4.3 Spielwiese für Innovationen
Mit dem Ziel, neue Technologien und zukunftsweisende Energielösungen zu testen und wertvolle Erfahrungen zu sammeln, setzt die Wiener Sonnenstrom-Offensive auch auf innovative Ansätze. So wurden neben zahlreichen Standardanlagen auf stadteigenen Flächen auch viele außergewöhnliche PV-Anlagen realisiert – ob in technischer Hinsicht oder mit spezifischen Rahmenbedingungen wie beispielsweise dem Denkmalschutz.
Photovoltaik auf stadtbildprägenden Gebäuden
Vor allem die Installation von PV-Anlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden erfordert Fingerspitzengefühl. Immer mehr umgesetzte Projekte zeigen, dass es in einer Stadt wie Wien, mit vielen geschichtsträchtigen und architektonisch wertvollen Gebäuden möglich ist, PV-Anlagen umzusetzen. Beispielsweise wurde 2025 am Ernst-Happel-Stadion, trotz denkmalgeschütztem Dach und herausfordernder Statik, eine der größten PV-Anlagen Wiens errichtet. Über 9.300 Module mit 3,5 MWp Leistung erzeugen mehr Strom, als das Stadion selbst benötigt. Überschüssiger Strom versorgt das nahe gelegene Stadionbad.
Seit Herbst 2023 erzeugen 572 PV-Module am denkmalgeschützten Dach des Wiener Rathauses klimafreundlichen Strom – genug für rund 110 durchschnittliche Wiener Haushalte. Die Anlage mit einer Spitzenleistung von 234,5 kWp spart jährlich rund 130 Tonnen CO2-Äquivalente. Um den Denkmalschutz zu wahren und dem Wiener Stadtbild gerecht zu werden, ist sie nur aus der Vogelperspektive, aber nicht vom Gehsteig aus sichtbar. Realisiert wurde das Projekt von der Abteilung Bau- und Gebäudemanagement der Stadt Wien gemeinsam mit Wien Energie. Alle Schritte erfolgten in enger Abstimmung mit dem Bundesdenkmalamt – ein Beispiel dafür, wie Wien bei historischen Gebäuden Klimaschutz wirksam umsetzt.
Innovative und architektonisch integrierte PV-Lösungen
Bei PV-Anlagen auf bestehenden Gebäuden ist oftmals eine gute Portion Kreativität gefragt, denn nicht alle Dächer eignen sich für herkömmliche PV-Paneele. Wien Energie hat auf ihrem Standort Simmering beispielsweise die größte organische PV-Anlage Österreichs und die zweitgrößte ihrer Art in Europa installiert. Notwendig ist das, weil dort nur ein Leichtbaudach für die Anlage zur Verfügung steht. 300 Module auf 1.000 Quadratmetern liefern 20 kWp Leistung. Die flexible Technologie eignet sich für Gebäude, die klassische PV-Paneele nicht tragen können.
Auch das Wiener AKH, eines der größten Krankenhäuser Europas, musste bei der Installation der PV-Anlage Kreativität zeigen. An der Südfassade des 19-stöckigen Bürohochhauses wurde eine innovative, vertikale PV-Anlage installiert, mit 90 Modulen und 25.000 kWh Jahresproduktion ein Musterbeispiel für Fassadenintegration, Gestaltung und Energieeffizienz.
Im Zuge der Sanierung der Glasfassade der U-Bahn-Station Floridsdorf wurde 2025 eine PV-Anlage in die Fassade integriert. Hierbei wurden 60 Prozent der Fläche mit semitrans-parenten PV-Gläsern besetzt, die eine Leistung von 83 kWp haben. Auch bei den einzelnen PV-Modulen ergibt sich ein Verhältnis von 60 Prozent Zellen zu 40 Prozent transparenter Glasfläche. Damit konnte eine innovative Lösung umgesetzt werden, die zugleich den architektonischen Charakter der Glasfassade bewahrt und für Schatten sorgt.
Das PV-Flugdacham Kraftwerk Simmering ist ein Vorzeigeprojekt für Innovation und Nachhaltigkeit. Es spendet Schatten und erzeugt 321 kWp sauberen Strom, der direkt über 28 Ladepunkte für E-Mobilität genutzt werden kann. Besonders ist die Konstruktion: Zwölf ausgediente Rotorblätter von Windrädern dienen als Träger der Anlage – ein starkes Beispiel für Kreislaufwirtschaft und Ressourcenschonung.
