2. Bedarfsgerechte & frauenspezifische Angebote

2.2 Moujan Wittmann-Roumi Rassouli und Fatmé Khalil-Hammoud: Potenziale entfalten – Beiträge der MA 17

Unabhängig von den Ursachen für Flucht und Auswanderung wird das Ziel der Menschen, in einem neuen Land gut anzukommen, von der Erwartung auf ein besseres Leben getragen. Das Versprechen der Gesellschaft auf Autonomie und Freiheit hat einen Einfluss auf Hoffnungen und Wünsche, mit denen Menschen flüchten oder auswandern. Jedoch erfordert die Verwirklichung dieser Versprechen ein angemessenes Einkommensniveau, das sich auf die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, die soziale Positionierung und die Gesundheit auswirkt (Kajikhina et al. 2023; El-Mafaalani 2012).

Die unterschiedlichen Organisationen und Systeme der Gesellschaft spielen eine entscheidende Rolle bei der sozialen Positionierung auch im Integrationsprozess (El-Mafaalani 2012). Um dieses Thema deutlicher hervorzuheben, ist die Abteilung Integration und Diversität der Stadt Wien (MA 17) als Schnittstelle zwischen Stadtverwaltung, diversen Einrichtungen, Migrant*innen und deren Organisationen im Aufbau von nachhaltigen Angeboten u. a. für geflüchtete Frauen zur Verbesserung deren sozialer Positionierung und Teilhabechancen aktiv, indem sie zahlreiche Integrationsmaßnahmen fördert und begleitet. Dabei legt sie einen besonderen Fokus auf die Förderung gemeinnütziger Einrichtungen, die Veränderungsbedarfe erkennen und umsetzen möchten.

Drei Beispiele für zielgruppengerechte Angebote

  • Mehrsprachige, bedarfsgerechte Bildungs- und Unterstützungsangebote schaffen Vertrauen und erleichtern das Ankommen in der Stadt: Die Startbegleitung für Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte der Interface GmbH, einer 100%igen Tochter der Stadt Wien – Integration und Diversität, adressiert in über zwölf Sprachen existenziell wichtige Fragen wie Wohnungssuche, Einkommenssicherung, Arbeitsmarktintegration und Schulbildung in den ersten Monaten des Ankommens.

  • Bei bedarfsorientierten, von der Abteilung Integration und Diversität der Stadt Wien (MA 17) mitgeförderten Angeboten verdient die Initiative Erwachsenenbildung (IEB) im Bereich der Basisbildung für Frauen besondere Anerkennung, da sie maßgeschneiderte Kurse mit insgesamt 3.174 Plätzen für Frauen mit Deutsch als Zweitsprache bereitstellt und die Verschränkung der Lernfelder Deutsch, Mathematik und Digitales im Blick hat. Ein wesentlicher Faktor für das Empowerment von geflüchteten Frauen ist die Berücksichtigung individueller (mehrsprachiger) Kompetenzen, die auch als Türöffner zum Arbeitsmarkt gesehen werden. Ebenso wichtig sind die geförderten Fachdeutschkurse mit 1.064 Plätzen, die durch Betriebsbesuche sowie praktische Einbindung in das Berufsleben ergänzt werden. Sie bilden eine wichtige Brücke zur Nutzung mitgebrachter Fähigkeiten und erworbener Qualifikationen.

  • Für viele Frauen stellen sich vor, während oder nach integrativen Deutschkursmaßnahmen Fragen zu Erwerbsfähigkeit, Aufenthaltssicherheit und Einbürgerung, Familiennachzug, Existenzsicherung und materiellen (Sozial-)Leistungen. Im Laufe des Jahres 2023 haben sich 3.000 Frauen an die von der Abteilung Integration und Diversität geförderte mehrsprachige Beratungsstelle Perspektive für Neuzuwanderer*innen und Asylberechtigte gewendet, um Beratung und Begleitung in Anerkennungsverfahren für berufliche Qualifikationen und Weiterbildungsmaßnahmen zu finden.

