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Mein Name ist heute Ingrid Turkovic-Wendl. Ich bin geboren als Ingrid Wendl in Wien. Bin ... im 19. Bezirk geboren. Und wahrscheinlich dann im 3. Bezirk aufgewachsen, was ich nicht mehr in Erinnerung hab. Meine ersten Erinnerungen sind ... die Kriegszeit. Wir waren umquartiert, mit meiner Mutter zusammen. In St. Corona am Wechsel. Und das war deshalb, weil dort viele Mütter mit kleinen Kindern waren. Die Männer waren teilweise an der Front oder sie waren irgendwo tätig, wo sie halt gebraucht wurden. Jedenfalls war es eine reine Frauenrunde mit kleinen Kindern. Meine ersten Erinnerungen waren, dass gesprochen wurde, dass die Russen kommen. Große Angst bei den Müttern - sie haben sich verkleidet als alte Frauen. Weil natürlich Vergewaltigung das Thema war. Ich hab das alles mitangehört und überhaupt keine Angst gehabt. Ich wundere mich heute, wieso all diese Dinge für mich überhaupt nicht gefährlich geklungen haben. Sondern ich hab mir nur gedacht: "Oh, da ist jetzt etwas los!" Ich war nur neugierig. War aber ganz sicher, dass da gar nichts Böses passieren wird. Gut, die Russen sind dann gekommen. Die waren in der Front gegen die Deutschen. Es wurde noch gekämpft, das war, glaube ich, '44, '45, in der Richtung. Meine Erinnerung ist null. Ich weiß nur, dass ich mir gedacht hab, es wird was passieren, und das ist lustig. Das war also dann auch gar nicht böse dort. Denn der erste Trupp der Russen, die die Vergewaltiger waren, die sind relativ bald wieder weg gewesen. Und der zweite Trupp der Russen waren sozusagen arme Russen. Das waren die Ausführer, die eben kämpfen mussten. Und eine Erinnerung hab ich da noch: Ein Lehrer aus der Ukraine, Nikolai, hat eh nichts gehabt, aber er hat diesen Müttern eine Decke geschenkt. Und die Mütter haben das sehr nett gefunden. Beziehungsweise waren berührt davon, dass einer, der auf der anderen Seite kämpft, auch ein Vater von zwei Kindern war. Der da viele Kinder gesehen hat und traurig war, dass er seine nicht sehen konnte. Es war etwas, worüber meine Tante und Mutter sehr viel gesprochen haben: Dass man nicht nur eine gegnerische Seite sieht, die unsere Seite ist, und die anderen sind die bösen Feinde - das sind auch Menschen. Und ich glaube, dass das einer der ersten ausgleichenden Sätze war, die mir in Erinnerung geblieben sind. "Der Nikolai hat auch Kinder." "Er kann nicht bei seiner Familie sein und schenkt uns etwas." Dann war die Übersiedelung nach dem Kriegsende nach Wien. Und da war natürlich viel ... Was war für mich interessant? Unsere Wohnung war nicht bombardiert. Aber die Wohnung daneben war nur die Hälfte. Was hab ich als Kind gemacht? Ich bin schauen gegangen, wie die Einrichtung dieser bombardierten Wohnungen war. Das hat mich interessiert, weil es war für mich nicht gefährlich. Die Bomben waren ja schon vorbei. Und dann hatte ich so wunderschöne Tapeten gesehen in einer noch stehenden Ecke eines Hauses. Da war noch eine wunderschöne Stehlampe - man konnte nicht hin, weil das hoch im vierten Stock war. Das ist alles dort stehen geblieben. Und ich bin einfach neugierig herumgegangen und hab mir angeschaut, wie die armen Menschen, die jetzt keine Wohnung hatten, früher gelebt haben. Also teilweise sehr hübsch. Sehr schön, sehr schön eingerichtet, aber eben nur mehr die Hälfte da. Was mir noch in Erinnerung ist an diese Zeit, ist: Es wurde jeden Tag im Grunde genommen etwas Positives gemeldet. "Hast du gehört? Dort gibt's schon Strom." "Hast du gehört? Dort ist wieder Gas eingeleitet worden." In die Volksschule bin ich dann in die Kundmanngasse gegangen. Da ist die Lehrerbildungsanstalt für Volksschüler gewesen. Und daneben dann das humanistische Gymnasium. Und, ja, das war ... Ich hab keine große Erinnerung an die Schule, ich weiß nur, ich bin damals schon eislaufen gegangen. Schon in der Ersten, wo ich sechs war. Da bin ich schon trainieren gegangen. Das hat der Volksschullehrer, der Herr Professor Habicher, nicht besonders gerne gehabt. Aber es war eben so. Und die Geschichte mit dem Eislaufen kam daher, weil ich hab immer getanzt. Auch zu der Zeit, wo wir umquartiert waren am Land. Da war ja keine große Musikzuspielung. Dann hab ich mir das immer gesungen, innerlich gesungen. Und ich wusste genau, wozu ich tanze und war selig. Als wir in Wien zurück waren, war die Geschichte, dass ich nichts essen wollte. Ich hab ein bissl was auf der Lunge gehabt. Dann sagte der Arzt: "Lassen Sie sie da eislaufen." "So ein Meter hoch, das ist gut für die Lunge und für den Appetit." Und so ist das ... Das hat auch ein bisschen mit der Gesundheit zu tun gehabt. Aber ich hätte dieses Herumfahren nach der Musik nie hergegeben. Und das war meine ganz, ganz große ... Sehnsucht. Und ich hab auch gewusst, dass ich das mache. Wenn jemand gesagt hat: "Na ja, geh, und Schule?" Sag ich: "Das geht schon alles." Und ist auch gegangen. Und es waren dann im zweiten Jahr Eislaufens ... Also meine Mutter hat mich so ... Sie wollte schon, dass es schöner wird, sie war eine große Ästhetin. Und wollte haben, dass ich nicht nur herumrutsche und herumkugle auf dem Eis. Sondern sie wollte, dass ich etwas kann, was meine Sehnsucht nach der Musik da auch ein bisschen unterstützt. Da hab ich den ersten Eislauflehrer gekriegt, den Herrn Patsches. Und da war ein Moment, wo ... Sonnenschein auf dem Wiener Eislaufverein ... Er ist mit mir Runden gegangen. Zuerst war es noch so, die Eltern sind mit mir zu Weihnachten ... Sie haben den Herrn Patsches engagiert, mit mir eine Runde zu machen. Sie haben mich natürlich ehrgeizig machen wollen. Da war ein kleines Mädchen und sie sagten: "Schau, was die schon kann, möchtest du das nicht auch?" Ich war ein rasender Dickschädel. Wenn ich gewittert habe, dass mir Erwachsene etwas suggerieren wollen, habe ich sofort die Kehrtwendung gemacht. "Willst du nicht auch so schön laufen?" "Nein." Brauch ich nicht, will ich nicht. So, dann ist der Herr Patsches mit mir die erste Runde gegangen. Und dann ließ er mich aus vor der Bande, wo mein Vater stand. Oder vor diesem Holz. Dann bin ich da hingestolpert und hab natürlich Mordsangst gekriegt. Ich konnte ja noch nicht laufen, es war ja der erste Tag. Dann hat mein Vater gesagt: "Hat dir das gefallen?" "Nein." Also ich wollte von mir aus und nicht, weil es mir meine Mutter, Großmutter oder mein Vater sagt. Mein Vater war hart im Nehmen, der dachte sich, irgendwann wird sie vielleicht wollen oder nicht. Als ich dann allein dann für mich da herumtun durfte nach der Musik, war keine Frage mehr, dass ich das will. Aber dieses Hingedrängtwerden von den Eltern ... "Jetzt bist du eine süße kleine Eisprinzessin." Das habe ich sofort abgelehnt. Das fand ich einfach blöd. Mach ich nicht, will ich nicht, ich will selber. Ich glaub, dieses "selber Wollen" ist eine große Hilfe für ein Kind. Dass man wohlerzogen werden kann, mit "Bitte" und "Danke" sagen, und anderem, was einem beigebracht wird, aber doch einen ganz eigenen Willen für Vorlieben entwickelt, einen eigenen Weg. Da war diese Geschichte mit dem Schatten und er sagte zu mir: "Spring da drüber!" Ja. Ich bin dann letztlich über den Schatten gesprungen. Er hat mich auch nicht mehr geschreckt. Dieses "über den Schatten springen" - also alles, was am Anfang schreckt und schwierig ist - wenn man einmal das Gefühl hat, es ist zu überwinden ... Das ist ein Motto meines Lebens: Über den eigenen Schatten springen. Auch das, was schwer fällt und was Angst macht, zu versuchen, einfach zu tun. Schauen, was draus wird. Mehr, als wenn man es gar nicht versucht hat, und man bringt es nicht zusammen, ist es ja auch nicht. Also das ist eine ganz gute Geschichte, die durchs Eislaufen entstanden ist. Richtig ernsthaftes Training ist es später geworden. Ich glaube, so mit acht Jahren waren die ersten Konkurrenzen. Und dann gab es auch schon eine Trainerin, die darauf gedrängt hat, dass das regelmäßig passiert und nicht nur zufällig. Und das war dann sicher ... Ich kann mich nicht dran erinnern. Die Auseinandersetzung meiner Eltern mit der Schule, dass ich vor einer Konkurrenz auch am Vormittag eislaufen konnte. Keine Ahnung. Jedenfalls, der Wiener Eislaufverein hat die Wiener Eisrevue besessen. Und die ist im Zuge der Nachkriegs- zeit, ich denke, '48, '49, dann schon wieder aktiv geworden und hat Gastspiele gehabt in Österreich und ich glaube, auch dann im Ausland. Ein sehr tüchtiger Generalsekretär hat diese Wiener Eisrevue geleitet, das war Adolf Eder, der spätere Direktor der Wiener Stadthalle. Ein großartiger Mann, dem ich auch verdanke, dass wir drei Mädeln - die Hanna Eigel, die Hannerl Walter und ich - ausgesucht wurden und speziell ausgebildet. Durch das Einkommen der Wiener Eisrevue. Also das war wahrscheinlich ein gemeinnütziger Verein. Was sie an Überschuss hatten, wurde in die Ausbildung der Amateure im Eislaufverein gesteckt. Und so sind wir drei gut ausgebildet worden und haben ... .. dann, wie die Mittelschule begonnen hat, das Training am Vormittag gehabt. Da kam eben die große Freude, dass der Direktor des humanistischen Gymnasiums in der Kundmanngasse gesagt hat: "Nein, nein, die hat eh gute Noten von der Volksschule." "Die schafft das." Ein Trimester konnte ich nur trainieren. Und dann die zwei Trimester die Schule nachholen. Das ist gut gelungen, bis zur Vierten war ich Vorzugsschülerin. Dann ist das Griechische gekommen, dann sagte mein Vater: "Das ist wahrscheinlich für eine Eisläuferin nicht so notwendig, dass sie weiß, in Altgriechisch zu sprechen." "Das ist gut für sie, das ist gut für den Menschen, das ist gut fürs Hirn, ist gut für die Seele", hat er gesagt. "Weil die griechischen Götter und die griechischen Philosophen sind nach wie vor unsere Vorbilder." Und ich unterschreib das heute. Ich bin dann dort geblieben, hab diese Geschichte so gemacht mit dem Training. Und mit 15 bin ich dann zum ersten Mal Europameisterin geworden. Da war die Bestätigung, ich kann die Schule ... Die Schule war stolz auf mich. Und zum zweiten Mal dann mit 17. Und dann war die Matura. Da hab ich relativ viel nachholen müssen, weil ich in dem Jahr sehr intensiv trainiert hab. Also auch mit einem Vortraining im Herbst. Aber es ist alles gut gelungen. Das war die beste Saison für mich mit dem Eislaufen. In Pressburg, diese zweite Europameisterschaft, weil das Ausland sehr an mich geglaubt hat, das Inland gar nicht. Und, ja - große Freude. Nachher hab ich mich hingesetzt und gelernt, gelernt, gelernt. Ich hab mit meiner Klasse die Matura gemacht. In der Zeit. Meine Eltern waren sehr klug, die haben gesagt: "Du musst das ja nicht heuer machen." "Jetzt hast du die schöne Saison, die wollen alle, dass du Schaulaufen kommst." Das konnte ich nicht, wenn ich lernte. Ich hab gesagt: "Nein, ich möchte das mit meiner Klasse machen." Und es ist geworden, darauf bin ich heute noch stolz. Wieso konnte ich das machen? Durch den Sport. Ein Spitzensportler kann sich wahnsinnig gut konzentrieren. Er muss in der Zehntelsekunde Leistung bringen. Das lernst du vom zehnten Lebensjahr an. Dieses in der Sekunde da sein, in der Sekunde wissen, um was es geht und woher du's abrufst. Ich würde heute jedem Elternteil sagen - muss ja nicht Weltmeisterschaft sein -, aber ein bisschen forcierter Sport, um zu wissen, wo das Kind überhaupt