Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 06.11.2001:
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Rieder: WIFO-Studie bestätigt Chance der EU-Erweiterung

Wien (RK). "Die Erweiterung der Europäischen Union wird generell positive wirtschaftliche Auswirkungen auf Wien haben. Voraussetzung dafür sind aber intensive Vorbereitungen auf den Beitritt der fünf MOEL-Länder und Maßnahmen in jenen Bereichen, in denen durch die Erweiterung Probleme entstehen könnten. Vor allem im ...

Wien (RK). "Die Erweiterung der Europäischen Union wird generell positive wirtschaftliche Auswirkungen auf Wien haben. Voraussetzung dafür sind aber intensive Vorbereitungen auf den Beitritt der fünf MOEL-Länder und Maßnahmen in jenen Bereichen, in denen durch die Erweiterung Probleme entstehen könnten. Vor allem im Bereich des Arbeitsmarktes werden wir aktiv werden", erklärten Vizebürgermeister Dr. Sepp Rieder und Planungsstadtrat DI Rudolf Schicker am Dienstag im Rahmen der Medienkonferenz des Bürgermeisters, in der erste Details der WIFO-Studie "PREPARITY" vorgestellt wurden. Die länderübergreifende Studie über die wirtschaftlichen Auswirkungen der EU-Erweiterung, die gemeinsam mit deutschen und italienischen Instituten erstellt wurde, wird in der Konferenz "Preparity - ready to enlarge" am 8. November im Wiener Rathaus unter internationaler Beteiligung diskutiert werden.****

"Die Studie bestätigt unsere Strategie, voll auf die sich durch die Erweiterung ergebenden Chancen zu setzen, macht aber auch klar, dass wir eine sorgfältige Vorbereitung brauchen", so Rieder. "Wir wollen uns als Kompetenzzentrum in diesem neu entstehenden Wirtschaftsraum in Mittel- und Osteuropa etablieren. Schon jetzt gibt es immer intensiver werdende grenzüberschreitende Wirtschaftsaktivitäten. Für die Wiener Wirtschaft birgt diese Erweiterung enorme Vorteile und wir wollen diese Chance nützen", so Rieder.

"Wir halten aber nichts davon, mit rückwärtsgewandten Strategien - wie Stimmungsmache gegen den sinnvollen Beitritt der MOEL-Länder - die Chance Wiens und Österreichs zu schmälern", so Rieder in Richtung FPÖ. "Viel wichtiger als Abstimmungen über die EU-Erweiterung zu fordern, wäre es, endlich Konzepte für einen Ausbau der Verkehrsinfrastruktur vor allem im Osten Österreichs vorzulegen und umzusetzen."

Wien fordert Status als Grenzregion

"Wir gehen übrigens davon aus, dass Wien bei der Zuteilung der Quote für Neuzuwanderungen wie jene Bundesländer behandelt wird, die direkt an ein Beitrittsland grenzen", so Rieder. "Wien als Wirtschaftsmotor Österreichs darf nicht benachteiligt werden, wenn es darum geht, die für die Wirtschaft wichtigen Schlüsselarbeitskräfte ins Land zu holen. Bisher gab es dazu, abgesehen von Meldungen in den Medien, keine klare Auskunft des Wirtschaftsministeriums. Nach der Entscheidung Brüssels, Wien wie eine Grenzregion zu behandeln, ist für uns klar, dass die Bundeshauptstadt in diesen Fragen ein Grenzbundesland' ist", so Rieder.

Beste Chancen für Wien

Das transnationale Gutachten "Preparity" kommt zu dem prinzipiellen Befund, dass der Beitritt der mittel- und osteuropäischen Länder (MOEL) zur EU sowohl den alten wie auch den neuen Mitgliedsstaaten wirtschaftliche Vorteile bringen wird. Besonders positiv wird sich die Erweiterung auf die Beitrittsländer auswirken und deren Aufholprozess unterstützen. Von den bisherigen EU-Staaten werden insbesondere Österreich und Deutschland profitieren. In beiden Ländern überwiegen die Chancen und Gewinne deutlich gegenüber den Risken der Erweiterung.

