5. Soziale und politische Teilhabe

5.5 Manuela Vollmann: Integration ab Tag eins: Je schneller, desto besser – ABZ*AUSTRIA begleitet Frauen beim Einstieg in den Arbeitsmarkt

Jetzt kommen die Frauen. Durch den Familiennachzug ist im ersten Quartal 2024 der Anteil der weiblichen Asylsuchenden stark angestiegen. Knapp 46 Prozent der Asylanträge kamen von Frauen. Im Gesamtjahr 2023 wurden nur rund 24 Prozent der Anträge von Frauen gestellt. Die stärkste Nation unter den Asylwerber*innen sind Syrer*innen, auf die 4.335 Anträge entfielen. Dahinter kommen Afghan*innen mit 665. Insgesamt 3.649 Ansuchen kamen von Minderjährigen, 3.273 wurden von Volljährigen eingereicht (Bundesministerium für Inneres 2024).

Die Non-Profit-Organisation ABZ*AUSTRIA unterstützt Migrant*innen sowie asyl- und subsidiär schutzberechtigte Frauen bei der Suche nach geeigneten Arbeitsstellen, bei der Berufs- und Laufbahnplanung sowie bei der Integration in Österreich.

Frauen mit Fluchtgeschichte stehen beim Einstieg in den österreichischen Arbeitsmarkt vor einer Vielzahl an Hindernissen: Traumata wie sexuelle Folter, Vergewaltigung und andere Formen geschlechtsspezifischer Gewalt (Davaki 2021) müssen aufgearbeitet und überwunden werden. Dazu kommen Sorge- und Familienarbeit, fehlende Betreuungsmöglichkeiten, geringe Berufserfahrung und geschlechterspezifische oder rassistisch bedingte Diskriminierung. Geflüchtete Frauen zeigen jedoch hohe Bildungsambitionen, sowohl für sich selbst als auch für ihre Kinder (Kohlenberger et al. 2021).

Vorteil Unabhängigkeit

Obwohl geflüchtete Frauen oft ebenso hohe, teilweise sogar höhere Bildungsabschlüsse als Männer haben und Mehrsprachigkeit weit verbreitet ist, sind sie in Österreich wesentlich seltener erwerbstätig (Kohlenberger et al. 2021). Beratung ab Tag eins wäre notwendig. Die Frauen benötigen die Einsicht, welche Vorteile ein Job und eigenes Geld für sie selbst, aber auch für ihre Familie haben und wie sich dadurch die finanzielle Situation der Gesamtfamilie verbessert. Die Beratungen zeigen, dass auch viele Frauen Vorbilder für ihre Kinder und unabhängig sein wollen. Aber wenn Beratungen erst starten, wenn die Frau bereits mehrere Jahre in Österreich gelebt hat und Mutter von mehreren Kindern und Hausfrau ist, kann die Familienplanung (Kinder erst nach einer Ausbildung) oft nicht mehr überdacht werden.

Im Optimalfall werden die Frauen durch Frauen aus demselben Kulturkreis gleich nach ihrer Einreise über die österreichische Geschichte und Gesellschaft sowie über Frauenrechte informiert. Nicht um eine Leitkultur vorzugeben, sondern um gegenseitiges Verständnis und Respekt herzustellen. Noch bevor das Aufenthaltsrecht zuerkannt wird, sollten die Frauen bereits Beratungsstunden in ihrer Erstsprache erhalten: Integration in Österreich, Erhebung und Unterstützung bei der Anerkennung der Kompetenzen und Ausbildungen. Eine kontinuierliche Beratung in der Erstsprache in den ersten ein bis drei Jahren kann viel bewegen und bewirken. Damit die Frauen, die jetzt kommen, nicht unter ihren Qualifikationen und auch Möglichkeiten arbeiten müssen und eine echte Chance bekommen: für einen Neustart in Österreich.

