Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 01.06.2012:
Bitte beachten Sie, dass die Inhalte (Termine, Kontaktmöglichkeiten,...) möglicherweise nicht mehr aktuell sind.

Bratislava, Budapest, Ljubljana, Praha und Wien: Ein Metropolennetz mit Potenzial für smarte Stadtentwicklung

Bratislava, Budapest, Ljubljana, Praha und Wien bilden ein zentraleuropäisches Metropolenquintett mit außergewöhnlich hohem Lebensstandard. Neben dieser Gemeinsamkeit zeigen die fünf Hauptstädte differenzierte Profile in Wirtschaftskraft, Umwelt, Mobilität und Humankapital. Dies gibt jeder der Städte eine spezifische Rolle für die Etablierung eines wettbewerbsfähigen zentraleuropäischen Städtesystems. POLYCE, ein Forschungsprojekt im Rahmen des European Spatial Planning Obervatory Network (ESPON), analysierte die kompetitiven und kooperativen Potenziale der fünf Städte untereinander und gegenüber anderen europäischen Metropolen. Ergebnisse daraus wurden am Freitag bei einer Pressekonferenz mit Vertretern der Städte in Wien präsentiert und diskutiert.

"Auch wenn heute immer wieder von der Standortkonkurrenz gepredigt wird, muss uns eines klar sein: Die aktuelle Wirtschaftskrise können wir einzeln, jeder auf sich gestellt, nicht bewältigen", erklärte Rüdiger Maresch, Vorsitzender des Gemeinderatsausschusses für Stadtentwicklung bei der Pressekonferenz. "Wir müssen sehen, was wir als zentraleuropäische Städte gemeinsam tun können". Dies unterstrichen alle VertreterInnen der Städte am Podium: "Gerade in der heutigen wirtschaftlichen Situation sei es schwierig, eine Balance von Konkurrenz und Kooperation zu finden, sagte Vladmir Schmalz, Vorsitzender des Komitees für Stadtentwicklung in Prag, "aber es bleibt eine fundamentale Aufgabe". Miran Gajsek, Leiter der Abteilung für Raumplanung in Ljubljana, betonte die Rolle der Infrastruktur für den Zusammenhalt der Städte in der Region. Seine Zugreise nach Wien habe sieben Stunden gedauert: "Die Verbindung war früher besser". Michal Muransky, Vorsitzender der Kommission für Raumplanung in Bratislava, verwies als positives Beispiel auf die schon gut entwickelte Zusammenarbeit zwischen Wien und Bratislava in der Raumplanung. Univ.-Prof. Rudolf Giffinger von der TU Wien, Projektkoordinator von POLYCE, sah gute Ansätze zur Zusammenarbeit unter den Städten, vermisste aber die Idee zur konsequenten Weiterentwicklung: "Da gibt es Defizite und Handlungsbedarf".

Kooperative und kompetitive Potenziale

Im Rahmen des Projekts unter der Leitung der TU Wien, Fachbereich Stadt- und Regionalforschung, wurden Performance-Profile von 50 europäischen Metropolen - darunter die fünf zentraleuropäischen Hauptstädte - entwickelt, die auf einem empirischen Datenset in fünf Kategorien basieren:

  • Wirtschaft (Daten zu ökonomischer Performance, Unternehmertum, wissensbasierter Ökonomie, Forschungs- und Entwicklungsfinanzierung, internationale Einbettung)
  • Bevölkerung (Daten zu demografischen Trends, Bildung, ethnische Diversität)
  • Mobilität (Daten zu öffentlichem Verkehr, internationale Erreichbarkeit, Zugang zu Informations- und Kommunikationstechnologien)
  • Umwelt (Daten zu Landverbrauch, Umweltbedingungen, Luftverschmutzung, Ressourcenverbrauch)
  • Lebensqualität (Daten zu Kulturangebot, Gesundheitsvorsorge, Wohnqualität, touristische Attraktivität, Sicherheit und städtischen Dienstleitungen)

