Ein Mann und eine Frau fahren auf ihren Fahrrädern eine Straße entlang
4. Die Stadt der voll vielen Bausteine

4.4 250 Meter bis zur nächsten Oase

Zwei Jugendliche sitzen an der Donau mit Blick auf DC-Tower neben der Reichsbrücke

Das Fachkonzept Grün- und Freiraum ist das richtungsweisende Strategiepapier für die Wiener Grünraumplanung. Ob Minipark oder Großerholungsgebiet: In Zukunft soll jeder Wiener, jede Wienerin innerhalb von wenigen Gehminuten einen attraktiven Grünraum erreichen können.

Franziska Leeb

Die Öffnung des zuvor nur dem Adel zugänglichen Praters für alle unter Kaiser Joseph II. war 1766 in gewisser Weise eine frühe Bemühung um die Herstellung von Grünraumgerechtigkeit. Erst 1919, nach dem Untergang der Monarchie, wurde mit dem Lainzer Tiergarten ein weiteres beliebtes Wiener Naherholungsgebiet für die Bevölkerung geöffnet. Es folgten die großen Erholungsgebiete aus der Zeit des Feudalismus, der 1905 beschlossene Wald- und Wiesengürtel, der Nationalpark Donau-Auen und die großen Projekte der Grün- und Freiraumentwicklung in den 1960er- bis 1990er-Jahren mit dem Donaupark, dem Kurpark Oberlaa, der Donauinsel und der Erholungslandschaft auf dem Wienerberg. Doch was wir heute als Selbstverständlichkeiten empfinden, ist Resultat von 100 Jahren aktiver Grünraumsicherung durch die Wiener Stadtplanung.

Wien wächst derzeit ähnlich stark wie in der Gründerzeit. Trotz hohen Siedlungsdrucks gilt es, den Landschaftsraum der Stadtregion langfristig zu sichern und mit den aktuellen Entwicklungen den Nutzungsansprüchen einer heterogenen Gesellschaft gerecht zu werden. Die Grün- und Freiraumplanung ist mehr denn je gefordert, den öffentlichen Raum verstärkt aus der Perspektive der Älteren zu betrachten, da die Zahl der Generation Ü65 und damit auch jene der Hochbetagten stark im Steigen begriffen ist. Wie selbstbestimmt und aktiv deren Teilhabe am öffentlichen Leben gestaltbar ist, hängt auch von der Beschaffenheit des Wohnumfeldes ab.

Das im Fachkonzept Grün- und Freiraum formulierte Freiraumnetz bildet dafür eine wesentliche Grundlage. Indem Parks und Großgrünräume, aber auch kleinere Ökoflächen und Straßen mit Grünelementen miteinander verbunden werden, wird künftig jede Wienerin und jeder Wiener innerhalb von 250 Metern – also in ein paar Gehminuten – einen Grünraum erreichen können. Das enge grüne Maschennetz erhöht die Attraktivität der Fußwege in der Stadt, wirkt sich positiv auf das Stadtklima und die Biodiversität aus und ermöglicht nicht zuletzt auch mobilitätseingeschränkten Personen Zugang zu qualitätsvollen Aufenthaltsräumen.

Kind schlägt ein Rad auf einer Grünfläche auf der Donauinsel

In den großen Stadterweiterungsgebieten nördlich der Donau entstehen drei neue Großerholungsgebiete: Rendezvousberg, Norbert-Scheed-Wald und das Vorland Lobau. Im Herbst 2019 startete die Umsetzung des nach den Angerdörfern Stammersdorf, Gerasdorf und Süßenbrunn benannten Regionalparks Dreianger. Wesentliche Ziele dieser vom Bisamberg bis zum Jahrhundertprojekt Norbert-Scheed-Wald durchgehenden Grünspange im Nordosten der Stadt sind die Erhaltung der lokalen Landwirtschaft, der Schutz des eigenständigen Charakters des Landschaftsraums sowie die Attraktivierung des Grünraums für Erholungsnutzung.

Um der Stadtplanung ein standardisiertes Instrument zur Grundlagenerhebung für qualitätssichernde Verfahren und der Flächenwidmung zur Verfügung zu stellen, wurde das Planungswerkzeug Lokaler Grünplan entwickelt. Auf Basis verschiedener Kennwerte sorgt der Plan dafür, dass in Nachverdichtungs- und Stadtentwicklungsgebieten quantitative und qualitative Standards für die Freiraumversorgung eingehalten werden. Dazu zählt nicht zuletzt auch das Engagement der Bürgerinnen und Bürger, die noch mehr Chancen erhalten sollen, sich mit gärtnerischen Aktivitäten am Stadtleben zu beteiligen.