Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 02.11.2006:
Bitte beachten Sie, dass die Inhalte (Termine, Kontaktmöglichkeiten,...) möglicherweise nicht mehr aktuell sind.

Kommunale besorgt um Sicherheit der Versorgungsnetze

Wien (RK). Die Bestrebungen der Kommission, insbesondere die von Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes, hinsichtlich einer Eigentümerentflechtung (Ownership Unbundling) bei Dienstleistungsunternehmen auf dem Energiesektor, lassen nicht nur tiefgreifende Veränderungen in den Strukturen der Unternehmen befürchten, ...

Wien (RK). Die Bestrebungen der Kommission, insbesondere die von Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes, hinsichtlich einer Eigentümerentflechtung (Ownership Unbundling) bei Dienstleistungsunternehmen auf dem Energiesektor, lassen nicht nur tiefgreifende Veränderungen in den Strukturen der Unternehmen befürchten, sondern auch Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit und damit die Interessen der Konsumenten. Im Vorfeld der "9. Europäischen Konferenz der öffentlichen kommunalen Unternehmen" in Brüssel, wurde am 30. Oktober 2006 ein vom Verband kommunaler Unternehmen Österreichs (VKÖ) initiiertes Diskussionsforum abgehalten. An der Spitze des VKÖ steht als Präsident Direktor Dipl.-Ing. Friedrich Pink, Mitglied des Vorstandes von Wienenergie und Geschäftsführer von Wienstrom, ebenfalls im VKÖ-Vorstand der Generaldirektor der Wiener Stadtwerke Holding AG, Dr. Felix Joklik.

Das Diskussionsforum wurde sozusagen "auf österreichischem Boden" abgehalten, nämlich in Räumlichkeiten der Casinos Austria AG in Brüssel. Bekanntlich ist auch das Glückspielmonopol in das Visier Brüssels geraten. Seitens der Geschäftsleitung der Casinos Austria AG in Wien, führte dazu Mag. Markus Eder aus, dass anlässlich einer Konferenz in Edinburgh 1992 die Europäische Kommission bekannt gab, dass auf Grund des politischen Willens der Mitgliedstaaten im Bereich des Glückspielwesens das Subsidiaritätsprinzip anzuwenden sei. Dennoch gab es immer wieder Vorstöße der Europäischen Kommission (EK) die Liberalisierungsabsicht "versteckt" weiter zu verfolgen, so etwa jüngst im Kommissionsvorschlag für eine Dienstleistungsrichtlinie.

Das Kernthema des VKÖ-Diskussionsforums bildete "Ownership Unbundling", also die Eigentumsentflechtung auf dem Energiesektor. Was die Entwicklungen in Brüssel in diesem Sektor betrifft, werden sie von der Stadt Wien sehr aufmerksam verfolgt, in Hinblick auf den Handlungsspielraum der städtischen Unternehmen bzw. der Wiener Stadtwerke Holding, und damit im Interesse der Bürgerinnen und Bürger, also der Konsumenten. Das Interesse Wiens wurde auch dadurch zum Ausdruck gebracht, dass der starken österreichischen Delegation neben führenden Persönlichkeiten der Kommunalwirtschaft, Mandatare aller im Landtag bzw. Gemeinderat vertretenen Parteien angehörten, die auch im wesentlichen übereinstimmende Stellungnahmen abgegeben haben, die in Richtung einer deutlichen Ablehnung der Brüsseler Bestrebungen zielten.

Das Ownership Unbundling ist eine Besonderheit des Energiesektors. Es gibt zwar auch in den Bereichen Telekommunikation, Postdienstleistungen, Eisenbahnschienennetz, Vorschriften für Entflechtungen, diese beziehen sich aber lediglich auf eine organisatorische oder buchhalterische Trennung; eine Veräußerung von Eigentum ist dagegen nicht vorgesehen. Für Verteilernetzbetreiber ist die Richtlinien-konforme Umsetzung des sogenannten "Legal Unbundling", und zwar mit 1. Juli 2007 festgesetzt. Beim Legal Unbundling sind damit für die Teilbereiche Netzbetrieb einerseits und Erzeugung von sowie Versorgung mit Energie andererseits, gesellschaftsrechtlich (eigenständige) Unternehmen vorgesehen.

VKÖ-Präsident Pink hält dazu fest: "Die Schaffung eines funktionierenden Marktes ist seit Jahren das Ziel, dazu bekennt sich auch der VKÖ. Als Beitrag zur Versachlichung der Diskussion veranstalten wir dieses Diskussionsforum. Es stellt sich die Frage, heißt Ownership Unbundling, dass die Stadt Wien nicht Eigentümer, Erzeuger und Verteilungseinheit sein kann? Was die Kunden betrifft, sie interessiert ein guter Preis". Die Forderung nach einem Ownership Unbundling kann nach Ansicht des VKÖ sinnvoller Weise erst erhoben werden, wenn nach vollständiger und europaweiter Umsetzung des Legal Unbundling zum 1. Juli 2007, und nach Ablauf einer gewissen Dauer - die zur Evaluierung erforderlich ist - nachweislich festgestellt wurde, dass das bestehende System mangelhaft und zur Erreichung der Ziele der Binnenmarkt-Richtlinie ungeeignet ist. Derartige Feststellungen könnten frühestens Ende 2008, eher erst 2009 oder 2010 erfolgen. Erst wenn erkannt würde. dass die gesellschaftsrechtliche Entflechtung zu keinen Fortschritten geführt hat, sollte man sich die weiteren Schritte überlegen, so der führende Energieexperte. Wird Ownership Unbundling umgesetzt, erscheint es fraglich, ob die Netze in gewohnt hohem Standard mit dem sie in den vergangenen Jahrzehnten betrieben wurden, fortgeführt werden können. Es scheint damit, so Pink, "mehr als fraglich, ob die Sicherheit der Netze deshalb gefährdet werden soll, um den Wettbewerb auf dem Versorgungsmarkt zu fördern". Was passieren würde - sollten zu einem europaweit einheitlichen Stichtag alle Unternehmen eigentumsrechtlich zerlegt und verkauft werden müssen - lässt sich überhaupt nicht abschätzen, spricht er eine deutliche Warnung in Richtung der Brüsseler Behörden aus.

