Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 06.11.2002:
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Matinee "Frauen in Ravensbrück"

Wien (RK). Zum 10. Mal berichten Zeitzeugen und Zeitzeuginnen im Rahmen der Reihe "Kristallnacht" im Wiener Volkstheater am 10. November 2002 aus Anlass des Jahrestags der November-Pogrome. Das Frauen-KZ Ravensbrück gehörte zu den schrecklichsten Stätten des Grauens während der Zeit der nationalsozialistischen ...

Wien (RK). Zum 10. Mal berichten Zeitzeugen und Zeitzeuginnen im Rahmen der Reihe "Kristallnacht" im Wiener Volkstheater am 10. November 2002 aus Anlass des Jahrestags der November-Pogrome.

Das Frauen-KZ Ravensbrück gehörte zu den schrecklichsten Stätten des Grauens während der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft: Über 130.000 Frauen und 20.000 Männer wurden in dieses Lager deportiert, viele überlebten die Befreiung am 30. April 1945 nicht. Sie wurden erschossen, vergast oder mit Giftinjektionen ermordet, sie starben an Epidemien, an den Folgen medizinischer Experimente, sie verhungerten oder erfroren im Winter.

Zeitzeuginnen, die das Grauen des KZ Ravensbrück überstanden haben, berichten am 10. November im Wiener Volkstheater im Rahmen der "Kristallnacht-Matinee" über ihre furchtbaren Erfahrungen. Bereits zum 10. Mal bietet die Theatergruppe "B-project" unter der Leitung von Gerald Buchas und bereits zum 6. Mal in Kooperation mit dem Verband Wiener Volksbildung Zeitzeugen und Zeitzeuginnen eine Plattform, um rund um den Jahrestag der sogenannten "Kristallnacht" von 9. November 1938 die "ungeschminkte Wahrheit" über den Holocaust an die Öffentlichkeit zu bringen.

Die Matinee "Frauen in Ravensbrück" wird wieder von Hans- Henning Scharsach moderiert. Der Oberkantor der jüdischen Gemeinde in Wien, Shmuel Barzilai, wird zum Abschluss ein jüdisches Totengebet vortragen: Mit "El Male Rachamim" wird das Publikum in einen nachdenklichen Sonntag-Nachmittag verabschiedet.

  • "Frauen in Ravensbrück"
    Gedenkveranstaltung im Rahmen von "Kristallnacht -Zeitzeugen
    berichten"
    Volkstheater, Wien, 10. November 2002, 11 Uhr
    Karten unter Tel. 01 - 524 72 63 oder 524 72 64
    Kartenpreise: 12 Euro (ermäßigt: 7,50 Euro)

Das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück

Am 18. Mai 1939 traf ein erster Transport im neu erstellten Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück, 80 Kilometer nördlich von Berlin, ein: 867 Frauen wurden aus dem KZ Schloss Lichtenburg überstellt. Über 133.000 weitere sollten ihnen folgen unter ihnen auch viele aus Österreich. So wurden am 29. Juni 1939 440 Romafrauen aus dem Burgenland, die einige Tage zuvor in einer "Asozialen-Aktion" verhaftet worden waren, in diesem größten Frauen-KZ interniert. Nur wenige der Inhaftierten überlebten das Grauen, nur wenige erlebten die Befreiung am 30. April 1945 durch die Rote Armee.

Historiker und Historikerinnen beschreiben Ravensbrück heute als eine der schrecklichsten Stätten des Grauens der nationalsozialistischen Herrschaft. Ursprünglich war das Lager für 3.000 Häftlinge ausgerichtet, doch schon 1942 waren mehr als doppelt so viele Frauen in Ravensbrück interniert. Später waren die Baracken drei- und vierfach überbelegt. Die hygienischen Zustände waren katastrophal, Krankheiten und Epidemien grassierten. Hunger schwächte die Gefangenen zusätzlich. Vor allem in den letzten Monaten vor der Befreiung wurden viele kranke und schwache Frauen gezielt ermordet.

