2. Handlungsfelder der Wiener Kulturstrategie 2030

2.4 Fair Pay und soziale Absicherung

Neben fairer Bezahlung sind gute künstlerische Arbeitsbedingungen und die Verfügbarkeit von Arbeits-, Experimentier- und Probenräumen ein wichtiges Anliegen der Stadt Wien. Exzellente Kunst braucht entsprechende Rahmenbedingungen.
Unter Fair Pay werden sämtliche Aspekte zusammengefasst, die Einkommen aus künstlerischer Arbeit und soziale Absicherung betreffen. Dabei geht es zum einen um Honorare und um den Grundsatz, dass künstlerische Tätigkeit Arbeit ist und entlohnt werden muss. Zum anderen geht es um Verteilungsgerechtigkeit sowohl innerhalb des Feldes, als auch zwischen verschiedenen demografischen Gruppen, innerhalb von Kulturinstitutionen selbst und zwischen allen Organisationsformen – vom großen Theaterbetrieb bis hin zur Freien Szene.

Ebenfalls zum Bereich Fair Pay zählen geldwerte Förderungen wie die Unterstützung von Infrastruktur(en) und Dienstleistungsangeboten, die integraler Bestandteil künstlerischer Arbeit sind. Grundsätzlich sind für sämtliche künstlerische Arbeitsweisen durchgehende Sozialversicherungsmodelle anzustreben, die gemeinsam mit der Bundesebene entwickelt werden müssen.

Wo wir stehen

Nach empirischen Erhebungen und kulturpolitischen Initiativen auf Bundes- und Landesebene ist die Frage nach der Verbesserung prekärer Arbeitsverhältnisse in den Fokus des kulturpolitischen Handelns gerückt. Die Corona-Pandemie und ihre Folgen haben die Verwundbarkeit von Künstler*innen und Kulturarbeiter*innen deutlich sichtbar gemacht. Aufbauend auf zahlreichen Studien zur Einkommens- und Lebenssituation und einem intensiven Austausch mit den kulturellen Interessensgemeinschaften, der 2019 in einem Symposium gipfelte, wurden in der Stadt Wien Maßnahmen wie beispielsweise der massive Ausbau von Arbeitsstipendien, die Erhöhung der Ankaufsbudgets für bildende Kunst und der Verweis auf Honorarrichtlinien bei der Antragstellung gesetzt. Dazu kommen neue Infrastrukturen in den Bezirken und neu geschaffene bzw. neu gestärkte Serviceeinrichtungen wie die Vienna Club Commission, Kreative Räume Wien, Vienna Film Commission, die künstlerische Arbeit servicieren und unterstützen.

Im Jahr 2022 hat die Stadt Wien die seit 2018 eingeführten Instrumente und Erhöhungen in Bezug auf eine Verbesserung der Einkommenssituation von Künstler*innen evaluiert – mit dem positiven Ergebnis, dass die gesetzten Initiativen die prekäre Lage spürbar verbessert haben. Dieser Weg wird konsequent weitergegangen.

Jedoch ist der politische Handlungsspielraum auf Stadt- und Landesebene begrenzt, wenn es um soziale Absicherungssysteme und deren Treffsicherheit im Kulturbereich geht. Die Stadt Wien setzt seit 2018 aktiv Maßnahmen im Kulturbereich, kann aber Bundesagenden wie die Sozialgesetzgebung nicht beeinflussen.

Trotz zahlreicher Initiativen bleibt dieses Handlungsfeld aufgrund seiner Komplexität in Bewegung und stellt alle Beteiligten laufend vor neue Fragen. Die Stadt Wien wird ihren Weg fortsetzen und gemeinsam mit den Künstler*innen und den Interessensgemeinschaften an nachhaltigen Verbesserungen arbeiten.

Was wir erreichen wollen

Hauptzielsetzung 1: Durch eine breitflächige Etablierung von Gehalts- und Honorarstandards sind 2030 im gesamten Kulturbereich die Rahmenbedingungen für eine faire Bezahlung für Künstler*innen gegeben.

Hauptzielsetzung 2: Erfolgreiche Initiativen der Stadt Wien für eine Entprekarisierung der Wiener Kulturszene, darunter die Arbeitsstipendien für Künstler*innen, sind bis 2030 fortgeführt, ausgebaut sowie weiterentwickelt und ermöglichen ein freies Kunstschaffen unter fairen Lebens- und Arbeitsbedingungen.

Hauptzielsetzung 3: Die Stadt Wien wird sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten auf Bundesebene dafür einsetzen, dass bundesrechtliche Regelungen im Sozial- und Pensionsversicherungssystem für Künstler*innen angepasst werden, um die Kompatibilität wechselnder und heterogener Beschäftigungsverhältnisse zu fördern sowie Prekarität und die daraus resultierende Altersarmut zu verringern.

Ausgewählte Maßnahmen

Maßnahme 1: Erstellung von Kalkulationsvorlagen für die Förderantragsstellung für alle Sparten.

Maßnahme 2: Fortführung und Ausweitung der Arbeitsstipendien (bspw. im Bereich Bildender Kunst oder Kulturvermittlung).

Maßnahme 3: Modelle in stadteigenen Betrieben und Initiativen als Best Practice weiterentwickeln (z.B. Ausstellungshonorare in der Kunsthalle Wien; Gagenmodell Kultursommer).

Maßnahme 4: Verstärkte Zusammenarbeit mit dem Bund und den anderen Gebietskörperschaften.

ATELIERHAUS WIEN am Otto-Wagner-Areal

Fair Pay und soziale Absicherung gehen über angemessene Bezahlung künstlerischer Arbeit hinaus. Die Verfügbarkeit von Räumen zum Arbeiten, Experimentieren und Proben ist neben fairer Bezahlung zur Herstellung guter künstlerischer Arbeitsbedingungen wesentlich. 2023 hat die Stadt Wien daher einen Meilenstein gesetzt: Der denkmalgeschützte Pavillon 18 am Otto-Wagner-Areal wird saniert und als Atelierhaus neu genutzt. Auf einer Gesamtfläche von rund 3.500 m² entstehen auf vier Geschossen Atelier- und Arbeitsräume sowie Präsentationsflächen für Künstler*innen aus der Bildenden Kunst, aber auch aus den Bereichen Literatur, Sprachkunst, Sound Art und Artistic Research. Darüber hinaus richtet die Stadt Wien im künftigen ATELIERHAUS WIEN ein über öffentliche Calls organisiertes, internationales Artists-in-Residence-Programm (AIR Vienna) ein, für welches acht Wohneinheiten geschaffen werden. Nach der Generalsanierung bietet das Gebäude somit ab 2027 Raum zum konzentrierten künstlerischen Arbeiten und Produzieren sowie Möglichkeiten zur Vernetzung, Vermittlung und der Präsentation von Gegenwartskunst.