steht ... Das Kind lernt es ja selber dadurch. Es lernt sich kennen durch die Konzentration, wie mach ich's besser. Und wie bringe ich dann meine Leistung zur richtigen Zeit. Also zur Zehntelsekunde. Das ist mir ungeheuer beim Lernen zugute gekommen. Ich hab mich nicht verzettelt, ich hab - zong, zong, zong, zong. Und es ist gegangen. Also die Ablenkungen, die ich heute oft sehe, sind sicher für ... konzentriertes Lernen nicht wirklich förderlich. Es ist sicher ganz lustig und ganz wild und ganz kreativ kann es auch sein. Aber um etwas in kürzerer Zeit zu schaffen, ist wahrscheinlich eine Konzentration schön. Und noch etwas: Ich hab mich nicht nur konzentriert und fest trainiert und ich hab ... Kälte ausgehalten, es hat geregnet, es hat geschneit, es hat gestürmt. Wir waren immer am Training. Es hat um sechs Uhr früh begonnen. Es war um ein Uhr dann das Vormittagstraining fertig. Von zwei bis vier ist es noch weitergegangen. Mit Schlingen - das waren damals noch die Pflichtfiguren. Und nach vier ist dann ein Lehrer gekommen und hat mit mir dann die Hauptgegenstände gemacht. Die Sportberichterstattung war natürlich sehr spröde damals. Weil ich habe in Paris gewonnen, das war sehr spät in der Nacht. Es wurde schon etwas übertragen von dieser Europameisterschaft. Aber ich glaube, zwei Läuferinnen, bevor ich drankam, ist eine andere Sendung drangekommen. Und man wusste nix. Irgendwann hat eine Mutter einer anderen Eisläuferin meinen Vater - weil ich bin in Führung gelegen - angerufen in der Nacht und hat gesagt: "Herr Wendl, Ihre Tochter ist Europameisterin." Und er sagte: "Woher wissen Sie das?" Sagt sie: "Ja, da hat jemand angerufen." Also anrufen war viel zu teuer. War gar nicht dran zu denken. Alles, was heute so selbstverständlich ist, war nicht. Er hat's dann so um Mitternacht erfahren und hat sich sehr gefreut. Aber ja, das war's halt auch. Aber dass man drüber gesprochen hätte oder einen Bericht gemacht hätte, ich glaub, das hat gar nicht stattgefunden. Ich muss gestehen, ich bin so eingestellt worden. Mir sind diese ganzen ... Jubelarien, die wir heute abfeiern, noch und noch und noch ... Das ist schon in Ordnung, ich möchte schon auch wissen, wenn ein Schifahrer gewonnen hat. Aber es ist alles so einfach und so überbordend. Es ist gar keine Sensation mehr, weil es immer wieder kommt. Damals war es halt so selten ... .. und man war so ... Man war so neugierig und hat so gewartet. Und auch die ... die Zuschauer im Eislaufverein, die haben sich dorthin begeben, und es war so kalt und sie haben trotzdem zugeschaut. Sie haben sich Tee mitgenommen in der Thermosflasche. Diese Saison '57/'58 - das ist ja das Jahr, das immer so über den Winter geht - war für mich eigentlich die schönste. Aber dann kam die Matura und es sagte ein Funktionär zu meinen Eltern: "Jetzt kommt die nächste Generation dran." Wir waren ja noch jung, ich war ja noch 17. Und hinter uns war die Generation drei, vier Jahre jünger. Die kommen jetzt dran, die forcieren wir jetzt. Und wir "Alten" - mit 17 - können jetzt schauen, dass wir was anderes tun. Das war die Eisrevue. Ich fand's ein bisschen, na ja - ned grad freundlich. Aber dieser strenge Ton, der war damals so. Weil die Funktionäre nach dem Krieg, die waren schon in Pension, die waren schon älter. Aber sie waren Soldaten im Zweiten Weltkrieg. Und irgendwo, dieses strenge Regiment und mit Untergebenen umgehen, das hatten die sehr wohl im Blut. Und wir waren gehandhabt wie ... die kleinen Soldaten. Die haben zu tun. Und ich werd ein Wort eines hervorragenden Funktionärs nie vergessen. Als wir '57 ... Die Hanna hat gewonnen, ich war Zweite, die Hannerl war Dritte. Also drei Medaillen für die Wiener Mädeln. Und er hat gesagt: "So wie ihr gelaufen seid, man muss sich genieren für euch." Wäre heute nicht mehr möglich. Großer Jubel im ganzen Land. Damals wurde noch ausgebessert, sofort wieder ausgebessert. Das war nicht gut, das war nicht gut, das war nicht gut. Eine Methode, die Erfolg gebracht hat ... .. für Österreichs Eisläufer. Eiskunstläufer. Heute nicht mehr möglich. Ich würde sagen, 20 Prozent von dieser Strenge wären nicht schlecht. Und ich bin auch eine große Anhängerin - im Sport muss einer das Sagen haben. Es kann nicht sein, dass wir 17 Eisläufer haben - gute - und 61 Vereine. Wo sich jeder Elternteil einen Verein aufbaut und die nur gegeneinander kämpfen. Das ist einfach blöd. Die Energie geht in eine falsche Richtung. Also Strenge wie damals - 20 Prozent, bin ich sehr dafür. So, also gut, die nächste Generation kommt dran. Und wir können Eisrevue gehen. Die Hanna war schon bei der Eisrevue, die Hanna Eigel. Ich dachte mir, ich mach die Matura. Ich wollte unbedingt weiter eislaufen, ich hab noch so viel Musik im Kopf gehabt. So viel Musik, zu der ich eislaufen wollte. Und daher kam aufhören, etwas anderes tun gar nicht in Frage. Und dann bin ich acht Tage nach der Matura zur Eisrevue. Es gab also gleich keine Ferien, sondern so eine Umstellung. Und hab also dort zu trainieren begonnen - Wiener Eisrevue. Aber das große Glück war: Die Choreographin war Edith Petter, also die Frau vom Regisseur Will Petter. Und der Komponist war der Robert Stolz. Und ich ... ich war zwar Europameisterin und Zweite in der Weltmeisterschaft, aber ich war keine Revueläuferin. Du musst ja in der Revue dich ganz anders präsentieren als vorher. Da gibt es ja kein Programm mehr, das gewisse Schwierigkeiten beinhaltet, die bewertet werden. Was jetzt zählt, ist, dass du eine Ausstrahlung hast. Dass du das Publikum erreichst. Dass du aus dir herausgehst, deine Persönlichkeit entwickelst. Präsenz, Energie. Freude. Mitreißen der anderen. Das