Projekte: ABZ*Kompetenzcheck und ABZ*Startraum Wien für Frauen

Durch den Anstieg der Zuwanderungen im Jahr 2015 wurde der österreichische Arbeitsmarkt vor neue Herausforderungen gestellt. Um eine effiziente und nachhaltige Integration in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen, mussten die Qualifikationen und Kompetenzen der Zugewanderten sichtbar gemacht werden. Im Projekt „Kompetenzcheck für Frauen“ unterstützten wir Frauen mit Fluchthintergrund dabei, ihre Stärken zu erkennen, sichtbar zu machen und sie auf dem Weg in eine existenzsichernde Zukunft zu begleiten. Schlüsselfunktionen für die erfolgreiche Umsetzung waren die Mehrsprachigkeit des Angebots, intensive Kooperationen mit Unternehmen und ein homogenes Gruppensetting (reine Frauengruppen).

Für das Projekt „Kompetenzcheck für Frauen“, das vom AMS Wien finanziert wurde, erhielt ABZ*AUSTRIA gemeinsam mit Update Training und dem BFI Wien 2019 den United Nations Public Service Award in der Kategorie Promoting Gender-responsive Public Services.

Das Nachfolgeprojekt ABZ*Startraum Wien für Frauen – gestartet im Jahr 2023 – hat ebenfalls das Ziel, die Kompetenzen der Teilnehmerinnen sichtbar zu machen und damit den Eintritt in eine Ausbildung bzw. in die Erwerbstätigkeit zu fördern.

Besonders für geflüchtete Frauen ist die Gefahr, dass sie einen Job annehmen müssen, für den sie überqualifiziert sind, größer als für Männer. Um diesem Zustand vorzubeugen, werden bei ABZ*AUSTRIA ausschließlich Frauen betreut. Sie sollen hier durch Wissen und das Aufzeigen der Kompetenzen dazu ermächtigt werden, genderspezifische Hürden zu meistern, und bestmöglich für den österreichischen Arbeitsmarkt vorbereitet werden.

Literatur- und Quellenangaben

Bundesministerium für Inneres (2024): Asyl-Statistiken, bezogen unter: bmi.gv.at/301/Statistiken/start.aspx#pk_2024 (Zugriff: 23.4.2024)

Davaki, Konstantina (2021): The traumas endured by refugee women and their consequences for integration and participation in the EU host country. European Parliament, Policy Department for Citizens’ Rights and Constitutional Affairs, Directorate-General for Internal Policies, PE 691.875 – April 2021, bezogen unter: europarl.europa.eu/RegData/etudes/STUD/2021/691875/IPOL_STU(2021)691875_EN.pdf (Zugriff: 23.4.2024)

Kohlenberger, Judith / Heyne, Sophia / Buber-Ennser, Isabella / Rengs, Bernhard (2021): Women’s Integration Survey. Inklusion, Teilhabe und Enablement geflüchteter Frauen in Österreich. Wien: AMS Österreich, bezogen unter: ams-forschungsnetzwerk.at/deutsch/publikationen/BibShow.asp?id=13411 (Zugriff: 23.4.2024)

Manuela Vollmann, geboren in Österreich, ist in den Bereichen Bildung, Arbeitsmarkt, Geschlechtergleichstellung, Unternehmensführung und soziale Innovation tätig und studierte Pädagogik. Sie ist Gründerin (1992) und Geschäftsführerin von ABZ*AUSTRIA, einem Non-Profit-Unternehmen mit Sitz in Wien, das sich auf soziale Integration, Geschlechtergerechtigkeit und berufliche Bildung spezialisiert hat. Sie ist Vorstandsvorsitzende und Geschäftsführerin von ABZ*AUSTRIA in Top Job Sharing mit Daniela Schallert. Seit 2023 ist sie Mitglied und Vorsitzende des Universitätsrats der Bertha von Suttner Privatuniversität. Sie ist im Vorstand des European Network of Social Integration Enterprises (ENSIE) sowie als Vorsitzende von arbeit plus – Soziale Unternehmen Österreich tätig.