Die empirische Analyse zeigt:

  • Alle fünf Ballungszentren schneiden bei den Lebensbedingungen gut ab. Es ist die einzige Kennzahl, bei der alle fünf Metropolen über dem Durchschnitt von 50 verglichenen europäischen Städten liegen.
  • In der Gesamtperformance liegen nur Prag und Wien über dem europäischen Durchschnitt. Unter den fünf POLYCE-Metropolregionen schneiden sie bei der wirtschaftlichen Entwicklung am besten ab. Trotzdem profitieren sie in der Bewertung noch stärker von der sehr hoch eingestuften Lebensqualität. Schwächen verzeichnen sie hingegen bei Demographie und Bildung sowie der geringen ethnischen Diversität - was in der Kategorie Bevölkerung zusammengefasst ist.
  • Bratislava und Ljubljana schneiden dagegen in der Kategorie Bevölkerung bemerkenswert gut ab, eine Tatsache, die diese zwei Metropolen in eine wichtige Position innerhalb der fünf POLYCE-Städte bringt und hier insbesondere im Hinblick auf die Szenarien zur Förderung von Bildung und ethnischer Vielfalt.
  • Wien erweist sich als großes Vorbild bei Umweltbelangen. Obwohl andere nord- und westeuropäische Städte Wien in dieser Hinsicht hinter sich lassen, bietet der Großraum Wien ganz offensichtlich einige wichtige Vorteile im Vergleich zu seinen zentraleuropäischen Partnern. Das gleiche trifft auf die Kategorie Mobilität zu.

Zentraleuropäische Agenda

Auf Basis dieser empirischen Evidenz band POLYCE auch Stakeholder in den einzelnen Städten in einen Diskussionsprozess ein, um Aktivitäten und Strategien für eine zentraleuropäische Agenda zu definieren. Sie führten unter anderen zu folgenden Empfehlungen:

  • Große Kooperationspotenziale und -vorteile für die POLYCE-Metropolen gibt es vor allem in den Bereichen wissensbasierte Wirtschaft, Verkehrsmanagement und Metropolitan Governance. - Sowohl die institutionellen als auch die strukturellen Beziehungen - unter anderem Verkehr, Migration, Informationsaustausch - sind unter den fünf Städten noch unterentwickelt und sollten in den Fokus einer zentraleuropäischen Agenda gerückt werden.
  • Das Beziehungskapital (z.B. Sprachkenntnisse, neue verwaltungstechnische und strategische Kapazitäten) muss zwischen den zentraleuropäischen Stakeholdern verbessert werden durch verstärkte Kontakte und besseren Zugang zu Informationen.
  • Der Austausch über Strategien und Erfahrungen im Umgang mit städtischen Herausforderungen ist ein wichtiges künftiges Handlungsfeld. Nachhaltige Siedlungsentwicklung, Eindämmung der Suburbanisierung und Unabhängigkeit vom Autoverkehr sind die größten dieser Herausforderungen in den POLYCE-Metropolen.
  • Bei den gemeinsamen strategischen Aktivitäten sollte immer auch die Europastrategie für die Donauregion berücksichtigt werden. Zusammen können die fünf Metropolen entscheidend dazu beitragen, in welche Richtung sich diese Strategie in Zukunft weiterentwickeln wird. Es gibt bereits vielversprechende Ansätze als Initiator und treibende Kraft für bestimmte Themen in der Donauregion aktiv zu werden, allerdings fehlt noch die entsprechende Abstimmung zwischen den fünf Metropolen.
  • Alle fünf Metropolen versuchen sich aufgrund ihrer geografischen Lage als Drehkreuz gegenüber anderen Regionen und Nachbarländern zu positionieren. Daher sind für eine territorial kohäsive Entwicklung innerhalb Zentraleuropas neue gemeinsame Strategien erforderlich.

Rückfragehinweis für Medien