hat man als Amateur nicht unbedingt gelernt. Weil das auch ein Teil der Freiheit ist. Der Freiheit und des Kennenlernens der eigenen Person. Wie weit habe ich diese Kraft, die Strahlkraft? Wie weit mache ich Figuren, erfinde ich Figuren, die dem Publikum gefallen? Wo sie drauf reagieren. Wie baue ich meine Programme auf, dass da auch einmal eine Pause ist, wo ich Kontakt zum Publikum kriegen kann? Das muss man alles ausprobieren. Es kann die Choreographin, mit der ich wahnsinnig gern gearbeitet hab, die Edith Petter ... Ein kleines Denkmal möchte ich ihr setzen. Sie hat mich sehr gut verstanden und ich hab ihr auch meine Musikwünsche nahe gebracht. Und der Robert Stolz war der erste erwachsene Mann - bis auf diesen wunderbaren Hofrat Malcher in der Schule, der an mich geglaubt hat -, der gesagt hat: "Herzerl, du wirst eine tolle Revueläuferin." "Herzerl, für dich schreibe ich Musik." Er hat für mich auch zwei Kompositionen gemacht und er war ein wunderbarer Zuschauer. Er hat so herrlich aufbauen können. Später habe ich gewusst, woher er das gelernt hat. Weil in Österreich lernt man das nicht. Und das war eine große Freude. Es war eine große Freude und ich war sicher in meinem ersten Revuejahr noch sehr gehemmt. Ich war privat wahnsinnig schüchtern. Ich war nur am Eis ... wollt immer versuchen, wollt ausprobieren und meine Musikliebe durch den Körper fließen lassen und so weiter. Also das war schon für mich eine große Wonne. Die Wiener Eisrevue hatte zur Konkurrenz Holiday on Ice. Holiday on Ice hat nach dem Krieg alle gro0en Städte in Europa besetzt. Und die Wiener Eisrevue musste sich Schritt für Schritt Eispaläste, also große Eishallen, erobern. Das ist sehr gut gelungen in Belgien mit Lüttich und Antwerpen, auch in Berlin mit dem Sportpalast. Dem alten Sportpalast, einem wunderbaren Gebäude zum Eislaufen, weil die Leute so nah dran waren. Und so weiter. Und da war auch jener Funktionär, der Generalsekretär vom Eislaufverein, Adolf Eder, sehr tüchtig. Der hat da Verträge geschlossen. Er hat auch versucht dann ... das einfach auszuweiten. Und immer herauszufinden, wo ein Platz frei wird, wo wir Tournee machen konnten. Und wir waren das ganze Jahr unterwegs. Das begann im August mit der Premiere in Passau und Nürnberg und Lüttich und Antwerpen und Berlin. Dann war das Wiengastspiel, dann ging's in Österreich weiter. München und so weiter. Das war eine geritzte Geschichte und ja, für uns eigentlich ... Wir wussten, wir laufen das ganze Jahr. Nach drei Jahren haben sie die Produktion auf zwei Jahre ausgeweitet. Da wurde eine zweite Wiener Eisrevue, also eine zweite Gruppe, geschaffen. Das ging gut. Ab '61 waren wir dann ... .. drei Monate in der Sowjetunion. Mai, Juni, Juli. In den größten Gebäuden dort. Das war eine Alibihandlung der Regierung, des Obersten Sowjet. Neutrales Land und ... .. ähm ... kleines Land. Wir haben uns ja damals noch als ... .. das erste Opfer Hitlers gut in Szene setzen können. Das ist alles gegangen, daher waren wir da drei Monate dort. Interessant, ja. Wir sind vor Chruschtschow gelaufen, meine Freundin hat ihm ein Bild hinauf ... Und den Walzer umgedreht, damit wir die Verbeugung vor dem Obersten Sowjet machen können. Sicher sehr interessant, aber wahnsinnig hart. Und wir haben in der Zeit 400 Vorstellungen im Jahr ... Ich bin 12 Jahre Revue gelaufen, es waren an die 400 Vorstellungen im Jahr. Da brauchst du wahnsinnig viel Energie, um die Leute zu kriegen. Und wenn du kein Futter für die Seele kriegst, dich niemand in Schwung bringt, dann musst du dir was erfinden. Also beim Zurückkommen nach ... nach Wien war nur interessant, endlich wieder daheim zu sein. Meine Eltern zu sehen - ich hab immer Heimweh gehabt. Diese Freude am Eislaufen hat mich da so ein bissl ausgeglichen. Aber sonst wär ich nie von Wien weggegangen. Meine Eltern zu sehen und daheim zu sein, ein eigenes Bett zu haben, einen eigenen Waschtisch, eine eigene Badewanne, einen eigenen Kasten, das war was Fantastisches. Ich hab nicht achtgegeben, was in Wien los ist. Es hat mich eigentlich auch gar nicht interessiert. Ich wollte da gut eislaufen, ich bin jeden Tag trainieren gegangen. Wir hatten nie einen Tag frei. Was mich interessiert hätte, wäre in die Oper gehen. Habe ich nicht können, weil ich aufgetreten bin am Abend. Nachmittagsvorstellung hab ich auch selber gehabt. Es hat mich nicht interessiert. Es hat mich nur interessiert, dass ich daheim war. Geborgen. Mit Leuten, die ich ein bissl kannte, mit Freunden ... Aber wenn man so zeitig auf Tournee geht, schwinden die Freunde. Auf einmal haben die ihre eigenen Interessen. Und es waren vielleicht noch zwei oder drei da. Wien ist auch nicht wirklich interessiert an dir, wenn du im Ausland arbeitest. Es ist nicht interessiert. Das goldene Wiener Herz, das so gerne vor jedem Fremden hergetragen wird, wehe, du appellierst an das - das ist nämlich aus Granit. Es gab schon Leute, die lustig waren und mir imponiert haben. Zum Beispiel einen Film zu drehen mit dem Franz Antel, das war wunderschön. Der hat jeden, der mitgewirkt hat - es musste nicht der Hauptdarsteller sein -, so lieb behandelt. Dass er sich wohlfühlt, dass er gut Eis laufen kann. Dass er rundherum eine schöne Atmosphäre hat. Er war eigentlich ein bisschen ein Pendant zu Robert Stolz. Aber das waren auch Männer, die die Welt gekannt haben. Es sind ja viele, viele, viele ... .. Österreicher nicht interessiert, das Ausland kennenzulernen. Und wenn sie sich mühsam dann irgendwo im Ausland Freunde aufbauen, wo sie einmal zum Kaffee eingeladen werden oder zu einem Essen, dann werden sie, wenn in Wien über Fremde geschimpft wird, nie mehr das unterstreichen können. Weil die sich sagen können: "Die waren nie draußen, nie dem ausgesetzt, allein zu sein." Und haben die Freundlichkeit und die selbstverständliche Gastlichkeit, die man in Holland, in Belgien angeboten bekommt, in den skandinavischen Ländern angeboten bekommt, in Russland in hohem Maße angeboten bekommt, haben diese Menschen nie kennengelernt. Aber sie haben auch nie kennengelernt, wie es ist, wenn man sich andere Menschen erobern muss. Das muss man nämlich schon. Man kann nicht sagen: "Da bin ich, jetzt verwöhnts mich." Das funktioniert sicher nicht. Aber Franz Antel, Robert Stolz - bravo, großartig. 