Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 13.08.2010:
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Wiener Patientenanwalt gegen Krankenkassen-Bonus-Malus-System

Wiener Patientenanwalt Brustbauer lehnt Bonus-Malus-Systeme in der Krankenversicherung strikt ab

Einige Gesundheitsökonomen treten jüngst dafür ein, dass übergewichtige Menschen einen höheren Krankenkassenbeitrag zahlen sollen. Solchen Gedanken erteilt Brustbauer eine klare Abfuhr. "Das wäre ein ganz massiver Eingriff in die höchstpersönliche Lebensgestaltung. So etwas ist eines Rechtsstaates nicht würdig und ist zutiefst menschenverachtend und diskriminierend. Ich fordere ein sofortiges Ende dieser unwürdigen Diskussion.", geht Brustbauer mit besagten Gesundheitsökonomen hart ins Gericht.

Natürlich sei Übergewicht der Gesundheit nicht förderlich, aber auch "ungesunde" Lebensweise sei für sich bereits ein krankhafter Prozess. "Wo beginnt und wo endet das und welche Gruppe ist die nächste, die höhere Beiträge zahlen soll?", stellt Brustbauer wohl nicht unberechtigte Fragen in den Raum und setzt fort: "Sind es die Raucher, die Alkoholiker oder gar die sogenannten Couch-Potatos, die lieber vor dem Fernseher sitzen als joggen zu gehen? Oder gar diejenigen, die zwar gesunden Sport betreiben, sich dabei aber natürlich einem erhöhten Verletzungsrisiko aussetzen? Die Liste könnte man lang fortsetzen: Die Radfahrer, der mangels Radweg die gefährliche Haupttraße benützen und dabei Abgase inhalieren, die Auto- oder Motorradfahrer, auf die im Straßenverkehr trotz Gurt, Airbag, Helm und Schutzbekleidung erhöhte Gefahren lauern usw. Und vor allem: Wie soll denn das alles in der Praxis geprüft und vollzogen werden?"

Sozial Schwächere würden stärker belastet

Brustbauer ist sich der Tatsache natürlich bewusst, dass es darum geht das Gesundheits- und Krankenkassensystem für die Zukunft finanziell abzusichern und Reformen natürlich auch Änderungen für die PatientInnen und Krankenversicherten bringen werden. Aber im Rahmen einer solidarischen Krankenversicherung ist nach Auffassung des Wiener Patientenanwaltes kein Platz für Bonus-Malus-Systeme: Die gesetzliche Krankenversicherung baut darauf auf, dass Gesunde im Wege ihrer Beitragszahlungen Kranke unterstützen und sie auch selbst mit dieser Unterstützung rechnen können, wenn sie selbst krank werden. Brustbauer: "Das System wird jedoch ad absurdum geführt, wenn diejenigen, die krank sind, mehr als den üblichen Beitrag zahlen müssen oder Vergünstigungen nicht mehr erhalten. So etwas geht vielleicht in manchen Privatversicherungssparten, hat aber in der gesetzlichen Sozialversicherung keine Daseinsberechtigung und führt zur Entsolidarisierung." Natürlich, so Brustbauer, müsse auch auf Gesundheitsförderung besonderer Wert gelegt werden, aber eben nicht durch Bonus-Malus-Systeme.

Und noch ein unerwünschter Effekt würde durch ein Bonus-Malus-System ausgelöst: Es ist eine Tatsache, dass viele Krankheitsbilder so genannter "Wohlstandskrankheiten" wie Übergewicht, Diabetes Typ II usw. in Wahrheit gar nicht so sehr die Gruppe betrifft, die in Wohlstand lebt. Ganz im Gegenteil: Wer mehr verdient, leistet sich in der Regel auch gesündere und hochwertigere Nahrungsmittel. Es ist eine nicht wegzuleugnende Tatsache, dass Personen mit höherem Einkommen in aller Regel gesünder leben als solche mit niedrigerem.

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