Hürden für den Einstieg in den Arbeitsmarkt erkennen und beseitigen

Trotz der steigenden Anzahl und des innovativen Charakters solcher Angebote für neu zugewanderte und anerkannte geflüchtete Frauen rücken im Rahmen der Arbeit der Abteilung Integration und Diversität strukturelle Probleme immer stärker in den Blickpunkt: Viele Frauen stehen vor der Herausforderung, trotz umfangreicher beruflicher Erfahrung in verschiedenen Bereichen keine formale Ausbildung zu besitzen. Andere verfügen über eine hohe formale Bildung, die nicht mit ihrer Berufserfahrung übereinstimmt und keine Entsprechung auf dem Arbeitsmarkt findet, und einige sind aufgrund der Fluchtumstände alleinerziehend. In all diesen Fällen ist es für die Frauen entscheidend, die Gewissheit zu haben, dass ihre Kinder angemessen betreut werden, um die eigene gesellschaftliche Teilhabe zu erreichen.

Dies ist eine klar formulierte Empfehlung aus unterschiedlichen mehrsprachigen Veranstaltungsreihen der Stadt Wien – Integration und Diversität (MA 17) für und mit geflüchteten und zugewanderten Frauen. Sie verdeutlicht, wie wichtig es ist, die Gestaltung der vorhandenen Angebote zur Kinderbetreuung zu überdenken, um es den Frauen zu ermöglichen, diese schwierigen Hürden zu meistern und insbesondere den Widerspruch zwischen der Verpflichtung, dem Arbeitsmarkt möglichst rasch zur Verfügung zu stehen, und der Notwendigkeit, gleichzeitig die Care-Arbeit für Kinder und Angehörige zu übernehmen, aufzulösen. So sollte flächendeckende Kinderbetreuung angeboten werden und dies in einer Form, die die Frauen annehmen können, also etwa am Kursort selbst oder durch Kindergärten mit erweiterten Öffnungszeiten bis in den Nachmittag hinein.

Die Erwartung seitens der Gesellschaft an die Frauen, so rasch wie möglich die deutsche Sprache zu erlernen und die entsprechenden Prüfungserfolge für die unterschiedlichen Aufenthaltstitel nachzuweisen, können die Frauen auch eher erfüllen, wenn nahtlose Übergänge von einem absolvierten Deutschniveau zum nächsten geschaffen werden. Das ist entscheidend für Lernerfolge und vermeidet Leerlaufzeiten, die demotivierend sind und den erreichten Fortschritt untergraben.

Inmitten dieser vielschichtigen Herausforderungen wird aus den Erfahrungen des Förderwesens und Diversitätsmanagements der Stadt Wien – Integration und Diversität (MA 17) deutlich: Das Implementieren von Teams mit unterschiedlichen Professionen und sprachlichen Hintergründen in unterschiedlichen Organisationen und Einrichtungen ist von entscheidender Bedeutung (Bedeutung von Diversitätsmanagement in allen Einrichtungen). Dadurch kann der wachsenden Diversität in Wien souverän begegnet werden. Und es können die Potenziale auch der kommenden Generationen „ent-wickelt“ werden.

Literatur- und Quellenangaben

El-Mafaalani, Aladin (2012): Bildungsmobilität und Habitustheorie. In: BildungsaufsteigerInnen aus benachteiligten Milieus. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften

Kajikhina, Katja / Koschollek, Carmen / Bozorgmehr, Kayvan / Sarma, Navina / Hövener, Claudia (2023): Rassismus und Diskriminierung im Kontext gesundheitlicher Ungleichheit – ein narratives Review. In: Bundesgesundheitsbl., 66/1099-1108, bezogen unter: doi.org/10.1007/s00103-023-03764-7

Moujan Wittmann-Roumi Rassouli studierte Betriebswirtschaft und Soziologie in Wien. Ihre Forschungstätigkeit an der Universität umfasste das Thema Migration und Civic Identity. Seit 2006 ist sie als Referentin in der Abteilung Integration und Diversität der Stadt Wien (MA 17) tätig und arbeitet dort im Bereich Förderwesen sowie unterstützend im Diversitätsmanagement.

Fatmé Khalil-Hammoud studierte Soziale Arbeit an der Deutschen Hochschule für Gesundheit und Sport und absolvierte den Lehrgang Sozialpädagogik an der Bildungsakademie Wien. Sie war von 2008 bis 2014 bei Interface GesmbH tätig, seit 2014 arbeitet sie für die Abteilung Integration und Diversität der Stadt Wien (MA 17) bei Projekten für neu zugewanderte Wienerinnen und Wiener.