1966 hab ich dann gekündigt bei der Wiener Eisrevue und wollte gern ein Jahr lang daheim sein. Und es ... irgendwie ... Ich wollte eigentlich auch eine Partnerschaft haben. Eisrevue bedeutet, dass man hervorragende Partner hat. Ich hab sie auch gehabt, weil wir haben auch Operette gespielt. Da war der Prinz, ich war die Prinzessin. Oder irgendein anderer Charakter. Aber es gibt dort, in dieser ganzen Gruppe, vielleicht fünf normale Männer und alle anderen sind homosexuell. Die entzückende Partner sind. Wir sind bis heute sehr befreundet, wir lieben uns. Aber es sind Brüder. Und ich hätte halt gebraucht, als junge ... werdende Frau, ein bissl ein Signal, dass ich fesch bin. Oder dass ich attraktiv bin. Noch lieber wär mir gewesen, dass ich sexy bin. Na, da war halt nix. Und ich war nicht der Typ, diese Freundschaften zu schließen. Irgendwo, wo ein Mann mit einem Blumenstrauß anrückt und dann schaut man sich den näher an. Das kam für mich nicht in Frage. Sicher auch durch meine ... Also ich war und bin gerne katholisch. Ich wollte meine erste große Liebe mit einem ganz tiefen Gefühl erleben. Und nicht mit einem One-Night-Stand. Was heute vielleicht durchaus Usus ist - ich hab keine Ahnung. Aber ... das war's nicht. Und daher halt dieses Jahr. Frei und jemanden kennenlernen und vielleicht kommt diese große Liebe, die ich mir so gewünscht habe. Ist nicht gekommen. Ich hab Theaterwissenschaft und Kunstgeschichte studiert. Und die amerikanische Eisrevue - Ice Capades - wollte mich schon lange engagieren. Die haben immer wieder versucht, mich zu kriegen. Und ich wollte gerne mit der Wiener weiter machen. Sie haben mit mir geredet und haben offeriert, ich soll mal rüberkommen, sie besuchen. Da dann dieser Märchenprinz nicht um die Ecke kam, habe ich mir gedacht, ich muss ... Ich weiß noch, ich saß im Musikverein und sie spielten "Ein Heldenleben". Und ich habe eine Passage in diesem Richard Strauß drinnen gefunden, wo ich mir gedacht hab: "Das muss ich noch eislaufen." "Das muss ich noch eislaufen." "Und das geht so und so, da muss ich das und das machen." "Ich fang wieder an trainieren." Also dieser Vormittag im Musikverein mit dem "Heldenleben" war Auslöser, dass ich für Amerika unterschrieben hab. Und das war alles ganz wichtig für mein Leben. Ich bin dann im Sommer rüber gefahren. Ich hab dort meine Einstudierung gemacht und war noch im Sommer zurück in Wien und dann ging es dort los. Diese ersten acht Tage, wo Kleider probiert werden und Fotoaufnahmen gemacht werden und sie dich wirklich testen, ob du was taugst. Da geht's eigentlich drei Tage Tag und Nacht durch. Du bist aber vorher zwölf Stunden im Flieger gesessen und hast kaum geschlafen. Und gut ... Man ist ganz jung. Ich war 26. 27 und ... .. hab viel Kraft gehabt. Dann weiß ich noch, der Publicity-Manager kam in der dritten Nacht. So um vier in der Früh und sagt: "Ingrid, you are a real trooper." Keine Ahnung, was ein "trooper" ist, ich habe auf jeden Fall "ja" gesagt. Ich hab nachher gefragt, was das heißen könnte. Es waren auch europäische Läufer dort. Und die haben mich wirklich ... Die haben mir ein neues Leben geschenkt. Weil ... sie haben mich "wonderful" gefunden. "Great and sexy." Finally. Finally. Und ... dass ich eben gut für sie bin. Dass ich ein großer Gewinn für die Company bin. Es war wunderbar für mich. Alle Wiener, die prophezeit haben - "Die Ingrid, das Seelchen ..." "Nach einer Woche ist sie zurück, weil sie Heimweh haben wird." Die haben sich sehr getäuscht. Denn ich hab dort wirklich eine Anerkennung gefunden, die ich eben in Österreich nie hatte. Hab genau das Gleiche geleistet wie in Österreich. Nur halt mit ... guten Bedingungen, schönen Bedingungen. Und wir sind bis heute befreundet mit diesem Ice Capades-Direktorium. Und auch Eisläufern von dort. Ich sag es ihnen auch immer wieder, dass sie mein Leben verändert haben. Ich hab dort bei jeder Pressekonferenz gesprochen. Ich bin überall hingegangen, wo sie mich hingeschickt haben, weil ich so "publicity calls" gern gemacht hab. "Das macht die Ingrid, die macht das gern." Ich hab das gern gemacht, weil ich Leute kennengelernt hab. In Fernseh- und Radiostationen, bei Redaktionen, wo man Interviews gemacht hat. Ich konnte dann fragen: "Was schau ich mir in dieser Stadt an?" "Was ist interessant, was ist gefährlich?" Nach Ende der Eisrevue - da war ich zehn Jahre dabei ... Und dieses Amerika-Gastspiel ... Ich hab dann wirklich aufgehört, weil beim Sport ist es so schön, da ist man nicht traurig, wenn man aufhört. Weil der Körper nach 25 Jahren heftigem Training sagt ... Und nach den Auftritten ist der Körper so weit, dass er sagt: "Bitte nimmer mehr." "Jetzt wäre es schön, wenn ich Ruhe hätte." Das ist dann sehr angenehm, dieser Übergang. Außerdem steht das Leben vor einem, man möchte ja was anderes auch tun. Und da kam ... Dann ist es so - welchen Beruf mache ich? Ich hab eine Matura und ich kann eislaufen. Ja, und ganz gut kann ich mich ausdrücken, aber das wusste ich nicht. Da habe ich