3.11 Trude Fleischmann
1895 – 1990
hab‘ versucht, wenigstens die zu sein, die ich bin.
Trude Fleischmann war eine der erfolgreichsten Porträtfotografinnen Wiens in der Zwischenkriegszeit – in ihrem Atelier wurde die kulturelle Prominenz der damaligen Zeit fotografiert. Ihre Porträts spiegeln beispielhaft den Wandel des Menschenbildes der 1920er Jahre wider, vor allem aber jenen des Frauenbildes.
Trude Fleischmann, 1895 in Wien geboren, wuchs in einer bürgerlichen, assimilierten jüdischen Familie auf und besuchte ab 1913 die Graphische Lehr- und Versuchsanstalt in Wien. Nach ihrem Abschluss begann sie ein Praktikum bei der Fotopionierin Dora Kallmus (Madame d’Ora), wechselte aber nach kurzer Zeit zu Hermann Schieberth. 1920 erhielt sie die offizielle Berechtigung für die Ausübung des fotografischen Gewerbes und eröffnete mit 25 Jahren ihr eigenes Fotostudio hinter dem Wiener Rathaus.
In der noch relativ jungen Fotografie konnten sich mit Beginn des 20. Jahrhunderts zunehmend Frauen etablieren. In der anspruchsvolleren Porträtfotografie der ersten Republik waren rund 80 % Frauen tätig, ein hoher Prozentsatz kam aus liberalen jüdischen Familien. Trude Fleischmanns Fotoatelier machte sich im Laufe der nächsten Jahre einen Namen – vor allem ihre Porträts von Künstler*innen und Intellektuellen fanden viel Beachtung. Sie war eine der ersten Fotografinnen, die sich dem Frauenakt widmete. Ihre Aktstudien erregten viel Aufmerksamkeit und zeigten ein neues, selbstsicheres und selbstbestimmtes Frauenbild. Die „natürliche“ Nacktheit sowie der Nackttanz, galten als Rebellion gegen die als beklemmend körperfeindlich empfundenen Konventionen des 19. Jahrhunderts.
Nach dem „Anschluss“ 1938 musste sie ihr Atelier in Wien schließen und mit Hilfe ihrer Freundin Helen Post floh sie über Paris und London nach New York. Große Teile ihres Negativarchivs aus dieser Zeit gelten bis heute als verschollen. 1940 eröffnete Trude Fleischmann ein Fotostudio in New York, welches sie erfolgreich bis 1969 betrieb. Ab 1969 lebte sie zurückgezogen in der Schweiz, ihre letzten Lebensjahre verbrachte sie bei ihrem Neffen in den USA, wo sie 1990 starb.
Ausstellungen (Auswahl)
1988: Trude Fleischmann. Fotografien 1918–1938. Galerie Johannes Faber, Wien 2011: Trude Fleischmann. Der selbstbewusste Blick. Wien Museum, Wien
Quellen (Auswahl)
Meder, Iris; Winklbauer, Andrea (Hg.): Vienna’s Shooting Girls – Jüdische Fotografinnen aus Wien. Ausstellungskatalog, Jüdisches Museum Wien, Wien 2012
Holzer, Anton u.a. (Hg.): Trude Fleischmann – der selbstbewusste Blick. Ausstellungskatalog, Wien Museum, Wien 2011
Auer, Anna: Trude Fleischmann. So habe ich mit klopfendem Herzen fotografiert, in: Auer, Anna: Fotografie im Gespräch, Passau 2001