Die Studie kommt zum Ergebnis, dass Wien aufgrund der Branchenstruktur eine hervorragende Ausgangsposition besitzt. "Es ist das einzige Bundesland mit überdurchschnittlich vielen Beschäftigten in chancenreichen Branchen. Dies gilt selbst für die Sachgüterproduktion." ... "Wien verfügt über die höchsten strukturbedingten Vorteile, wohingegen deutlich geringere Risikopotenziale bestehen."

Als einer der zentralen Fragen gilt die Zuwanderung von Arbeitskräften aus den Beitrittsländern. Hier kommt die Studie zum Schluss, dass bei einem Beitritt aller fünf Kandidaten etwa 45 Prozent der realistischerweise zu erwartenden Einwanderer auf Wien entfallen fallen werden. Also rund 9.000 Personen. Diese teilen sich auf in 6.000 Migranten und 3.000 Pendler pro Jahr.

Bereits jetzt intensive wirtschaftliche Kontakte mit Beitrittsländern

Schon vor dem Beitritt der fünf Kandidatenländer bestehen intensive wirtschaftliche Kontakte. Seit dem Fall des Eisernen Vorhanges ist hier ein Anwachsen der Aktivitäten zu beobachten, das vor allem für die Ostregion Österreichs Vorteile gebracht hat. Vor allem der frühe Marktzugang begünstigt hier österreichische Firmen.

  • So betrugen die Exporte österreichischer Firmen in die
    Oststaaten 1999 bereits mehr als 130 Milliarden Schilling, wobei
    der größte Anteil auf Ungarn, Tschechien, die Slowakei und Polen
    entfiel.
  • Seit 1990 sind auch rapide steigende Außenhandelsüberschüsse zu
    verzeichnen. Der österreichische Außenhandelsüberschuss mit
    Tschechien, Ungarn, der Slowakei und Slowenien ist von Null im
    Jahr 1989 auf 22 Milliarden Schilling (1999) angestiegen.
    Alleine dadurch wurden in den letzten 10 Jahren jährlich etwa
    20.000 Arbeitsplätze in Österreich geschaffen bzw. erhalten.
  • Die Anzahl registrierter österreichischer Firmen in den
    Oststaaten ist von 921 im Jahr 1990 auf rund 15.000 (Stand 1998)
    angestiegen.
  • Auch der Einzelhandel profitiert: Konsumenten aus Tschechien,
    Ungarn, der Slowakei und Polen gaben zwischen Juli 1999 und Juni
    2000 alleine in Wien 11 Milliarden Schilling aus.

Vorbereitungen vorantreiben: Österreich wird profitieren

Da es im Zuge der EU-Erweiterung auch zu einer regional ungleichen Verteilung von Kosten und Nutzen kommen kann, sind bereits im Vorfeld der Erweiterung Maßnahmen notwendig. Die Handlungsempfehlungen von "Preparity" zielen daher darauf ab, durch eine gezielte Vorbereitungsstrategie etwaige Härten abzufedern und die österreichische Wettbewerbsfähigkeit insgesamt zu stärken.

Die Studie definiert folgende Handlungsfelder:

Kooperationen fördern: Die positive Wirkung von grenzüberschreitenden Unternehmenskooperationen und Direktinvestitionen ist unbestritten. Insbesondere die Unternehmen konnten die Vorteile der transnationalen Zusammenarbeit bisher nützen und ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit dadurch steigern. Vor allem im Bereich der Klein- und Mittelunternehmen sind grenzüberschreitende Aktivitäten in Zukunft verstärkt zu fördern.

  • Moderne Technologie- und Standortpolitik: Aufgrund seiner
    Branchenstruktur, aber auch gemessen an der regionalen
    Wettbewerbsfähigkeit verfügt Wien über eine hervorragende
    Ausgangsposition für die kommende Erweiterung des Binnenmarktes.
    Mit Hilfe einer gezielten Förderung von Forschung & Entwicklung
    sowie der Schaffung von überregionalen Logistik- und
    Knotenkompetenzen könnte sich die Vienna Region in Kooperation
    mit Brünn, Bratislava und Györ als zentraler Standort im neu
    entstehenden Binnenwirtschaftsraum etablieren.
  • Ausbau der Infrastruktur: Voraussetzung für alle
    regionalpolitischen Strategien ist eine leistungsfähige
    Infrastruktur. Dies gilt sowohl für die Anbindung Wiens an die
    transeuropäischen Verkehrsnetze (TEN), als auch für die
    Vernetzung der österreichischen Zentralräume untereinander.
    Innerhalb des Standortes Wien ist die Entwicklung von
    zukunftsfähigen intermodalen Logistikknoten notwendig.
  • Arbeitsmarkt: Übergangsfristen nützen. Die Zuwanderung wird in
    den ersten Jahren nach dem EU-Beitritt der MOEL durch
    Übergangsfristen eingeschränkt bleiben. Diese Fristen sollten
    jedoch aktiv genützt werden.
  • Qualifikation: Bildungs- und Weiterbildungsprogramme sollen die
    Wettbewerbsfähigkeit österreichischer Arbeitnehmer steigern.

