Die Wiener Abfall- und Abwasserwirtschaft gilt europaweit als Vorreiterin, auch aus Sicht des Klimaschutzes. Alt- und Wertstoffe werden in hohem Maß getrennt gesammelt und recycelt. Das ermöglicht den Einsatz von Sekundärrohstoffen bei der Produktion von Gütern, spart Primärrohstoffe und Energie und verringert CO₂-Emissionen.

Darüber hinaus werden in den Verwertungsanlagen Pfaffenau, Spittelau, Flötzersteig und Simmeringer Haide sowie in der zentralen Kläranlage − quasi als Nebenprodukte der ordnungsgemäßen Entsorgung von Abfällen und Abwasser − jährlich rund 1.100 GWh Fernwärme und 150 GWh Strom produziert.

Dabei entstehen zwar rund 400.000 Tonnen an Treibhausgasen pro Jahr, trotzdem tragen diese Anlagen zum Klimaschutz bei, weil bei einer alternativen Erzeugung dieser Strom- und Wärmemengen – z. B. mittels Erdgas in Kraftwerken und Heizwerken1 – Emissionen in mindestens ähnlichem Ausmaß entstehen würden. Zusätzlich trägt die Wiener Abfallwirtschaft – überwiegend an den Produktionsstandorten außerhalb Wiens – noch zu Substitutionseffekten durch die Verwertung von Papier, Glas, Metallen und Kunststoffen von gut 70.000 Tonnen CO₂ bei [29].

Aus der Abfallwirtschaft stammen im Mittel der Jahre 2014 bis 2018 gut zehn Prozent der „leitzielrelevanten“ Treibhausgasemissionen Wiens. Sie liegen seit 2005 ziemlich konstant im Bereich von knapp über 500.000 Tonnen CO₂-Äquivalent pro Jahr (siehe Abbildung 15). Die Pro-Kopf-Emissionen weisen einen leicht sinkenden Trend auf. Im Wesentlichen lassen sich die Treibhausgasemissionen auf zwei Ursachen zurückführen: Der Löwenanteil entsteht bei der thermischen Verwertung von mineralölbasierten Rest­stoffen, ist also fossilen2 Ursprungs. Der geringere Teil entfällt auf die von Jahr zu Jahr weiter abnehmenden, diffusen Methanemissionen stillgelegter Deponien sowie auf Emissionen aus der Kläranlage bzw. der Kanalisation.

Die Dekarbonisierung der Abfallwirtschaft trifft auf folgende Herausforderungen:

  • CO₂ wird in Verbrennungsanlagen so lange entstehen, solange Kunststoffabfälle fossilen Ursprungs der Abfallwirtschaft zur Behandlung übergeben werden.
  • Die Stadt Wien verfügt nur sehr eingeschränkt über Möglichkeiten, die Transformation der (europäischen oder globalen) Waren- und Ressourcenströme in Richtung Kreislaufwirtschaft oder biobasierter Produkte mitzugestalten, ist aber gewillt, sich diesbezüglich bestmöglich einzubringen.
  • Diffuse Methanemissionen aus alten Deponien sind grundsätzlich kaum vermeidbar, jedoch aufgrund des in Österreich vorliegenden „Deponierungsverbots“ und strenger Vorgaben der Deponieverordnung 2008 sehr stark rückläufig.
  • Weniger brennbare Abfälle reduzieren die Fernwärmeerzeugung und vergrößern die klimaneutral zu deckende Erzeugungslücke bei steigendem Fernwärmebedarf.

Unsere Ziele

Folgendes CO₂-relevante Ziel für die Abfallwirtschaft ist in der Smart City Strategie Wien verankert:

  • Die Wiener Abfallwirtschaft ist 2040 klimaneutral [30].

Zusätzlich wurden in der Smart City Strategie Wien noch weitere abfallwirtschaftliche Ziele festgelegt, die zum einen auf schon zuvor formulierten Strategien im Wiener Abfallwirtschaftsplan und im Abfallvermeidungsprogramm für die Planungsperiode 2019 bis 2024 aufbauen und zum anderen Leitlinien für deren nächste Fortschreibung vorgeben:

  • Die Abfallmengen werden durch vielfältige Maßnahmen zur Abfallvermeidung reduziert.
  • Wien übertrifft bis 2030 das EU-Ziel von 60 Prozent Recyclingquote. Bis 2050 werden 100 Prozent der nicht vermeidbaren Abfälle verwertet.
  • Die in Wien hergestellten Produkte sind langlebig, einfach reparierbar, wiederverwend- und -verwertbar und werden weitgehend abfall- und schadstofffrei produziert.
  • Die Lebensmittelverschwendung wird bis 2030 um 50 Prozent und bis 2050 laufend auf ein Mindestmaß reduziert.


