen. Hab dann in Frankfurt das Städel gebaut, in München die Kammerspiele. Das war der internationale Durchbruch für meine Kulturbauten, die ich halt gemacht hab im Laufe der Zeit. Die 60er Jahre sind ja populär. Da waren die Hippies und dann später die sogenannten Altsechziger. Ich habe nie dazugehört. Ich war da immer ein Einzelgänger. Fleißig war ich immer,muss man sein. Ich glaube, im Architektenberuf:  Talent ist gut, Begabung ist gut,aber beides ist zu wenig. Man muss fleißig sein,dann bekommt man etwas weiter. Was ich aber in Wien miterlebt habe, das war eine schöne, große Zeit für mich  als junger Student an der Akademie. Das war die Zeit des Strohkoffers,des Art Clubs. Ich hab mich angefreundet  mit dem Hundertwasser,mit Moldovan, mit all diesen Leuten. Wir waren immer eine Clique,hat man damals noch gesagt. Heute heißt das Seilschaft,das ist was anderes. Die Seilschaft ist eher was Unangenehmes. Da hilft einer dem anderen und die schauen nicht auf Qualität, sondern nur auf Gewinnmaximierung. Damals waren wir also im Strohkoffer so eine Gruppe. Die sind alle eigentlich großartige Leute geworden in Wien. Da war der Mikl, der Hollegha,der Arnulf Rainer, Hundertwasser, schon erwähnt,Moldovan, schon erwähnt  und viele, viele andere auch. Die haben für Wien etwas ganz Tolles gemacht. Parallel dazu gab's eine Gegenbewegung vom ... Wie heißt denn der? Ha, ha, fallt mir jetzt nicht ein, aber das gehört zu meinem Alter,dass einem Namen nicht einfallen. Das war dann die sogenannte Wiener Schule. Da waren der Hutter, der Hausner  und die Granden auf Technik der Malerei. Das war also die Wiener Schule,an der Akademie ansässig. Dann war die dritte Bewegung in Wien sehr wichtig:  Monsignore Mauer,Galerie Sankt Stephan. Da hieß es noch nicht "Nächst Sankt Stephan". Das musste er erst machen,weil die Kirche ihm untersagt hat, dass das "Galerie Sankt Stephan" heißt. Dort haben die Leute also Großartiges geleistet. Auf diesem Gebiet sind die international erfolgreich geworden. Arnulf Rainer ist heute der europäische Maler schlechthin  oder Avramidis, Bildhauer, Wotruba, mit dem ich schon an der Akademie war, großartiger Bursch. Das war das kulturelle Wien,das immer wichtig war. Wien ist ja eine der eigenartigsten Städte, die es überhaupt gibt. Eine ungeheure Qualität,Lebensqualität heute, erarbeitet von den Wienern. Der Wienerwald daneben,die Innenstadt. Der Maßstab, es ist so klein,dass man es übersieht. Wien hat ein Zentrum. Das ist von der Staatsoper bis zum Stephansplatz, die Kärntnerstraße und ringsherum die Wiener Altstadt. Das ist das Positive dran, wenn man heute in Wien herumgeht in der Innenstadt, sind die meisten Leute bekannt. Da kommen die Touristen und schauen: na ja, die Wiener. Es gibt ja einen Ausdruck in Deutschland. Ich bin dagegen,aber man muss ihn zitieren, weil die reden so. "Wien ist etwas Wunderbares,wenn nur die Wiener nicht wären."  Ich bin nicht dieser Meinung,weil der sogenannte raunzende Wiener, der kreative Wiener,der Wiener des Stegreifs, der Wiener der Improvisation  ist etwas Großartiges auf dem Gebiet der Kunst und Kreativität. Ich hab ja viel in Deutschland gebaut. In Berlin und in München, Frankfurt. Und immer,wenn ich aus Wien gekommen bin, mit meinen Plänen,haben sie es sich angeschaut, die Baubeamten,die Architektenkollegen. "Toll, die Wiener Zeichner!"  "Wunderbar,wie das alles gezeichnet ist."  Dann haben die immer wieder gefragt: "Ja, warum ist das so?"  Sag ich: "Ich kann nicht argumentieren."  "Ich will das so,das fällt mir ein, das ist so."  