Beim Wettbewerb hakt auch Prof. Dr. Wolf Gottschalk von der Universität Göttingen und vormals Geschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen Deutschlands (VKU), der Schwesterorganisation des VKÖ, ein. Er betont: "Wettbewerb ist kein wirtschafts- und energiepolitisches Ziel, die gesicherte Versorgung ist wichtig!". Er wolle nicht mit Kritik an der Generaldirektion Wettbewerb beginnen, aber man dürfe nicht zu weit gehen, und damit wieder zerstören, was man erreichen wollte. Es bestünden Befürchtungen der kommunalen Eigentümer (Gemeinden, Städte und Kreise), was die Fragen der Zukunft einer gesicherten und leistbaren Energieversorgung betreffe. Auch der deutsche Energieexperte tritt für ein überlegtes Vorgehen ein: "Zunächst sollte man in den nächsten Jahren einmal beobachten, welche Effekte die bisher durchgeführten Entflechtungen zeigen werden. Möglicherweise reichen sie völlig aus, um die meisten angestrebten wettbewerbspolitischen Ziele zu erreichen. Vor einem Ownership Unbundling kann in diesem Zusammenhang nur laut und deutlich gewarnt werden".

Für die Europäische Kommission, GD Wettbewerb nahm Ulrich von Koppenfels ausführlich Stellung, der aber einleitend sagte, es gebe noch keine (offizielle) Position der Kommission. Jedoch: "Aus derzeitiger Sicht funktioniert der Wettbewerb bei Strom und Gas nur unzureichend, es bestehen eine hohe Marktkonzentration und unangemessene Preisbildungsmechanismen". Die Kommission sehe nur einen Weg wie es weitergehen soll, um die Glaubwürdigkeit des Marktes herzustellen. Man brauche einen strukturellen Aufbau, bei dem Erzeugung und Vertrieb getrennt seien. Die Kommission fordere ein "Full structural Unbundling", also eine vollständige eigentumsrechtliche und personelle Trennung zwischen Netzbetrieb und sonstigen Tätigkeiten, insbesondere Erzeugung/Beschaffung und Vertrieb. Die GD Wettbewerb bereite derzeit einen Abschlußbericht der Branchenuntersuchung vor und will die Eckpunkte für eine neue Elektrizitäts- und Gasrichtlinie im Jänner 2007 der Öffentlichkeit vorstellen.

Hinsichtlich der zu erwartenden - um nicht zu sagen zu befürchtenden - Auswirkungen der Brüsseler Bestrebungen auf die Eigentümerstrukturen der Kommunalbetriebe, und damit auch auf die Verfügungsmöglichkeiten der politischen Entscheidungsträger einerseits und die Versorgungssicherheit der Bürgerinnen und Bürger andererseits, fanden die Vertreter der im Landtag bzw. Gemeinderat vertretenen Parteien eine weitgehend gemeinsame Linie. Dazu in der Reihenfolge der abgegebenen Statements (auszugsweise): LAbg. und GR Dr. Kurt Stürzenbecher (SPÖ) "Bei der Ausarbeitung von Vorschlägen, auch was die Dienstleistungsrichtlinie betrifft, ist die demokratiepolitische Komponente zu berücksichtigen. Das Legal Unbundling funktioniert durchaus, es gibt keinen europäischen Beweis, dass es nicht funktioniert. Trotzdem macht man weiter und schadet den Unternehmen. Es kommen dramatische Auswirkungen auf die Eigentümer zu, das wird auch die Europafreundlichkeit der Bürger nicht stärken". Stadträtin Dr. Monika Vana (Grüne): "Wir haben viel über Wettbewerb und Marktzugang gehört. Mein Interesse gilt der Versorgungssicherheit, eigentliches Ziel ist und bleibt die Versorgung der Bürger. Es ist doch wohl nicht so gedacht, dass die öffentliche Hand dann wieder einspringen muss, wenn der private Investor scheitert". Klubobmann Dr. Matthias Tschirf (ÖVP): "Es stellt sich die Frage, in welchem Ausmaß die öffentliche Hand Eigentümer ist, die Kommission regt zum Weiterdenken an. Sollte man nicht stärker darauf achten, dass man an der Realität nicht vorbeigeht, schließlich sollte man die Energieversorgung in dem Maß belassen, wie wir in den letzten Jahren unterwegs waren". Stadtrat Johann Herzog (FPÖ): "Ich glaube nicht, dass die eigentumsrechtliche Entflechtung, auch wenn die Kommission dies daran fest macht, für die Konsumenten etwas bringt. Ein deutlich negatives Beispiel bildet etwa die Wohnungssituation in den neuen deutschen Bundesländern, wo Städte an amerikanische Realitätenfonds Genossenschaftswohnungen verkauft haben. Die Zukunft, etwa bei der Zinsbildung, ist damit der Kontrolle entzogen". (Schluss) red

  • Rückfragehinweis:
    Diensthabender Redakteur
    Tel.: 4000/81 081
    VKÖ - 1016 Wien, Stadiongasse 6-8
    Tel. 408 22 04/12

(RK vom 02.11.2006)