2.7 Cani Esser: LGBTIQ+ und Flucht – Angebote des Vereins Queer Base
In den letzten Jahren wurde weltweit eine besorgniserregende Zunahme von Anti-LGBTIQ-Gesetzgebungen und gezielter Hetze gegen sexuelle Minderheiten deutlich. Für viele queere FLINTA*s (Frauen, Lesben, inter, nichtbinäre, trans, agender Personen) bedeutet dieser globale Anstieg repressiver Maßnahmen und Hetze, dass sie nicht nur die bereits belastenden Herausforderungen einer Flucht und die Prekarisierung im Ankunftsland bewältigen müssen, sondern dort angekommen oft auf Unterstützung und Schutz verzichten müssen, da sie häufig aus dem Netzwerk der traditionellen Hilfs- und Unterstützungssysteme fallen.
Viele von ihnen sind zu queer für die herkömmliche Unterstützung von Geflüchteten, zu rassifiziert und armutsbetroffen für die etablierte queere Szene und zu weiblich, trans oder nichtbinär für die cis-schwul-dominierte queere Geflüchteten-Community. Sowohl bei Freizeit- als auch bei Unterstützungsangeboten in Wien fallen sie oft durch das Raster. Queer Base, ein Verein zur Unterstützung von LGBTIQ+-Geflüchteten, versucht diese Lücke zu schließen, stößt dabei jedoch oft an seine Grenzen.
Queer Base unterstützt seit 2015 LGBTIQ+-Asylbewerber*innen in der Grundversorgung, mit einem Schwerpunkt auf Unterkunft, Gesundheit, Weiterbildung und sozialer Teilhabe. Wir bemühen uns, in der Community-Arbeit den Bedürfnissen von queeren FLINTA*s so gut wie möglich gerecht zu werden und deren Isolation entgegenzuwirken. Daher bieten wir seit Ende 2023 einmal im Monat das FLINTA*-Queer-Base-Café an, einen exklusiven Raum für geflüchtete lesbische und bisexuelle cis Frauen sowie nichtbinäre, inter und trans Personen jeglicher sexueller Orientierung. Ohne die übliche cis-männliche Dominanz können sie sich hier besser vernetzen, Bekanntschaften und Freundschaften schließen und ihren Platz innerhalb der Community finden.
Auch in unserer Beratung legen wir besonderen Wert darauf, spezifisch queere FLINTA*s zu unterstützen, da diese erfahrungsgemäß oft übersehen werden. FLINTA*s sind häufig sozialisiert, sich selbst und andere zu versorgen, ohne ihre Bedürfnisse direkt zu kommunizieren oder um Hilfe zu bitten. Gerade geflüchtete queere FLINTA*s benötigen jedoch dringend Unterstützung, um ihre vielfältigen Traumata zu bewältigen. Die Ereignisse, die LGBTIQ+-Geflüchtete im Allgemeinen und FLINTA*s im Besonderen zur Flucht veranlassen, gehen oft mit psychischen, physischen und sexualisierten Gewalterfahrungen einher. Hinzu kommen traumatische Erlebnisse als vulnerable Personen auf der Flucht sowie queerphobe und rassistische Diskriminierung im Ankunftsland Österreich. Da Kassenplätze für Psychotherapie begrenzt und aufgrund von Sprachbarrieren oft nicht zugänglich sind und bei allen Organisationen, die Psychotherapie für Geflüchtete anbieten, lange Wartelisten bestehen, tragen diese Menschen ihre Traumata oft länger allein mit sich, als es gut für sie wäre.
Ein großer Bedarf besteht auch bei der medizinischen Unterstützung für trans Personen. Um in Österreich Zugang zu spezifischer gesundheitlicher Versorgung zu erhalten, benötigt man die Diagnose „Transsexualismus“. Dafür müssen drei verschiedene Fachärzt*innen eine – oft als solche nicht empfundene – psychische Störung bescheinigen. Notwendige Reformen, um die Pathologisierung von trans Personen zu stoppen und essenzielle medizinische Versorgung leichter zugänglich zu machen, sind beim derzeitigen politischen Klima leider nicht in naher Aussicht. Für muttersprachliche trans Personen ist dieser bürokratische Prozess bereits kompliziert, für geflüchtete trans Personen wird er durch Sprachbarrieren und finanzielle Probleme noch erschwert. Nur wenige Organisationen in Wien können bei diesem lebenswichtigen Prozess helfen. Es ist daher dringend notwendig, vermehrt Fortbildungen zum Thema LGBTIQ+ im Allgemeinen und Transgesundheit im Spezifischen für andere Organisationen im Asylwesen anzubieten.
Da queere geflüchtete FLINTA*s auch nach einem positiven Asylverfahren weiterhin homophober, transphober, rassistischer und sexistischer Diskriminierung ausgesetzt sind, die auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt existenzielle Folgen haben kann, braucht es hierbei weitere zielgruppenspezifische Unterstützung. Die Queer Base mit ihrem Schwerpunkt auf Geflüchtete in der Grundversorgung kann diese nicht vollständig abdecken. Es ist daher dringend notwendig, systematische und umfassende Maßnahmen zu ergreifen, um die Lebensbedingungen und den Zugang zu Unterstützung und Community für queere geflüchtete FLINTA*s nachhaltig zu verbessern.
Cani Esser ist Sozialberaterin bei der Queer Base. Sie ist seit Jahren in politischen Organisationen und Gruppen aktiv und hat bereits für verschiedene NGOs und in Zeitschriften veröffentlicht. Derzeit schließt sie ihr Masterstudium in European Studies an der Bilgi University in Istanbul ab.