In Deutschland muss man alles argumentieren:  Warum ist das rund,warum das eckig, warum ist das hoch,warum das niedrig? Das ist der Unterschied  zwischen der deutschen Architektur und der österreichischen. Wir sind Stegreifmenschen, machen die Sachen aus dem Bauch heraus. Wir zeichnen's auf,wir machen's und es ist erfolgreich. Deutschland hat großartige Architekten, großartige Bauherren,aber es muss alles berechnet sein. Es muss alles stimmig sein. Man muss es nachprüfen können. Das wollten ich und auch meine Kollegen alles nicht, und das ist der große Unterschied zwischen der Wiener Kreativität  und der deutschen oder internationalen Kreativität. Nicht umsonst sind die größten Architekten in Amerika, gibt ja tolle,Frank Lloyd Wrigth zum Beispiel. Die meisten sind entweder aus Wien gekommen oder sind Wiener  oder sind Deutsche oder sind Tschechen. Das kann man nachvollziehen. Na ja, die Donauinsel,die heute bebaut ist, zum Vorteil der Wiener,weil die genießen das ja dort, oder die Touristen, ist durch die Ansammlung der Hochhäuser anders geworden. Man kann auf der Donauinsel nicht flanieren, man kann nicht spazieren gehen,man kann dort auch wenig sitzen. Früher waren da die Liebespaare,das hat eine Rolle gespielt. Es war viel einfacher. Heute sind entweder Tiefgaragen,Abfahrten, Auffahrten, oder es sind große Plätze. Aber die Natur, also die Bäume, der Rasen,das spielt alles wenig Rolle. Es wird alles verpflastert und versiegelt. Die neue Stadt,die jetzt in Aspern gebaut wird, erst in zehn oder zwanzig Jahren, ist ein falscher Städtebau. Weil man nicht mehr Rücksicht nimmt auf den Menschen. Le Corbusier hat einmal gesagt:  "Der Mensch ist das Maß aller Dinge",und das vergisst man heute. Heute ist das Auto, heute ist die Ausnützung durch die Investoren so vordergründig. Und das ist eigentlich zum Schaden des Erscheinungsbildes der Stadt. Der Prater wird auch verwüstet mit technischen, komischen Sachen. Früher, als ich als Bub im Prater Brezel verkauft hab, zum Leidwesen meiner Mutter ... Ich durfte das nicht,hab's aber trotzdem gemacht. Da war das noch alles ... Das Venedig in Wien, ich erinnere mich,das war alles ... sinnlich. Es hat alles eine Sinnlichkeit gehabt, im positiven Sinn. Das gibt's heute nicht. Heute werden die Touristen hingetrieben, die machen Riesengeschäfte dort mit ihrem technischen Zeugs. Noch höher und noch schneller. Das Riesenrad war ein Ereignis für uns. Das Riesenrad geht heute unter bei all den anderen Sachen. Also, es ist schon ein Wandel eingetreten. Und da muss die Stadt Wien, da müssen die kreativen Bewohner der Stadt Wien aufpassen, dass sich das nicht verschlechtert,sondern sich eher verbessert. Durch Städteplanung,durch Umweltplanung, durch positive Architektur,maßstäbliche Architektur. Jene Räume,die noch erhalten sind ... Zum Beispiel gehe ich sehr gerne durch den Stadtpark, flaniere da durch. Da gibt's noch etwas. Das Strauß-Denkmal auch,aber da gibt's noch etwas. Oder zwischen Ballhausplatz und Burgtheater. Da durchzugehen,wo der Theseustempel steht, das sind Ereignisse,wo man da durchgeht. Nur, ich geh allein gern da durch und treff Leute dort. Ich hab ja nix dagegen,wenn ich jemand treffe, aber lieber ist mir,ich treff die nicht. Und die Touristen, die das bevölkern,die kapieren das alle nicht. Die sehen das alle nicht. Und die erogenen Zonen in der Umgebung Wiens. Der Wienerwald, also das ist ja,das gibt's ja nirgends sonst. Es gibt keine Großstadt, die in der Nähe so tolle Gebiete hat wie Wien. Gibt es nicht. Von meiner Wohnung in der Himmelstraße  gehe ich zehn Minuten und bin im Wald, im Wienerwald. Ich geh drei Minuten bei der Tür hinaus  und bin in einem Weinberg,wo der herrlichste Wein wächst, der jetzt wieder gepflegt wird,und der ja gut ist. Der