Inserate in der Zeitung gelesen. Und unter anderem auf einem Bau gearbeitet aus Liebe. Das ist eine falsche Liebe gewesen, aber ich habe dort gearbeitet. Da kam jemand vorbei und sagte: "Was machst du da?" Und hat mich zu einer Party eingeladen. Dort waren die Wiener, der Roman Schliesser und so, die ich alle nicht kannte. Ich meine, den Roman habe ich von Zeitungsinterviews gekannt, der war immer sehr freundlich. Aber ich wollte wieder selber etwas finden. Ich wollte nicht vermittelt werden durch irgendwelche Beziehungen. Da muss man dankbar sein für etwas, das man gar nicht gerne arbeitet. Da ging ich also zu dieser Party. Der Udo Proksch saß mit einem Gipshaxen dort und sprach mich per Du an und ich hab mir gedacht: Ich habe die Erika Pluhar verehrt und er war nicht so nett mit ihr. Ich hatte sofort eine Abwehr zu diesem Menschen mit dem Gipshaxen. Und er ... sagt: "Was machst du? Du arbeitest am Bau?" "Das kann dir ned schaden, aber du solltest das, das und das versuchen." Und ... gut. Er hat mich wirklich angerufen, einmal in der Woche, ob ich schon dort war, ob ich schon dort war. Ob ich schon einen Test beim Fernsehen gemacht hab? Ich bin zum Direktor Zilk, der hat gleich sehr ... .. nüchtern gesagt: "Ja, gut, Sprecherinnen brauchen wir, aber was glauben Sie, wie lange Sie das machen können?" "Vielleicht fünf Jahre?" "Das ist die richtige Einstellung, weil eine Sprecherin muss schön sein." Und dann habe ich einen Test gemacht. Na ja, die Männer, die wollen die schönen Jungen haben. "Eine ältere Sprecherin, was brauchen wir das?" Dann habe ich einen Test gemacht und lange nichts von ihnen gehört. Aber durch mein aufgebautes Selbstbewusstsein aus Amerika habe ich mir gedacht: "So was Hinreißendes wie mich haben sie überhaupt noch nie gesehen." "Und werden sie auch nie mehr wieder sehen." Ich war so selbstsicher dort. Wir hatten keinen Fernsehapparat daheim, daher wusste ich nicht, was eine Sprecherin tut. Ich hab denen Fernsehen erklärt, frei heraus. Was da richtig ist. Ich habe ihnen gute Ratschläge gegeben und nachher haben die natürlich sehr gelacht über mich. Aber ich war sehr zufrieden mit mir. Ich fand mich großartig. Ich fand mich wirklich toll. Und dann habe ich lang, ich glaub, ein halbes Jahr, nichts gehört. Was meine Begeisterung über mich selbst nicht geschmälert hat. Weil dann haben sie mich halt nicht erkannt. Das ist mir schon vorher auch passiert. Und es wird mir immer wieder passieren. Dann habe ich vom Familienprogramm gehört, da war auch "XY" angesetzt. Da hat mich der Professor Hauck angerufen und gesagt: "Du, wir könnten dich bei "XY" unterbringen, weißt du, so schöne Leichen, die brauchen wir immer." Ich hab mir gedacht: "Warum ned, eine schöne Leich ist ja auch was Feines." Da krieg ich Geld, warum nicht. Weil ich hab nicht so viel ersparen können mit der Eisrevue. Ich wollte auch mal weiter leben können von etwas - also wäre schöne Leich' drin gewesen. Eines Tages ruft mich der Kragora an und sagt: "Wir sollen einen Sprechunterricht machen, der Gerd Bacher, der Intendant, möchte Sie in drei Wochen am Bildschirm." Okay. Dann geh ich da hin, mach Sprechunterricht und dann zeigt der Kragora, wie ich ausschau. Und wie ich spreche. Und wie ich zwinsle. Und wie ich Kopf wackle. Und wie ich nicke. Und wie ich mit den Händen rede. Da habe ich gesagt: "Lieber Herr Kragora, das mach ich sicher nicht." "Das ist ja unmöglich, was ich da aufführ." "Das ist ja grauenhaft." "Das ist so schrecklich, ich kann das nicht anschauen und die anderen auch nicht, ich geh wieder." Der war nett und sagte: "Schauen Sie, das ist eine ehrliche Kritik, die Sie da haben, aber es wird sich geben." "Sie müssen ja nicht so machen wie beim Eislaufen." "Sie können versuchen, einen klaren Blick in die Kamera zu richten." "Sie können sich beim Sprechen kontrollieren und den Ton genießen." "Und ruhiger werden." "Und wir üben das." Drei Wochen Üben. Na also gut, dann hatte ich mein erstes Nachmittagsprogramm anzusagen. Und das war sicher furchtbar. Eine schreckliche Angst, wenn's heißt: "Achtung!" "Zehn Sekunden Rotlicht." Da möchte man wegrennen. Einfach flüchten, nix als weg. Die sollen machen, was sie wollen, aber nicht mit mir. Also das mit der Sprecherin hat dann irgendwie funktioniert. Dann hab ich also Programm angesagt. Und schöne Kleider bekommen. Schöne Kleider, das hat mir sehr gefallen. Die wurden immer ausgesucht und die Allerschönsten konnte man zur Hälfte kaufen. Das war ein sehr neues, luxuriöses weibliches Leben. Und ... .. ich hab sofort Sprechunterricht genommen, damit ich eben ... Ich hab mir gedacht, die zahlen mich jetzt fürs Reden. Und ich hab das ja nicht gelernt. Das war sehr gut, dass ich das gemacht hab. Eines Tages ist bei der Übertragung einer Europameisterschaft aus Göteborg der Ton ausgefallen und die Eva Pawlik hat kommentiert. Und sie haben mir gesagt: "Frau Wendl, Sie haben jetzt hier Dienst, aber im Nebenstudio, da wäre dann, wenn Sie hier Pause haben und der Film läuft ..." "Bitte, gehen Sie rüber und sagen Sie irgendwas zum Eislaufen." "Weil die haben keinen Ton und es läuft das leere Bild." Ich hab also erklärt, was die machen. Das war sehr schön, hat mir gut gefallen. Da war so ein wahnsinniger Publikumswiderhall, dass ihnen das gut gefallen hat ... Ich hab keine Ahnung gehabt, dass das sofort registriert wird vom Publikum. Dann haben sie von der Sendeleitung gesagt: "Frau Wendl, jetzt haben wir innerhalb von fünf Minuten 30 positive Anrufe, das gibt's ja gar nicht." "Normalerweise sind ... .. nur negative Sachen und vielleicht in zehn Minuten ein positiver Anruf." "Das ist fantastisch." Daraufhin hat der Podgorski