Fotografie mit Blick in den Himmel umgeben von einem Wohnhaus mit Fassadenbegrünung
Portraitzeichnung von Barbara Uhde

1984, 1994 und 2005: Wie wurde die Stadt im Laufe der Zeit gedacht und geplant? Wie unterscheiden sich die Inhalte und Kriterien? Und warum werden die Pläne, anhand derer wir die Zukunft bauen, immer abstrakter und immer verbaler? Die Wiener Leitlinien und Stadtentwicklungspläne im Vergleich.

Barbara Uhde

Waren Stadtentwicklungsmaßnahmen in der Geschichte der Stadt vor allem der Bestandsaufnahme und militärischen Überlegungen geschuldet, so bedingte das rasante urbane Wachstum im 19. Jahrhundert neue Anpassungen. Städte waren großer Kritik ausgesetzt. Erste Ausstellungen, Kongresse und Lehrstühle widmeten sich dem Aufgabengebiet der Stadtplanung. Um die bis dahin passierten Fehlplanungen zu beheben, versuchten Planende, die „kranken“ Städte zu ordnen und bevorstehende Entwicklungen aufzufangen. Fußnoten

Projektierende Stadterweiterungskarten und der Bau der Wiener Ringstraße machten diesen Aufbruch besonders deutlich: Pläne wurden zum Informationsmaterial und somit zur ersten Öffentlichkeitsarbeit von Stadtentwicklung. Die Entwürfe zum Generalregulierungsplan 1892 von Otto Wagner und Joseph Stübben waren schließlich der erste, wenn auch gescheiterte Versuch, einen gemeindeweiten Masterplan zur weiteren Entwicklung Wiens zu finden. Die zur Ausarbeitung eingerichtete Abteilung im Stadtbauamt – quasi die Urgroßmutter der heutigen Stadtplanungsmagistrate und der Stadtplanungsdirektion – arbeitete den Entwicklungen weiter hinterher.

Der „Bauzonenplan“ 1893 und die neue „Wiener Bauordnung“ 1930 bildeten die nächsten Meilensteine, die zum überwiegenden Teil allerdings erst nach 1945 raumwirksam wurden. Die „Wiederaufbau-Enquete“ und Hans Grundackers „Drei-Phasen-Programm“ für den Aufbau verdeutlichten die planungspolitische (und auch planungskulturelle) Zäsur nach dem Zweiten Weltkrieg. Roland Rainer und Karl Heinrich Brunner verfassten als Aufbaustadträte die ersten gesamtstädtischen Entwicklungskonzepte. Der Planungseuphorie der 1970er-Jahre mit ihren raumgreifenden Großprojekten folgten massive Infrastrukturmaßnahmen und nicht zuletzt auch kleinteilige Stadtplanungskampagnen und erste intensive Bürgerbeteiligungen. Fußnoten

Der grosse Plan der kleinen Schritte: Step 1984

Leitbild des Stadtentwicklungsplans 84

1976 begann Stadtplanungsstadtrat Rudolf Wurzer schließlich, in Koordination mit der Geschäftsgruppe Planung und allen anderen Magistratsdirektionen, den ersten Wiener STEP zu verfassen. Kern der Erstellung war der "Arbeitskreis Stadtentwicklungsplan" in der MA 18. Die Erstellung zog sich über viele Jahre und wurde 1981 in Form einer Ausstellung öffentlich präsentiert. Mehr als 25.000 Menschen besuchten den Messepalast und hinterließen rund 3.000 Stellungnahmen. Fußnoten

Der STEP 84 begann mit einem Kapitel über die gesellschaftliche Entwicklung unter dem Titel Grundsätze der Wiener Stadtentwicklungspolitik. Die darin enthaltenen Slogans „Mehr Lebensqualität“, „Demokratie wagen“ und „Gesunde Umwelt“ verdeutlichten die Schwerpunkte. Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik wurden nicht thematisiert. Neben sozialer Emanzipation und Umwelt stand der STEP 84 vor allem für die Stadterneuerung als „Großprojekt der kleinen Schritte“, kombiniert mit riesigen Infrastrukturinvestitionen. Als Kern der Umsetzungsstrategie des STEP 84 wurde die Stadtentwicklungskommission eingerichtet, die sich bis heute mit wesentlichen Fragen der Wiener Stadtentwicklung befasst.

