1. Vorbemerkungen

1.2 Management Summary

Die Wiener Bevölkerung wächst, die Zahl der Mindestsicherungsbeziehenden geht leicht zurück

Während die Wiener Bevölkerung gegenüber dem Vorjahr um 3 % bzw. um mehr als 50.600 Personen gewachsen ist, ist die Zahl der Mindestsicherungsbeziehenden weiterhin rückläufig. 2022 beträgt sie 134.303 Personen, das sind um ca. 1 % bzw. 1.346 Beziehende weniger als im Vorjahr. Die Beziehendenzahl 2022 ist der niedrigste Wert seit Beginn der Flüchtlingskrise im Jahr 2015. Der Höchstwert in der Wiener Mindestsicherung wurde 2017 mit über 150.000 Beziehenden erreicht. Danach gingen die Beziehendenzahlen zurück, ab 2019 stagnierte der Wert bei rund 136.000 Beziehenden.

Immer mehr Erwerbstätige stocken ihr Einkommen durch die Mindestsicherung auf

Mehr als 50% aller Mindestsicherungsbeziehenden stehen dem Arbeitsmarkt nicht mehr oder noch nicht zur Verfügung, weil sie minderjährig sind oder dauerhaft arbeitsunfähig sind oder das Regelpensionsalter erreicht haben. Die übrigen Beziehenden sind immer häufiger Working Poor, die ihr vorhandenes Erwerbseinkommen durch Leistungen der Wiener Mindestsicherung aufstocken müssen. 11.429 Erwerbstätige finden sich 2022 in der Wiener Mindestsicherung, um 13,5% mehr als noch im Vorjahr. Das ist beinahe jede sechste Mindestsicherungsbeziehende im Erwerbsalter. Diese Personen gehen größtenteils bereits einer Vollzeitbeschäftigung nach, sind aber im Niedriglohnsektor oder in prekärer Beschäftigung tätig. Es ist ihnen nicht möglich, am Arbeitsmarkt ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften.

Die Leistungshöhen des AMS gehen zurück, die Mindestsicherung stockt diese wieder auf

Beinahe die Hälfte aller arbeitsfähigen Mindestsicherungsbeziehenden erhalten eine Leistung des AMS. Das sind 31.187 Beziehende – um nur 28 Personen weniger als im Vorjahr. Die Höhe der bezogenen AMS-Leistungen sind jedoch stark gesunken, sodass für diese Personengruppe die Leistungshöhen in der Wiener Mindestsicherung gestiegen sind. Die Reduktion der AMS-Leistungen in der Wiener Mindestsicherung hat mehrere Gründe. Einerseits sind die Tagsätze des AMS nicht indexangepasst – es erfolgt keine automatische jährliche Erhöhung analog zum Ausgleichszulagenrichtsatz. 2022 sind die Tagsätze für das Arbeitslosengeld in Wien unterdurchschnittlich gestiegen (+2%) und die Tagsätze für die ohnehin deutlich niedrigere Notstandshilfe sogar zurückgegangen (-3%). In der Wiener Mindestsicherung finden sich zudem wesentlich mehr Notstandshilfe- als Arbeitslosengeldbeziehende. Andererseits verändern sich auch die bezogenen Leistungsarten des AMS innerhalb der Mindestsicherung. Die meisten Erstanfälle in der Mindestsicherung beziehen lediglich Kursnebenkosten des AMS (und kein Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe). Diese Leistung ist in ihrer Höhe deutlich geringer angesetzt und drückt somit die durchschnittliche AMS-Einkommenshöhe in der Mindestsicherung. Diese Differenz wird ebenfalls durch die Leistungen der Wiener Mindestsicherung kompensiert.

Arbeitsmarktnahe Alleinerziehende gehen aus der Mindestsicherung ab

Wenngleich auch mehr Alleinerziehende 2022 erstmalig im Leistungsbezug waren, so war die Zahl der Abgänge höher als im Vorjahr. Dabei zeigt sich, dass Alleinerziehende, die aus der Mindestsicherung abgehen, nicht arbeitsmarktfern waren. Sie hatten überdurchschnittlich hohe Erwerbseinkommen und AMS-Leistungen. Das lässt den Schluss zu, dass es bei diesen Personen zu Veränderungen gekommen ist, durch welche sie den Sprung in eine Erwerbstätigkeit mit ausreichender Einkommenshöhe geschafft haben – beispielsweise durch den Erhalt eines Kindergarten- oder Hortplatzes. Es zeigt jedoch ganz klar, wie wesentlich die Arbeitsmarktnähe für diese Zielgruppe ist und unterstreicht die Wichtigkeit von dahingehender Unterstützung – wie das Projekt Woman Empowerment, wo junge Alleinerziehende noch während der Elternkarenz mit sozialarbeiterischer Unterstützung für den Arbeitsmarkt fit gemacht werden.

Die Reduktion der Paarrichtsätze trifft vor allem Paare mit Kinder

Die Paarrichtsätze in Wien sind mit 75% höher als jene, die im Sozialhilfegrundsatzgesetz mit 70% vorgegeben sind. Studien und Referenzbudgets der Schuldnerberatungen zeigen klar, dass die Ausgaben im Durchschnitt sogar rund 78 % pro Person im Paarhaushalt betragen. Dennoch muss laut Urteil des Verfassungsgerichtshofes die Wiener Mindestsicherung mit 1. Jänner 2024 die Paarrichtsätze auf 70% reduzieren. Diese Verschlechterung trifft insbesondere Familien mit Kindern, denn rund 10.000 Paarhaushalte, das sind Dreiviertel aller Paare in der Wiener Mindestsicherung, haben minderjährige Kinder. Die bereits bestehende Differenz der Wiener Mindestsicherung zur Armutsgefährdungsschwelle sowie zu den tatsächlichen Kosten für Paare mit Kindern wird somit nochmals größer.