gefragt, ob ich kommentieren will. Sag ich: "Das macht ja die Frau Pawlik." "Ja, wir werden das abwechseln." So kam ich eben zum Sportkommentar. Und der ist gut angekommen. Der Podgorski hat mich auch in der Sportredaktion eingesetzt als allererste ... allererste Sportnachrichtenleserin. Das waren kurze Sportnachrichten in den Hauptnachrichten drinnen. Jetzt ist das extra. Da hat er gesagt: "Das werden Sie machen." Und ... ja. Sag ich: "Das werd ich nicht können." - "Ja, das versuchen Sie mal." Er hat mich ein bissl getestet und so. Das war ... Ich glaub, gut war's gar nicht. Vor allem war die Hälfte der Redakteure natürlich dagegen, weil ich Fußball nicht verstanden hab. "Was brauchen wir da eine Sportlerin, die nichts von Fußball versteht?" "Da stimmt das alles nicht." Das habe ich schon zu spüren bekommen. Aber nach einer Weile habe ich mich da zurecht gefunden. So bin ich mit einem Fuß in die Sportredaktion gekommen. Eislauf kommentieren war wunderbar. Sportnachrichten lesen war schwierig. Ich hab mir sofort gedacht: Ansage geht nach einer Weile vorbei, weil für die Männer, die hier bestimmen - zu hässlich geworden. Da muss ich mir etwas Redaktionelles aufbauen. Weil ich da ganz gerne weiterarbeiten möchte. Und hab alles als freie Mitarbeiterin angenommen. Wo irgendwo eine Nische war, wo sie jemanden gebraucht haben zum Synchronisieren, um irgendeinen Beitrag zu gestalten. Im Radio reden - ich hab im Radio Niederösterreich Interviews gemacht. So hat sich dann Eins zum Anderen ergeben. Ich habe dann im Lauf der Zeit sehr schöne große Unterhaltungssendungen präsentiert. War zehn Jahre lang bei Robert Lembke. Wir haben als österreichisches Team das 3sat-Programm aufgebaut, eine wunderschöne journalistische Herausforderung. Ich hab im Sport Reportagen gemacht, kommentiert. Das war eine breite Palette, die dort stattgefunden hat. Die Lottoshow war eine der Unterhaltungssendungen. "Jolly Joker" war dabei. Ganz zum Schluss eben, ich glaube, acht Jahre lang - der Seniorenclub. Und der Seniorenclub ... Die "Romy" hab ich gekriegt für den Sport. Der Seniorenclub war ausschlaggebend, dass mich Wolfgang Schüssel als Seniorensprecherin in die Politik geholt hat. Ich hab mit diesem Einstieg in den ORF, der nicht unbedingt geplant war ... Das ist ein Zufall gewesen und ich hab es versucht. Ich habe eine Zeit erwischt, die großartig war. Weil es war eine Pionierzeit. Der ORF hatte als Vorbild die BBC. Und sie haben da wirklich fundamentale Ernsthaftigkeit an den Tag gelegt, um wunderbare Dokumentationen zu machen. Also gut zu recherchieren, lang zu recherchieren. Aber auch etwas auszuprobieren, mutig zu sein. Zu sagen, wir probieren eine Show - ich nenn da nur mal "Wünsch dir was". Der Kuno Knöbl mit seinen oft spinnerten Ideen war ein kreativer Mensch - großartig. Der Erich Sokol mit seiner in Amerika und England gelernten Grafik war ein Vorbild für Europa, wir waren wirklich richtungsweisend. Und natürlich war der Gerd Bacher ein so sprühender, energiegeladener Mensch, der die Leute auch lassen hat. Da war kein "Das darfst du nicht" und dauernd auf die Quote schauen. Natürlich konnte das damals sein, weil das eine Monopolstellung war. Da muss man schon gerecht sein. Aber diese Zeit mitzuerleben, wo wir auch intern gesprochen haben: "Hast du schon gesehen?" "Da haben sie diese Sendung erfunden." "Das ist fantastisch, da ist wieder was ganz Neues passiert." Wir waren ja in der Sportberichterstattung wegweisend und Vorbild für die Amerikaner. Für ABC - ABC kam zum ORF und hat gesagt: Die Fisheye-Kamera war unsere Erfindung, das war Schmidleitner, Podgorski ... Später hat der Melchert da mitgemacht. Die haben das nachgemacht bei den Autorennen. Also wir waren ... Wir haben das Ski fahren gut bringen wollen und haben Sachen ausprobiert, das war welt ... weltweisend. Und ich bin sehr stolz, dass ich in dieser Zeit dabei sein konnte. Und dieses immer was Neues versuchen - das war auch mein Weg im ORF. Ich hätte nie dran gedacht, mich irgendwo so einzunisten in einer Abteilung und da bleib ich jetzt möglichst lang. War mir auch fad. Wenn mir jemand einen noch so guten Witz fünfmal erzählt, werde ich ganz unruhig. Auch schon beim zweiten Mal beim Ansatz. Und so gestrickt bin ich. Bei der Musik können Sie wiederholen hundertmal. Es wird immer schöner. Aber bei manchen Dingen, die wir in unserer Gesellschaft etablieren und das fängt immer wieder von vorn an, da werd ich ganz ungeduldig und nicht besonders angenehm. Aber ORF war großartig, es war ... .. ein kleiner ... eine kleine ... .. Unternehmung im Vergleich zur BBC. Aber ... aber wirklich sehr, sehr gut. Zum Beispiel hab ich später Eiskunstlauf kommentiert, das habe ich ganz lange gemacht. Unser Aufwand war nicht so groß. Wir haben so knifflige Dinge erfunden. Aber ZDF oder ARD kam mit einem Stab von ... 