Räumlich wollte der STEP 84 einen Paradigmenwechsel vollziehen und ein neuer, großer Plan sein – und somit klar mit der vorhergehenden Ideologie der autogerechten Stadt brechen. Den immer größer werdenden Distanzen zum umliegenden Grünraum folgte nun das Gegenmodell, Erholungsräume in der dichten Stadt zu etablieren. Das Wachsen der Stadt sollte von nun an vereinzelt entlang von Hauptzentren und Siedlungsachsen erfolgen. In diesen Achsen sollten alle wichtigen urbanen Funktionen in Anlehnung an die Qualitäten der Kompaktheit der Gründerzeit angesiedelt werden. Bestehende Siedlungsgebiete außerhalb von Siedlungsachsen.

Doch die geplante Achsenausbildung gelang nur teilweise: Für die Bündelung der Funktionen und Freihaltung der Grünkeile fehlte es an Instrumenten. Zudem stellten sich die Hauptzentren, an die die Achsen angebunden waren, in ihrer Strahlkraft in den meisten Fällen als zu schwach heraus. Der Entwicklungsstopp bestehender, ungewünschter Siedlungen war ebenso kaum umzusetzen. Hinzu kamen marktwirtschaftliche Dynamiken: Während die deutlich verortbaren Grundstücke entlang der Entwicklungsachsen teurer wurden, wichen viele Wohnbauträger auf die dazwischen liegenden Gebiete und Grünkeile aus, die dezidiert unbebaut hätten bleiben sollen. Fußnoten

Globale Herausforderungen: Leitlinien 1991

Der geopolitische Wandel 1989 bedingte – zusammen mit dem durch die Pariser Grands Projets entfachten Theoriediskurs – eine planungspolitische Wende in Europa. In Wien blieb der STEP 84 mit seinen sozialen und ökologischen Grundprinzipien zwar weiterhin aufrecht, jedoch wurde die Forderung nach Großprojekten unter der Diskussion um internationale Standortprofilierung immer deutlicher. Zunächst sollten Großprojekte außerhalb der baulichen Ebene etabliert werden. Eines der Schlüsselprojekte war die EXPO 1995 in Wien und Budapest, die Wien als Kongressstadt ins internationale Licht rücken sollte. Allerdings wurde die EXPO ab 1989 von den Ängsten vor Zuwanderung überschattet und von den Konsequenzen des Jugoslawien-Kriegs gebremst – und schließlich durch die Volksabstimmung 1991 stillgelegt. Immerhin diente das EXPO-Projekt als Anreiz und Impulsgeber für viele Stadtentwicklungen.

Seit Mitte der 1980er-Jahre nahmen Geburtenrate, Bildungsniveau und Frauen-Berufstätigkeit kontinuierlich zu – und verstärkten damit den Wohnungsbedarf ganz anders, als dies im STEP 84 noch prognostiziert worden war. Hinzu kamen Zuwanderung und gesellschaftliche Veränderungen, die nicht zuletzt zu neuen Haushalts- und Familienformen führten. Um diesen Entwicklungen zu begegnen, musste zu Beginn der 1990er die Zahl der jährlich zu errichtenden geförderten Wohnungen von 4.000 auf 10.000 erhöht werden. Stadtplanung und geförderter Wohnbau waren nun auf unerwartete und akute Weise gefordert.

Innerhalb weniger Monate erstellte Planungsstadtrat Hannes Swoboda die Leitlinien für die Stadtentwicklung, die im April 1991 im Wiener Gemeinderat beschlossen wurden. Bis 2010 sollten demnach 120.000 geförderte Neubauwohnungen entstehen – die Hälfte davon in der bestehenden Stadt, der Rest in neu definierten Stadterweiterungsgebieten entlang der im STEP 84 definierten Achsen. Ergänzend dazu wurden Qualitätskriterien wie etwa Verkehrserschließung, Infrastrukturausstattung und städtebauliche Dichte festgelegt. Fußnoten

Gleichzeitig wurde der Beirat für Stadtentwicklungsbereiche gegründet. Er sollte die aktuellen Projekte begleiten und in die Entwicklung des neuen Stadtentwicklungsplans laufend einbinden. Im Rückblick betrachtet trug der Beirat zur Integration vieler Fachöffentlichkeiten in die Erstellung der Leitbilder, aber auch zur Öffnung des Diskurses für die allgemeine Bevölkerung wesentlich bei. Außerdem wurden als weitere Steuerungsinstrumente 1994 die Infrastrukturkommission und 1995 der Grundstücksbeirat ins Leben gerufen.