Wie in den Männer-Lagern auch war der Alltag geprägt von unmenschlichen Schikanen, wie stundenlangem Appellstehen und Misshandlungen durch die Aufseher. Die Gefangenen waren Arbeitskommandos zugeteilt und mussten für die Kriegsmaschinerie Zwangsarbeit leisten. Die Kommandos marschierten in der Früh zu ihren Arbeitsstätten innerhalb und außerhalb des Lagers. Zu Mittag kehrten sie zurück. Nach dem "Mittagessen" und einem Zählappell mussten sie wieder zum Arbeitseinsatz. Die Frauen wurden gezwungen, zunächst 8 Stunden Zwangsarbeit zu leisten, ab 1942 sogar 11 Stunden pro Tag.

In Ravensbrück wurden an den Frauen Sterilisationen und Abtreibungen durchgeführt. Wenn trotz angeordneter Untersuchung eine Schwangere ins KZ eingeliefert wurde, wurde sie zur Entbindung ins Templiner Krankenhaus gebracht. Kinder wurden den Frauen weggenommen und in Heimen untergebracht. Was wirklich mit ihnen geschehen ist, bleibt ungewiss. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass sie dort verwahrlosten und an Unterernährung verstarben. Die Frauen von Ravensbrück wurden auch für medizinische Versuche missbraucht und sie wurden zur Prostitution in SS-, Wehrmachts- und KZ-Häftlingsbordellen gezwungen.

Auf der Suche nach der Wahrheit: 10. Matinee "Kristallnacht Zeitzeugen berichten"

Am Anfang stand die Suche nach der Wahrheit: Zu Beginn der 90er Jahre hatte Gerald Buchas von der Theatergruppe "B-project" die Idee, anlässlich der Pogrome von 9. November 1938 Zeitgeschichte auf die Bühne zu bringen. "Ich wollte aber kein Stück mit Schauspielern inszenieren. Ich wollte der Wahrheit auf den Grund gehen," erzählt er. Er entschied sich für Monologe Monologe von Menschen, die die nationalsozialistische Schreckensherrschaft selbst erlebt haben. Heuer berichten bereits zum 10. Mal Zeitzeugen und Zeitzeuginnen im Rahmen der "Kristallnacht-Matinee" am 10. November im Wiener Volkstheater über ihre furchtbaren Erlebnisse. Und wie seit der ersten Veranstaltung fungiert wieder Hans-Henning Scharsach als Moderator.

Zeitzeugen ein Podium zu bieten, das war eines der Ziele von Gerald Buchas. "Ich wollte sie aus den kleinen Vortragsrunden in den Hinterzimmern der Kaffeehäusern herausholen. Ich wollte, dass sie einen Teil ihrer Erinnerungen einer breiten Öffentlichkeit erzählen können." Das ist ihm seit 1993 auf jeden Fall geglückt: 44 Zeitzeugen und Zeitzeuginnen kamen in den vergangenen Veranstaltungen bereits zu Wort. Die Themenpalette reichte von der persönlichen Erinnerung an die sogenannte "Reichskristallnacht" über die grauenvollen Experimente des Dr. Mengele, das Schicksal von Kindern im KZ bis hin zu Widerstand, Flucht und dem Engagement für einen gerechten Umgang mit der Vergangenheit.

Die 10. Matinee "Kristallnacht Zeitzeugen berichten" rückt das Thema Verfolgung von Frauen in den Mittelpunkt: Überlebende aus dem größten Frauen-KZ Ravensbrück schildern ihre fruchtbaren Erfahrungen. Zum Abschluss wird der Oberkantor der jüdischen Gemeinde in Wien, Shmuel Barzilai, mit einem jüdischen Totengebet zum Nachdenken anregen.

  • Detailierte Informationen zu den Veranstaltungen seit 1993
    finden Sie auf:
    http:/ /www.kristallnacht.at/
    Gerald Buchas von B-project, Mag. Andreas Baumgartner,
    Historiker und wissenschaftlicher Berater der Veranstaltung
    und rund um die Matinee auch Zeitzeuginnen stehen für Interviews
    gerne zur Verfügung.
  • Interviewanfragen und weitere Informationen:
    Pressebetreuung "Kristallnacht Zeitzeugen berichten":
    Mag. Angelika Rädler, Tel. 524 03 89
(Schluss) vhs
  • Rückfragehinweis:
    Verband Wiener Volksbildung
    Eva Lukas
    Tel.: 89 174/42
    e-mail: eva.lukas@vwv.at

(RK vom 06.11.2002)