PREPARITY: Internationale WIFO-Studie

In den vergangenen beiden Jahren hat das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) gemeinsam mit österreichischen, deutschen und italienischen Partnern die wirtschaftlichen Auswirkungen der EU-Erweiterung analysiert und einen Katalog regional- und wirtschaftspolitischer Handlungsempfehlungen erstellt. Die Ergebnisse des Gutachtens "Preparity" liegen jetzt vor und werden im Rahmen der Europäischen Konferenz "ready to enlarge" am 8. November 2001 im Wiener Rathaus präsentiert.

Europäische Konferenz, 8. November 2001, Wiener Rathaus, Festsaal

Über die Analyseergebnisse und Handlungsempfehlungen des Projektes "Preparity" diskutieren rund 400 TeilnehmerInnen, unter Ihnen mehr als 30 hochrangige ExpertInnen und PolitikerInnen aus EU-Staaten, den Beitrittskandidatenländern sowie der Europäischen Kommission:

EU-Kommissarin Michaele Schreyer wird die Kernaspekte der Europäischen Erweiterungspolitik skizzieren sowie Kosten und Nutzen der Osterweiterung für die EU, deren Haushalt und die weitere europäische Integration analysieren. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und Vizebürgermeister Sepp Rieder werden aus bundes- bzw. landespolitischer Perspektive zu künftigen wirtschaftspolitischen, infrastrukturellen und bewusstseinsbildenden Strategien Stellung beziehen. Die Regierungsbeauftragten von Polen und Ungarn für die EU- Beitrittsverhandlungen werden den Standpunkt der Kandidatenländer vertreten. Weiters diskutieren u.a. Nationalrat und SP- Europasprecher Caspar Einem, Stadtrat Rudolf Schicker (Wien) und Landesrat Herbert Paierl (Steiermark), für die Interessensvertretungen Lorenz Fritz, Reinhold Mitterlehner und Georg Ziniel, der österreichische Erweiterungsbeauftragte Erhard Busek, WIFO-Chef Helmut Kramer, u.v.a.m.

Das vollständige Programm der Veranstaltung am 8. November finden Sie im Internet unter www.preparity.wsr.ac.at/ oder direkt bei:

  • Europaforum Wien - Zentrum für Städtedialog und Europapolitik
    Rahlgasse 3/2, A-1060 Wien
    Tel.: 585 85 10-0
    Fax: 585 85 10-30
    E-Mail: institut.efw@europaforum.or.at/
    Internet: www.europaforum.or.at/

PREPARITY - ein europäisches Projekt

Das Projekt PREPARITY verfolgt das Ziel, die Staaten in den Regionen an den mitteleuropäischen EU-Außengrenzen auf die EU- Erweiterung vorzubereiten. Die Ausarbeitung eines Instrumentariums zur wirtschaftspolitischen und raumplanerischen Bewältigung der regionalen Struktur- und Kohäsionsprobleme soll dazu beitragen.

Das Projekt wird vom WIFO federführend bearbeitet und koordiniert. An seiner Finanzierung im Rahmen von INTERREG II C beteiligen sich außer Tirol und Vorarlberg alle österreichischen Bundesländer und das BMWA. Gleichzeitig wurde das Projekt aber auch in Deutschland vom Ifo (München) und in Italien vom ISDEE (Triest) durchgeführt. Ebenso kamen Beiträge aus Ungarn und der Tschechischen Republik. (Schluss) mmr/

(RK vom 06.11.2001)