Fokus auf gesellschaftliche Tendenzen: Step 1994

Leitbild des Stadtentwicklungsplans 94

In Ergänzung zu den bereits erwähnten gesellschaftlichen Veränderungen arbeiteten immer mehr Menschen im tertiären Sektor, die Arbeitslosenquote nahm zu – und erstmals wurde auch die Langzeitarbeitslosigkeit groß thematisiert. Freizeitorientierung und Rückgang sozialer Verantwortung wurden Zeichen der Zeit. Unter Stadtrat Hannes Swoboda sollten all diese veränderten Anforderungen an die zukünftige Stadtplanung in den STEP 94 einfließen. Sichtbar wurde dies in Form von 15 Thesen, die dem STEP als Rahmenbedingungen vorangestellt wurden. Sie umfassen Themen wie Migration, Globalisierung, Chancengleichheit, sozialer Wohnbau, Wettbewerbswesen, Standortpolitik und Wiens Rolle in Europa.

Neben der sanften Stadterneuerung setzte der STEP 94 zudem auf „maßvolle“ äußere Stadtentwicklung entlang der 1984 definierten Entwicklungsachsen sowie auf innere Stadtentwicklung: Innere Reserven wie Bahnhofsgebiete und Kasernenareale sollten kleinteilig mit Wohnbau aufgefüllt werden. Dieser dreiteiligen Methode unterlegte man Szenarien der Wirtschaftsentwicklung sowie ein gänzlich neues prozesshaftes Planungsverständnis. Dies gipfelte in der Einführung neuer Organisationsstrukturen und Bürgerbeteiligungsformate.

1994 erstellte das Referat Grün- und Freiraum der MA 18 den sogenannten 1000-Hektar-Plan für den Nordosten Wiens. Dem Gemeinderatsbeschluss von 1905 zum Grüngürtel folgte damit mit neun Jahrzehnten Verspätung ein umfassendes Konzept zur konkreten Umsetzung – deren parzellenscharf ausgewiesene Flächen jedoch dazu führten, dass die Pläne an nach und nach steigenden Grundstückspreisen scheiterten. Man lernte aus diesem Fehler: Alle späteren räumlichen Leitbilder wurden in ihrem Detaillierungsgrad deutlich abstrahierter dargestellt.

Ein 1000-Hektar-Plan der Bezirke 21. und 22.

Auf der Suche nach Synergien: Strategiepläne 1997 und 2004

Förderung sozialer Integration, Verlust von Industriearbeitsplätzen, Verwaltungsmodernisierung, Städtemarketing und regionale Kooperationen zur Weiterentwicklung der Standortqualität der Städte im internationalen Wettbewerb – all das waren die pressierenden gesellschaftlichen Themen in den frühen 2000er-Jahren. Um diesen Komponenten des städtischen Lebens besser und ganzheitlicher begegnen zu können, veränderte sich das Verständnis von Stadtplanung – von Städtebau hin zu strategischem Planen. Auf diese Weise mutierte Stadtentwicklung mehr und mehr zur Querschnittsmaterie, an der sich Hochschulen, Unternehmen, Verbände, Interessenvertretungen und NGOs beteiligten und auf diese Weise selbst zu Hauptakteurinnen der Stadtentwicklung wurden.

Ein weiterer Wandel betrifft die inhaltliche Spannweite und strategische Definition der Wiener Stadtplanung: Neben sozialen und ökologischen Aspekten sollte nun die Wirtschaft zur wichtigen dritten Essenz des Planens und Entwickelns werden. Alle planungsrelevanten Dienststellen der Stadt wurden gemeinsam mit Vertreterinnen aus Wissenschaft und Politik eingeladen, sich einzubringen. Der Strategieplan verstand sich als prozessorientierter Plan, in dem vorhandene Maßnahmen- programme und Konzepte der Stadt in Synergie zueinander gebracht und umgesetzt werden sollten. Anhand von insgesamt 42 strategischen Projekten aus unterschiedlichen Handlungsfeldern wurden Methoden und Umsetzungsstrategien erörtert.

2004 folgte eine erweiterte Version. Zu den Schwerpunkten dieser Vertiefung zählten Akteurskooperationen, Alltagsdialoge, Verfahrenskultur, Zivilgesellschaft sowie Empowerment von Bürgerinnen und Bürgern. Auch regional wollte man im Strategieplan Defizite aus dem STEP 94 ausgleichen und beschloss daher, Themen wie Centrope und Stadt-Umland-Management zur Planung über die Kommunalgrenze hinweg zu etablieren. Dem Strategieplan folgend wurden außerdem diverse Prozesse im Rahmen der Lokalen Agenda 21 begonnen.