Bei den Rundturnhallen der Abteilung Sport Wien wurden Leicht- beziehungsweise Folienmodule installiert. Drei von sechs Turnhallen wurden im Zuge von Modernisierungs-arbeiten mit PV-Anlagen ausgestattet. Die sehr leichten und flexiblen Module wurden direkt auf dem Hallendach aufgeklebt und optisch optimal integriert. Die drei Sporthallen Atzgersdorf, Simmering sowie Kagran erzeugen mit ihren jeweils installierten 55 kWp rund 52.500 kWh Sonnenstrom.
Die Steffl-Arena ist nicht nur das sportliche Zuhause des österreichischen Eishockeys und der Vienna Capitals, sondern beheimatet seit Sommer 2025 zusätzlich eine Fassaden-PV-Anlage. Durch die Verwendung von geklebten PV-Modulen wurde erheblich Gewicht gegenüber herkömmlichen PV-Modulen eingespart. Die PV-Fassade weist eine Leistung von rund 45 kWp auf und deckt damit einen guten Teil des Eigenstromverbrauchs der Sportstätte ab. Außerdem spendet sie Schatten und schützt die Eisfläche vor direkter Sonneneinstrahlung, wodurch sie maßgeblich zur konstanten Eisqualität beiträgt und den Kühlbedarf senkt.
Smarte Infrastrukturlösungen mit Photovoltaik
Beim Thema Photovoltaik denken viele Menschen an Energieunabhängigkeit, die etwa im Falle eines Blackouts von großer Relevanz ist. Am Karmelitermarkt in der Leopoldstadt steht das erste energieautarke Marktamt von Wien. 44 PV-Module mit einer Leistung von 20 kWp und ein 15 kWh-Speicher machen das Marktamt zu einer krisensicheren Energiezelle im Grätzl.
Einen doppelten Nutzen hat die PV-Lärmschutzwand in Meidling. Die durchlässige Lärm-schutzwand schützt vor Verkehrslärm, während 70 Module mit einer Leistung von 19 kWp Sonnenstrom erzeugen. Ein Vorzeigeprojekt für Doppelnutzung, das Lebensqualität und Klimaschutz verbindet.
Im Sommer 2025 wurde am Schlingermarkt in Floridsdorf eine große Pergola mit einigen PV-Elementen errichtet. Dieses Projekt aus dem Wiener Klimateam schafft durch die begrünte Pergola nicht nur eine höhere Aufenthaltsqualität, sondern produziert zusätzlich so viel Strom, dass die neue LED-Beleuchtung des Marktes rund 6.250 Stunden lang mit Sonnenenergie betrieben werden kann.
Photovoltaik auf städtischen Freiflächen
Am Wiener Stadtrand wurde mit der Errichtung der Freiflächenanlage Schafflerhof erstmals Nahrungsmittelproduktion mit Energiegewinnung kombiniert. Die größte PV-Anlage Wiens umfasst 34.960 Module mit einer Leistung von 16,58 MWp – genug, um rund 8.700 Wiener Haushalte mit sauberem Strom versorgen zu können und jährlich über 10.000 Tonnen CO2-Äquivalente einzusparen. Von April bis Oktober weiden hier 150 Juraschafe und übernehmen als natürliche Rasenmäher die Grünraumpflege. Ein Teil der Anlage ist als Agri-PV ausgeführt: Rund 400 bifaziale, vertikal stehende Module erzeugen Strom auf beiden Seiten und ermöglichen zugleich landwirtschaftliche Nutzung, etwa für Getreideanbau.
Die Universität für Bodenkultur Wien erforscht gemeinsam mit Wien Energie die Auswirkungen dieser Doppelnutzung; ein wegweisendes Beispiel für nachhaltige Energie- und Flächennutzung in Wien. Die PV-Anlage wurde von der Wien Energie als Bürger*innen-Solarkraftwerk errichtet, an der sich interessierte Bürger*innen mit sogenannten Sonnen-Paketen beteiligen konnten.
Eine weitere PV-Freiflächenanlage wurde als Bürger*innen-Solarkraftwerk im Frühjahr 2022 am Wiener Zentralfriedhof in Betrieb genommen. Die Freiflächenanlage weist eine Leistung von 1,4 MWp auf und erzeugt jährlich rund 1.435 MWh klimaneutralen Sonnenstrom. Die Friedhöfe Wien setzen seit Jahren auf einen umwelt- und klimafreundlichen Betrieb ihrer Anlagen. So werden etwa auf dem Gelände des Zentralfriedhofs nur elektrisch betriebene Fahrzeuge eingesetzt, die mit eigenem Sonnenstrom geladen werden können.