Fahrplan zur Zielerreichung

Aus den für Wien festgelegten CO₂-Reduktionszielen für 2030 und 2040 bzw. aus dem festgelegten „Wiener Treibhausgasbudget“ ergibt sich der in Abbildung 15 dargestellte „Fahrplan“ für die Wiener Abfallwirtschaft in Richtung Klimaneutralität. Dieser geht davon aus, dass bis in die frühen 2030er-Jahre eine weiterhin konstante Entwicklung bei den Treibhausgasemissionen zu erwarten bzw. vorgesehen ist. Im Lauf der 2030er-Jahre erfolgt dann eine schrittweise Absenkung der Emissionen auf nahezu null, die auf der Wirkung eigener Maßnahmen, vor allem aber auch den Politiken der EU und des Bundes beruhen wird.

Abbildung 15: Treibhausgasemissionen der Wiener Abfallwirtschaft von 2005–2019. Ab 2020 Pfad zur Klimaneutralität in der Wiener Abfallwirtschaft; eigene Darstellung für 2005–2019 nach Umweltbundesamt – Bundeslände Luftschadstoff-Inventur 2021 [21]; für 2020–2040: Abschätzungen von UIV in Abstimmung mit der Stadt Wien - Abfallwirtschaft, Straßen­reinigung und Fuhrpark (MA 48)

Die großen Hebel zur Zielerreichung

Für die Reduktion der Treibhausgasemissionen der Abfallwirtschaft gilt es, folgende Stoßrichtungen zu verfolgen:

Hebel 1: Abfall vermeiden

  • Services für die Bevölkerung und Wirtschaft zur Abfallvermeidung: Reparatur von auf Mistplätzen abgegebenen Re-Use-fähigen Elektroaltgeräten; Weiterentwicklung des Reparaturbons und des Reparaturnetzwerks Wien; Weiterführung des kommunalen Re-Use-Verkaufs (48er-Tandler); Verkauf von ausgemusterten Fahrzeugen und -IT-Geräten des Wiener Magistrats; Unterstützung von privaten Reparaturinitiativen und Second-Hand-Initiativen; Lebensmittelweitergabe auf Märkten; Durchführung möglichst vieler Veranstaltungen als ÖkoEvents unter anderem durch Stärkung von Dienstleistungsangeboten, wie z. B. dem Geschirrmobil, dem Wiener Mehrwegbechersystem und Kunststoffmehrweggeschirr und -besteck.
  • Öffentliche Einrichtungen als Vorbild: Vermeidung von Lebensmittelabfällen in Wiener Krankenhäusern, Kindergärten und Schulen; Forcierung von Mehrweg­systemen innerhalb der Stadt Wien; Erweiterung der „ÖkoKauf Wien“-Kriterien auf Bauteile und Baumaterialien.

Hebel 2: Abfall sammeln und trennen

  • Abfallsammlung: Verbesserung der getrennten Sammlung von Altstoffen durch Anpassung der Sammelinseln.
  • Abfalltrennung: Entwicklung von Maßnahmen, um Altstoffe, die als „Fehlwürfe” noch im Restmüll verbleiben, vor der energetischen Verwertung zu erfassen. Aus den gemischten Siedlungsabfällen könnten so verwertbare Anteile, vor allem Kunststoffe, aus­sortiert und einem Recycling zugeführt werden – mit positiven Auswirkungen auf die Recyclingquote und eine Reduktion fossiler CO₂-Emissionen.


Hebel 3: Abfall behandeln

Stoffliche Verwertung von Bestandteilen von Verbrennungsrückständen: Durch die Rückgewinnung von wertvollen Ressourcen (Metallen, Glas, mineralischen Bestand­teilen und Nährstoffen wie Phosphor) können Primärrohstoffe, Transportwege und damit CO₂-Emissionen eingespart werden.

Vor 2040 werden Maßnahmen zur Abscheidung von Kohlenstoff („Carbon Capture“) aus den Rauchgasströmen getroffen. Bei gleichzeitiger Abscheidung biogener CO₂-Emissionen – schon jetzt sind 60 Prozent des Kohlenstoffs im Abfall biogenen Ursprungs – können in der Abfallwirtschaft sogar „negative Emissionen“ im Ausmaß von bis zu 300.000 Tonnen pro Jahr [31] und damit eine Kohlenstoffsenke in Wien erzielt werden.