Zielgebiete zur pluralistischen Entwicklung: Step 05

Räumliches Leitbild des Stadtentwicklungsplans 05

Aufbauend auf dem System des Strategieplans sollte sich der STEP 05 der räumlichen Entwicklung unter Berücksichtigung der Aspekte der integrierten Wirtschaft widmen. Während die räumlichen Ziele aus 1994 und 1984 größtenteils nicht erreicht werden konnten und sich die Peripherie stattdessen immer mehr zur „Zwischenstadt“ entwickelte, formulierte der STEP 05 sogenannte Zielgebiete zur pluralistischen Entwicklung. Die U-Bahn wurde zur Entwicklungsachse und Stadtentwicklungs-Impulsgeberin, entlang derer sich eine neue polyzentrische Stadtstruktur entwickelte, die sich nun auch im Wirtschaftsleitbild niederschlug: Die bestehenden agrarwirtschaftlichen Betriebe sollten gehalten und die umweltschonende Produktion weiter ausgebaut werden.

Darüber hinaus sprach der STEP 05 dezidiert von einer „Entwicklung und Festigung Wiens als Metropole im südlichen Zentraleuropa“, kalkulierte mit kulturellem Austausch und zunehmendem Wirtschaftsbeziehungen mit dem Osten Europas und somit auch mit steigender Pendler-, Einkaufs- und Tourismusmobilität. Dies hatte nicht zuletzt auch Einfluss auf die innere Entwicklung Wiens sowie auf die Verbindung in die Region. Auf Grundlage des STEP 05 erarbeiteten Wien und Niederösterreich in Abstimmung mit den Konzepten der Stadt Bratislava daher ein Regionales räumliches Leitbild, das zugleich einen Übergang vom lokalen Konzept zum raumübergreifenden Gesamtsystem markierte.

Mit dem Leitbild Grünräume der Stadtregion wurden im Interesse der Haltung der übergeordneten Grünräume Schutz- und Freihaltekategorien sowie exakte Siedlungsgrenzen festgehalten. Außerdem zeigte das Leitbild Zielsetzungen in Bezug auf Bebauungsdichte, Siedlungsschwerpunkte und Hochhausbereiche. Eine wesentliche Neuerung: Aufbauend auf den Methoden des Strategieplans legte der STEP 05 erstmals Indikatoren für Monitoring und Evaluation fest.

Im Zuge der Erstellung des STEP 05 analysierten und bewerteten die Autoren und Verfasserinnen eine Datenbank des bereits gewidmeten Baulandes und überlagerten diese mit dem Masterplan Verkehr von 2003. Daraus gingen Flächen hervor, die als essenziell für die gesamtstädtische Entwicklung und als „vorrangig zu entwickelnde Stadtteile“ definiert wurden. Alle anderen wurden als sogenannte Potenzialflächen mit unterschiedlichen Untertypen festgelegt. Auf Grundlage dieser Erhebung wurden für den STEP 05 schließlich 13 Zielgebiete definiert. Zur Koordinierung der überlappenden Prozesse wurden entsprechende Schnittstellen eingerichtet. Trotz neuer, überarbeiteter Schwerpunkte im darauffolgenden STEP 2025 wird die Bearbeitung der Zielgebiete bis zum heutigen Tag fortgesetzt.

Von-Oben-Aufnahme einer belebten Kreuzung mit Fußgängern, Autos und öffentlichen Verkehrsmittel

Fußnoten

  1. Gerd Albers: Regionale Nachhaltigkeit durch interkommunale Kooperation, in: Raumforschung und Raumordnung, Bd. 56, H. 5/6, Leipzig 1993.
  2. Kunibert Wachten, Steffen Nadrowski: Planungskonzepte im gesellschaftlichen Wandel, in: Karl-Werner Schulte: Immobilienökonomie, Bd. 3, Stadtplanerische Grundlagen, München 2005.
  3. Gottfried Pirhofer, Kurt Stimmer: Pläne für Wien. Theorie und Praxis der Wiener Stadtplanung von 1945 bis 2005, Wien 2007. Alle STEPs sind auch online auf der offiziellen Website der Stadt Wien abrufbar.
  4. Karl Heinrich Brunner, Petra Schneider: Umwelt Stadt. Geschichte des Natur- und Lebensraumes Wien, Wien 2005.
  5. MA 53: Leitlinien für die Stadtentwicklung Wiens. Grundlage für die Mitteilung von Stadtrat Hannes Swoboda an den Gemeinderat am 19. April 1991, Wien 1991.