Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 29.12.2006:
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Wiens Stadtgeschichte komplett: Mehr als eine Chronologie

Wien (RK). Opulent, was Buchstärke, wie auch Illustrierung betrifft, aktuell, was den Zeitrahmen betrifft, vor allem aber ausgezeichnet verfasst: Der jüngste 900 Seiten-Band der von den beiden bekannten Historikern Peter Csendes und Ferdinand Opll - ersterer arbeitete im Stadt- und Landesarchiv und war Professor an ...

Wien (RK). Opulent, was Buchstärke, wie auch Illustrierung betrifft, aktuell, was den Zeitrahmen betrifft, vor allem aber ausgezeichnet verfasst: Der jüngste 900 Seiten-Band der von den beiden bekannten Historikern Peter Csendes und Ferdinand Opll - ersterer arbeitete im Stadt- und Landesarchiv und war Professor an der Wiener Uni, letzterer ist langjähriger Leiter besagten Archivs und ebenfalls als Professor an der Uni tätig - herausgegebenen dreibändigen Reihe zur Stadtgeschichte Wiens löst eine Form der Stadtgeschichtsschreibung ein, die man nur selten in dieser Qualität antrifft.

Vor fünf Jahren erschien der erste Band von Wiens neuer Stadtgeschichte (Vorzeit bis erste Türkenbelagerung, 1529), 2003 der zweite Band (bis Ende des 18. Jahrhunderts), nun also Band 3, der den vergleichsweise selten unternommenen Versuch unternimmt, dem Begriff der Gegenwart auf seriös-reflektierte Art wirklich nahe zu kommen. Ins Detail: Der Band, der den Zeitraum von 1790 bis zur Gegenwart beschreibt, umfasst nahezu alle, bis auf die Themen Umwelt und Alltag vielleicht, relevanten Aspekte städtischen Geschehens, von der Politik über die Wirtschaft und Kultur bis zur letzten, noch andauernden Transformation Wiens. Darüber hinaus stellt sich das anspruchvolle Unternehmen auch von der Schreibe als exzellent lesbares Stück von Geschichtsschreibung dar. Dies zu betonen, bleibt nämlich noch immer notwendig angesichts einer erklecklichen Anzahl anderer Wien-Geschichte- Publikationen, die es leider nur allzu oft an literarisch-lesbarer Qualität missen lassen.

Zu all dem beigetragen hat sicherlich auch das Historiker- Team rund um die beiden Herausgeber, für das Gesamt-Projekt waren es 28 Wissenschaftler. Für den letzten Band sind speziell Wolfgang Maderthaner, Bertrand Michael Buchmann, Dagmar Buchmann, Gustav Bihl, Gerhard Meißl und Lutz Musner zu erwähnen. Besonders lobenswert, weil nicht selbstverständlich ist etwa jener Teil, der die politische Geschichte Wiens zwischen 1945 und 2005 umreißt: Wo sonst kann sich der interessierte Leser in zwar geraffter, dennoch detailreicher Art und Weise nicht nur über die kommunalpolitischen "Fegefeuer", Skandale und Erfolge des politischen Lebens informieren, sondern darüber hinaus auch über das politische Innenleben der relevanten politischen Parteien, also ÖVP, FPÖ, KPÖ und Grüne in den letzten Jahrzehnten? Interessant auch, wie viel Raum dem gegenwärtigen Wien in diesem Band eingeräumt worden ist: Wo ansonsten viele Bücher dieses Genres in ihrer analytischen Ernsthaftigkeit die Wiener Gegenwart meist bei den späten 80er Jahren beenden, fasst der Beitrag von Lutz Musner sehr gekonnt neueste Theorien zur Stadtgeschichte auf und gießt sie, mit Schwerpunkt auf der kulturell-symbolischen Ebene, auf Wiener Verhältnisse um. Fazit: Mit dem nunmehr dritten Band liegt für Wien ein Geschichtskompendium vor, das weit mehr als eine Chronologie ist und nicht zuletzt deswegen auf dem besten Weg ist, zum vorläufigen "Standardwerk" zu werden.

Peter Csendes/Ferdinand Opll (Herausgeber): Wien. Geschichte einer Stadt. Von 1790 bis zur Gegenwart. Erschienen im Böhlau- Verlag, ( www.boehlau.at/ ) Wien 2006, EUR 78,30 (54,90 Euro bei Übernahme sämtlicher drei Bände) (Schluss) hch

(RK vom 29.12.2006)