Hebel 4: Produktdesign und -zusammensetzung anpassen

Kreislaufwirtschaft: Die Kreislaufwirtschaft ist ein Modell der Produktion und des Verbrauchs, bei dem bestehende Materialien und Produkte so lange wie möglich geteilt, geleast, wiederverwendet, repariert, aufgearbeitet und recycelt werden. Auf diese Weise wird der Lebenszyklus der Produkte verlängert. Die Möglichkeit, Produkt- und Rohstoffkreisläufe zu schließen, und der damit verbundene Aufwand sind abhängig vom Design. Dementsprechend sind die Kreislaufdesignprinzipien wie Langlebigkeit, Wart- und Reparierbarkeit, Modularität, Zerlegbarkeit, der Einsatz von kreislauffähigen Materialien und der Verzicht auf problematische Chemikalien von zentraler Bedeutung, um Kreisläufe überhaupt zu ermöglichen und Abfälle minimieren zu können. Diesbezügliche Regelungen fallen in den Kompetenzbereich der EU bzw. des Bundes. Sowohl seitens der EU – das Ziel der Kreislaufwirtschaft ist Teil des European Green Deals – als auch seitens des Bundes gibt es diesbezügliche Zielsetzungen und Ankündigungen. Deren Umsetzung ist für die Erreichung der Wiener Abfallwirtschafts- und Klimaziele mitentscheidend (siehe auch Kapitel 4.7.1).

  • Die Menge an Produkten auf Basis fossiler Rohstoffe muss reduziert werden, um in Folge auch eine Reduktion der bei der Verbrennung solcher Produkte anfallenden (­fossilen) CO₂-Emissionen zu erreichen. Neben der oben genannten Strategie zur Kreislaufwirtschaft wird es auch notwendig sein, fossile durch biobasierte Produktinhalts­stoffe zu ersetzen. Auch hierfür braucht es Regelungen auf EU- oder Bundesebene.
  • Mit dem geplanten OekoBusiness Hub wird eine Plattform implementiert, damit Betriebe, Wirtschaft, Wissenschaft, NGOs und die Stadt Wien gemeinsam an entsprechenden Produktlösungen arbeiten können.

Zusammenspiel von Bund und Ländern

Wien wird sich dafür einsetzen, dass folgende ordnungspolitische Maßnahmen und Anreize auf Bundesebene gesetzt werden:

  • Erhöhung der Mehrwegquoten.
  • Anrechnung von aufbereiteten Verbrennungsrückständen (Metalle, Glas, mineralische Bestandteile und Salze) zur EU-Recyclingquote für Siedlungsabfälle sowie Verpackungen.
  • Unterstützung durch den Bund, um die mit der heute noch nicht großtechnisch umgesetzten CO₂-Abscheidung verbundenen technischen, rechtlichen und finanziellen Herausforderungen zu lösen.
  • Die Ablagerung von Reststoffen aus der Müllverbrennung auf Deponien kann künftig vermieden werden, wenn auch Schlacken und Aschen soweit aufbereitet werden, dass von ihnen keine Umwelt- und Gesundheitsgefährdungen ausgehen und sie als Produkt eingesetzt werden können (z. B. im Straßenbau). Als Grundlage dafür bedarf es entsprechender Normen und gesetzlicher Grundlagen auf Bundesebene. Diese sind auch eine wichtige Voraussetzung dafür, dass ein Markt für diese Reststoffe entsteht und Aufbereitungsanlagen ökonomisch effizient betrieben werden können.

Fußnoten

  1. Anlagen zur Abfallbehandlung fallen – im Gegensatz zu Anlagen der Energiewirtschaft – nicht in den Bereich des EU-Emissionshandels. Daher sind die bei der Strom- und Fernwärmeerzeugung in Abfallbehandlungsanlagen anfallenden Treibhausgasemissionen für Wien „leitzielrelevant“, während sie das bei einer Produktion in Anlagen der Energiewirtschaft – weil unter den Geltungsbereich des EU-ETS fallend – nicht wären.

  2. Das bei der Verbrennung biogener Reststoffe entstehende CO2 gilt als CO2-neutral und wird in der Treibhausgasbilanz nicht bilanziert.