50 Menschen dorthin. Da war ein eigener Redakteur, der nur eingeleuchtet wurde. Der andere war dann da, hat das Licht übernommen und die Sache gemacht. Wir waren zu zweit, mit Emmerich Danzer - und aus. Und dort waren 50. Wir haben schon gestaunt, mit welchem Aufwand andere ... .. Fernsehstationen da gearbeitet haben. Die Franzosen auch mit einem riesigen ... Da - wu, wu, wu. Und Österreich sehr bescheiden, aber sehr effizient - sehr effizient. Wir haben auch die Guideline gesprochen für Deutsch verstehende Journalisten, Emmerich und ich. Die konnten zuhören und die Sprünge dann auch nachsagen. Weil wir wussten das als Eisläufer alles. Die haben dann so eine Zehntelsekunde später gesagt "dreifacher Axel". Das waren die Österreicher. Das Gebäude am Küniglberg war natürlich auch ein Synonym für alles, was in Österreich zählt, entsteht im Fernsehen am Küniglberg das ORF-Zentrum. Ja, gute Studios - tolle Studios. Als Redaktionsräume wirklich furchtbar. Wenn man mich dort besucht hat und man war in diesem kleinen Kobel eine halbe Stunde drinnen ist man müde oder hat Kopfweh gekriegt. Und das ist bis heute so. Wer immer ... .. sollte sich mehr Luft für Redakteure einfallen lassen. Das wäre meine Anmerkung, aber die Studios waren herrlich. Es war wunderbar dort drinnen. Wo die Ansage, wo Livesendungen gemacht worden sind ... Ich hab viele Livesendungen gemacht, viele Städtesendungen, also Wien - Zagreb, Wien - Laibach, Polen mit ... Österreich. Also dieser Austausch, der sehr forciert worden ist. Und er war auch sehr gut, weil man sich gegenseitig kennengelernt hat. Ich möchte leben in Wien. Und was für mich auch essentiell ist, ist die Schönheit der Stadt. Es ist so eine unentdeckte ... Ein Juwel, wenn man zum Beispiel zufällig eine Feier im Dachfoyer der Redoutensäle hat. Und man schaut in diesen Burghof hinein und hat die erleuchtete Michaelerkuppel vor sich - das ist wie im Märchen. Und diese Dinge ... sind für mich sehr, sehr wichtig. Ich habe eine Freundin, die Kunstgeschichte studiert. Wir gehen manchmal durch die Stadt und sie erklärt mir, woher das kommt. Und wie das entstanden ist. Und natürlich - die Heimat der Musiker. Ich bin mit einem Musiker verheiratet und könnte mir eigentlich keinen besseren Nährboden vorstellen. Und kein besseres Publikum als das Wiener Musik- oder Theaterpublikum. Oder Opernpublikum. Und mittlerweile auch - dank Dominique Meyer, der Manuel Legris nach Wien als Balletdirektor geholt hat - Balletpublikum. Balletpublikum war immer gut, ich bin da immer hingegangen und hab sie bewundert, was die alles können. Jetzt ist da eine Blüte entstanden, die fantastisch ist. Aber in den Konzertsälen, auf der Opernbühne, und in den Theatersälen ist das natürlich immer gewesen und hat immer geblüht. Und nicht umsonst ... .. haben wir auch herrliche Maler, wir haben herrliche Schriftsteller. Ich hab den Thomas Bernhard so verehrt und bin einmal auf ihn zugegangen in der Nähe seines Cafés und hab gesagt vor lauter Ehrfurcht: "Darf ich Sie um Ihren Schriftzug bitten?" Und der hat so zu schmunzeln begonnen und "Herzlich, Ingrid Wendl" geschrieben. Sagt er: "Das ist schon richtig, gell?" Und hat sich zerpeckt über mich, weil ich so ehrfurchtsvoll war. Das gehört auch zu Wien dazu. Diese Freude, wenn Künstler da sind, die so viel mehr können als wir selbst. Diese gewisse Andacht, die wir da haben. Das ist auch ein Nährboden für dieses Phänomen. Das möchte ich natürlich erwähnen, dass ich das sehr wohl bemerke und empfinde. Und sehr, sehr gerne hier lebe. Und jetzt natürlich auch weiß, dass unsere Stadt lebendig geworden ist. Eine Weile war es wirklich sehr verschlafen und grau. Und jetzt blüht sie und hat alle diese schönen hellen Farben gewonnen. Hat die herrliche moderne Architektur, die ich irrsinnig schätze. Also unsere alten Traditionen mit der Architektur und dann kommt ein moderner Teil dazu - ich bin die Erste, die davor kniet. Und wir trauen uns das. Und das ist eine tolle Veränderung in dieser Stadt, die ich sehr genieße und sehr begrüße.

Archiv-Video vom 12.08.2014:
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Ingrid Turkovic-Wendl (Moderatorin)

Wir und Wien - Erinnerungen Ingrid Wendl erzählt, wie sie die Kriegszeit erlebte: beschützt, angstfrei und neugierig. Unter russischer Besatzung bleiben ihr die ausgleichenden Bemerkungen ihrer Familie über die " Befreier" in Erinnerung. Nach Kriegsende bestaunte sie neugierig die Einrichtungen der bombardierten Nachbarwohnungen und erinnert sich, wie jeden Tag etwas positives über den Wiederaufbau gemeldet wurde.

Länge: 52 Min. 28 Sek.
Produktionsdatum: 2013
Copyright: Stadt Wien

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Wiens Märkte werden digital: Standler*innen können nun Marktplätze bequem via PC, Handy oder Tablet buchen – das natürlich rund um die Uhr. Der Marktplatz kann dann am gebuchten Markttag sofort bezogen werden. Auch Anträge können im One-Stop-Shop der Stadt Wien unter www.mein.wien.gv.at für zum Beispiel fixe Zuweisungen, Schanigärten oder marktbehördliche Bewilligungen online gestellt werden. Ein weiteres Service: der Status der Anträge ist auf der Übersichtsseite abrufbar.
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Zum Frauentag holt die Stadt Wien zwei neue „große Töchter“ vor den Vorhang: Im Arkadenhof des Rathauses werden für Ingeborg Bachmann und Luise Fleck zwei Gedenktafeln in der Pionierinnengalerie enthüllt. Die Galerie stellt außergewöhnliche Frauen der Stadt, ihr Engagement, ihr Handeln und ihre Leben in den Mittelpunkt. Ingeborg Bachmann war eine heimische Schriftstellerin, die als eine der bedeutendsten Lyrikerinnen des 20. Jahrhunderts gilt. In ihren Werken widmete sich die Klagenfurterin Themen wie die Rolle der Frau in der männlich geprägten Gesellschaft oder den Konsequenzen und dem Leid von Kriegen. Sie verstarb 1973 in Rom, seit 1977 wird jährlich der Ingeborg-Bachmann-Preis verliehen. Luise Fleck war die erste österreichische und weltweit zweite Frau, die als Filmregisseurin und Produzentin Erfolg hatte. Sie führte bei mehr als 100 Filmen Regie und schrieb auch 20 Drehbücher. Besondere Bekanntheit erlangte sie in der Zeit während der Wende von Stumm- zu Tonfilmen. Sie starb 1950 in Wien. Die nun 30 Porträts der großen Töchter der Stadt können noch bis 31. März im Arkadenhof des Wiener Rathauses besichtigt werden.
Länge: 2 Min. 47 Sek. | © Stadt Wien / KOM

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