bringt ja etwas. Nicht nur der Wein,wie er getrunken wird, sondern wie er wächst. Ich erlebe ja,wenn ich beim Fenster rausschau, und das ist ein Tick von mir ... Ich möchte jedes Haus, das ich bau, so bauen,dass man sich drinnen wohlfühlt, aber dass man das Außen,das nebenan ist, hereinzieht. Ich freue mich: Anfang März kommt die Forsythie. Die herrlichen gelben Blüten. Da freu ich mich schon drauf,wenn ich dann früh aufsteh. Kommt es schon in Blüte,ist schon sehr viel? Und dann kommen die Schneeglöckerl,all diese Sachen. Das ist wichtig! Und das sind alles für mich sinnlich notwendige Ereignisse. Der Wechsel der Wiener Bezirke hat in den letzten Dezennien  große Fortschritte gemacht. Nicht nur zum Vorteil. Verkehrsmäßig wurden viele Bezirke und Straßen zerstört. Verkehrstechnisch überladen mit Autos. Auto war ein Fetisch,es hat sich ein bisschen gewendet. Jetzt sind es die Fahrräder,die sind genauso schlimm. Der große Wechsel  der letzten Dezennien war das Städtebauliche. Leider gibt es in Wien heute wenig oder keinen Städtebau. Man macht große Projekte. Der ganze Wienerberg ist eine Fehlplanung. Der zweite Bezirk am Donaukanal:  ein komisches schiefes Haus neben dem anderen. Nicht mehr die Tradition des guten Wien  der letzten Hälfte ... .. oder der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Der Wandel bei den Menschen ist natürlich auch, weil sich der Zeitgeist ja so ändert. Es ist ja alles anders.Ich sag nicht schlechter. Ich gehör nicht zu den Leuten, die sagen, früher war alles besser,weil es ja gar nicht stimmt. Es war anders. Der heutige Zeitgeist wird von etwas anderem gepflegt. Nicht mehr von der ... Sinnlichkeit des Einzelnen. Nicht mehr von der Kreativität des Einzelnen. Jetzt sind es immer Pulks,die etwas planen oder etwas bauen. Jetzt sind es die Investoren,die die Vororte Wiens, Grinzing, Neustift, alle bebauen mit wirklich schlimmen Sachen. Die Bauordnung erlaubt alles,der Denkmalschutz ist schwach, die setzen sich nicht durch. Es wird alles verpolitisiert - und das ist alles schlecht. Aber der Wiener in seiner Kreativität, meine ich, ist nach wie vor unübertroffen. Ich war ja überall. Ich bin Ehrenmitglied in London,der Akademie in Hamburg, in Boston, in Harvard war ich. Die Kreativität des einzelnen Wieners, die kann man ja nicht umbringen. Das sieht man ja an den vielen Schauspielern, Schriftstellern, Architekten,Malern, Bildhauern, die aus Wien kommen und die von Wien  die Kultur in die Welt tragen. Die Kulturbotschafter Österreichs  sind die Künstler,nicht die Politiker. Das ist ein gutes Schlusswort.

Archiv-Video vom 12.08.2014:
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Gustav Peichl (Architekt/Karikaturist)

Wir und Wien - Erinnerungen Gustav Peichl wurde am 18.März 1928 in Wien geboren und besuchte später die Oberschule im heutigen Tschechien. Bis zu seiner Übersiedlung nach Linz im Jahr 1947 arbeitete er als technischer Zeichner am Stadtbauamt in Mährisch - Trübau. Zu dieser Zeit veröffentlichte er bereits humoristische Zeichnungen in diversen Zeitungen. Nach Abschluss der Matura 1949 praktizierte Peichl bis 1952 im Linzer Architekturbüro Zellinger - Perotti und war anschließend als Mitarbeiter im Atelier von Professor Roland Rainer tätig. Parallel studierte er an der Akademie der bildenden Künste in Wien bei Clemens Holzmeister. Zwei Jahre nach seinem Diplom eröffnete er 1956 mit 27 Jahren sein eigenes Architekturbüro.

Länge: 52 Min. 40 Sek.
Produktionsdatum: 2013
Copyright: Stadt Wien

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Länge: 2 Min. 47 Sek. | © Stadt Wien / KOM

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